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der feine Unterschied Der Diesseits - Humanistischer Verband ...

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angesehen<br />

Gernoth Schmidt<br />

Sterben in Serbien<br />

■ Das Herz ist krank. <strong>Der</strong> zehnjährige Nemanja<br />

ist zusammengebrochen und wird<br />

ohne baldige Operation sterben. Die lebensrettende<br />

Behandlung kann in Deutschland<br />

durchgeführt werden, für 26.000 Euro.<br />

Doch Operationen im Ausland zahlt die<br />

Krankenversicherung nicht. Diese Nachrichten<br />

reißen eine Belgra<strong>der</strong> Mittelstandsfamilie<br />

aus ihrer wohl geordneten Durchschnittlichkeit.<br />

Was tun? Das Geld reicht ohnehin<br />

kaum, ein Kredit in dieser Höhe ist nicht zu<br />

bekommen, die Zeitungen sind voll von<br />

Bettelinseraten. Die Nerven liegen blank, in<br />

<strong>der</strong> Ehe knirscht es. Sie sagt es nicht, aber<br />

zeigt deutlich, dass sie Mladen, ihren Mann,<br />

für einen Versager hält, dem selbst nichts<br />

einfällt, während sie sich verzweifelt abstrampelt,<br />

eine Lösung wenigstens sucht.<br />

Doch dann erhält er das abenteuerliche Angebot<br />

eines Fremden, Operation und Reisekosten<br />

zu finanzieren ... als Gegenleistung<br />

für den Mord an einem neureichen Geschäftsmann,<br />

ohne den „die Welt ein Stück<br />

besser wäre“. Also fast eine gute Tat. Mladen<br />

lehnt zunächst ab, um sich nach einem erneuten<br />

Anfall seines Sohnes auf diesen faustischen<br />

Pakt einzulassen. Er wird morden.<br />

Aus Liebe zum Kind. Doch das Gewissen ist<br />

übermächtig, es wird Mladen nicht loslassen.<br />

Aus diesem Stoff sind antike Tragödien.<br />

Was würden wir in einer solchen Situation<br />

tun, konfrontiert mit Fragen, auf die es nur<br />

falsche Antworten gibt? Wie weit gehen wir,<br />

wenn wir Leid und Schuld ohnehin nicht<br />

ausweichen können? Könnten wir mit dem<br />

Vorwurf leben, nicht alles getan zu haben,<br />

um einen geliebten Menschen zu retten?<br />

Glück ist, nie vor eine solche Wahl gestellt<br />

zu werden.<br />

<strong>Der</strong> Film ist als Beichte angelegt. Nach<br />

<strong>der</strong> Tat will Mladen endlich das Richtige<br />

tun. Er erzählt seiner ahnungslosen Frau<br />

von dem Mord. Er sucht die Sühne. Da die<br />

Polizei sein Geständnis nicht ernst nimmt –<br />

vermutlich hält sie ihn für einen Aufschnei<strong>der</strong><br />

–, offenbart er sich schließlich <strong>der</strong> Witwe<br />

des Ermordeten, die er vom Spielplatz<br />

kennt und die zwischenzeitlich Nemanjas<br />

Operation bezahlt hat. Dass er damit quasi<br />

Selbstmord begeht, weiß er.<br />

„Klopka – Die Falle“ protokolliert die<br />

Selbstzerstörung eines im Grunde anständigen<br />

Mannes und ist zugleich das finstere<br />

Soziogramm einer Gesellschaft, die sich<br />

spaltet in eine im wahrsten Sinne des Wortes<br />

um das Leben kämpfende Mittel-, eine<br />

ohnehin verelendete Unter- und eine immer<br />

reicher und dreister werdende Oberschicht,<br />

von <strong>der</strong> niemand genau weiß, wie<br />

sie eigentlich zu dem vielen Geld kommt.<br />

Mladen, Bauingenieur in einer Firma, <strong>der</strong>en<br />

Übernahme durch einen westlichen Investor<br />

bevorsteht, hat, geprägt von sozialistischem<br />

Trott, schlechte Karten in dieser<br />

neuen Welt, <strong>der</strong>en Werte sich ausschließlich<br />

ökonomisch definieren. Zwar ist <strong>der</strong><br />

Krieg vorbei, doch in je<strong>der</strong> Szene ist den<br />

Menschen die Anstrengung anzusehen, die<br />

ihnen <strong>der</strong> Alltag abverlangt. Jede staatliche<br />

Autorität ist dahin, im Film versinnbildlicht<br />

durch eine inkompetente Polizei, die<br />

nirgends präsent ist – immerhin ist ein<br />

Mord aufzuklären. Die Regeln machen<br />

durch ihren Reichtum legitimierte, eher<br />

mehr als weniger kriminelle Oligarchen.<br />

<strong>Der</strong> aus den Trümmern des Sozialismus erwachsene,<br />

von „überkommenen“ Werten<br />

befreite neue Mensch erweist sich im entstandenen<br />

moralischen Vakuum schlimmer<br />

als <strong>der</strong> alte. Das Herz ist krank.<br />

<strong>Der</strong> Diktatur Milosevics folgte eine<br />

kaum humanere Tyrannei des Geldes, die in<br />

vergleichbarer Totalität alle Lebensbereiche<br />

zu dominieren beansprucht. Ein schönes<br />

Bild findet Regisseur Srdan Golubovic in<br />

dem bie<strong>der</strong>en Bankangestellten, <strong>der</strong> jeden<br />

Kreditwunsch penetrant lächelnd verweigert.<br />

Um den Job zu behalten, <strong>der</strong> ihn zum<br />

freundlichen Dauerlächeln verpflichtet,<br />

4/2007 33

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