05.12.2012 Aufrufe

der feine Unterschied Der Diesseits - Humanistischer Verband ...

der feine Unterschied Der Diesseits - Humanistischer Verband ...

der feine Unterschied Der Diesseits - Humanistischer Verband ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Ist Professor Dawkins ein würdiger<br />

Preisträger?<br />

Gar keine Frage. Richard Dawkins wird<br />

nicht nur weltweit beachtet, son<strong>der</strong>n verdient<br />

diese Beachtung auch, was nicht immer<br />

zusammentrifft. Er ist unbestritten einer<br />

<strong>der</strong> bedeutendsten Evolutionsbiologen<br />

unserer Zeit, ja gilt vielen als führen<strong>der</strong> Vertreter<br />

seines Faches überhaupt. Ich selbst,<br />

das sagte ich in meiner Rede, schätze beson<strong>der</strong>s<br />

den Elan des Religionskritikers, seine<br />

Angriffigkeit, das so Unverblümte, wenig<br />

„Professorale“, so gar nicht vernunfteitle seiner<br />

Bücher, nicht zuletzt seine intellektuelle<br />

Redlichkeit. Auch persönlich wirkt <strong>der</strong><br />

Oxford-Gelehrte auf mich sehr gewinnend.<br />

Er strahlt, wenn ich so sagen darf, eine Aura<br />

souveräner Bescheidenheit aus.<br />

Dawkins geht es mit seinem Werk darum,<br />

den Menschen zu beweisen, dass es<br />

Gott nicht gibt. Ihnen liegt es eher am<br />

Herzen, die Verbrechen <strong>der</strong> Institution<br />

Kirche aufzuklären. Gibt es trotzdem<br />

Parallelen zwischen Ihren Arbeiten?<br />

Parallelen? In Menge! Ich bin ja nicht nur<br />

Verfasser <strong>der</strong> „Kriminalgeschichte“ – übrigens<br />

keineswegs <strong>der</strong> Kirche bloß, son<strong>der</strong>n<br />

„des Christentums“, was weit mehr umfasst.<br />

Ich schrieb umfangreiche Aufsätze, ja ganze<br />

Bücher, die viel, viel weniger den Verbrechen<br />

als dem Glauben <strong>der</strong> Christen gelten,<br />

26<br />

4/2007<br />

oft fast allein dem Glauben. Dazu gehört<br />

meine erste christentumskritische Publikation,<br />

durch ein halbes Jahrhun<strong>der</strong>t immer<br />

wie<strong>der</strong> neu aufgelegt, siebenhun<strong>der</strong>t Seiten<br />

