hinnerk November 2016
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Szene Hamburg 4<br />
Community<br />
FOTO: THOMAS TOBABEN/PIXELIO.DE<br />
CANDLE LIGHT WALK<br />
Erstmals startet der Candle<br />
Light Walk von Hein & Fiete,<br />
AIDS-Seelsorge und LSVD<br />
Hamburg in diesem Jahr mit<br />
einem Gottesdienst im Michel.<br />
Ab 18 Uhr halten Detlev Gause<br />
mit Bischöfin Kirsten Fehrs und<br />
Hauptpastor Alexander Röder<br />
die Predigt mit dem Motto<br />
„2030 das Ende von Aids –<br />
Welt-Aids-Tag-Gottesdienst“.<br />
Musikalische Begleitung gibt<br />
es von den TBONEBROTH, im<br />
Anschluss startet der Spaziergang<br />
dann vom Michel durch<br />
die Innenstadt zu Hein & Fiete,<br />
wo der LSVD zum abschließenden<br />
Glühweinumtrunk lädt.<br />
Teilnahme und Spendenfreude<br />
sind wie immer gern gesehen.<br />
www.heinfiete.de<br />
QUEER OPEN STAGE<br />
Das Supertalent auf RTL war<br />
gestern. Am 6. <strong>November</strong> zeigen<br />
diverse Amateur- und Hobbykünstler,<br />
was sie machen und<br />
können. Egal ob Sologesang<br />
mit Klavier, Tanz-Performance<br />
oder Spoken Word oder, oder ...<br />
Das mhc ist offen für zehn Minuten<br />
Ruhm, Rampenlicht und<br />
erste Schritte auf die Bühne.<br />
Applaudiert den mutigen Künstlern<br />
und schaut, ob ihr beim<br />
nächsten Mall selbst beklatscht<br />
werden möchtet. Los geht es<br />
um 18 Uhr und wie immer ist<br />
der Eintritt frei, eine Spende<br />
aber erbeten.<br />
www.mhc-hamburg.de<br />
FOTO: CARLO SCHRODT/PIXELIO.DE<br />
Gastkommentar<br />
REHABILITIERUNG<br />
NACH § 175 –<br />
RANDGRUPPEN<br />
NICHT VERGESSEN!<br />
Bei allen Bemühungen zur Wiedergutmachung<br />
dürfen auch Menschen nicht<br />
vergessen werden, die sonst nicht im<br />
Mittelpunkt der Berichterstattung zur<br />
allgemeinen Homosexuellenverfolgung<br />
nach 1945 stehen: Frauen.<br />
1948 wurde eine Frau in Niedersachsen<br />
bestraft. 1952 wurde in Hamburg eine Frau<br />
nach § 175a StGB rechtskräftig verurteilt,<br />
1953 nochmals eine jugendliche Frau nach<br />
§ 175. 1955 wurde wieder in Niedersachsen<br />
eine Frau wegen Beihilfe (= Unterstützung)<br />
bestraft, 1963 letztmals in diesem Bundesland,<br />
allerdings wird noch 1975 eine Frau<br />
freigesprochen. Für Bremen und Schleswig-<br />
Holstein lassen sich bislang keine entsprechenden<br />
Verfahren dokumentieren. Diese<br />
geschilderten Fälle zählen zu den 32 Frauen,<br />
die in den zentralen Statistiken zu Verurteilungen<br />
in der westdeutschen Bundesrepublik<br />
nachgewiesen werden können. Sie gehören<br />
damit zu der Gruppe von Menschen, die vergessen<br />
werden könnten, wenn es tatsächlich<br />
zur Rehabilitierung noch in diesem Jahr<br />
kommt. Hierneben hat es sicher in vielen Fällen<br />
auch polizeiliche Ermittlungen gegeben,<br />
die auch bei weiteren Frauen Lebensläufe<br />
beschädigten – auf ganz andere Weise als<br />
bei Männern, denn Frauen werden auch als<br />
Frauen von der allgemeinen Gesellschaft diskriminiert.<br />
Die hetero-normative Männergesellschaft<br />
der Nachkriegsbundesrepublik ist<br />
daher gegenüber Frauen doppelt ungerecht.<br />
Über 60.000 Verurteilungen hat es allein in<br />
Westdeutschland bis 1994 gegeben, mindestens<br />
weitere 50.000 Ermittlungsverfahren<br />
führten letztendlich zu keinen Strafverfahren,<br />
blieben aber demütigend für die betroffenen<br />
Menschen. Ob alle betroffenen Männer heute<br />
als „schwul“ bezeichnet werden können,<br />
darf bezweifelt werden: genau wie heute,<br />
wo nicht alle Männer, die Sex mit Männern<br />
haben, dieser modernen Selbstbezeichnung<br />
unterliegen. Leider sind die Randbereiche<br />
bis heute nicht wissenschaftlich erforscht<br />
oder betroffene Menschen interviewt worden.<br />
Wer fragt beispielsweise einmal nach<br />
trans- oder intersexuellen Menschen sowie<br />
nach heterosexuellen Transvestiten, die in<br />
diesen Post-NS-Ermittlungswahn gerieten?<br />
Oder nach den zahlreichen polizeilichen<br />
Ermittlungsverfahren gegen pubertierenden<br />
Kindern oder den Verfahren in den neuen<br />
Bundesländern nach der Wiedervereinigung,<br />
wo es den § 175 nicht mehr gab?<br />
Wenn es zu einer wirklichen Rehabilitation<br />
kommt, kann es nur umfassend darum<br />
gehen, alles an Eventualitäten zu versuchen,<br />
wiedergutzumachen. Keine wie auch immer<br />
in welcher Höhe ausfallende Entschädigung<br />
kann hier wahrscheinlich helfen, etwaig<br />
verpasste Rentenansprüche auszugleichen.<br />
Auch die Ermittlungsverfahren haben zu<br />
Rehabilitationsansprüchen zu führen. Deswegen<br />
hat es neben individuellen Zahlungen<br />
auch Kollektiventschädigungen zu geben,<br />
die an frauen- und männerbezogene Projekte<br />
gehen müssen, und auch die Bundesstiftung<br />
Magnus Hirschfeld darf dabei nicht<br />
leer ausgehen. Das sind wir allen Menschen<br />
schuldig, die in West- und Ostdeutschland<br />
staatlich diskriminiert worden sind.<br />
•Alexander Wäldner, Historiker, Weetzen bei<br />
Hannover<br />
Wer seine persönliche Geschichte zur<br />
eigenen Verfolgung nach § 175 erzählen<br />
möchte, wird gebeten, sich an die Redaktion<br />
zu wenden (redaktion@<strong>hinnerk</strong>.de),<br />
die dann den Kontakt zum Autor herstellt.<br />
Besonders Frauen werden um Kontaktaufnahme<br />
gebeten.