Rheinzeiten - Doppel.Design
Rheinzeiten - Doppel.Design
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Landeshauptstadt<br />
Düsseldorf<br />
Die Geschichte der rheinseitigen<br />
Stadt front nach den Befunden<br />
der archäologischen Forschung.<br />
Düsseldorfer<br />
Mit Beiträgen zum Alltagsleben in<br />
am<br />
den Stadtquartieren der Kaufleute,<br />
Hand werker und Tagelöhner.<br />
Entdeckungen Archäologische Oesterwind Bernd Lommerzheim Ralf<br />
ISBN 3–00–013858–7 <strong>Rheinzeiten</strong> Rheinufer<br />
<strong>Rheinzeiten</strong><br />
Archäologische Entdeckungen am Düsseldorfer Rheinufer<br />
Ralf Lommerzheim<br />
Bernd Oesterwind
Krämerstraße<br />
Abb. 41<br />
Gewölbekeller<br />
Krämerstraße 19.<br />
Grabungsfoto.<br />
Gefäße<br />
aus den Brunnen in<br />
der Krämerstraße 19:<br />
Abb. 42<br />
Bemalte Irdenware<br />
vom Niederrhein,<br />
18. Jahrhundert<br />
Abb. 43<br />
Fragmente von<br />
Trinkgläsern,<br />
16. Jahrhundert<br />
Abb. 44<br />
Dreibeingefäß aus<br />
Frechener Produktion,<br />
18. Jahrhundert<br />
1632 Krämerstraße
Westliche Krämerstraße<br />
Abb. 45<br />
Krämerstraße.<br />
Übersichtsplan<br />
mit den ergrabenen<br />
Fundamenten, Keller -<br />
anlagen und Brunnen<br />
(dunkel angelegt)<br />
31<br />
5,40 m<br />
N
Krämerstraße<br />
Abb. 46<br />
Trinkgefäß aus<br />
Siegburger Steinzeug,<br />
um 1580<br />
Abb. 47<br />
Große Henkelschüssel<br />
mit leuchtend grüner<br />
Innenglasur und<br />
Kammstrichdekor.<br />
Weißtonige Ware<br />
Frechener Art,<br />
16. Jahrhundert<br />
Aus der Stadtchronik<br />
Nach den Ergebnissen der urkundlichen Quel lenforschung<br />
besaß das 1288 zur Stadt erhobene<br />
Dorf an der Düsselmündung in jenen Tagen nur<br />
„zwei Straßen, die diesen Namen verdienen“ 25.<br />
Neben der zuvor erwähnten „Altestadt“ ist eine<br />
parallel zum Rhein verlaufende Wegeführung<br />
bekannt geworden, die in der Gründ ungszeit die<br />
Bezeichnung „am Ufer“ führte. Es steht zu<br />
ver mu ten, dass die Umbenennung in „Krämerstraße“<br />
erst einige Generationen später erfolgte.<br />
Diese Namensänderung stand höchstwahr -<br />
schein lich in Zusammenhang mit der hier wohl<br />
um 1400 einsetzenden Ansiedlung von Kaufleuten<br />
und Kleinhändlern.<br />
Nähere Angaben zu Art und Umfang der<br />
hochmittelalterlichen Wohnbebauung sind der<br />
schriftlichen Überlieferung jedoch nicht zu<br />
entnehmen.<br />
In der frühen Neuzeit lehnten sich einige Baukörper<br />
der westlichen Häuserzeile an die rheinseitig<br />
umlaufende Stadtmauer an. Nahe der<br />
Altestadt ist die langgestreckte, eingeschossige<br />
Fleischhalle zu lokalisieren, die 1697 als Verkaufsplatz<br />
für die Metzger gebaut worden war.<br />
Verbunden war sie mit der Schlachthalle,<br />
welche mit dem nebenan liegenden Wohnhaus<br />
einen gemeinsamen mächtigen Unterbau von<br />
Basaltblöcken hatte, bei dem es sich um die<br />
