KulturFenster Nr. 01|2013 - Februar 2013

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Das Thema Modisch ist nicht gleich modern ... zum Problem Programmgestaltung Ein Plädoyer für die Pflege unserer wertvollen Blasmusikliteratur Ob großes Auswahlorchester (im Bild die Bläserharmonie Brixen 2011) oder kleine Dorfmusikkapelle, die richtige Wahl der Konzertliteratur stellt für alle eine gleichermaßen große Herausforderung dar. Auch im vergangenen Jahr besuchte ich wieder mehrere Konzerte unserer Musikkapellen in den Städten und auf dem Lande, bei großen und kleinen Kapellen. Während der Wintermonate nutzten die Dirigenten mit ihren Musikanten die ruhige Zeit, um neue Werke einzustudieren, die sie dann beim Frühjahrskonzert zu Gehör brachten. Die Qualität der Ausführungen und auch die Präsentation haben wieder erfreulich zugenommen. Erstaunlich verbessert haben sich vor allem die „kleineren“ Kapellen hinsichtlich Intonation, Technik und Spielkultur. Das Publikum weiß in den meisten Fällen die Leistungen ihrer Musikanten durch das zahlreiche Erscheinen und den reichen Applaus zu schätzen und zu belohnen. Hans Obkircher – Kurzbiografie Hans Obkircher, Jahrgang 1939, stammt aus Völser Aicha. Sein Vater, ein Bergbauer, war bereits als Chorleiter und Kapellmeister tätig. Nach dem ersten Klavierunterricht im Grundschulalter wurde Hans Obkircher bereits im Alter von 11 Jahren Organist in seinem Heimatdorf. Später studierte er am Konservatorium in Bozen Kirchenmusik, Klarinette, Komposition und „Instrumentazione per Banda“. Nach dem Erwerb des Diploms in Klarinette wechselte er 1962 an das „Mozarteum“ in Salzburg, wo er sich u.a. auch im Fach Jugendmusikerziehung das Rüstzeug für seine Tätigkeit als Lehrer an Musikschulen bzw. als deren Leiter (Lana und Meran) holte. Von 1981 bis 1997 war Hans Obkircher Inspektor der Musikschulen Südtirol –West. Nach seiner Pensionierung war er als Referent bei verschiedenen Weiterbildungsveranstaltungen sowie als Wertungsrichter und als Jurymitglied von „Jugend musiziert“ und „Prima la musica“ sehr gefragt. 1963 gründete er das Orchester der Musikfreunde Meran und war bis 1999 dessen Leiter. Für den Verband Südtiroler Musikkapellen war er mehrere Jahre als Referent bei der Kapellmeisterausbildung tätig; zudem leitete er verschiedene Musikkapellen (Völser- Aicha, Obermais, Untermais, Lana) und den Stadtpfarrchor „St. Nikolaus“ in Meran. Hans Obkircher ist Herausgeber einer Klarinettenschule für Anfänger und er hat mehrere Orchesterwerke für Blasorchester bearbeitet. 4 KulturFenster
Blasmusik Bereits vor dem Konzert, wenn ich die Programmankündigungen lese, kommen mir aber oft Bedenken hinsichtlich Sinn und Qualität so mancher „Kompositionen“. Nimmt in Zukunft die Auswahl dieser „modischen“ - nicht modernen - Werke noch zu oder verschwinden diese wieder „holländisch“ und machen wertvolleren Werken Platz? Die Antworten einiger Dirigenten auf meine Kritik an diesen Stücken überzeugten mich in keiner Weise, denn ich habe die Erfahrung gemacht, dass die jungen Leute von guter Musik immer zu überzeugen sind, vorausgesetzt man hat entsprechende Argumente. Dass die Auswahl des Programms das größte Problem im Laufe eines Jahres ist, weiß jeder, der in diesem Metier tätig ist. Vielleicht könnte eine Überlegung dazu beitragen, die Auswahl etwas zu erleichtern. Jedes Berufsorchester, ob Blas- oder Sinfonieorchester, hat ein größeres Repertoire, welches jederzeit abrufbar ist. Auch wir sollten uns einige Werke bereitlegen, die wir immer wieder abrufen können. Der Nebeneffekt wäre, dass wir dann auch wieder unsere wertvollen Blasmusikwerke der Vergangenheit spielen würden und bei jedem Konzert wenigstens zwei davon aufführen könnten. So müssten wir nicht jedes Jahr alles neue Werke einstudieren und könnten mehr Wert auf die Qualität der Kompositionen legen. Jeder