ASO-Augsburg Süd-Ost, Dezember 2015
Stadtteilmagazin für Augsburg-Hochzoll, -Herrenbach, -Spickel, -Textilviertel und Friedberg-West
Stadtteilmagazin für Augsburg-Hochzoll, -Herrenbach, -Spickel, -Textilviertel und Friedberg-West
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
6 <strong>ASO</strong>! <strong>Dezember</strong> <strong>2015</strong><br />
Römischer Genius, vor gut 100 Jahren bei Hochzoll aus dem Lech gefischt<br />
Im provisorischen <strong>Augsburg</strong>er Römischen<br />
Museum, dem „Römerlager“ im Zeughaus,<br />
ist seit Juni <strong>2015</strong> eine bemerkenswerte<br />
Figur zu sehen. Man weiß nicht,<br />
wie lange sie bei Hochzoll im Lechbett<br />
lag: ein sog. „Genius Populi Romani“, also<br />
ein Schutzgott des römischen Volkes. Es<br />
handelt sich um eine vergoldete Bronze-<br />
Statuette, etwas beschädigt, 45 cm hoch.<br />
Die ursprüngliche Gesamthöhe der Figur<br />
wird auf etwa 65 cm geschätzt.<br />
Uebrige weniger sorgfältig gehalten. Die<br />
Figur, welcher leider die Füße von den Knien<br />
abwärts fehlen, ist nicht voll gearbeitet,<br />
sondern stellt nur die vordere Körperhälfte<br />
dar, so dass kein Zweifel darüber bestehen<br />
kann, dass sie bestimmt war, an einer<br />
Wand angebracht zu werden, was übrigens<br />
auch durch eine Oese im Nacken erwiesen<br />
wird. Von starker Vergoldung sind noch<br />
reichliche Spuren vorhanden. Eine eingehendere<br />
Beschreibung dieses interessanten<br />
Und da die Zusammensetzung der Bronze,<br />
aus der Pferdekopf und Genius gegossen<br />
wurden, identisch ist, wäre es denkbar,<br />
dass die beiden Teile zusammengehören.<br />
Allerdings wurde der Pferdekopf bereits<br />
1769 am <strong>Augsburg</strong>er Wertachufer gefunden,<br />
also räumlich und zeitlich ein ganzes<br />
Stück entfernt vom Hochablass.<br />
Wie dem auch sei – es ist wertvoll zu wissen,<br />
dass der Weg über den Lech beim<br />
heutigen Hochzoll bereits eine mindestens<br />
Der „Genius Populi Romani“ (Nachbildung; Foto: mf)<br />
Gefunden wurde die kleine Figur „bei Wasserbauten<br />
im Lech“, wie es 1912 in einer<br />
Auflistung neuer römischer Funde (O. Roger)<br />
leider recht ungenau heißt. Vermutlich<br />
hat man sie also beim Wiederaufbau des<br />
Hochablasses entdeckt, der im Juni 1910<br />
vom Lechhochwasser zerstört worden war.<br />
In einigen älteren Veröffentlichungen wurde<br />
in der Zwischenzeit „Am Pfannenstiel“<br />
als Fundort angegeben; der Archäologe<br />
Stefan Wirth konnte aber klären, dass der<br />
Fundort 1911 am Hochablass lag. Eine teilweise<br />
ergänzte Rekonstruktion der Figur,<br />
vor einigen Jahren vom Römisch-Germanischen<br />
Zentralmuseum in Mainz erstellt, ist<br />
in der Ausstellung im Zeughaus zu sehen.<br />
Hier die erste Beschreibung der kleinen<br />
Statue von O. Roger 1912:<br />
„Die 45 cm hohe Figur eines Genius mit<br />
nacktem Oberkörper; die rechte Hand ist<br />
emporgehoben, der linke Vorderarm trägt<br />
das zipfelartige Ende des den Unterleib<br />
umhüllenden, faltenreichen Gewandes; die<br />
linke Hand ist mit gestrecktem Zeigefinger<br />
nach unten gerichtet. Der ganzen Geste<br />