Abb. 48<br />
Krämerstraße.<br />
Die zum Abriss freige -<br />
gebenen Gebäude (rote<br />
Markierung) nach einem<br />
Katasterplan des späten<br />
19. Jahrhunderts
Reste der 1636 errichteten Bastion handeln<br />
dürfte. Das Wohn haus gehörte dem Kammerportier<br />
der Kurfürstin Anna Maria Luisa,<br />
Sebastian Lucas Fröschel und seiner Frau Maria<br />
Sibilla Haas, welche es 1699 für ein Darlehen<br />
verpfändeten 26.<br />
Im nordwestlichen Winkel öffnete ein kleines<br />
Stadttor – die Lindentrappenpforte – den Weg<br />
auf das tiefer gelegene Werft, wo sich wahrscheinlich<br />
eine Schiffsanlegestelle befand. Den<br />
nördlichen Abschluss bildete der alte Zollturm,<br />
der zuletzt als Pulverturm diente. Am 10. August<br />
1634 wurde das darin gelagerte Pulver durch<br />
einen Blitzschlag entzündet. Die gewaltige<br />
Explosion verursachte auch an den Häusern der<br />
Krämerstraße erhebliche Schäden.<br />
Aus dieser Zeit stammen die ersten konkreten<br />
Angaben zu den Bewohnern des Straßenzuges.<br />
Danach gehörte die Krämerstraße aufgrund ihrer<br />
unmittelbaren Nähe zum Schloß im 17. und<br />
18. Jahrhundert zu den bevorzugten Wohnbezirken<br />
der Stadt. Immerhin hatte hier schon<br />
Herzog Johann III. im Jahr 1537 ein Gebäude<br />
(„neben dem Heiligenhäuschen“) erworben.<br />
In seiner Schrift „Historische Wanderungen<br />
durch die alte Stadt Düsseldorf“ hat H. Ferber<br />
eine Zusammenstellung der hier nachgewie -<br />
senen wohl habenden Bürger, Hofbeamten und<br />
Ade ligen gegeben. Demnach lebten in der<br />
Krämerstraße unter anderem Hof medicus<br />
Rubens (1708, Haus Nr. 1), Magister Hartung<br />
(1632, Haus Nr. 7), Ratsmitglied und Schöffe<br />
Westliche Krämerstraße<br />
Herding (1632, Haus Nr. 13), Bürger meister<br />
Schepperus (1632/1633, Haus Nr.15), der reiche<br />
Gerichtsschreiber Neuenhausen (1632, Haus<br />
Nr. 17), Schultheiß Caspars (1632, Haus Nr. 19),<br />
Amtsverwalter Windeck (1738, Haus Nr. 16)<br />
so wie der in seiner Zeit berühmte Maler J. F.<br />
Douven (1713, Haus Nr. 2), der als Por traitist<br />
höchster Adelskreise im An sehen stand. Die<br />
zuvor verwendeten Hausnummern stammen<br />
aus dem 19. Jahr hundert. Bis dahin trugen die<br />
Gebäude Eigen namen wie etwa „In den sieben<br />
Sternen“ (Nr. 11) oder waren durch den Namen<br />
des Besitzers („von Hochsted’sches Haus“,<br />
Nr. 18) gekennzeichnet.<br />
Mit der Beschießung der Stadt am 7. Oktober<br />
1794 durch französische Revolutionstruppen<br />
beginnt das letzte Kapitel in der Geschichte der<br />
Krämerstraße. In den oftmals nur provisorisch<br />
wiederhergestellten Häusern wohnen nun überwiegend<br />
Handwerker wie der Anstreicher Drach<br />
oder der Schneider Giesen. 1803 wird die<br />
Düsseldorfer Arbeitsanstalt, in der mittellose<br />
Erwachsene und Kinder mit handwerklichen<br />
Tätigkeiten beschäftigt werden, in das Haus<br />
Nr. 19 verlegt. Das stattliche Gebäude muss<br />
