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MQ Frühjahr 2016

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Das Artland-Magazin.<br />

Das Wolfsgemälde wurde von Dorothee Ahrens<br />

nach einem Titelbild der Jagdzeitschrift „Wild und Hund“ gefertigt.<br />

Der Wolf zwischen Mythos<br />

und Wahrheit<br />

Seit Jahrtausenden spielt der<br />

Wolf eine Rolle in Mythen<br />

und Märchen aller Völker.<br />

Dichtung und Wahrheit lassen<br />

sich darin kaum voneinander<br />

unterscheiden und spuken bis<br />

heute in vielen Köpfen herum.<br />

So kennt fast jeder die Märchen<br />

„Rotkäppchen“ und „Der<br />

Wolf und die sieben Geißlein“,<br />

in denen Isegrim ein wahres<br />

Schlachtfeld hinterläßt. Geradezu<br />

gruselig erscheinen auch<br />

Filmszenen, in denen Wölfe<br />

den Mond anheulen oder gar<br />

zu Wehrwölfen mutieren. Im<br />

Gegensatz zu dem prämierten<br />

Hollywood-Film „Der mit dem<br />

Wolf tanzt“: Er zeigt die enge<br />

Verbindung zwischen Mensch<br />

und Wolf, der im Laufe der Jahrhunderte<br />

zum domestizierten<br />

Begleiter des Menschen wurde.<br />

Trotz der daraus entwickelten<br />

Hunderassen hat der Wolf seine<br />

ursprüngliche Faszination vor<br />

allem für Naturschützer nicht<br />

eingebüßt. Seine eindrucksvolle<br />

Erscheinung und die herausragenden<br />

Jagdeigenschaften<br />

machen ihn zum Herrscher der<br />

Wildnis. Mit sicherem Instinkt<br />

spürt er kranke, schwache Tiere<br />

auf und sorgt für Ordnung in<br />

seinem großen Revier, das er<br />

mit niemandem teilen will. Hier<br />

kann es in einem eng besiedelten,<br />

land- und forstwirtschaftlich<br />

genutzten Gebiet zu Interessenskonflikten<br />

und Problemen<br />

kommen. Ein Blick in die Historie<br />

verrät, dass der Wolf auch in<br />

unserer Region solange verfolgt<br />

und gejagd wurde, bis er angeblich<br />

vor 200 Jahren ausgestorben<br />

ist. Doch der letzte Wolf soll<br />

1956 im Kreis Gifhorn bei einer<br />

Treibjagd erschossen worden<br />

sein. Ein Einzelfall? Nach langer<br />

Zeit ist dieses Raubtier nun von<br />

Osten in Richtung Nordwesten<br />

nach Mauerfall und Grenzöffnung<br />

zu Polen verstärkt in<br />

Deutschland eingewandert.<br />

Er findet in unseren Wäldern<br />

ein breites Nahrungsangebot.<br />

Inzwischen leben auch in<br />

Niedersachsen mehrere Rudel,<br />

die für Diskussionen unter Laien<br />

und Experten sorgen. Seit einem<br />

Jahr rauschen die Wolfsschlagzeilen<br />

durch den Medienwald,<br />

in dem die kleinsten Vorkommnisse<br />

dokumentiert werden.<br />

„Kann ich noch gefahrlos Pilze<br />

sammeln, joggen oder radeln?<br />

Wie verhalte ich mich, wenn ich<br />

plötzlich einem Wolf begegne?<br />

Hat er genauso viel Angst vor<br />

uns Menschen, wie wir vor<br />

ihm?“ Alle diese Fragen sollen<br />

die landesweit eingesetzten<br />

Wolfsberater klären, damit der<br />

Wolf bei uns wieder heimisch<br />

werden kann. „Wild ist im Überfluss<br />

vorhanden, da braucht der<br />

Wolf keine Menschen angreifen“,<br />

meinen die Einen. „Aber<br />

was passiert, wenn er seine<br />

natürliche Scheu vor Menschen<br />

verliert?“ wollen Andere wissen.<br />

Doch auf viele Fragen können<br />

selbst Naturschützer oder<br />

Jäger keine sicheren Antworten<br />

geben. Besonders betroffen von<br />

der Gegenwart des Wolfes sind<br />

(wie auch früher) die Nutztierhalter<br />

von Fohlen, Kälbern und<br />

Schafen. In erster Linie sind aber<br />

Schäfer die Leidtragenden bei<br />

Wolfsübergriffen wie sie schon<br />

häufiger im Raum Vechta/Diepholz<br />