Orchestermusiker spielt neben Neuem alle Jahre wieder die Sinfonien barocker, klassischer und romantischer Meister und er und das Publikum freuen sich darüber. Auch unsere Blasorchester haben in der Vergangenheit viele schöne und wertvolle, neue und ältere Werke zur eigenen und zur Freude des Publikums aufgeführt. Einige Kapellmeister halten sich immer noch an dieses gute Rezept; anderen hingegen scheinen Kompositionen mitteleuropäischer Tondichter nichts mehr zu sagen. Die Pflege unserer wertvollen Blasmusikliteratur, von den ersten Originalkompositionen der französischen Revolutionszeit bis heute, muss uns allen jedoch ein großes Anliegen sein. Die Mode wechselt schnell ihren Geschmack, aber Qualität überdauert die Zeiten. Hans Obkircher Was ist modern? Einige grundsätzliche Überlegungen zur Frage, wann Musik als „modern“ definiert werden kann Die Frage erinnert in ihrer lapidaren Knappheit an den Aufsatz Immanuel Kants „Was ist Aufklärung?“, dessen berühmte Definition, Aufklärung sei der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit, längst zum klassischen Bildungsgut gehört. In ähnlicher Weise übrigens, wie auch die Werke der klassischen Musik einem Kanon angehören, der von jeder Generation neu aufgeführt, gehört und hinterfragt werden muss. Denn darauf zielt die von einem Musiker und einer Musikzeitschrift gestellte Frage, was modern sei, ja im eigentlichen Sinne ab: Ob es möglich sei, Kriterien zu entwickeln, all die zeitgenössischen Werke, die speziell im Bereich der Bläsermusik in Überfülle komponiert und angeboten werden, hinsichtlich ihrer Qualität daraufhin zu beurteilen, ob sie auch in Zukunft Bestand haben, weshalb es die Mühe lohnt, sie einzustudieren? Oder, auf den Punkt gebracht: Was von all dem, das heute komponiert wird, wird in Zukunft klassisch sein? Und was wird sich als lediglich modisch oder epigonal erwiesen haben? Als klassisch, und dies nicht nur auf essayistische Texte wie jenen Kants, sondern auch auf die Musik bezogen, sind all jene Werke zu bezeichnen, die, wie Alois Schöpf – Kurzbiografie Alois Schöpf, Jahrgang 1950, lebt seit 1977 als freischaffender Autor und Journalist in Lans bei Innsbruck. Er hat sich als Verfasser von Kolumnen (Tiroler Tageszeitung, Saison Tirol, Clarino), Büchern und Librettos einen Namen gemacht und ist zudem künstlerischer Leiter der Innsbrucker Promenadenkonzerte. Die Vielseitigkeit von Alois Schöpf bezeugen nicht zuletzt seine zuletzt erschienenen Bücher „Das erfolgreiche Konzert, Eventmanagement für Musikvereine“ und „Glücklich durch Gehen - Von der Heilkraft des Bergwanderns“. bereits angedeutet, übrig bleiben. Jede Generation erobert sie sich von Monteverdi über Mozart, Bruckner, Mahler bis zu Strawinsky aufs Neue und stellt nüchtern die Frage: Haben sie mir, dem heute lebenden Musiker, Zuhörer und Zeitgenossen noch etwas zu sagen? Wenn nein, verschwinden sie von der Bildfläche. Wenn ja, werden sie an die nächste Generation weiter gereicht. Womit eine erste Antwort gegeben ist, die allerdings noch genauer expliziert werden muss: Wirklich modern ist, was morgen klassisch sein wird. Drei Spannungselemente Dabei enthält der Satz drei Spannungselemente: Es ist zum einen der Musiker oder Zuhörer selbst, der in einer Welt lebt, die er für modern hält, weil sie zeitgenössisch ist, was jedoch keineswegs der Fall sein muss, sie kann sich auch als antiquiert und gestrig erweisen, eine Unwägbarkeit also, die durch das Wort „wirklich“ angedeutet wird. Und es ist das Werk, das zur Aufführung gelangt und das Ausdruck einer gültigen, also wirklichen oder eben antiquierten, also verfehlten, lediglich behaupteten Moderne ist. Und es ist zuletzt die Zeitdifferenz, die in die Vergangenheit ausgerichtet ist, was die Klassik betrifft, aber zugleich auch in die Zukunft, Nr. 01 | Februar 2013 5
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