nach wechselvoller Nutzung zusammen mit den<br />
übrigen rheinwärts gelegenen Häusern in den<br />
Jahren 1899 – 1902 dem Ausbau des neuen<br />
Werfts weichen. Mit dem Abriss der östlichen<br />
Häuserzeile (1968) gerät eine der ältesten Straßen<br />
unserer Stadt in Vergessenheit.<br />
33
Krämerstraße<br />
Brunnenfunde aus der<br />
Krämerstraße 19:<br />
Abb. 49<br />
Pfannkuchenteller,<br />
bemalte Irdenware,<br />
18. Jahrhundert<br />
Abb. 50<br />
Drei herzförmige<br />
Saucieren und ein<br />
kleiner Teller aus<br />
niederländischer<br />
Produktion. Fayence,<br />
18. Jahrhundert<br />
Abb. 51<br />
Drei blaue bemalte<br />
Gefäße aus Wester -<br />
wälder Steinzeug,<br />
17./18. Jahrhundert<br />
Der Alltag am Rhein:<br />
Grabungsbefunde<br />
9<br />
Aus der zuvor geschilderten Quellenlage ergab<br />
sich die Notwendigkeit, den durch den Rheinufertunnel<br />
beanspruchten historischen Untergrund<br />
im Abschnitt zwischen Altestadt und<br />
Burgplatz mit besonderer Intensität archäologisch<br />
zu untersuchen.<br />
Dabei waren einerseits grundlegende Fragen zur<br />
Entwicklung und Topographie unseres ältesten<br />
Stadtviertels zu klären. Zum anderen galt es,<br />
die privaten Lebensverhältnisse der – teilweise<br />
na ment lich überlieferten – Bewohnerinnen und<br />
Be wohner zu beleuchten. Eine ganz außer ge -<br />
wöhn liche Fülle an aufgefundenen Gebrauchsge<br />
genständen bewegte die Autoren dazu, diese<br />
Zeugnisse des „Alltagslebens in der Krämerstraße“<br />
in den Mittelpunkt des folgenden Kapitels zu<br />
stellen.<br />
Beginnen wir unseren Bericht mit einer Übersicht<br />
über das Grabungsgelände und die hier<br />
aufgedeckten Siedlungsbefunde (Abb. 52):<br />
Der auf einer Länge von etwa 120 Metern<br />
untersuchte Bereich umfasst die Südwestseite<br />
11<br />
13<br />
der Krämerstraße mit den Häusern Nr. 9, 11,<br />
13, 15, 17 und 19. Die gleichfalls durch die<br />
Tunnelstraße tangierten Häuser Nr. 5 und 7<br />
waren bereits in alter Zeit weitgehend zerstört<br />
worden.<br />
Die Ansprache der Bauparzellen beruht auf<br />
einer neuzeitlichen Grundstückseinteilung, die<br />
aus Katasterplänen des 18. und 19. Jahrhunderts<br />
übernommen wurde.<br />
Bereits bei Voruntersuchungen konnte ein<br />
nahezu kontinuierlicher Anstieg des anstehenden<br />
Kiesbodens von Norden nach Süden beo b achtet<br />
werden. Danach lag das Straßenniveau in Höhe<br />
des Gebäudes Nr. 19 ursprünglich knapp 2,50 m<br />
über dem Fußpunkt auf der ehemaligen Parzelle<br />
Krämerstraße Nr. 5.<br />
Der Grabungsplan läßt sowohl Einzelbefunde<br />
als auch vielgestaltige Baustrukturen erkennen,<br />
deren funktionale Deutung und zeitliche Zuord -<br />
nung durch die oftmals fragmentarische Überlieferung<br />
erschwert wird. Diese Fest stellung trifft<br />
insbesondere auf die älteste Siedlungsphase zu.<br />
15<br />
17<br />
Abb. 52<br />
