Der Internationale Strafgerichtshof - Vorbote eines Weltinnenrechts?
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und berechtigt sind, tief in den Souveränitätsraum<br />
von Staaten einzugreifen. Mit<br />
dem in Rom gefassten Beschluss zur<br />
Errichtung des IStGH fand die noch<br />
junge Geschichte des Völkerstrafrechts<br />
ihren bisherigen Höhepunkt: Während<br />
die strafrechtliche Handlungsgrundlagen<br />
aller vorherigen internationalen Tribunale<br />
ein für den jeweiligen Einzelfall kodifiziertes<br />
Sonderrecht darstellten, wurde<br />
mit dem Statut von Rom im Namen der<br />
internationalen Gemeinschaft erstmals<br />
ein allgem<strong>eines</strong> Völkerstrafrecht umfassend<br />
kodifiziert. 6 Bei dieser Gelegenheit<br />
ist ausdrücklich darauf hinzuweisen,<br />
dass das Statut von Rom doppelter Natur<br />
ist: Es regelt nicht nur die Errichtung<br />
und den Aufbau des IStGH, sondern<br />
auch dessen materielle Rechtsgrundlage.<br />
Allein die Tatsache der zunehmenden<br />
Etablierung <strong>eines</strong> völkerrechtlichen<br />
Strafrechts legt somit die Existenz einer<br />
hierarchischen globalen Rechtsordnung<br />
nahe, die fundamentale Gemeinschaftswerte<br />
zu schützen sucht. Denn Strafrecht<br />
setzt als Subordinationsrecht zwingend<br />
höherrangige Gemeinschaftswerte voraus.<br />
3.1.2 Völkerstrafrecht und<br />
Gemeinschaftsinteresse<br />
Im Zusammenhang mit dem Völkerstrafrecht<br />
stellt sich die Frage, wie sich überhaupt<br />
der Wandel von einem nach staatlichen<br />
Interessen geformten Vertrag zu<br />
einem objektiven materiellen Recht<br />
vollzieht. Anders gefragt: Wer oder was<br />
entscheidet über die Schutzwürdigkeit<br />
6 Zum Stellenwert des IStGH für das Völkerstrafrecht<br />
vgl. König 2003: 31.<br />
PHILIPP STEMPEL<br />
und somit Rangordnung von internationalen<br />
Rechtsnormen?<br />
Ein Blick auf die nationalstaatliche<br />
Ebene hilft hier nur bedingt weiter,<br />
schließlich existiert im internationalen<br />
System bekanntermaßen keine Legislative,<br />
die mit der nötigen Rechtssetzungskompetenz<br />
ausgestattet wäre. Das Völkerstrafrecht<br />
legitimiert sich stattdessen<br />
über einen anderen Souverän. So umschreibt<br />
der international anerkannte<br />
Völkerstrafrechtler Otto Triffterer das<br />
Völkerstrafrecht als ein „Strafrecht der<br />
Völkergemeinschaft, das diese als Teil<br />
ihrer eigenständigen Rechtsordnung des<br />
Völkerrechts im Rahmen ihrer Rechtssetzungskompetenz<br />
zum Schutze ihrer<br />
Rechtsgüter gegen besonders schwerwiegende<br />
Verletzungen schaffen und<br />
einsetzen kann“ (Triffterer 1995: 172).<br />
Die entscheidende Rolle der Rechtsgemeinschaft<br />
kommt demnach der internationalen<br />
Völkergemeinschaft zu, der<br />
Triffterer mit seiner Definition gewissermaßen<br />
den Status <strong>eines</strong> „pouvoir<br />
constituant“ zuschreibt (vgl. Paulus<br />
2001: 361). Sie ist als der zentrale Kollektiv-Akteur<br />
einer möglichen <strong>Weltinnenrechts</strong>ordnung<br />
anzusehen, der am<br />
ehesten den Anspruch erfüllen kann, im<br />
Dienste <strong>eines</strong> allgemeinen und damit<br />
universellen Wohls zu handeln. Zwar<br />
umfasst der Begriff der internationalen<br />
Gemeinschaft auch nach modernem<br />
Völkerrecht eine Gemeinschaft der<br />
Staaten, nicht etwa der Weltbevölkerung.<br />
Doch formuliert ebendieses Staaten-Kollektiv<br />
mit „public interest norms“<br />
vorstaatlich zu denkende Gemeinschaftswerte,<br />
die nicht auf staatliche<br />
Interessen ausgerichtet sind, sondern<br />
sich an den grundlegenden Interessen