vorgekommen sind. Selbst<br />

Schutzhunde und ein hoher<br />

Zaum bieten keine 100-prozentige<br />

Sicherheit. Auch wenn<br />

bei einem nachgewiesenen<br />

Wolfsriss eine Entschädigung<br />

gezahlt wird, bleibt die emotionale<br />

Belastung beim Anblick der<br />

verendeten Tiere auf der Seite<br />

des Schäfers. Weitaus größer<br />

wäre der Verlust bei kleinen<br />

Hobby- und Nebenerwerbsfarmern,<br />

wenn der Wolf mal<br />

Appetit auf Ziege, Minischwein,<br />

Alpaka oder Gans verspürt.<br />

Geradezu alarmierend erschien<br />

Vielen die Nachricht, dass ein<br />

Wolf in der Nähe des Goldenstedter<br />

Waldkindergartens<br />

(Kreis Vechta) gesichtet worden<br />

ist. Die Erzieherinnen dort<br />

bewahrten die Ruhe und verschreckten<br />

den Wolf mit einem<br />

Flatterband. Doch was ist, wenn<br />

das eines Tages nicht mehr<br />

reicht und die Wölfe die Scheu<br />

verlieren? In Italien suchen die<br />

Raubtiere nach Nahrung in<br />

Städten und Dörfern, weshalb<br />

sie als „Pizzawölfe“ bzw. „Spaghettiwölfe“<br />

betitelt werden.<br />

Auch die Geschichte zeigt, dass<br />

unregulierte Wolfsbestände<br />

(Rußland) bei Nahrungsmangel<br />

nicht nur Haustiere, sondern<br />

auch Menschen, vorzugsweise<br />

Kinder erbeutet haben. Die größere<br />

Gefahr von Wolfsattacken<br />

besteht zwar im Sommer, wenn<br />

der Streß der Welpenaufzucht<br />

und eine Vielzahl an Ausflüglern<br />

aufeinandertreffen (www.wolfszone.de).<br />

Trotzdem hat es in den<br />

letzten 60 Jahren in Westeuropa,<br />

Russland und Nordamerika<br />

bei über 100 000 Wölfen nur<br />

30 tödliche Wolfsattacken auf<br />

Menschen gegeben. Die Gefahr<br />

im Wolfsrachen zu enden, ist<br />

also sehr gering. Anfang des<br />

18. Jahrhunderts soll übrigens<br />

ein Mädchen in Menslage beim<br />

Kirchgang von Wölfen zerrissen<br />

worden sein. Laut der Naturkundlichen<br />

Chronik Niedersachsen<br />

der einzige Vorfall dieser Art<br />

in rund 1000 Jahren.<br />

Laut Umweltministerium sollen<br />

sich Wölfe bundesweit verbreiten<br />

dürfen. Seit 1979 wird der<br />

Wolf europaweit als strenggeschützte<br />

Art geführt. Nach dem<br />

Bundesnaturschutzgesetz soll<br />

eine Populationsgröße von rd.<br />

1000 geschlechtsreifen Wölfen<br />

erreicht werden. Aber ist eine<br />

Kontrolle der Vermehrung<br />

überhaupt möglich? Niemand<br />

kann die Entwicklung zwischen<br />

Wolf und Mensch wirklich voraussehen.<br />

Wir alle müssen wohl<br />

damit leben lernen, dass dieses<br />

Raubtier in unseren Lebensraum<br />

zurückgekehrt ist. Denn ethisch<br />

gesehen haben sie das gleiche<br />

Recht wie wir hier zu sein. In<br />

vielen anderen Ländern gibt<br />

es Krododile, Haie, Bären, Tiger,<br />

Löwen und giftige Spinnen, also<br />

auch dort, wo Menschen zu<br />

Hause sind. Als Tourist mögen<br />

wir es, eine Abenteuerreise zu<br />

wilden Tieren zu buchen. Jetzt<br />

haben wir ein Stück Wildnis im<br />

eigenen Land: Wölfe, Luchse<br />

und Wildkatzen finden es seit<br />

einiger Zeit wieder schön in<br />

Deutschland. Vielleicht sollten<br />

wir es ihnen einfach nachmachen!<br />

In der nächsten Ausgabe des<br />

<strong>MQ</strong>-Magazins wird der Bericht<br />

über Wölfe mit Interviews und<br />

neuen Infos über sein Aussehen,<br />

sein Sozialverhalten und seine<br />

Verbreitung fortgesetzt. Dazu<br />

gibt es Verhaltenstipps zum<br />

Umgang mit dem vierbeinigen<br />

Jäger.<br />

62 | mq Ausgabe Frühjahr <strong>2016</strong>

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