Westliche Krämerstraße.<br />
Übersichtsplan mit<br />
den ergrabenen Grund -<br />
mauern der Häuser 9–19<br />
3,50 m<br />
N
19<br />
B<br />
A<br />
Westliche Krämerstraße<br />
Nach den aufgefundenen Keramikresten setzte<br />
die Bau tätigkeit im fortgeschrittenen 14. Jahr -<br />
hundert auf der Parzelle Krämerstraße 17 ein.<br />
Die hier ergrabenen Baustrukturen belegen die<br />
Existenz eines einfachen Holzhauses, dessen<br />
Pfosten noch in den Boden eingegraben worden<br />
sind. Um 1400 ersetzte man diese wenig dauer -<br />
hafte Konstruktion durch ein Fachwerkgebäude,<br />
dessen Schwellbalken auf einem Fundament -<br />
sockel aus Bruchstein ruhten. Als zugehörig erwies<br />
sich ein aus Ziegeln gemauerter Brunnen im<br />
östlichen Teil des Grundstücks, der später in einen<br />
Abfallschacht umgewandelt wurde (Abb. 53).<br />
Trotz intensiver Nachforschung ergaben sich<br />
keine weiteren Hinweise auf eine Wohnbebauung<br />
der Krämerstraße im frühen 15. Jahrhundert.<br />
Aus dieser Siedlungsphase blieben lediglich die<br />
auf den angrenzenden Parzellen (Nr. 15/19) vorgefundenen<br />
Brunnenanlagen erhalten.<br />
Archäologisch gut dokumentiert ist hingegen<br />
eine intensive Bautätigkeit in der ersten Hälfte<br />
des 16. Jahrhunderts. Innerhalb weniger Jahrzehnte<br />
entstanden die mit Ziegeln aufgemauerten<br />
Keller der Häuser Krämerstraße Nr. 13, 15, 17<br />
und 19. Da die sparsamen Bauherren bei der Her -<br />
stellung der Kellerfußböden oftmals auch Fehlbrände<br />
und Altmaterial in Zweitverwendung benutzten,<br />
bot sich den Ausgräbern ein farbenfrohes<br />
Abb. 53<br />
Krämerstraße 17.<br />
Grabungsbefunde<br />
des 14. Jahrhunderts<br />
35<br />
4,10 m<br />
N
Krämerstraße<br />
Abb. 54<br />
Krämerstraße 13.<br />
Grabungsplan<br />
vom Fußboden<br />
der Kelleranlage<br />
62,00 cm<br />
N<br />
Bild (Abb. 54). Als interessante Ausstattungsdetails<br />
sind neben einzelnen Sicker gruben die gemauerten,<br />
überwiegend quadratischen Ein -<br />
tiefungen zu erwähnen, die wohl zur kühlen<br />
Lagerung verderblicher Lebensmittel bestimmt<br />
waren.<br />
Aufgrund der schlechten Befundlage konnte<br />
nicht eindeutig geklärt werden, ob die Wände der<br />
– mehrheitlich etwa 20 qm großen – Kellerräume<br />
ein Gewölbe oder eine Holzbalkendecke getragen<br />
haben. Teile des Tonnengewölbes blieben lediglich<br />
bei dem ungewöhnlich stark eingetieften<br />
<strong>Doppel</strong>keller auf der Parzelle Krämerstraße<br />
Nr. 19 erhalten.<br />
Spätestens in den Jahren um 1550 verfügten<br />
alle zuvor genannten Häuser über einen eigenen<br />
Brunnen. Die stets in Ziegelbauweise erstellten<br />
Brunnenschächte reichten bei einer lichten<br />
Weite von 0,80–1,50m noch etwa 5–7m in<br />
den anstehenden Boden hinab. Vielleicht ist in<br />
dieser eher geringen Bautiefe auch ein Grund für<br />
die allgemein kurze Nutzungsdauer zu sehen:<br />
