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Wilfried Auers Leben<br />

BIBER<br />

Bild links:<br />

Friedel Auer begrüßt uns am Eingang<br />

des Stadtmuseums Schlüsselfeld.<br />

unten:<br />

Auer (stehend) als junger<br />

Grabungstechniker bei der<br />

Geländearbeit.<br />

Gefunkt<br />

zwischen Archäologie,<br />

hat es in<br />

Poesie, Stadtmuseum<br />

Grab 10<br />

und Ritterlichkeit<br />

Ein dichtender Handwerker<br />

mit der „Noasn mehr in der<br />

Grub’n als im Buch“, der<br />

hinter’m „alten Glump“<br />

den Menschen sieht, der<br />

etwas geschaffen hat, schon<br />

in Zeiten, bevor die Schrift<br />

die Geschichtsschreibung<br />

dominierte. Ein Sammler,<br />

einer der sich für seine Heimat<br />

einsetzt; ein Unermüdlicher, der<br />

immer wieder neue Aufgaben<br />

sucht. Einer, der die Baustellen<br />

im eigenen Haus zurückstellt,<br />

weil er zusammen mit seiner<br />

Frau am Aufbau des Stadtmuseums<br />

von Schlüsselfeld<br />

maßgeblich beteiligt<br />

ist. Einer, der die Natur<br />

liebt und den Blick fürs<br />

Detail hat. All das und<br />

noch viel mehr steckt in<br />

Friedel Auer.<br />

„Gehn wir in die<br />

Aulandschaft bei<br />

Küchn“, sagt er auf<br />

seine zurückhaltende<br />

Art. Der Weg in die<br />

Küche seines Hauses<br />

im Schlüsselfelder<br />

Ortsteil Elsendorf hat<br />

vorbeigeführt an den<br />

alten Grabungstechniker-Schuhen,<br />

die Auer an der<br />

Hauswand im Innenhof buchstäblich<br />

an den Nagel gehängt hat;<br />

führt vorbei an versteinerten<br />

Kopffüßern und anderen Fossilien;<br />

geht durch eine ungewöhnlich<br />

breite massive hölzerne Haustür.<br />

Die Treppe im Eingangsbereich<br />

wird im ersten Stock nicht von Wänden<br />

sondern von gläsernen Vitrinen<br />

gerahmt – ein Stück Museum zu<br />

Hause. In der Küche im Erdgeschoss<br />

lädt ein großer ovaler, rot-brauner<br />

Tisch zum Verweilen ein.<br />

Wenn Jahresringe erzählen könnten…<br />

Text und Foto links: Judith Marschall<br />

Die Tischplatte entstammt dem wurzelnahen Bereich<br />

des dicken Stammes einer Lärche, die einst am Schloss<br />

Seehof bei Bamberg stand. Friedel Auers Frau Monika<br />

erzählt auf ihre humorvolle Weise wie „der Auer“<br />

eines Tages mit einer sehr umfangreichen und 20<br />

Zentimeter dicken Baumscheibe aus schwerem, weil<br />

frischgeschlagenen Holz nach Hause kam. „Der Passat<br />

ist in die Knie gegangen, die Radkästen haben am<br />

Reifen geschleift – von Seehof bis zu uns.“<br />

Das frische Lärchenholz der Tischplatte hat Auer<br />

nach Archäologenart mit künstlichem Paraffin gehärtet.<br />

Er muss schmunzeln, wie man über Missgeschicke<br />

eben schmunzelt, wenn sie lange zurückliegen und<br />

dann doch gut ausgingen: „200 Liter sind im Keller<br />

ausgelaufen, weil das Becken mit dem Konservierungsmittel<br />

undicht war“. Und wie schwer es gewesen ist,<br />

das Hirnholz quer zur Maserung zu bearbeiten.<br />

Ein paar Jahre zuvor hat der uralte VW-Käfer<br />

der Auers ächzen müssen, weil ihm die Eingangstür<br />

von einer Stockheimer Scheune aufs Dach geschnallt<br />

worden war. Monika Auer erinnert sich an ein grünes<br />

vergammeltes Ding, das die Renovierungsarbeiten<br />

im Anfang der 80er Jahre gekauften Elsendorfer Haus<br />

