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Cruiser im Februar 2016

Cruiser - das grösste Gay-Magazin geht in dieser Ausgabe der Frage nach: Wie ist es eigentlich, wenn man schwul und alt ist? Ausserdem: Alles über die CVP Initiative und...was bringt dir das Jahr 2016? Der grosse Test!

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20 KOLUMNE<br />

SERIE 21<br />

Bötschi klatscht<br />

Homosexualität in Geschichte & Literatur<br />

Zoe Scarlett<br />

und der Bartmann<br />

Goethe zu einem<br />

Mord <strong>im</strong> Milieu<br />

VON BRUNO BÖTSCHI<br />

H<br />

eute vorweg zunächst dies, meine<br />

lieben Stammleser: Dominique S.,<br />

ein ehemaliger «Display»-Leser, der<br />

sich unsäglich (und unanständig, sagt mein<br />

Knigge-Lehrer) über meine Schreibe aufregte,<br />

weil ich mich über einen Zürcher SP-Nationalrat<br />

ausliess, hat sich bis heute nicht<br />

wieder bei mir gemeldet. Zum Glück.<br />

St<strong>im</strong>mt, es gibt spannendere Themen.<br />

Und schärfere. Scharf wie Pfeffer. Der Bartmann<br />

mit flüssiger Schoggi auf dem Grind<br />

zum Beispiel. Das braune Zeugs (mit Pfeffer<br />

gewürzt) lief ihm über die Glatze. Er lachte<br />

fröhlich frisch. Entdeckt habe ich den Bartmann<br />

auf einer Weihnachtskarte – mit 21<br />

anderen Schmierfinkinnen und -finken.<br />

Der Schmierfink mit Bart heisst Stefan<br />

Meyer, weiland, in der Szene und auf Twitter<br />

auch als Stoepsomat bekannt. Aber ein Pornodarsteller<br />

ist er nicht. Spielen tut er zwar<br />

gerne, unter anderem auf der Bühne des<br />

Theatervereins Bergflue in Diegten. Aber er<br />

kann auch brav. Und chrampfen: Der Bartmann<br />

ist Geschäftsleitungsmitglied und Leiter<br />

Bereich Produktion von der Textildruckerei<br />

Permatrend in Gelterkinden. Momoll.<br />

Warum ich derart ausufernd über einen<br />

Basellandschäftler-Promi schreibe?<br />

Weil der Bartmann mir nicht nur sein<br />

Schoggibild, sondern auch eine Schoggitafel<br />

geschickt hat. Ich bin käuflich, ja. Die Schokolade<br />

kommt übrigens von Choba Choba.<br />

Ein Social-Startup, das sich für die Verbesse-<br />

Es muss nicht <strong>im</strong>mer Zürich sein. Deshalb dreht<br />

sich diese Kolumne um ein Basler Pin-up-Girl<br />

und einen Bartmann aus Baselland. Zudem werden<br />

erwähnt: ein Leserbriefschreiber, Luca Pappini,<br />

Dita Von Teese, Patricia Boser und Philipp Tingler<br />

(nicht schon wieder!).<br />

rung der Lebensbedingungen der Kakaobauern<br />

in Peru sowie den Erhalt ihrer<br />

Ökosysteme einsetzt.<br />

Ich finde die Permatrend-Schmierfinken<br />

cool. Die bedrucken <strong>im</strong> Fall alle Liibli<br />

vom FC Basel. Und jetzt auch noch das<br />

10-Jahre-Bühne-Jubiläum-Liibli von der<br />

Zoe Scarlett. Das blonde Pin-up-Girl aus<br />

Guckt eigentlich<br />

irgendwer<br />

«Boser & Böser»?<br />

Basel hat einmal der weltberühmten Dita<br />

Von Teese einen Werbevertrag weggeschnappt.<br />

Noch früher träumte sie davon,<br />

Meerjungfrau zu werden.<br />

Von was der Bartmann träumt? Vielleicht<br />

von einem Duett mit der Zoe? Wer<br />

weiss, was dieses Jahr noch alles bringt. Auf<br />

Facebook habe ich jedenfalls ein Filmli entdeckt,<br />

in welchem Zoe und der Bartmann<br />

«Mission Possible» spielen (wer sucht, der<br />

findet es).<br />

Ganz ohne Zürich geht es nicht: Seit<br />

kurzem gibt es einen Club, wo Könige der<br />

Nacht in königlichem Ambiente tanzen können.<br />

Der «Kings Club» (neben der alten Börse)<br />

war ein Füdlischuppen, darum ist alles<br />

herrlich samtig-rot eingerichtet und die<br />

Bühne arschrund. Für den Einlass engagierte<br />

Oliver Bachmann, der neue Club-Besitzer,<br />

Luca Pappini. Wunderbar und Trallala.<br />

Luca turnt, glitzert und singt seit über 25<br />

Jahren als Drag-Queen Tara La Trash durch<br />

die Nächte der L<strong>im</strong>matstadt. Ich schwang<br />

mein Füdli <strong>im</strong> «Kings’» bereits und geh demnächst<br />

wieder hin. Ich bin sicher, das mit den<br />

lauwarmen, überteuerten Drinks kriegen die<br />

auch noch hin.<br />

Guckt eigentlich irgendwer «Boser &<br />

Böser»? Gastgeberin des televisionären Kafikränzlis<br />

ist Patricia Boser. Ich würde gerne<br />

etwas über die Kafitante mit der grössten<br />

