05.10.2016 Aufrufe

KURT 10/2016

KURT 10/2016 Das Stadt-, Kultur- und Szenemagazin für die Region Gifhorn

KURT 10/2016
Das Stadt-, Kultur- und Szenemagazin für die Region Gifhorn

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

20<br />

21<br />

trends & lifestyle<br />

» noch heute von ihren toleranten Eltern,<br />

die sie „haben machen lassen“. Zwar sei<br />

man im Dorf schon mal naserümpfend betrachtet<br />

worden, doch rieselt es auch viel<br />

Anerkennung: Schließlich steht die Band für<br />

Zusammenhalt – und Hoax haben Orte zum<br />

Sein geschaffen. Mit zerrissenen No-Name-<br />

Klamotten, bunten Haaren und Alkohol wird<br />

ordentlich gerockt und gepogt: „Wir haben<br />

alle Reste aus den 70ern zusammengekippt<br />

und mit Zucker vermischt – da wurde auch<br />

mal gekotzt“, erinnert sich Frontmann Boris<br />

Neubrandt. „Hauptsächlich haben wir aber<br />

das gute Wittinger Dosenbier getrunken.“<br />

Irokesenschnitt und Glatze treffen aufeinander<br />

– bei Punk-Partys keine Seltenheit.<br />

Denn die Skinhead-Bewegung (vom englischen<br />

skin „Haut“ und head „Kopf“) hat in<br />

ihrem Ursprung nichts mit den Neonazis von<br />

heute zu tun. Die Skinheads von einst entspringen<br />

dem Punk, sie waren links und Antifaschisten.<br />

Doch schnell entwickeln sich auch<br />

politische Gegensätze. Während man in Groß<br />

Oesingen nur wenig davon mitbekommt,<br />

treffen die Musiker von Hoax bei ihren Konzerten<br />

im Gifhorner Stadtgebiet immer häufiger<br />

auch auf Anhänger der rechten Szene:<br />

„Denen ging es permanent um Gewalt und<br />

hohlen Scheiß“, berichtet die Band.<br />

Im Oktober 1983 gründen sich im Unabhängigen<br />

Jugendzentrum (UJZ) Kornstraße<br />

in Hannover die legendären Abstürzenden<br />

Brieftauben – es ist der Beginn des Deutsch-<br />

Punks. Im selben Jahr führt die Polizeidirektion<br />

Hannover die sogenannte Punker-Kartei<br />

ein. Punks und Skinheads werden gleichermaßen<br />

erfasst, um „einen Überblick über die<br />

Szene in Hannover zu gewinnen“ und einer<br />

befürchteten „Gefährdung für die öffentliche<br />

Sicherheit und Ordnung“ entgegenwirken<br />

zu können. Die Reaktion lässt nicht lange<br />

auf sich warten: Die Chaostage sollen möglichst<br />

viele „karteiwürdige“ Menschen nach<br />

Hannover locken, um so diese Kartei ad absurdum<br />

zu führen. Klar, dass Straßenschlachten<br />

mit der Polizei da nicht ausbleiben.<br />

Die Mitglieder von Hoax kümmern sich indes<br />

friedlich weiter um ihre Lebern und die<br />

Ohren ihrer Fans. Im März ‘84 ist es schließlich<br />

so weit: Als Vorband der Toten Hosen<br />

rocken unsere Jungs im<br />

emsländischen Schüttorf<br />

die begeisterte Meute. Und<br />

im Frühjahr 1986 nehmen<br />

sie dann ihr Debut-Album<br />

„Alles Banane“ auf und unterzeichnen<br />

ihren ersten<br />

Die Chinesischen Glückskekse<br />

im Jahr 1989 bei einem Auftritt<br />

in der Diakonie Kästorf.<br />

Da steppt der Punk: Bei einem Benefiz-Konzert für den<br />

Kindergarten in Groß Oesingen im Mai 1989 ist das Publikum<br />

völlig außer Rand und Band (Foto oben). Auch<br />

1992 wird die Band um Frontmann Boris Neubrandt<br />

(Foto rechts) in den Hallen des Dagobert – besser<br />

bekannt als Gasthaus „Zur Linde“ – gefeiert.<br />

Plattenvertrag, der ihnen mehr als <strong>10</strong>0 Gigs<br />

in der gesamten Republik beschert.<br />

Zur selben Zeit formieren sich in Gifhorn<br />

die Chinesischen Glückskekse: „Die Gründung<br />

war eigentlich ‘ne Schnapsidee“, verrät<br />

Dietrich „Richy“ Hecke, heute erfolgreicher<br />

Tour- und Stage-Manager mit Büro in Köln.<br />

„Wir haben gerade mal zwei Monate Instrumente<br />

gehabt und darauf rumprobiert.<br />

Für das erste Konzert im September ‘86 im<br />

Gifhorner Café Flax habe ich dann meinen<br />

Bruder genötigt, der wenigstens einigermaßen<br />

Gitarre spielen konnte.“<br />

Auch mit anderen Hobby-Bands aus der<br />

Gegend – egal aus welchem Genre – wird viel<br />

gespielt. Austausch und musikalische Weiterentwicklung<br />

sind das Ziel. „Eigentlich wollte<br />

ich damals schon gern Richtung Rockabilly<br />

und Psychobilly gehen, ich habe nur erst keine<br />

Mitstreiter gefunden“, erzählt Richy. Generell<br />

ging‘s bloß um Musik machen – da gefiel<br />

der Spirit des Punks: Man müsse ja nicht<br />

unbedingt spielen können, Hauptsache man<br />

hat Spaß dabei. „Wir wollten eigene Wege finden,<br />

nicht die ausgetretenen Pfade gehen –<br />

und genau das bedeutet Punk für uns.“<br />

Auch ohne Internet verbreiten sich die<br />

Infos schnell – dank Mundpropaganda: Konzerte<br />

gibt‘s in ganz Gifhorn. Ins einstige Café<br />

Quer – ein christliches Jugendcafé am Amtsgericht<br />

– haben sich die Kekse selbst eingeladen,<br />

um aufzutreten. „Obwohl die dort<br />

eigentlich keinen Alkohol wollten.“ Das Café<br />

Arbeitslos – eine Art Jugendcafé, das von<br />

der Stadt Gifhorn betrieben wurde – machte<br />

schnell wieder dicht, weil‘s den Nachbarn<br />

zu laut wurde. Wie gut, dass es noch den<br />

Moorkater in der Südstadt gab: „Unsere Eltern<br />

waren schon in den 60ern da“, berichtet<br />

Richy von dem alternativen Kultschuppen,<br />

in seinen Augen eine „Disko über Generationen“.<br />

„Also beschlossen wir, dort die »

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!