Bei kontinuierlich sinkendem Grundwasserspiegel<br />
konnten die Anlagen kein ge nießbares<br />
Wasser mehr liefern und wurden in Entsorgungsschächte<br />
umgewandelt. Die anschließende<br />
Verfüllung der Brunnenröhren mit Bauschutt,<br />
Küchenabfällen und zerbrochenem Hausrat zog<br />
sich in Einzelfällen (Krämerstraße Nr. 19) über<br />
mehrere Jahrhunderte hin.<br />
Nach den Ergebnissen der bauhistorischen Auswertung<br />
dürften die kleinteilig überlieferten<br />
Fundamentreste der Häuser Krämerstraße Nr. 9<br />
und 11 frühestens in der zweiten Hälfte des<br />
16. Jahrhunderts entstanden sein. Die für eine<br />
nähere Datierung erforderlichen Fundobjekte<br />
fehlen hier gänzlich, sodass auch der weitere<br />
Besiedlungsablauf ungeklärt bleiben muss.<br />
Konkrete Informationen liegen hingegen für die<br />
höher gelegenen Parzellen Krämerstraße Nr. 15,<br />
17 und 19 vor. So zeigte das Anwesen des<br />
Gerichtsschreibers Neuenhausen (Nr. 17) eine
Trennung in ein stattliches Vorderhaus und ein<br />
kleines, unterkellertes Hinterhaus (Abb. 55).<br />
Dieses nahm nur etwa die halbe Grundstücksbreite<br />
ein, sodass noch Platz für eine kleine<br />
Hoffläche blieb. Die Verbindung zwischen<br />
beiden Baukörpern erfolgte über eine Treppe<br />
aus Backstein. Trotz einiger Umbauten in<br />
napoleonischer Zeit blieb dieser, im späten<br />
16. Jahrhundert geschaffene Zustand gut<br />
er kennbar.<br />
Der auf den schmalen Grundstücken Krämerstraße<br />
Nr. 13 und 15 angetroffene Gebäudekomplex<br />
setzte sich aus verschiedenen Bau -<br />
abschnitten, Neubauten und Erweiterungen des<br />
frühen 16.–18. Jahrhunderts zusammen. Von<br />
den jüngeren Erweiterungen fast vollständig<br />
überbaut war der gemeinsame Kernbereich im<br />
Osten beider Parzellen, auf dem um 1500 ein<br />
langrechteckiges Ziegelbauwerk errichtet wurde.<br />
Als zugehörig erwies sich der südwestlich<br />
angrenzende Brunnen, dessen Verfüllung<br />
zahl reiche interessante Funde enthielt. Etwa<br />
50– 60 Jahre später legte man das vorgenannte<br />
Haus nieder und teilte das Areal in zwei<br />
Bauplätze gleicher Größe auf.<br />
Wegen der zahlreichen, zeitlich schlecht<br />
be stimm baren Ausbauphasen lässt sich die<br />
weitere Baugeschichte nur noch unvollständig<br />
erschließen. Immerhin deuten die erhaltenen<br />
Fundament reste darauf hin, dass spätes -<br />
tens um 1580 auf beiden Parzellen jeweils ein<br />
unter kellertes Vorderhaus gestanden hat. Dabei<br />
Abb. 55<br />
Krämerstraße 17.<br />
Grabungsbefunde<br />
des 16. Jahrhunderts<br />
37<br />
2,60 m<br />
N
Krämerstraße<br />
Abb. 56<br />
Krämerstraße 15.<br />
Grabungszeichnung<br />
der Brunnenanlage<br />
75,70 cm<br />
Aufsicht<br />
N<br />
wurde der alte Ziegelbrunnen (Abb. 56) in den<br />
Baubestand des Hauses Krämerstraße Nr. 15<br />
integriert. Dieses giebelständig auf die Krämerstraße<br />
ausgerichtete Gebäude besaß im 17. Jahrhundert<br />
