der feine Unterschied Der Diesseits - Humanistischer Verband ...
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Licht, die Wärme, das Wohlbehagen symbolisch<br />
zu vergegenwärtigen, die die Menschen<br />
gerade im Winter zum Leben brauchen.<br />
In eins damit wird eine weltanschauliche<br />
Orientierung über den Tag hinaus vermittelt.<br />
Warten auf Wärme und Licht<br />
Die dauerhafte, objektive, naturgeschichtliche<br />
Grundlage des Weihnachtsfestes ist die<br />
Wintersonnenwende, <strong>der</strong> Punkt im Umlauf<br />
<strong>der</strong> Erde um die Sonne, von dem an<br />
(auf <strong>der</strong> Nordhalbkugel) ihre Leben spendende<br />
Strahlung wie<strong>der</strong> zunimmt. Die Tage<br />
werden wie<strong>der</strong> länger, ein neuer Frühling<br />
bahnt sich an. Dies ereignet sich – „alle Jahre<br />
wie<strong>der</strong>“ – in <strong>der</strong> Zeit um den 21. Dezember<br />
herum. <strong>Der</strong> Sieg des Lichtes über<br />
die Finsternis, <strong>der</strong> Sieg <strong>der</strong> Wärme über die<br />
Kälte sind unaufhaltsam im Kommen. Ein<br />
nachchristliches, weltlich-humanistisches<br />
Verständnis von Weihnachten knüpft an<br />
diese kosmische und insofern unverwüstliche<br />
Verankerung an und verbindet sie unbefangen<br />
mit dem Beitrag <strong>der</strong> christlichen<br />
Religion zur Ausgestaltung des Festes. Neuheidnisch<br />
und damit rückwärtsgewandt<br />
wäre es, nur auf die Wintersonnenwende<br />
abzuheben und die qualitative Bereicherung<br />
des Festes durch das Christentum zu ignorieren<br />
o<strong>der</strong> gar zu leugnen.<br />
Dieser produktive Beitrag besteht in <strong>der</strong><br />
Ethisierung, Historisierung und Politisierung<br />
des Festinhaltes. „Friede auf Erden und<br />
den Menschen ein Wohlgefallen“, so singen<br />
die Engel über dem Stall von Bethlehem<br />
und greifen damit messianische Visionen<br />
Anzeige<br />
Helmut Fink (Hrsg.)<br />
Was heißt<br />
Humanismus heute?<br />
Ein Streitgespräch zwischen Joachim<br />
Kahl und Michael Schmidt-Salomon<br />
Schriftenreihe <strong>der</strong> Humanistischen<br />
Akademie Bayern,Bd.2<br />
73 Seiten,geheftet,Euro 5.-<br />
ISBN 3-86569-035-1<br />
Ausgehend von <strong>der</strong> Kritik des letzten<br />
Buches des jeweils an<strong>der</strong>en versuchen<br />
die beiden bekannten Philosophen<br />
das Profil des Humanismus zu<br />
schärfen.<br />
30<br />
www.alibri.de<br />
4/2007<br />
aus dem Alten Testament („Schwerter zu<br />
Pflugscharen“) und Proklamationen aus <strong>der</strong><br />
Regierungszeit des römischen Kaisers Augustus<br />
auf. Da sie freilich illusionär mit dem<br />
Eingreifen eines himmlischen Retters in das<br />
irdische Geschehen verklammert werden,<br />
erfolgt – „alle Jahre wie<strong>der</strong>“ – ihre praktische<br />
Entzauberung. Ein weltlich-humanistisches<br />
Verständnis von Weihnachten haftet daher<br />
nicht länger am Mythos von <strong>der</strong> Menschwerdung<br />
Gottes, son<strong>der</strong>n feiert die Menschwerdung<br />
des Menschen als ständige Aufgabe,<br />
wofür Friede eine entscheidende gesellschaftliche<br />
Bedingung ist. Friede wird aber<br />
nicht den Menschen irgendwie von oben<br />
geschenkt, wie es die Botschaft <strong>der</strong> Engel<br />
und <strong>der</strong> Glaube an die wun<strong>der</strong>bare Geburt<br />
eines göttlichen Heilands behaupten. Friede<br />
lässt sich nur als Resultat einer gewaltigen<br />
und koordinierten Anstrengung von Millionen<br />
Menschen verwirklichen.<br />
Das Interesse am Geburtsdatum des<br />
christlichen Erlösers tauchte erst im vierten<br />
Jahrhun<strong>der</strong>t nach <strong>der</strong> konstantinischen<br />
Wende auf, als das Christentum zur Staatsreligion<br />
erhoben worden war. Mit strategischer<br />
Klugheit und bis heute reichenden<br />
Folgen setzte <strong>der</strong> römische Bischof aus eigener<br />
Machtvollkommenheit fest: <strong>Der</strong> Welterlöser,<br />
dessen Geburtsdatum in <strong>der</strong> Bibel<br />