könnte vielleicht eine symbolische Bedeutung<br />
zuzumessen sein. Das Gesicht, bartlos,<br />
aber doch von entschieden männlicher<br />
Bildung, ist von klassischer Schönheit; alles<br />
Die erste Abbildung des Genius in der Zeitschrift des<br />
Historischen Vereins für <strong>Augsburg</strong> und Neuburg 1912.<br />
Objektes aus berufener Feder bleibt vorbehalten.<br />
Hier sei nur bemerkt, dass dasselbe<br />
bei Wasserbauten im Lech gefunden und<br />
von der Stadt <strong>Augsburg</strong> erworben wurde.“<br />
Was hatte die Figur für eine Funktion? Lothar<br />
Bakker, langjähriger Leiter des Römischen<br />
Museums <strong>Augsburg</strong>, ist – gestützt<br />
auf eine Untersuchung von Ulla Kreilinger<br />
– zu dem Schluss gekommen, dass es<br />
sich um Schmuck für einen Wagenkasten<br />
handelt und die Figur den „Genius Populi<br />
Romani“ darstellt. Die Entstehung wird auf<br />
etwa die Zeit des Kaisers Claudius I. (41–54<br />
n. Chr.) geschätzt. Man nimmt an, dass sie<br />
Teil eines monumentalen Standbildes war,<br />
vielleicht für Kaiser Claudius.<br />
Von einem solchen mächtigen Standbild<br />
könnte auch der schöne römische Pferdekopf<br />
stammen, der schon lange ein Prunkstück<br />
der <strong>Augsburg</strong>er Ausstellung ist. Auch<br />
er ist aus ursprünglich vergoldeter Bronze.<br />
Der bekannte Pferdekopf (Nachbildung; Foto: mf).<br />
Dank an Michaela Hermann M.A., Stadtarchäologie <strong>Augsburg</strong>,<br />
für Hinweise und bibliografische Unterstützung!<br />
2000 Jahre alte Geschichte hat. Siehe dazu<br />
auch die Beiträge von Sebastian Gairhos<br />
und Michaela Hermann (Stadtarchäologie<br />
<strong>Augsburg</strong>) über „Hochzoll in der Antike“<br />
und „Wie kam ein römischer Sarkophag in<br />
das Fundament der Hochzoller Lechbrücke“<br />
im 2013 erschienenen Hochzollbuch.<br />
Im „Römerlager“ im Zeughaus kann man<br />
die Genius-Figur studieren. M. Friedrichs<br />
Quellen:<br />
O[tto] Roger, „Römische Funde in <strong>Augsburg</strong>“. In: Zeitschrift<br />
des Historischen Vereins für Schwaben und<br />
Neuburg 38 (1912), 110-118 und Tafel 3.<br />
Ulla HYPERLINK „https://opac.bibliothek.uni-augsburg.de/InfoGuideClient.ubasis/search.do?methodTo<br />
Call=quickSearch&Kateg=100&Content=Kreilinger%2<br />
C+Ulla“ Kreilinger, Römische Bronzeappliken. Historische<br />
Reliefs im Kleinformat. Heidelberg: Verl. Archäologie<br />
u. Geschichte, 1996<br />
Stefan Wirth: Flußfunde aus <strong>Augsburg</strong>. In: Acta Praehistorica<br />
et Archaeologica 25, 1993, S. 211–242.<br />
Lothar Bakker, „<strong>Augsburg</strong>, Herculaneum und die Via<br />
Claudia Augusta. Der <strong>Augsburg</strong>er Genius Populi Romani:<br />
Teil eines Kaiserstandbildes auf einem monumentalen<br />
Ehrenbogen? In: Dieter Richter/Ludwig Wamser<br />
(Hrsg.), Vorbild Herculaneum. Römisches Bayern und<br />
Antikenrezeption im Norden. Germering/München: I.<br />
P. Verlagsgesellschaft International Publishing, 2006,<br />
S. 16-18.<br />
Michael Friedrichs (Hrsg.), Hochzoll: Seit 100 Jahren<br />
ein Stadtteil von <strong>Augsburg</strong>, <strong>Augsburg</strong>: Wißner, 2013,<br />
S. 36-39.