Pleitegeier über Bergisch Gladbach
Pleitegeier über Bergisch Gladbach
Pleitegeier über Bergisch Gladbach
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
treffpunkt Schönheit Rathaus<br />
„Wir sprechen nicht<br />
mehr vom Wünschenswerten<br />
oder Sinn vollen,<br />
wir sprechen nicht einmal<br />
mehr <strong>über</strong> das<br />
Notwendige.<br />
Sondern wir sprechen<br />
von der schwersten<br />
Haushaltskrise in der<br />
Geschichte der Stadt<br />
<strong>Bergisch</strong> <strong>Gladbach</strong>.“<br />
lutz urbach<br />
bürgermeister bergisch <strong>Gladbach</strong><br />
haushaltsdefizit in bergisch <strong>Gladbach</strong><br />
„ Die Krise ist<br />
voll angekommen“<br />
lutz Urbach, Bürgermeister der<br />
Stadt <strong>Bergisch</strong> gladbach, äußert<br />
sich im Interview zur desolaten Haushaltslage<br />
der Stadt, erläutert die<br />
unmittelbaren Konsequenzen des<br />
Defizits und spricht sich für eine Reform<br />
der Kommunalfinanzen aus.<br />
Frage: Bis Sommer 2009 existierte in<br />
<strong>Bergisch</strong> <strong>Gladbach</strong> noch die Hoffnung,<br />
dass die Wirtschaftskrise die Kreisstadt<br />
weit weniger hart träfe als anderenorts –<br />
dann erließ der Kämmerer die haushaltswirtschaftliche<br />
Sperre.<br />
Lutz Urbach: Die Krise hat leider keinen<br />
Bogen um unsere Stadt gemacht; sie ist voll<br />
angekommen. Das Defizit des Jahres 2009<br />
wird tatsächlich nicht bei den geplanten<br />
13,1 Millionen liegen, sondern deutlich dar<strong>über</strong>!<br />
Und 2010 dann voraussichtlich bei 33,5<br />
Millionen euro!<br />
Frage: Das Minus in der <strong>Bergisch</strong> <strong>Gladbach</strong>er<br />
Stadtkasse soll damit weit größer<br />
werden als im letzten Jahr noch angenommen<br />
– wie erklären Sie sich eine<br />
solche, doch ziemlich markante Fehleinschätzung?<br />
Lutz Urbach: verhalten ausgedrückt war<br />
man bei der Aufstellung des Plans 2009<br />
recht optimistisch. Mit 13,1 Millionen euro<br />
Jahresdefizit glaubte man, knapp unter<br />
der magischen 5 Prozent-Hürde zu bleiben<br />
und damit die Pflicht zur Aufstellung eines<br />
Haushaltssicherungskonzeptes umgehen zu<br />
können. Damit konnte durch eine entnahme<br />
aus der „virtuellen“ Ausgleichsrücklage<br />
und viel Planungsoptimismus noch einmal<br />
die Fiktion des ausgeglichenen Haushaltes<br />
erreicht werden. Man durfte noch einmal<br />
so tun, als wäre noch Geld da. Heute wissen<br />
wir, dass diese Hürde klar gerissen wurde!<br />
Frage: Und auf das Defizit von 33,5<br />
Millionen Euro, mit dem die Stadt für 2010<br />
rechnet, müssen nochmals 3 Millionen<br />
Euro ´draufgerechnet werden.<br />
Lutz Urbach: richtig, die Auswirkungen des<br />
„wachstumsbeschleunigungsgesetzes“ sind<br />
hier noch nicht eingerechnet, dürften aber<br />
ca. weitere 3 Millionen euro einnahmeverlust<br />
ausmachen. wir planen also mit einem<br />
Defizit in diesem Jahr von 36,5 Millionen<br />
euro.<br />
Frage: Konkret gefragt: Worauf muss<br />
sich <strong>Bergisch</strong> <strong>Gladbach</strong> angesichts leerer<br />
Kassen einstellen – was sind die unmittelbaren<br />
Folgen des Defizits?<br />
Lutz Urbach: Die formale Folge heißt „Nothaushalt“.<br />
Inhaltlich bedeutet das: keine<br />
neuen freiwilligen Leistungen, Abbau der<br />
bestehenden freiwilligen Leistungen um<br />
10% pro Jahr, extrem enge restriktionen bei<br />
der Personalwirtschaft und eine Deckelung<br />
der Kreditaufnahme auf die Höhe der<br />
tilgung minus ein Drittel.<br />
Frage: Das Thema Schulsanierung ist ein<br />
kommunalpolitischer Evergreen – müssen<br />
angedachte Projekte jetzt auf Eis gelegt<br />
werden?<br />
Lutz Urbach: Obwohl unser Investitionsschwerpunkt<br />
eindeutig in der Schulsanierung<br />
liegt und in den letzten Jahren einige<br />
Anstrengungen unternommen wurden,<br />
müssen wir konstatieren: es bleibt eine<br />
Bugwelle von ca. 45 bis 50 Millionen euro,<br />
die wir weiterhin in unsere Schulgebäude<br />
stecken müssen. Durch den im Nothaushalt<br />
bestehenden Kreditdeckel haben wir nur<br />
sehr begrenzte Mittel für diese Aufgabe und<br />
können dringend notwendige Arbeiten an<br />
unseren Schulen zum teil erst in einigen<br />
Jahren beginnen. Nur wenn wir an dieser<br />
Stelle verlässlich und berechenbar sind,<br />
dann dürfen wir auf die Geduld der betroffenen<br />
Schulgemeinden hoffen!<br />
Frage: <strong>Bergisch</strong> <strong>Gladbach</strong> steht mit<br />
seinen Verbindlichkeiten von inzwischen<br />
285 Millionen Euro und dem aktuellen<br />
Haushaltsdefizit nicht allein da – landauf,<br />
landab regiert der Nothaushalt, klagen<br />
Städte und Gemeinden <strong>über</strong> die dramatische<br />
Finanzlage.<br />
Lutz Urbach: Ohne reform der Kommunalfinanzen<br />
können die Gemeinden<br />
das Haushaltsproblem nicht lösen. Aber<br />
diese erkenntnis, die auch ein Appell an<br />
die verantwortlichen in Bund und Land ist,<br />
darf nicht zu einer resignation in unseren<br />
räten führen. Jede und Jeder muss an der<br />
Stelle, an der er verantwortung trägt, seinen<br />
Beitrag in dieser äußerst schwierigen Zeit<br />
leisten.<br />
22 GL KompaKt 0110