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Krankheiten. Eine Theorie besagt, dass das Auf-<br />
kommen der Tuberkulose eine Ausbreitung der Le-<br />
pra eingedämmt hat, da Leprakranke an Tuberkulose<br />
sehr schnell sterben. Erst im 20. Jahrhundert<br />
wurden die verschiedenen Erscheinungsformen<br />
dieser Epidemie durch den Einsatz von Antibiotika<br />
therapierbar. Ausgerottet ist diese Krankheit trotz<br />
aller Bemühungen der WHO dennoch nicht: Durch<br />
Medikamenten-Engpässe in Ländern und Regionen,<br />
die im Zuge der Globalisierung in der Versorgung<br />
benachteiligt sind, ist die Lepra dort auch heute<br />
noch aktiv.<br />
Zu der Bezeichnung „Aussatz“ kam es, weil Infi -<br />
zierte, die Leprosen, als Aussätzige in eigens dafür<br />
eingerichteten Lepra-Heimen, den Leproserien,<br />
die am Rande besiedelter Gebiete stets außerhalb<br />
der Stadtmauern lagen, ihrem Ende entgegenzusehen<br />
hatten. Erst einmal aufgenommen, durften<br />
sie diese Häuser nicht ohne Erlaubnis verlassen.<br />
Durch diese Isolationsmaßnahmen versuchte man,<br />
der Verbreitung der Krankheit entgegenzuwirken.<br />
Außerhalb eines Krankenhauses hatte man sich<br />
anhand spezieller Kleidung oder lautstarker Lepraratschen<br />
als Erkrankter zu erkennen zu geben.<br />
Der an der Ortsgrenze Bardowicks an der Straße<br />
nach Lüneburg gelegene St. Nikolaihof war einst<br />
ein solches „Haus der armen Siechen“, die dort in<br />
streng reglementierter, klosterähnlicher Gemeinschaft<br />
lebten und nach meist langem Siechtum<br />
starben. Sie waren auf Almosen angewiesen und<br />
hatten das Recht, einen Bettelstock am Rande der<br />
alten Handelsstrasse, die Lübeck, Lüneburg,<br />
Braunschweig und Frankfurt verband, aufzustellen,<br />
weshalb der Standort an der Handelsstraße von<br />
hoher Bedeutung war.<br />
Eine erste Erwähnung fi ndet die Einrichtung in<br />
einem Dokument von 1251, in welchem vom damaligen<br />
Bischof von Verden eine Schenkung bestätigt<br />
wurde. Diesem unterstand das Lepraheim<br />
offi ziell, doch wurde es – auch in späteren Zeiten,<br />
als es sich nach dem Ende der Lepra der Armen,<br />
Alten und von anderen Krankheiten Gezeichneten<br />
annahm – unter der Schirmherrschaft hoher Lüneburger<br />
Ratsherren, mitunter gar dem Bürgermeister<br />
selbst, geführt. Der eigentliche Zweck, zu dem<br />
die Anlage errichtet wurde, bleibt unbekannt. Man<br />
Luftbild vom St. Nikolaihof in Bardowick.<br />
vermutet, dass es als nicht mehr gebrauchtes Bardowicker<br />
Armenhaus nach der Zerstörung der<br />
Stadt im Jahre 1189 von der Stadt Lüneburg übernommen<br />
wurde.<br />
Eine vom Verdener Bischof verfasste Hausordnung<br />
aus dem Jahre 1344 ist bis heute erhalten, aus<br />
der die Alltagsabläufe der Leprastation hervorgehen:<br />
Wer Kraft genug hatte zu baden, musste an<br />
den Gottesdiensten teilnehmen, gegessen wurde<br />
nur schweigend, ein Keuschheitsgelübde wurde<br />
jedem Aufgenommenen abgenommen, die Unterbringung<br />
wurde strikt nach Geschlechtern getrennt.<br />
Alle Zuwiderhandlungen wurden schwer<br />
geahndet, es drohte schlimmstenfalls ein Ausschluss<br />
aus dem Hause, was einem Todesurteil<br />
gleich kam.<br />
Mit dem Abklingen des Aussatzes wandelte sich<br />
der Hof in ein Alters- und Armenheim, das in den<br />
Jahren viele Male umgebaut und erweitert wurde.<br />
Im seinem Zentrum die Kapelle, die neben dem<br />
alten Männerhaus zu den beeindruckendsten Bauten<br />
der Anlage gehört. Es existiert ein umfang-<br />
zurückgeblickt � quadrat 06 / 2011 31<br />
reiches Rechnungsbuch für die Jahre 1410 – 1466,<br />
welches dokumentiert, dass der Hof einst von<br />
nicht unbeträchtlicher wirtschaftlicher Bedeutung<br />
war. Auch gesunde und vermögende Menschen<br />
EINE ERSTE ERWÄHNUNG FINDET DIE EINRICHTUNG IN EINEM DOKUMENT VON 1251, IN<br />
WELCHEM VOM DAMALIGEN BISCHOF VON VERDEN EINE SCHENKUNG BESTÄTIGT WURDE.<br />
konnten sich im Alter nach der Einführung eines<br />
Pfründesystems dort aufnehmen lassen. Noch<br />
heute ist der Hof Teil einer sozial engagierten<br />
Stiftung und stellt eine der herausragenden Sehenswürdigkeiten<br />
der Region dar; für Historiker<br />
und Geschichtsfreunde ist er darüber hinaus von<br />
besonderem Interesse, da er in seiner Ursprünglichkeit<br />
im Aufbau mit all seinen Häusern erhalten<br />
geblieben ist. Beim Besuch des Hofes wähnt<br />
man sich in einer anderen Zeit und man bekommt<br />
eine Ahnung, welche Bedeutung er über die Jahrhunderte<br />
für die vielen Not leidenden Seelen, die<br />
hier ihre letzte Zuflucht fanden, gehabt haben<br />
muss. (ap)<br />
Text mit freundlicher Unterstützung von Dr. Ring/<br />
Stadt Lüneburg, Quellen: www.bardowick.de,<br />
bricks.eurob.org, Stadtarchiv