einen kleinen Kamin in der nördlichen<br />
Traufwand. Archäologisch nachgewiesen ist auch<br />
ein etwa 2 Meter breiter Eingangsbereich in der<br />
Mitte der östlichen Stirnseite, der in den Jahren<br />
nach 1794 verlegt wurde.<br />
Betrachten wir nun abschließend die auf dem<br />
großen Eckgrundstück Krämerstraße Nr. 19<br />
ergrabenen Befunde. Die Besitzergeschichte<br />
dieses in sozialtopographisch wichtiger Lage<br />
nahe dem Schloss gelegenen Anwesens lässt<br />
sich seit dem 17. Jahrhundert verfolgen. Nach<br />
dem Landsteuerbuch von 1632 war es „...Ihrer<br />
Durchlaucht Haus, wo Herr Schultheiss Caspar<br />
Caspars wohnt“. Die hohe gesellschaftliche Stellung<br />
des wohlhabenden Schultheißen Caspars,<br />
der später zum Landrentmeister und Kammerdirektor<br />
am Düsseldorfer Hofe ernannt wurde,<br />
wird auch dadurch unterstrichen, dass es ihm<br />
gelang, für sich und seine Ehefrau eine Begräb -<br />
nisstätte unmittelbar neben dem Michaelis-Altar<br />
der nahen St. Lambertus- Kirche zu erwirken.<br />
Seit 1694 erhielten in dem hier von Herzog<br />
Philipp Wilhelm eingerichteten Pagenhaus<br />
(später auch als „Knabenhaus“ bezeichnet) zahlreiche<br />
junge Adelige ihre diplomatische und<br />
militärische Grundausbildung.<br />
Nach einer Unterbrechung von etwa 20 Jahren<br />
wird diese Tradition mit der Gründung einer<br />
Adelsakademie durch den Hofkanzler Anton<br />
Sissonet im Jahr 1749 fortgesetzt.<br />
Das 1991 freigelegte Ensemble ließ zahlreiche<br />
Bauspuren aus unterschiedlichen Siedlungs -<br />
pha sen erkennen, die jedoch nicht mehr zu einem<br />
geschlossenen baugeschichtlichen Bild zusam -<br />
men gefügt werden konnten.<br />
Für die Zeitepoche des Spätmittelalters blieben<br />
einzelne Fundamentreste aus Feldstein erhalten,<br />
die sich deutlich von den jüngeren, in Ziegeltechnik<br />
aufgeführten Mauerzügen unterschieden.<br />
Auch deuten die im näheren Umfeld aufge -<br />
lesenen Funde, darunter Fragmente der mittelalterlichen<br />
„Grauware“ (Abb. 57), darauf hin,<br />
dass der nordöstliche Teil der Parzelle bereits um
1400 besiedelt war. Deutlich erfassbar ist hier<br />
jedoch erst wieder ein unterkellerter Neubau<br />
des 16. Jahrhunderts, bei dem Teile des älteren<br />
Hauses in situ wiederverwendet wurden.<br />
In der Zeit von 1450 – 1500 entstanden auf<br />
den westlichen gelegenen Flächen zwei Trinkwasser<br />
brunnen mit kreisrunden, aus Ziegeln<br />
gemauerten Schächten. Wegen der besonderen<br />
Bedeutung der hierin entdeckten archäolo -<br />
gischen Dokumente werden diese Anlagen in<br />
einem separaten Abschnitt vorgestellt.<br />
Den weitaus eindrucksvollsten Baukörper errich -<br />
tete man im 2. Viertel des 16. Jahrhunderts auf<br />
der Südseite des Grundstücks: Ein ungewöhnlich<br />
stark eingetiefter, mit Backsteinen aufgeführter<br />
<strong>Doppel</strong>keller erreichte das Außenmaß<br />
von 10,40m x 5,60m. Die aufgehenden Wände<br />