nirgendwo erwähnt wird, wurde in <strong>der</strong><br />
Nacht vom 24. auf den 25. Dezember geboren.<br />
Warum? Weil im gesamten Imperium<br />
Romanum <strong>der</strong> 25. Dezember staatsoffiziell<br />
als Geburtstag des „unbesiegten<br />
Sonnengottes“ (sol invictus) gefeiert wurde.<br />
Das Datum lag kurz nach <strong>der</strong> Wintersonnenwende<br />
und bewies mit den bereits wie<strong>der</strong><br />
länger werdenden Tagen die Unbesiegtheit<br />
<strong>der</strong> Sonne, den sich erneuernden Triumph<br />
des Lebens. Mit dieser Datierung<br />
sollte gezielt <strong>der</strong> heidnische Sonnengott verdrängt<br />
und das römische Fest umfunktioniert<br />
werden zur Feier des Aufgangs <strong>der</strong><br />
wahren Gnadensonne über Bethlehem. Das<br />
war umso leichter möglich, als bereits im<br />
Neuen Testament Aussagen aus dem antiken<br />
Sonnenkult auf Jesus übertragen worden<br />
waren. „Ich bin das Licht <strong>der</strong> Welt“,<br />
heißt es beispielsweise im Johannes-Evangelium.<br />
Elemente des Sonnenkultes<br />
So setzten sich im christlichen Weihnachtsfest<br />
Elemente und Symbole des Sonnenkultes<br />
naturwüchsig durch, und zwar vor allem<br />
im mittwinterlichen Grünschmuck und im<br />
Lichterglanz <strong>der</strong> Kerzen. Zwar ist <strong>der</strong> lichtergeschmückte<br />
Tannenbaum als optischer<br />
Mittelpunkt erst ein Erzeugnis <strong>der</strong> bürgerlichen<br />
Familienkultur des neunzehnten Jahrhun<strong>der</strong>ts.<br />
Doch ist die mit dem Sonnenkult<br />
unmittelbar verbundene Baum- und Lichtsymbolik<br />
als solche uralt und hat in mannigfachen<br />
Formen Advents- und Weihnachtsbräuche<br />
beeinflusst. Harmonisch ist<br />
das Grün <strong>der</strong> Vegetation verbunden mit<br />
dem Abglanz des Sonnenlichtes als dem Ursprung<br />
allen Gedeihens und Wachsens.<br />
Als das Christentum über seine mediterranen<br />
Ursprünge hinauswuchs, wurde es<br />
nördlich <strong>der</strong> Alpen mit germanischen Sitten<br />
und Anschauungen konfrontiert. Unsere<br />
Vorfahren feierten in den Tagen vor und<br />
nach <strong>der</strong> Wintersonnenwende das Julfest<br />
mit Julschmaus und Julbier und Julfrieden.<br />
Die Nächte um den 21. Dezember herum<br />
nannten sie die „wihen nachten“, die geweihten<br />
Nächte, aus denen das Wort Weihnachten<br />
hervorgegangen ist. Die Nächte<br />
schienen „geweiht“, etwas Beson<strong>der</strong>es zu<br />
sein, weil in dieser dunkelsten Zeit des Jahres<br />
<strong>der</strong> Umschlag zum Licht erfolgt und die<br />
wie<strong>der</strong> zunehmende Wärme den Winter zuverlässig<br />
besiegen wird. Das Julfest war ein<br />
Fest des Friedens, des Lichtes, <strong>der</strong> Freude,<br />
<strong>der</strong> Hoffnung, <strong>der</strong> Fruchtbarkeit. Die Einheit<br />
von Sonne und Erde, von Mensch und<br />
Natur, von Mensch und Tier wurde gefeiert.<br />
Den wilden Tieren in Wald und Feld<br />
wurde Futter hingestreut, Streitereien und<br />
Kämpfe zwischen Menschen wurden vorübergehend<br />
ausgesetzt, eine Verhaltensweise,<br />
die Julfrieden genannt wurde.<br />
So führt ein nachchristliches, ja insgesamt<br />
nachreligiöses, weltlich-humanistisches<br />
Verständnis des Weihnachtsfestes seine<br />
beiden bisherigen Entwicklungsstufen zu<br />
einer höheren Einheit zusammen. Zwei<br />
Sinnebenen lassen sich deutlich unterscheiden.<br />
In <strong>der</strong> kosmologisch-ökologischen<br />
Sinndimension wird die Einheit von Erde<br />
und Sonne, von Mensch und Natur gefeiert.<br />
In <strong>der</strong> historisch-ethischen Dimension wird<br />
<strong>der</strong> Friede auf Erden als ständige Aufgabe<br />
vergegenwärtigt. Da es sich hierbei um rein<br />
weltlich-menschliche Dinge handelt, nicht<br />
um ein wun<strong>der</strong>bares göttliches Geschehen,<br />
ergibt sich daraus eine charakteristische Verschiebung<br />
in <strong>der</strong> Gefühlslage des Festes. An<br />
die Stelle traulich besinnlicher Andacht tritt<br />
eine gelöste Heiterkeit. ●<br />
Dr. Dr. Joachim Kahl ist freiberuflicher Philosoph.