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Nr. 13 (I-2016) - Osnabrücker Wissen

Nr. 14 (II-2016) - Osnabrücker Wissen Wir beantworten Fragen rund um die Osnabrücker Region. Alle drei Monate als Printausgabe. Kostenlos! Und online unter www.osnabruecker-wissen.de

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KUNST & KULTUR<br />

Bilder © Sammlung Weinke, Hamburg / Liepmann Porträt: Fotograf: Emil Bieber / Liepmann und Remarque: Fotografin: Isabelle Wettstein<br />

etablierten die Nationalsozialisten eine<br />

Gewaltherrschaft, der schnell Hunderte<br />

und Tausende zum Opfer fielen.<br />

Liepman zeigt aber auch, wie sich Hitler<br />

und seine Gefolgsleute dank der politischen<br />

Indifferenz der Anhänger der Weimarer<br />

Republik und seiner Unterstützung<br />

von Führungskräften aus Politik, Militär,<br />

Wirtschaft und Gesellschaft einen vergleichsweise<br />

bequemen Weg an die Macht<br />

bahnen konnten.<br />

Im Schat ten von Remarque?<br />

Der Autor wurde 1905 als Heinz Liepmann<br />

in Osnabrück geboren, arbeitete seit Mitte<br />

der Zwanziger Jahre als Dramaturg, Bühnenautor<br />

und als Journalist. 1929 erschien<br />

sein erster Roman „Nächte eines alten<br />

Kindes“, ein Jahr später folgte „Die Hilflosen“,<br />

für den er den Harper-Literaturpreis<br />

erhielt. Nach der „Machtergreifung der<br />

Nationalsozialisten wurden seine Werke<br />

verboten. Liepmann gelang die Flucht, die<br />

ihn in die Niederlande, nach Frankreich<br />

und England und schließlich in die USA<br />

führte. Dort amerikanisierte er seinen<br />

Namen und schrieb sich fortan „Liepman“.<br />

1947 kehrte er nach Hamburg zurück,<br />

gründete hier eine Literaturagentur, die<br />

noch heute unter seinem Namen existiert.<br />

Im Dezember 1961 siedelte er gemeinsam<br />

mit seiner Frau in die Schweiz über, wo<br />

Heinz Liepman, der jahrzehntelang an<br />

einer schweren Morphiumsucht litt, am 6.<br />

Juni 1966 starb. Noch in seiner letzten Publikation<br />

„Kriegsdienstverweigerung oder<br />

Gilt noch das Grundgesetz?“ engagierte<br />

er sich für ein neues, demokratisches und<br />

friedfertiges Deutschland.<br />

Liepman erreichte nicht annähernd den<br />

Bekanntheitsgrad des sieben Jahre älteren<br />

Erich Maria Remarque, der in „Das<br />

Vaterland“ eine kurze Erwähnung findet.<br />

Trotzdem gibt es zwischen den beiden <strong>Osnabrücker</strong>n<br />

erstaunliche und vielfältige<br />

Parallelen, die beim Geburtsort beginnen<br />

und mit dem Tod in der Schweiz enden.<br />

Spätestens seit dem Interview, das Heinz<br />

Liepman mit Erich Maria Remarque im<br />

November 1962 führte und das unter der<br />

Überschrift „So denk‘ ich über Deutschland“<br />

in der Tageszeitung „Die Welt“ abgedruckt<br />

worden war, verband die beiden<br />

Autoren eine enge Freundschaft.<br />

"In ihren Geschäften saßen die Juden. Sie saßen<br />

auf Hockern und sahen vor sich hin. Sie<br />

hatten es ganz vergessen, dass sie Juden waren.<br />

Sie hatten ihr Vaterland geliebt, die Sprache<br />

ihrer Heimat und deren Bäume, Wiesen und<br />

Seen. „Deutsche, kauft nicht bei Juden! Die<br />

Juden sind euer Unglück.“ Sie sind das Unglück.<br />

Gestern waren sie noch Menschen, Leidensgefährten,<br />

Kameraden, heute sind sie dasUnglück.<br />

Sie saßen auf den Stühlen und Hockern,<br />

sie starrten ins Leere. Und da geschah es, dass<br />

Juden, die keine Juden mehr gewesen waren,<br />

plötzlich wieder Juden wurden. Ihre Arme wurden<br />

ihnen zentnerschwer. Ihre Rücken krumm<br />

und die Augen groß und traurig."<br />

Wem empf ahl Heinrich Bol l den<br />

Roman von Heinz L iepman?<br />

Als Liepmans Roman „Das Vaterland“<br />

1979 in der Reihe „Bibliothek der verbrannten<br />

Bücher“ im Hamburger "Konkret<br />

Literatur Verlag" erschien, schrieb<br />

kein Geringerer als Heinrich Böll das Vorwort<br />

zu der überfälligen Neuauflage. Der<br />

Literatur-Nobelpreisträger gab damals der<br />

Hoffnung Ausdruck, dass Liepmans Buch<br />

gerade die jüngeren Leser daran erinnern<br />

möge, „wie viel Deutschland aus Deutschland<br />

vertrieben, wie viel Deutschland in<br />

Deutschland ermordet und verhöhnt worden<br />

ist.“ | TS<br />

WISSEN KOMPAKT<br />

Heinz Liepman lesen<br />

Liepmans Tod, der sich in diesem<br />

Jahr zum 50. Mal jährt, könnte<br />

ein Anlass sein, sich wieder<br />

intensiver mit seinen Texten zu<br />

beschäftigen. Der Hamburger<br />

Historiker und Publizist Wilfried<br />

Weinke hat genau das<br />

getan und im vergangenen<br />

Jahr eine Dissertation mit dem<br />

Titel "´Ich werde vielleicht<br />

später einmal Einfluß zu gewinnen<br />

suchen´. Der Schriftsteller<br />

und Journalist Heinz<br />

Liepman (1905-1966)" abgeschlossen.<br />

Diese fast 800<br />

Seiten umfassende Rekonstruktion<br />

von Leben und Werk soll<br />

noch <strong>2016</strong> erscheinen. Liepmans<br />

eigene Bücher führen heute nur<br />

noch ein Schattendasein. Sie<br />

sind allenfalls antiquarisch erhältlich<br />

– auf verschiedenen Online-<br />

Portalen allerdings zu mitunter<br />

extrem günstigen Preisen. „Das<br />

Vaterland“ kann auch in der Universitätsbibliothek<br />

Osnabrück ausgeliehen<br />

werden.<br />

Das Erich Maria Remarque-<br />

Friedenszentrum hat eine kleine<br />

Online-Präsentation zu Heinz Liepman<br />

eingerichtet:<br />

Zitat aus „Das Vaterland“, Hamburg 1979,<br />

S. 119-120.<br />

Heinz L iepman<br />

um 1932<br />

www.remarque.de/liepmann/<br />

liepmann.html<br />

Das Foto wurde anlässlich der Uraufführung von<br />

Liepmans Schauspiel "Columbus" im Deutschen<br />

Schauspielhaus in Hamburg im Februar 1932 aufgenommen.<br />

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