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Nordlicht_0906.qxp - Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein

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KV INTERN KOLUMNE / ZU GUTER LETZT 35<br />

WIE ICH ES SEHE ...<br />

Bürokratie-<br />

Folter-Hitparade:<br />

Wer bekommt<br />

den ersten Platz?<br />

Dr. Michael Drews<br />

Wenn man einmal eine Hitliste zeitintensivärgerlicher<br />

bis überladen-überflüssig-sinnloser<br />

Bürokratismusfolter-Vorgaben für Vertragsärzte<br />

aufstellen und den Spitzenreiter einer solchen<br />

Bürokratismus-Folter-Hitparade mit der „verbogenen<br />

Kanüle mit Rostbesatz“ auszeichnen würde<br />

– es gäbe eine Fülle aussichtsreicher Kandidaten für<br />

diese begehrte Trophäe.<br />

Die ungeliebten und immer noch völlig überfrachteten<br />

DMP-Bögen würden sich einen heißen Wettkampf<br />

liefern mit dem immer noch zeitintensiven und<br />

ärgerlichen Verwaltungsakt des Kassierens der zehn-<br />

Euro-Kassengebühr. – Die Ärztekammer würde mit<br />

ihrem Meldebogen zu Krebserkrankungen (die im Einzelfall<br />

auch schon einmal bei ein und demselben Patienten<br />

von einem halben Dutzend Kollegen gleichzeitig<br />

abgegeben werden...) ins Rennen gehen. Die Rezeptformulare<br />

für Krankengymnastik, Ergotherapie<br />

und Logopädie wetteifern mit dem Krankentransportscheinformular<br />

vor stationärer Einweisung, für<br />

dessen korrektes Ausfüllen ein zusätzliches Semester<br />

Verwaltungsrecht nötig ist sowie beim Ausfüllen am<br />

Patientenbett ein Suchscheinwerfer plus Leselupe<br />

zwingend erforderlich sind.<br />

Das Formular für den ambulanten Pflegedienst hätte<br />

allerdings größte Mühe, den mehrseitigen Reha-Antrag<br />

aus dem Feld zu schlagen. – Ein ganz heißer Kandidat<br />

für die Bürokratismus-Nonsens-Hitparade ist<br />

auch der jetzt gültige EBM 2000plus, der dem Vertragsarzt<br />

bei jeder Quartalsabrechnung erneut ein<br />

mehrseitiges Streichkonzert von fälschlich angeschriebenen<br />

oder sich ausschließenden inkompatiblen<br />

EBM-Ziffern beschert, das man eigentlich nur<br />

noch als braver Vertragsarzt KV-gläubig ratlos-kopfschüttelnd<br />

akzeptieren, jedoch kaum noch nachvollziehen<br />

kann.<br />

ZU GUTER LETZT<br />

Gesundheitsexperte Prof.<br />

Lauterbach in seinem Wahlkreis<br />

in Leverkusen zum<br />

Koalitionsbeschluss zur<br />

Gesundheitsreform: Die Gesundheitsreform<br />

sei „noch<br />

nicht in trockenen Tüchern“<br />

- sie sei „ein Reformfiasko<br />

für die Bevölkerung“ ...<br />

Letzterer Aussage ist wohl<br />

aus ärztlicher Sicht nichts<br />

hinzuzufügen!<br />

Zuständige Gesellschaft für Telematikanwendung gibt<br />

zu bedenken, dass bei der Einführung der Gesundheitskarte<br />

statt der vom Gesundheitsministerium geplanten<br />

1,4 Milliarden Euro möglicherweise Kosten von<br />

3,9 bis 7 Milliarden Euro entstehen könnten ... (Bericht<br />

in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung):<br />

Bundesgesundheitsministerium hat Wachstumsraten<br />

für die beitragspflichtigen Einnahmen der gesetzlichen<br />

Krankenversicherung für 2007 veröffentlicht: 0,28 Prozent<br />

für die alten Bundesländer - 1,05 Prozent für die<br />

neuen Bundesländer. Wachstumsspielräume für Vertragsärzte<br />

sind demnach begrenzt - Honorar 2007 wird<br />

stagnieren (zu deutsch: bei steigenden Kosten weiter sinken!)<br />

Hups - wer hätte das gedacht ....<br />

Doch für mich ist ein ganz heißer und kaum schlagbarer<br />

Kandidat für die „verbogene Kanüle mit Rostbesatz“<br />

die ICD-Kodierung, deren tieferer Sinn mir<br />

immer schon und wohl auch für alle Ewigkeit verborgen<br />

bleiben wird. Warum etwa eine Krankheit wie der<br />

Diabetes mellitus mit seinen vielen Facetten in der<br />

ICD-Kodierung mit fünfeinhalb Dutzend verschiedenen<br />

Kodierungsziffern abgebildet werden muss, wird<br />

wohl für immer das Geheimnis der ICD-Schöpfer bleiben.<br />

Wer allen Ernstes glaubt, mit dieser ICD-Verschlüsselung<br />

in Praxis und Klinik ein realistisches Abbild<br />

der Morbidität dieser Gesellschaft zu erhalten oder<br />

aus diesem Verschlüsselungszirkus gar irgendwelche<br />

Qualitätsnormen ableiten möchte, dem ist ohnehin<br />

nicht zu helfen. Die Realität dieser ICD-Kodierung in<br />

der Klinik sieht doch so aus, dass die Patienten nach<br />

Möglichkeit „DRG-gerecht“ kodiert werden. Und in<br />

der Vertragsarztpraxis spuckt der Computer den jeweiligen<br />

Symptomen der Patienten entsprechend<br />

irgendeine ICD-Kodierung aus – ob diese nun wirklich<br />

passt oder nicht, interessiert doch ohnehin niemanden!<br />

Natürlich erhebt diese Kandidatenkür keinerlei Anspruch<br />

auf Vollständigkeit und wird mit Sicherheit<br />

durch Kolleginnen und Kollegen aus anderen Fachgebieten<br />

ergänzt werden können. Doch trotz aller verbalen<br />

Beteuerungen, dass der Bürokratismus in diesem<br />

Lande zurückgefahren werden soll, trotz Einsetzung<br />

von Anti-Bürokratismus-Kommissionen auf KBV-<br />

Ebene, dürfte eines wohl auch für die Zukunft unbestritten<br />

sein: Für die „verbogene Kanüle mit Rostbesatz“<br />

wird es auch weiterhin in der Zukunft jede Menge<br />

neuer Kandidaten geben!<br />

Koalititon hat seit Amtseintritt<br />

vor einem Jahr 3,4 Millionen Euro<br />

für PR-Kampagnen zur<br />

Gesundheitsreform ausgegeben....<br />

Wer als Vertragsarzt allen Ernstes gehofft haben mag,<br />

die Gesundheitsreform würde einen Hauch von leistungsgerechtem<br />

Honorar mit sich bringen - wer ferner darauf<br />

vertraut hat, die Finanzierung der Polimorbidität dieser Gesellschaft<br />

und einer Luxusmedizin-Mentalität vieler Patienten<br />

würde von den Vertragsärzten genommen und auf die an<br />

sich zuständigen Krankenkassen zurückverlagert werden,<br />

möge den neusten Spruch eines Spitzenbeamten aus dem<br />

Gesundheitsministerium über seine Praxis hängen:<br />

„Es ist doch naiv zu glauben, wir<br />

führen eine Eurogebührenordnung ein<br />

und lassen dann den Himmel offen!“<br />

09 | 2006 <strong>Nordlicht</strong> AKTUELL

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