Der Ehrenfelder 82 – Oktober 2016

AUS DEM EHRENFELD
„here“ jetzt auch gedruckt
Magazin von Geflüchteten erschienen
Es ist soweit: Das Projekt
„here“ des Ehrenfelder Vereins
Angekommen e.V. hat
die erste von Geflüchteten
erstellte Zeitung veröffentlicht.
Was vor über einem Jahr als
Idee begann, ist heute eine
mehr als 20-köpfige Redaktion
aus Geflüchteten, Medienmachern,
Übersetzern und
Unterstützern.
„Die Geflüchteten sind stolz,
dass sie eine Aufgabe haben
und dass sie als Mitbürger
wahrgenommen werden“,
sagt Thorsten Seel, Vorsitzender
des Trägervereins Angekommen
e.V. In der ersten
Druckausgabe wird Bochums
Oberbürgermeister Thomas
Eiskirch von drei Geflüchteten
interviewt. Die 18-jährigen
Zwillinge Shareef und Ahmad
berichten über ihre Flucht aus
Syrien und „here“-Redakteure
beantworten die Frage, was
für sie typisch deutsch ist.
Alle zwei Monate erscheint
„here“ zukünftig, liegt an vielen
öffentlichen Stellen aus
und wird in Bochumer Flüchtlingsunterkünften
verteilt.
Auch im 3satz Verlag ist es
erhältlich. Das Magazin ist
mehrsprachig – sowohl online
als auch gedruckt – um
Geflüchtete, die gerade erst
deutsch lernen, nicht auszuschließen.
Jeder Text, den die
Geflüchteten schreiben, wird
sowohl auf Deutsch als auch
in einer weiteren Sprache veröffentlicht,
um den Lerneffekt
zu erhöhen. Im Onlinemagazin
sind die Texte in weiteren
Sprachen verfügbar.
Kooperationspartner ist das
Kommunale Integrationszentrum
Bochum, gefördert wird
das Magazin vom Bundesamt
für Migration und Flüchtlinge
(BAMF).
Die erste Ausgabe des „here“-Magazins wurde gefeiert. Ab
jetzt erscheint es alle zwei Monate.
Foto: 3satz
OLLYS EINWURF
Bringt nichts, muss aber
gesagt werden
Sobald Schreckliches passiert,
sind sie da. So sicher
wie Geier beim Aas oder das
Deppen-Apostroph an Kiosken
und Geschäften. Jede
Art von Leid zieht sie magisch
an. Terroranschläge,
Flugzeugabstürze, Naturkatastrophen,
Entführungen,
Erpressungen, Amokläufe,
Großbrände. Seit Dekaden
nerven mich diese Scharlatane
der Boulevard-Journaille.
Diese defekten Mutationen
des einst seriösen Journalistenstands
umkreisen die
Polizeifunkfrequenzen wie
Motten das Licht, um bloß
keine Tragödie zu verpassen.
Von Sensationsgier
getrieben, sind sie oft vor
den Rettern am Einsatzort.
Schießen Bilder, bestürmen
Betroffene, feilschen um Familienfotos
der Leidtragenden,
um sie meistbietend
zu verschachern. Fahnden
nach ruhmgierigen, tumben
Gaffern, denen sie ihre perfiden
Formulierungen in den
Mund legen können und die
sich dann im Kreise degenerierter
Freunde feiern lassen.
Aber so schnell diese Hyänen
kommen, sind sie wieder
verschwunden. Ohne Interesse
am Ausgang, echter
Recherche, an der Wahrheit
oder der Arbeit der Retter.
Jetzt ist es im Bergmannsheil
passiert: „Klinik-Inferno“,
„Feuerwalze rast durch
Flure“, „Patienten schreien
in Panik“, „So entkam ich
der Hölle“. Natürlich inklusive
Gerüchten über eine
brennend tanzende Selbstmörderin,
der einzigen heldenhaften
Angestellten und
dem nicht wegzudenkenden
entsetzten Patienten. Selbstverständlich
alles im Namen
der Informationspflicht und
der Wichtigkeit der Wahrheit.
Falsch, alles nur wegen
sinkender Auflagen und der
Kohle. Analphabeten, Leichenfledderer,
Heuchler!
Danke an die objektiven Berichterstatter
und alle Polizeiund
Rettungskräfte.
2 ⎮Der Ehrenfelder⎮Oktober 2016