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PTB-Mitteilungen 2012 Heft 2

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<strong>PTB</strong>-<strong>Mitteilungen</strong> 122 (<strong>2012</strong>), <strong>Heft</strong> 2<br />

in Berlin diente er als Chirurg und Militärarzt an<br />

der Berliner Charité und in Potsdam. Er promovierte<br />

1842 neben Emil du Bois-Reymond und<br />

Rudolf Virchow beim großen Physiologen Johannes<br />

Müller an der Berliner Universität, schloss sich<br />

1845 wie der Ingenieur Werner Siemens der eben<br />

gegründeten Physikalischen Gesellschaft zu Berlin<br />

an, wo er am 25. Juni 1847 in seinem Vortrag über<br />

die „Erhaltung der Kraft“ die allgemeine Formulierung<br />

des Energiesatzes vorstellte. Nach einer<br />

Lehrstelle für Anatomie an der Berliner Akademie<br />

wurde er als Extraordinarius für Physiologie an die<br />

Königsberger Universität berufen und stieg dort<br />

schon 1850 zum Ordinarius und 1854 zum Dekan<br />

der medizinischen Fakultät auf. Unterstützt von<br />

seiner ersten Frau Olga von Velten, entstanden<br />

dort Pionierarbeiten über die Signalfortpflanzung<br />

bei der Nervenleitung. Außerdem erfand er<br />

den Augenspiegel und das Ophthalmometer zur<br />

Messung der Hornhautkrümmung. 1855 nahm<br />

er einen Lehrstuhl für Physiologie und Anatomie<br />

in Bonn an, zog aber bereits 1858 weiter nach<br />

Heidelberg. Das „Handbuch für physiologische<br />

Optik“ und die „Lehre von den Tonempfindungen“<br />

mit physikalisch-anatomischen Studien über<br />

das menschliche Ohr und das Hören schrieb er<br />

während dieser Zeit. In Heidelberg starb Ende<br />

1859 Olga Helmholtz. Einige Monate später heiratete<br />

Helmholtz seine zweite Frau, Anna von Mohl.<br />

Auf Reisen nach Großbritannien ab Sommer 1853<br />

lernte er berühmte Physiker kennen, namentlich<br />

den Engländer Michael Faraday („den gegenwärtig<br />

ersten Physiker Europas“). 1855 traf er den Schotten<br />

William Thomson in Deutschland, den er auch<br />

später häufig besuchte. 1871 wurde er nach dem<br />

Tode von Gustav Magnus dessen Nachfolger als<br />

Ordinarius für Physik an der Berliner Universität,<br />

nachdem er sich vorher durch wichtige Arbeiten<br />

über die Hydrodynamik und die Elektrodynamik<br />

als Physiker eingeführt hatte. Mit seinem Freund<br />

du Bois-Reymond baute er zwei benachbarte Institute<br />

für Physik bzw. Physiologie auf und richtete sie<br />

ein. Helmholtz begann nun eine erfolgreiche Laufbahn<br />

als Physiker in Zusammenarbeit mit Gästen<br />

wie Ludwig Boltzmann und Albert Abraham<br />

Michelson und Schülern wie Heinrich Hertz.<br />

Dem Förderer Siemens wurde gelegentlich<br />

vorgeworfen, dass er die geplante Physikalisch-<br />

Technische Reichsanstalt vollständig auf seinen<br />

Freund Hermann von Helmholtz zugeschnitten<br />

habe. Bereits im Mai 1889 konnte von den auf<br />

dem Siemens-Gelände errichteten Gebäuden<br />

das Wohnhaus der Familie Helmholtz bezogen<br />

werden. Es entwickelte sich bald zum Mittelpunkt<br />

einer illustren Gesellschaft, die vom Kronprinzenpaar<br />

über viele Kollegen und Künstler bis zu den<br />

leitenden Mitarbeitern der Reichsanstalt reichte.<br />

Unter letzteren seien Otto Lummer und Friedrich<br />