Abb. 57<br />
Krämerstraße 19.<br />
Scherben eines<br />
mittelalterlichen<br />
Kugeltopfes<br />
Abb. 58<br />
Krämerstraße 19.<br />
Ansichtszeichnung der<br />
östlichen Kellerwand<br />
im Raum A, s. Abb. 52<br />
39<br />
6,10 cm<br />
42,70 cm
Krämerstraße<br />
Abb. 59<br />
Krämerstraße 19.<br />
Grabungsbefunde<br />
des 16. Jahrhunderts<br />
2,70 m<br />
N<br />
trugen noch die Ansätze der Tonnengewölbe<br />
(Abb. 58) und in den Mauern waren spitzbogige<br />
Nischen ausgespart, in denen eine Öllampe<br />
oder Kerze abgestellt werden konnte. Im Winkel<br />
zwischen diesem Bauwerk und dem wohl gleichzeitig<br />
entstandenen Vorderhaus im Nordosten<br />
blieb Platz für einen Innenhof.<br />
Nach Bautechnik und -material weisen die untersuchten<br />
Ziegelfundamente eine auffällige Übereinstimmung<br />
mit den ebenfalls im 16. Jahr hundert<br />
entstandenen Substrukturen des Schlos ses<br />
(s. S. 121, Nordflügel, Keller 1) auf.<br />
Die hochwertige Qualität der hiermit angespro -<br />
chenen Bauausführung wurde von den übrigen<br />
Grundbauwerken in der Krämerstraße nicht annähernd<br />
erreicht. Mit Blick auf die eingangs<br />
erwähnte archivalische Überlieferung möchten<br />
wir daher die Vermutung aussprechen, dass die<br />
im beigedruckten Plan gekennzeichneten An -<br />
lagen (Abb. 59) zu jenem Anwesen gehörten,<br />
welches Herzog Johann III. „zur Notdurft<br />
und Vollführung unseres angefangenen Baus zu<br />
Düsseldorf im Jahr 1537 mit Mitteln aus der<br />
Zollkasse erworben hatte“. 27
Die letzten größeren Grundrissänderungen sind<br />
für die napoleonische Epoche belegt. Um 1800<br />
wurde der südlichen Längswand eine neue Fassade<br />
vorgeblendet. Mit der massiven Erneue rung<br />
der Westwand (bis zur nördlichen Grundstücks -<br />
grenze) war eine Überbauung der alten Hoffläche<br />
verbunden. Erwähnenswert ist auch die bauliche<br />
Trennung der Kelleranlage (Abb. 60) in zwei Teilbereiche,<br />
die neue Zu gän ge erhielten.<br />
Nur wenige Meter abseits der westlichen Keller<br />
treppe konnte im Jahr 1995 bei Kanalbauarbei<br />
ten auf dem „Unteren Werft“ eine Brand-<br />
schuttschicht dokumentiert werden, die im Zusammenhang<br />
mit dem Pulverturmunglück von<br />
1634 zu sehen ist. Die hier zahlreich aufgefundenen<br />
Ausstat tungs reste stammen höchst -<br />
wahrscheinlich aus den bei der Explosion des<br />
Pulverturmes 1634 beschädigten Häusern der<br />
Krämerstraße. Außer der genaueren zeit lichen<br />
Einordnung der Schicht selbst, ermöglicht dieses<br />
Fundensemble sogar Aussagen zum Aussehen<br />
und zur Innenausstattung der Gebäude. Das rekonstruierte<br />
Schichtprofil und die geborgenen<br />
Objekte werden zur Zeit im Stadtmuseum ausgestellt.<br />
Abb. 60<br />
Grabungsplan.<br />
Ziegelfußboden der<br />
Kelleranlage A im Haus<br />
Krämerstraße 19<br />
41<br />
80,00 cm<br />
N
Krämerstraße<br />
