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ALLGEMEINE BESONDERHEITEN JUNI 2011<br />
kolumne � quadrat 06 / 2011 03<br />
Die Strebergärtner<br />
Endlich wird die Welt wieder grün, da zieht es auch den<br />
eingefl eischtesten Stubenhocker in die freie Natur, um<br />
ausgedehnte Grillexzesse und lauschige Nächte im Garten<br />
oder auf Balkonien zu verleben. Leider besaß ich bisher<br />
keine dieser beiden privaten Freiluftfl ächen – besaß, wohl-<br />
gemerkt, denn seit heute bin ich stolze Besitzerin eines<br />
Schrebergartens. Nach der Gemeinschaftspfl anzaktion im<br />
letzten Monat, die in Sachen willkürherrschaftlicher Zufallsdemokratie<br />
kaum zu toppen ist, fühle ich mich den<br />
drakonischen Regeln der Gemüsekolonisten durchaus gewachsen.<br />
Das Refugium der Wahl liegt in einer stadtnahen<br />
Kolonie mit dem viel versprechenden Namen „Grüne Harmonie“.<br />
Dieser scheint mir ein gutes Omen für mein Vorhaben<br />
zu sein. Voller Tatendrang betrete ich die angemietete<br />
Parzelle Nr. 10 und lade erstes zartes Pfl anzgut und<br />
das gerade erstandene Gartenwerkzeug in meinem be-<br />
schaulichen Refugium ab. Ein erster taxierender Blick in<br />
die Runde spricht Klartext: Meine Nachbarschaft auf der<br />
linken Seite besteht aus einer jungen, attraktiven Polin,<br />
die freundlich grüßt und sich dann wieder konzentriert der<br />
Unkrautvernichtung in ihren sprießenden Gemüsebeeten<br />
widmet, als von rechts ein wohlbekanntes Meckern ertönt.<br />
Mein persönlicher Intimfeind und Lieblingsnachbar betritt<br />
die begrünte Bildfl äche, nur spärlich in „Spießer“-Fein-<br />
ripp gewandet. Hinter ihm in der Abendsonne ein deutsch-<br />
deutsches Idyll: sein Schwarzwald-Hüttchen. In freund-<br />
lichstem Kasernenhofton diktiert er seiner Angetrauten<br />
den korrekten Pfl anzabstand verschiedener Blütenträger.<br />
Sie folgt ergeben und im Schweiße ihres hochroten Angesichts<br />
den Direktiven ihres Gartengenerals. Bereits erblühte<br />
Pfl anzen scheinen es ihr gleich zu tun: Sie stehen<br />
akkurat nach Farbe und Größe sortiert stramm wie die<br />
Zinnsoldaten. Ich wittere Meuterei und setze meine eigenen<br />
Pfl anzen künstlerisch kreativ in mäandernden Bögen<br />
und sinnlosen Grüppchen in die feuchte Gartenerde –<br />
Revolte im Beet sozusagen, denn bei mir dürfen sich die<br />
Pfl anzen und Blumen extrafrei entwickeln, quasi anti-<br />
autoritär gezogen. Am späten Nachmittag schlendere ich<br />
zufrieden mit dem Gestalten meines Reviers zum schwarzen<br />
Brett des Gemeinschaftshauses und entdecke die<br />
nächsten Termine der angeordneten Aktionen. Der Hinweis<br />
auf fällige Strafgebühren bei Nichterscheinen kommt mir<br />
irgendwie bekannt vor. Als ich die Unterschrift des Vereinspräsidenten<br />
als die meines Nörgel-Nachbars identifi ziere,<br />
wird mir urplötzlich die Tragweite meiner spontanen<br />
Garten anmietung bewußt.<br />
Mein Onkel vom Bio-Bauernhof hat als Willkommens-<br />
delegation für ein autarkes Selbstversorger-in-der-Stadt-<br />
Leben eine kleine Hühnerfamilie entsandt, zwei gutmütige<br />
Hühnerfrauen mit streitlustigem Hühnermann. Als ich<br />
vom ersten Rundgang durch die Kolonie zurückkehre, wer-<br />
de ich schon von weitem durch ein aggressives „Kikeriki“<br />
begrüßt. Zu diesem markanten Ton gesellt sich die Stimme<br />
des Nörgulators, der sich ob des ohrenbetäubenden<br />
Lärms beschwert. Na warte, prophezeie ich den beiden<br />
Störenfrieden im Stillen: Ich hab schon viele Männer als<br />
Gockel kommen und als Suppenhuhn gehen sehen!<br />
In diesem Sinne: Genießen Sie das Leben<br />
und bleiben Sie am Leben!