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f - Gaia Festival

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4<br />

„das ist’s,<br />

was so warm<br />

macht“<br />

Johannes Brahms<br />

1864<br />

Brahms’ 2. Streichsextett<br />

Dabei hatte doch alles so schön begonnen! Als es dann<br />

allerdings ums Heiraten ging, machte Brahms einen Rückzieher.<br />

Die Angebetete, Professorentochter Agathe von<br />

Siebold, hatte er als 25jähriger in Göttingen kennengelernt,<br />

war alsbald in Liebe entfacht und schrieb Briefe an seine<br />

„Gathe“, die diese als „Quellen des tiefsten, reinsten<br />

Glücks“ empfand. Sein Freund Julius Otto Grimm drängte<br />

ihn zur offiziellen Erklärung, geriet jedoch damit bei Brahms<br />

an den Falschen. Unmissverständlich seine Worte im Brief<br />

an Agathe: „Ich liebe Dich, ich muß Dich wiedersehen! Aber<br />

Fesseln tragen kann ich nicht! Schreibe mir, ob ich wieder -<br />

kommen soll, Dich in meine Arme schließen, Dich zu küssen,<br />

Dir zu sagen, daß ich Dich liebe.“ – Johannes sah<br />

Agathe niemals wieder.<br />

Sechs Jahre später, in Lichtenthal bei Baden-Baden, muss<br />

eine Reminiszenz dieser Liebe Brahms’ Innerstes bewegt<br />

haben. Er schrieb an seinem zweiten Streichsextett in<br />

G-Dur, nach dem Opus 18 in B-Dur eine weitere Auseinandersetzung<br />

mit einer Gattung, die – von wenigen<br />

Ausnahmen (bei Luigi Boccherini und Louis<br />

Spohr) abgesehen – vor Brahms noch gar<br />

nicht existierte. Interessant ist auch, dass<br />

sich die beiden Sextette zu einer ganzen<br />

Reihe von Geschwister-Stücken in<br />

Brahms’ Schaffen gesellen: die Serenaden-Schwestern,<br />

die zwei Klavierquartette<br />

op. 25 und 26, der Quartett-<br />

Doppelpack op. 51 und die beiden<br />

Sammlungen der Liebeslieder-Walzer gehören<br />

dazu. Dabei ist das neue Sextett<br />

durchaus ein Zwilling des früheren, ist es<br />

doch von „demselben heiteren Charakter“,<br />

wie Brahms es einmal geschildert hat.<br />

Anfang 1865 waren die ersten drei Sätze vollendet;<br />

Clara Schumann bedankt sich für deren<br />

Über sendung und rühmt ganz besonders die Durchführungen:<br />

„ ... sie sind nicht wie bei anderen das Resultat geistreicher<br />

Kombinationen, bei denen mehr oder weniger das<br />

eigentliche Empfinden in den Hintergrund gedrängt wird,<br />

sondern es ist immer, als ob erst da bei Dir alle Motive zur<br />

innersten wärmsten Aussprache kämen, und das ist dann<br />

so ganz entzückend.“<br />

Hören wir auf die erste Geige im ersten Satz. Da erklingt,<br />

klar und vernehmlich, die Tonfolge A-G-A-(D)-H-E mit dem D<br />

statt T in der zweiten Violine: AGATHE. Es sei dahingestellt,<br />

ob und inwieweit die Aussage gegenüber dem Sänger<br />

Joseph Gänsbacher: „Da habe ich mich von meiner letzten<br />

Liebe frei gemacht“ als wahr gelten darf. Mit diesem schönen<br />

„soggeto cavato“ aber hat Brahms seine Beziehung zu<br />

Agathe von Siebold auf immer verewigt. Und auch sie hat<br />

sich 50 Jahre später mit den Worten verabschiedet: „Besser,<br />

weit besser ist Verlieren als nie besessen zu haben!“<br />

Echte Verlierer waren die Herren Verleger: Sein damaliger<br />

Partner Rieter-Biedermann reagierte nicht einmal auf die<br />

Ankündigung, deshalb bot Brahms das Manuskript Fritz<br />

Simrock an, der bereits das erste Sextett verlegt hatte. Der<br />

wiederum gab zu verstehen, dass er sich jederzeit über<br />

neue Werke von Brahms freue, die Herausgabe eines weiteren<br />

Sextetts aber nicht riskieren wolle, da dergleichen wohl<br />

nicht gefragt sei. Brahms fühlte sich vor den Kopf gestoßen:<br />

„Mag ich doch gestehen, daß es mir einigermaßen befremdend,<br />

ja empfindlich war, von Ihnen ein neues Sextett nicht<br />

angenommen zu sehen, hat sich doch das erste recht gut<br />

aufgeführt, und konnten Sie denken, ich werde Ihnen kein<br />

schwächeres nachschicken.“ Brahms wandte sich an Breitkopf<br />

& Härtel in Leipzig, die erfreut, wenngleich mit ähnlichen<br />

Bedenken, annahmen und die Hoffnung äußerten,<br />

recht bald auch ein Klavierstück veröffentlichen zu dürfen.<br />

Eine Woche später, als Folge einer kleinen Intrige, baten die<br />

Verlagsherrn um Entbindung von der Verlagsübernahme und<br />

Lösung des Vertrages – mit der Konsequenz, dass Brahms<br />

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