deutlich verzögert hat. Der Flur musste den Maßen der<br />

geretteten Tür angepasst, das Holz restauriert werden.<br />

Setzer, Graphiker, Grabungstechniker<br />

So wie Friedel Auer als Tisch- und Tür-Schreiner<br />

autodidaktisch vorgegangen ist, so hat er vieles in seinem<br />

Leben angepackt. 1945 noch in Schlesien geboren;<br />

als kleines Bündel von seiner Mutter auf der Flucht in<br />

den Wirren des Kriegsendes nach Nürnberg gebracht;<br />

dort hat der Junge bis 1960 mit seinen Eltern in einer<br />

Baracke gewohnt, gebaut aus Material, das man in den<br />

zerbombten Ruinen gefunden hat. Wasser gab es am<br />

Gemeinschaftsbrunnen. Wenn die Dinge um einen herum<br />

improvisiert sind, vielleicht entwickelt man dann<br />

die Geduld fürs und die Freude am Selbermachen.<br />

Nach der Volksschule absolvierte Friedel Auer eine<br />

Setzerlehre bei einer Nürnberger Akzidenzdruckerei.<br />

Bei Maul & Co wurden Geschäfts- oder Privatdrucksachen<br />

in Auftrag gegeben. Die dreijährige Lehrzeit<br />

endete 1963. Auer entdeckte seine Liebe zum Gestalten<br />

von Publikationen. 1967 wechselte er als Publikationszeichner<br />

und Fotograf zur Neurochirurgie an<br />

die Universität Erlangen, 1969 ging er als technischer<br />

Zeichner zu Siemens. 1972 heuerte er schließlich als<br />

Grabungstechniker beim Landesamt für Denkmal-<br />

pflege in Nürnberg an. „Schon als Kind war die Vorgeschichte<br />

mein Steckenpferd“, weiß Auer.<br />

Von der mittelfränkischen Dienststelle aus forschte<br />

Auer beispielsweise nach den Spuren, die die Römer<br />

in Weißenburg im südlichen Mittelfranken hinterlassen<br />

hatten; eine Notgrabung, wie immer. Die<br />

Gemeinde hatte ein neues Baugebiet ausgewiesen.<br />

Auf einmal seien alte Mauern zum Vorschein gekommen.<br />

Und somit entdeckte Auer zusammen mit<br />

seinen Kollegen nach und nach die Grundrisse der<br />

römischen Thermen in Weißenburg, die inzwischen<br />

zum bekannten Museum ausgebaut wurden.<br />

Verlobung unter der Plane<br />

Später hatte der Grabungstechniker seine Dienststelle<br />

in Oberfranken, in Schloss Seehof bei Bamberg.<br />

Von dort aus wurde er in die Nähe von Thurnau<br />

geschickt. Hier galt es, die Hallstattzeit zu erforschen.<br />

Zufällig verbrachte eine junge aus dem Saarland stammende<br />

Lehrerin mit dem Vornamen Monika 1979<br />

ein paar Urlaubstage in Franken und war von einem<br />

Freund Friedels zu einem archäologischen Ausflug<br />

geschleppt worden. „Mag’st graben“, hatte der Friedel<br />

gefragt. „Und so kam es, dass ich meinen Mann in<br />

einem Grab kennengelernt habe“, gluckst Monika<br />

Auer. „Grab zehn“, merkt ihr Friedel trocken an.<br />

Zwei Wochen später wurde Verlobung in der „Villa<br />

Auer“ gefeiert; einer Hütte, die an der Grabungsstelle<br />

als Unterstand diente und aus Kanthölzern, Brettern<br />

und einer Plane zusammengeschustert worden war.<br />

An zwei Biertischen unterm Foliendach ging’s fröhlich<br />

zu. „Die Sektkorken sind versehentlich ins Hallstattgrab<br />

geflogen“, erinnert sich Monika Auer. Die Hochzeit<br />

drei Monate später verlief dann etwas gediegener.<br />

Die Auers sind nach Schlüsselfeld gezogen, wo<br />

Monika Auer als Lehrerin an der Volksschule eine<br />

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