stark: „Abermals krähte <strong>der</strong> Hahn“. Dazu<br />

gehört das Buch „<strong>Der</strong> gefälschte Glaube.<br />

Die wahren Hintergründe <strong>der</strong> kirchlichen<br />

Lehren“. Dazu gehört das beinahe hun<strong>der</strong>t<br />

Seiten umfassende Traktat „Warum ich<br />

Agnostiker bin“ sowie <strong>der</strong> Aufsatz „Ich<br />

brauche kein Gottesbild“ und weitere Essays.<br />

Dazu zählen auch die meisten <strong>der</strong> von<br />

mir editierten christentumskritischen Dokumentationen,<br />

etwa „Was halten Sie vom<br />

Christentum?“, „Warum ich aus <strong>der</strong> Kirche<br />

ausgetreten bin“, „Jesusbil<strong>der</strong> in theologischer<br />

Sicht“ o<strong>der</strong> die zweibändige Anthologie<br />

„Das Christentum im Urteil seiner Gegner“.<br />

Sogar in <strong>der</strong> „Kriminalgeschichte“ betrifft<br />

Band 3 zum größten Teil die Historie<br />

des Glaubens.<br />

Es stimmt einfach nicht, es ist geradezu<br />

lächerlich unwahr, engt man meine Christentumskritik<br />

auf den Rapport bloßer<br />

Mord- und Totschlagaktionen ein, vielleicht<br />

gar mit dem pseudokecken Zungenschlag<br />

jenes Berliner Kirchenmannes, <strong>der</strong><br />

mir einst in einer Talkshow, brustgeschwellt<br />

sein Credo beschwörend, zurief: „... da können<br />

Sie noch so viele Kriminalromane<br />

schreiben…“ – als schriebe ich die Romane<br />

<strong>der</strong> Christentumsgeschichte, als schriebe sie<br />

nicht diese Seite selbst, von den Bibelschreibern<br />

angefangen! Kurz, wer meine Schriften<br />

liest, wird darin immer wie<strong>der</strong>, wird schockweise<br />

Parallelen zu Dawkins finden, mag<br />

auch <strong>der</strong> Ansatz verschieden sein.<br />

Haben Sie schon eine Idee, wer <strong>der</strong> nächste<br />

Preisträger sein könnte?<br />

Eine Idee schon, aber wie gesagt, keine<br />

Stimme bei <strong>der</strong> Entscheidungsfindung.<br />

In Ihrer Rede am heutigen Abend haben<br />

Sie sich sehr wissenschaftskritisch<br />

geäußert. Wenn Religion den Menschen<br />

nicht hilft, Wissenschaft jedoch auch<br />

nicht, woran sollen wir uns halten?<br />

Ich bin wissenschaftskritisch, ja, gerade<br />

im Sinn <strong>der</strong> Wissenschaft, die stets kritisch,<br />

selbstkritisch sein muss o<strong>der</strong> keine Wissenschaft<br />

ist. Wie zum Beispiel die Theologie,<br />

die längst aus den Universitäten hätte fliegen<br />

sollen und die dort nur noch kraft des unheilvollen<br />

Techtelmechtels zwischen Thron<br />

und Altar ihre Windeier ausbrütet. Die Religion<br />

hilft den Menschen bloß scheinbar.<br />

Unter krasser Ignorierung des Wahrheitsbereiches.<br />

O<strong>der</strong> sagen wir besser: Missachtung<br />

<strong>der</strong> Wahrscheinlichkeit. Religionen<br />

sind falsche Mittel zur Befriedigung echter<br />

Bedürfnisse. Wissenschaft kann wirklich<br />

helfen, doch auch ruinieren. Schon die Resultate<br />

<strong>der</strong> Zell- und Atomkernforschung<br />

sprechen für sich. Ihre Frage, nur allzu begreiflich,<br />

berührt das Problem, das uralte<br />

Thema: Hat unser Leben – aufs Ganze gesehen<br />

– einen Sinn? Wer ihn zu wissen vorgibt,<br />

lügt. Ein solches Wissen übersteigt die<br />

Erkenntnisgrenze unseres Gehirns. Wir<br />

können aber dem letztlich vielleicht wohl<br />

Sinnlosen einen Sinn geben, und eine <strong>der</strong><br />

sowohl einfachsten wie tiefsten Sentenzen<br />

hierzu schrieb Goethe: „<strong>Der</strong> Sinn des Lebens<br />

ist das Leben selbst.“ Die eher noch bedeutsamere<br />

Frage freilich, wie wir leben sollen,<br />

beantwortet Albert Schweitzer für mich<br />

beson<strong>der</strong>s überzeugend: „Ich bin Leben, das<br />

leben will, inmitten von Leben, das leben<br />

will.“ Empathie also, Mitgefühl, Beistand.<br />

Ich selber glaube, je älter ich werde, desto<br />

mehr, dass die kleinste Hilfe oft besser ist als<br />

<strong>der</strong> größte Gedanke. ●<br />

Einen ausführlichen Bericht über die Preisverleihung<br />

lesen Sie unter: http://hpd-online.de/<br />

node/2969<br />

Dawkins, Richard: <strong>Der</strong> Gotteswahn. – Berlin<br />

: Ullstein, 2007. – 22,90 Euro

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!