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hu wissen (pdf) - Exzellenzinitiative - Humboldt-Universität zu Berlin

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Bilder von der<br />

»Volksgemeinscha�<br />

«<br />

Images of the<br />

»Aryan community«<br />

in Nazi Germany<br />

Historiker untersuchen, was Fotografi en über die<br />

Visualität des »Dritten Reiches« aussagen<br />

Historians examine what photographs tell us<br />

about the visuality of the »Third Reich«<br />

Ein junger Mann kniet auf dem Boden, ein anderer<br />

hält ihn mit dem Fuß nieder, während ein<br />

Dritter die Szene belacht. Der Vierte im Bunde<br />

schwingt ein Beil durch die Lu� . Eine Fotografi e<br />

aus dem Jahr 1936. Auf der Bildrückseite steht<br />

mit Bleisti� geschrieben: »Ein <strong>zu</strong>m Tod Verurteilter«.<br />

Stellt es die Szene einer Hinrichtung dar?<br />

»Es ist keine wirkliche Hinrichtung, sondern eine<br />

von Angehörigen des Reichsarbeitsdienstes im<br />

Spiel inszenierte Demütigung des Liegenden«,<br />

sagt Ulrich Prehn. »Die abgebildete Szene verweist<br />

auf die Alltäglichkeit von Gewalt im Dritten<br />

Reich – <strong>zu</strong>mindest als Phantasieraum und Handlungsoption.«<br />

Ulrich Prehn ist Koordinator des Forsc<strong>hu</strong>ngsprojekts<br />

»Fotografi e im Nationalsozialismus. Alltägliche<br />

Visualisierung von Vergemeinschaftungs-<br />

und Ausgren<strong>zu</strong>ngspraktiken 1933-1945«,<br />

212<br />

IN KÜRZE / IN SHORT<br />

Inszenierte Gewalt im Dritten Reich<br />

Staged Violence in the Third Reich<br />

das von Michael Wildt, Professor für Deutsche<br />

Geschichte im 20. Jahr<strong>hu</strong>ndert mit Schwerpunkt<br />

im Nationalsozialismus, am Institut für Geschichts<strong>wissen</strong>scha�<br />

en initiiert wurde. »Die visuellen<br />

Quellen des Alltags unter Hitler sind noch<br />

nahe<strong>zu</strong> unerforscht. Im Mittelpunkt des Projekts<br />

stehen die Selbstaufnahmen der Volksgenossen,<br />

im Hinblick auf die Inszenierung von Gemeinscha�<br />

wie auch von Ausgren<strong>zu</strong>ng, Gewalt und<br />

Stigmatisierung«, erklärt Wildt.<br />

Viele <strong>hu</strong>nderte Alltagsfotografi en werden<br />

derzeit ausgewertet, sie stammen größtenteils<br />

aus Archiven. Von besonderem Interesse sind<br />

Bildserien aus einzelnen Orten über einen längeren<br />

Zeitraum hinweg und private Fotoalben von<br />

Amateur- und Hobbyfotografen, die gewissermaßen<br />

als Bildchronisten für die Geschichte ihres<br />

Ortes, ihres Betriebes oder ihres Aufenthaltes in<br />

den besetzten Gebieten gewirkt haben. Dabei<br />

geht es den Wissenscha� lern um den zivilen<br />

Blick, die Mikroebene, um heraus<strong>zu</strong>fi nden, wie<br />

sich die »Volksgemeinscha� « in einem Dorf oder<br />

einer Kleinstadt formierte. »Ob die im Kleinen<br />

nachgestellten Paraden oder der Reichsparteitag<br />

selbst, Bilder haben für die Propaganda im Dritten<br />

Reich <strong>zu</strong> jeder Zeit eine enorm wichtige Rolle<br />

gespielt«, unterstreicht Prehn.<br />

Im Projekt werden die (Selbst-)Inszenierungen<br />

von Zugehörigkeit, etwa im Rahmen von Mai- ,<br />

Erntedank- und Schützenfesten, Feiertagen und<br />

Ritualen untersucht. Ebenso die Fotografi en aus<br />

Betrieben unter den Aspekten der »Werksgemeinscha�<br />

« und des »schaff enden Volkes«, das<br />

Gemeindeleben unter »Christenkreuz und Hakenkreuz«<br />

sowie Bildzeugnisse der Deportationen<br />

deutscher Juden und der »Germanisierung« im<br />

besetzten Polen. Schon jetzt wird deutlich: Männliche<br />

»Volksgenossen« wurden häufi g als Wehrmachtsangehörige<br />

und vielfach auch im »Arbeitsdienst«<br />

bei körperlichen Tätigkeiten mit Schaufel<br />

und Spaten abgelichtet; Frauen dagegen vor allem<br />

bei der Kinderbetreuung und sozialen Tätigkeiten.<br />

»Bisher wurden in der Geschichts<strong>wissen</strong>scha�<br />

Texte durch Bilder überwiegend nur illustriert.<br />

Nun stehen die Bilder für sich und wir müssen<br />

das Kontext<strong>wissen</strong> erst herstellen«, sagt<br />

Prehn, der bei seinen Nachforsc<strong>hu</strong>ngen schon einige<br />

Überrasc<strong>hu</strong>ngen erlebt hat. »Wir haben ein<br />

Foto von einem nationalsozialistischen Frauenkongress<br />

1933 erhalten, der bisher in keinem Text<br />

jemals Erwähnung fand.« Die Wissenscha� ler erhoff<br />

en sich, über solche glücklichen Funde Informationen<br />

über das Dritte Reich und dessen Visualität<br />

<strong>zu</strong> generieren, die sonst im Verborgenen<br />

blieben.<br />

Wer Fotografi en oder ganze Alben für das Projekt<br />

<strong>zu</strong> Verfügung stellen kann, schreibt an:<br />

prehnulr@geschichte.<strong>hu</strong>-berlin.de

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