Kurlbaum besonders erwähnt, die dem Optischen<br />

Helmholtz und die Gründerjahre �<br />

Laboratorium der PTR vorstanden, sowie ihr Assistent und Helmholtz-<br />

Schüler Wilhelm (Willy) Wien.<br />

Zu Helmholtz’ Zeiten beschäftigte die Reichsanstalt 65 Personen,<br />

darunter mehr als ein Dutzend Physiker, und hatte ein Budget von<br />

263 000 Mark. Der Präsident bezog ein Gehalt von 24 000 Mark, für<br />

das ihn der Staat allerdings auch verpflichtete, Vorlesungen von ein-<br />

bis dreistündiger Dauer über theoretische Physik an der Universität<br />

zu halten. In seiner Gedächtnisrede auf den alten Freund im Juli 1895<br />

in der Berliner Akademie kommentierte Emil du Bois-Reymond die<br />

hohe Gehaltseinstufung mit den Worten, „dass der Präsident eines so<br />

umfangreichen, vielfach gegliederten, zum Teil den Charakter einer<br />

Unterrichtsanstalt, zum Teil den einer Fabrik tragenden Institutes mit<br />

einem Personal von 50 Beamten, eine gewaltige Menge von täglich sich<br />

erneuernden Verwaltungsgeschäften zu erledigen hat, welche … durch<br />

ihre Neuheit und Fremdartigkeit ihn vielmehr erst recht belasteten.“<br />

1897 konnte sein Nachfolger Friedrich Kohlrausch endlich auch die<br />

weiteren geplanten Gebäude der PTR in Betrieb nehmen: für die Physikalische<br />

Abteilung neben dem bereits existierenden Präsidentenwohnhaus<br />

das Observatorium, einen Verwaltungsbau und das Magnethaus<br />

und für die Technische Abteilung deren Hauptgebäude, ein Laboratoriumsgebäude,<br />

das Maschinenhaus, das Kesselhaus, das Lufthäuschen und<br />

das Wohnhaus des Direktors.<br />

Da Hermann von Helmholtz 1894 kurz nach seinem 73. Geburtstag<br />

starb, konnte er die großen wissenschaftlichen Erfolge seiner Anstalt, für<br />

die er mit seinen Vorstellungen die Grundlagen gelegt hatte, nicht mehr<br />

erleben.<br />

Der Ostpreuße Willy Wien trat nach mathematischen Studien an den<br />

Universitäten Göttingen und Berlin im Wintersemester 1883/84 ins<br />

Laboratorium von Hermann von Helmholtz an der Berliner Universität<br />

ein, in das er nach einem Auswärtssemester in Heidelberg zurückkehrte.<br />

Dort promovierte er 1886 mit einer optischen Arbeit. 1890 wurde er<br />

Mitarbeiter der PTR und wandte sich mit thermodynamischen und<br />

elektrodynamischen Methoden dem Gebiet der Wärmestrahlung zu. Mit<br />

Otto Lummer schlug er 1895 die Realisierung eines Schwarzen Strahlers<br />

in Form eines auf konstante Temperatur geheizten Hohlraums vor. Die<br />

Messungen Lummers mit den Helmholtz-Schülern Ernst Pringsheim,<br />

Ferdinand Kurlbaum und Heinrich Rubens führten schließlich ein Jahr<br />

später zum Wien’schen Strahlungsgesetz, das Max Planck, Ordinarius<br />

für Theoretische Physik an der Berliner Universität, 1899 herleiten<br />

konnte. Anschließend gefundene Abweichungen, die Rubens und<br />

Kurlbaum in Messungen bei hohen Temperaturen und großen Wellenlängen<br />

feststellten, führten Planck schließlich zu einer Verbesserung<br />

der Wien’schen Gleichung durch Einführung von Strahlungsquanten.<br />

Sein Vortrag darüber am 14. Dezember 1900 in der Versammlung der<br />

Deutschen Physikalischen Gesellschaft gilt gemeinhin als Aufbruch in<br />

eine neue Ära der Physik. �<br />

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