der feine Unterschied Der Diesseits - Humanistischer Verband ...

Auch von der Vorstellung einer festen
Instanz namens Ich hat sich die Wissenschaft
verabschiedet. Sie geht vielmehr davon
aus, dass kohärente Wahrnehmungen
durch Ensembles von Neuronen erzeugt
werden, ähnlich wie sich Texte aus den 26
Buchstaben des Alphabets zusammensetzen.
Nach Ansicht von Wolf Singer beruhen
auch bewusste Entscheidungen, die wir als
frei empfinden, auf neuronalen Prozessen.
Wenn wir dafür dennoch stets bewusste
Gründe angeben können, stecken oft
nachträgliche Rationalisierungen dahinter.
Stimmen die bewusste und die unbewusste
Abwägung überein und stehen mehrere
Entscheidungsmöglichkeiten offen, fühlen
wir uns frei in unseren Entscheidungen.
Aber bringt der Abschied vom freien
Willen nicht eine weitere narzisstische
Kränkung mit sich, wie sie gern mit den
Entdeckungen von Kopernikus, Darwin
und Freud verbunden werden? Keineswegs,
erklärte Michael Pauen in seinem Vortrag.
Weder stehe angesichts des derzeitigen Forschungsstands
eine Krise ins Haus, noch sei
es in der Vergangenheit zu derartigen Kränkungen
gekommen. Im Gegenteil habe die
Forschung immer bessere Erklärungen für
die menschlichen Fähigkeiten gefunden.
Während man beispielsweise noch bis Mitte
des 19. Jahrhunderts am dualistischen
Leib-Seele-Konzept festhielt, sind heute an
seine Stelle leistungsfähigere, naturalistische
Modelle getreten. Eine vergleichbare Entwicklung
diagnostiziert Pauen bei der Hirnforschung.
Das Staunen über die Fähigkeiten des
Denkorgans haben die Naturalisten indes
nicht verloren. Auf die Publikumsfrage
„Sind künstlerische Leistungen nur Produkte
des Gehirns?“ antwortete Wolf Singer
mit einem Schmunzeln: „Das Wörtchen
‚nur’ ist zuviel in Ihrem Satz.“ ●
Weitere Informationen und Materialien zu den
Vorträgen des Symposiums unter www.turmdersinne.de
Inge Hüsgen ist Redaktionsleiterin der kritischen
Wissenschaftszeitung Skeptiker und Redakteurin
des turmdersinne-Newsletters Sinnesorgan.
Das nächste Symposium turmdersinne findet
vom 10.-12. Oktober 2008 in Nürnberg statt.
Der Titel: „Künstliche Sinne – gedoptes Gehirn.
Neurotechnik und Neuroethik“. Zur Einführung
spricht der Philosoph Thomas Metzinger,
Leiter des Arbeitsbereichs Neurophilosophie
am Interdisziplinären Forschungszentrum für
Neurowissenschaften an der Universität Mainz.
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4/2007
Sinnliches unterm säkularen Weihnachtsbaum
Sinnliches Schenken ganz anders? Wenn Sie noch nach einem geeigneten
säkularen Weihnachtspräsent für Ihre Liebsten grübeln, warum verschenken
Sie nicht mal eine „sinnliche“ Reise in die schöne mittelalterliche Stadt
Nürnberg? Einen Gutschein für einen Besuch im Hands-on-Museum
turmdersinne erhalten diesseits-Abonennten von uns kostenlos dazu. Das
Museum stellt dafür 3 Gutscheine für Einzelpersonen (Wert: 6 Euro) und 3
Familiengutscheine (Wert: 16 Euro, gültig für max. zwei Erwachsene und
deren Kinder) zur Verfügung. Die Eintrittskarten sind auch über den
Jahreswechsel hinaus gültig.
Bitte schreiben Sie bis 15. Dezember an: Diesseits, Wallstraße 61-65, 10179
Berlin oder an: diesseits@humanismus.de
Dazu auch gleich ein passender Lesestoff? Soeben im mentis-Verlag
erschienen ist das zweite Buch aus der Reihe der Symposiumsbände des
turmdersinne: „Von Sinnen. Traum und Trance, Rausch und Rage aus Sicht
der Hirnforschung“ (Euro 29,80, ISBN: 978-3-89785-572-4). Die erste
Veröffentlichung „Freier Wille – frommer Wunsch?“ (Euro 29,80, ISBN 978-3-
89785-445-1) ist in zweiter Auflage ebenfalls noch erhältlich.