blonden Wuschelmähne weit und breit gifteln.<br />

Bisher habe ich «B & B» aber nur anderthalb<br />

mal gesehen. Deshalb halte ich<br />

mich mit Gift und Galle speien gegen Sabrina<br />

Pesenti zurück, zumindest heute noch.<br />

Zum Schluss noch die Antwort auf<br />

eine Leserfrage: Herr K. aus W. will wissen,<br />

wievielmal Philipp Tingler, laut Wikipedia<br />

ein schweizerisch-deutscher Schriftsteller,<br />

Essayist, Wirtschaftswissenschaftler und<br />

Philosoph, bisher verheiratet gewesen sei?<br />

Die Zahl muss liz-taylor-mässig hoch sein,<br />

denke ich. Warum sonst schreibt Herr Tingler<br />

bald in jedem seiner Artikel über<br />

«Richie, den besten Ehemann von allen»?<br />

www.brunoboetschi.ch<br />

Er war ein Genie in seiner Arbeit, wurde weitherum anerkannt. Der Deutung<br />

der Kunst hatte er sich verschrieben. Aber auch dem männlichen Eros.<br />

Johann Joach<strong>im</strong> Winckelmann fand ein dramatisches Ende. Goethe hat den<br />

Mord gedeutet.<br />

VON Alain Sorel<br />

D<br />

ie Schreie kamen aus Z<strong>im</strong>mer Nummer<br />

10 des Gasthauses Locanda<br />

Grande in Triest: Das Bild, das sich<br />

am 8. Juni 1768 dem herbeigeeilten Wirt bot,<br />

war entsetzlich. Der Mann am Boden war<br />

blutüberströmt, lebte aber noch. Körperlich<br />

gut konditioniert, hatte er sich heftig gegen<br />

den Angriff mit dem Messer gewehrt, mit<br />

seinen Händen in die Klinge gefasst und sich<br />

dabei schwere Verletzungen zugezogen.<br />

Aber er hatte den Täter letztlich doch nicht<br />

aufhalten können. Immerhin konnte das<br />

Opfer den Behörden noch genaue Angaben<br />

zum Tatverlauf machen, bevor es Stunden<br />

später an den ihm zugefügten Stich- und<br />

Schnittwunden starb.<br />

Mörder aufs Rad geflochten<br />

Bei seinem Tod stand die kunstbegeisterte<br />

Welt still, hielten Dichter und Denker, Könige<br />

und Kardinäle den Atem an: Sie trauerten<br />

um Johann Joach<strong>im</strong> Winckelmann,<br />

Deutschlands ersten Kunsthistoriker, um einen<br />

Archäologen, Bibliothekar, Antiquar<br />

und Kunstschriftsteller der frühen Aufklärung,<br />

einer Aufklärung, die in ihrer Gesamtentwicklung<br />

bahnbrechend war für die freiheitliche<br />

Staatsordnung, die den heutigen<br />

Demokratien zugrunde liegt. Am 9. Dezember<br />

1717 in Stendal <strong>im</strong> heutigen Bundesland<br />

Sachsen-Anhalt als Sohn eines Schuhmachermeisters<br />

in ärmliche Verhältnisse geboren,<br />

entwickelte sich Winckelmann, anfänglich<br />

Lehrer und Absolvent fachspezifischer<br />

Studien, zu einem Multitalent, das Pionierdienste<br />

auf den von ihm betreuten geistigen<br />

Gebieten leistete.<br />

Das Verbrechen, das an ihm begangen<br />

wurde, lässt sich als gewöhnlicher Raubmord<br />

deuten, zeigt aber auch Merkmale eines<br />

typischen Milieumordes. Der homoerotisch<br />

veranlagte Winckelmann hatte sich in<br />

den Tagen zuvor mit dem vorbestraften<br />

31-jährigen Koch Francesco Arcangeli eingelassen,<br />

mit ihm Spaziergänge unternommen<br />

und ihm Gold- und Silbermünzen gezeigt.<br />

Hatte er damit bei dem Jüngeren<br />

Begehrlichkeiten geweckt? Wollte er ihm<br />

<strong>im</strong>ponieren, um ihn ins Bett zu kriegen?<br />

Kam es darüber zum Streit?<br />

Auf jeden Fall versuchte Arcangeli vor<br />

dem Messerangriff, Winckelmann zu erdrosseln,<br />

hatte dabei jedoch dessen Kraft<br />

unterschätzt. Wie auch <strong>im</strong>mer: Man wurde<br />

Er hatte sich heftig gegen<br />

den Angriff mit dem Messer<br />

gewehrt.<br />

des Mörders rasch habhaft. Er wurde zum<br />

Tode verurteilt und aufs Rad geflochten.<br />

Winckelmann wird in späterer Zeit zum<br />

Vorwurf gemacht, viel zu vertrauensselig gewesen<br />

zu sein. Fest steht, dass Ästhetik und<br />

Rohheit aufeinanderprallten – eine Konstellation,<br />

die auch heute jede Gewähr für eine<br />

zerstörerische Reaktion bietet.<br />

«In Verhältnis mit schönen<br />

Jünglingen»<br />

Die Deutung von Winckelmanns Todesumständen<br />

durch keinen Geringeren als Johann<br />

Wolfgang von Goethe war sehr eigenwillig. ➔<br />

CRUISER FEBRUAR <strong>2016</strong> CRUISER FEBRUAR <strong>2016</strong>

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