Brunnenfunde aus der<br />
Krämerstraße 19:<br />
Abb. 61<br />
Zwei Kugelbauch -<br />
krüge aus<br />
Siegburger Steinzeug,<br />
16. Jahrhundert<br />
Abb. 62<br />
Blau bemalter<br />
Fayenceteller mit<br />
floralem Dekor,<br />
18. Jahrhundert<br />
Abb. 63<br />
Scherzgefäß mit<br />
drei aufgesetzten<br />
Ausgüssen.<br />
Siegburger Steinzeug,<br />
16. Jahrhundert<br />
Der Alltag am Rhein:<br />
Zwei Brunnen<br />
Auf der späteren Parzelle Krämerstraße 19 kamen<br />
neben den Fundamentresten der frühneuzeitlichen<br />
Wohnbebauung zwei Trinkwasserbrunnen<br />
zutage, die zu den wichtigsten Befunden der<br />
Rheinufergrabung 1991 zählen.<br />
Die nur etwa 10 Meter voneinander entfernt lie -<br />
genden, runden Mauerkränze (Abb. 64) wiesen<br />
signifikante Konstruktionsunterschiede auf.<br />
Während der auf einem massiven Holzrahmen<br />
aufsitzende Brunnenschacht Nr. 2 bereits im<br />
modernen „Absenkverfahren“ errichtet worden<br />
war, wurde die Ziegelwandung des ersten<br />
Brunnens noch in einer offenen Baugrube aufge -<br />
mau ert. Auffällig sind weiterhin unterschiedliche<br />
Durchmesser und die diffe rie renden Sohl tiefen 28<br />
der Anlagen.<br />
Verfüllte Brunnen bergen nicht selten ein rei -<br />
ches Spektrum an archäologischen Funden; in<br />
1<br />
unserem Fall wurden die Ausgräber durch<br />
eine – für die Düsseldorfer Altstadt – einmalige<br />
Qualität und Quantität der ergrabenen Objekte<br />
überrascht. Offenbar hatten die Bewohner<br />
im 16. Jahrhundert damit begonnen, beide Brunnen<br />
als Abfallschächte zu verwenden – möglicherweise<br />
war der Grund hierfür ein Rückgang des<br />
Grundwasserspiegels oder das Brunnenwasser<br />
war ungenießbar geworden. Letzteres mag durch<br />
einsickernde Fäkalien geschehen sein, ein seit<br />
dem Mittelalter recht häufiger Grund für die<br />
Aufgabe von Trinkwasserbrunnen. Jedenfalls<br />
wurden die Brunnen bis in das 19. Jahrhundert<br />
hinein wiederholt als Abfallschächte benutzt;<br />
entsprechend konnten bei der archäologischen<br />
Untersuchung z. B. bei Brunnen 1 insgesamt<br />
acht Einfüllschichten festgestellt werden, die<br />
Fundstücke aus dem 15. bis 18. Jahrhundert<br />
2<br />
Abb. 64<br />
Krämerstraße 19.<br />
Lageplan der<br />
Brunnenanlagen<br />
1 Brunnen 1<br />
2 Brunnen 2
Abb. 65<br />
Krämerstraße 19.<br />
Grabungszeichnung<br />
(Aufsicht) der südlichen<br />
Brunnenanlage<br />
66,70 cm<br />
N<br />
Westliche Krämerstraße<br />
enthielten. Betrachten wir nun die in den Profilzeichnungen<br />
(Abb. 66 /67) dokumen tierten<br />
Verfüllphasen:<br />
Nur der südliche Brunnen (Nr.2) zeigte über<br />
der Sohle eine typische Schlicklage, die als Nutzungsschicht<br />
wohl aus der Zeit von 1450–1500<br />
anzusprechen ist. Durch die aufliegende, etwa<br />
0,40 m starke Einfüllschicht (Bef. Nr. 963) kann<br />
die Auflassung der Anlage auf die Jahre von<br />
1550–1580 fixiert werden. Bei diesen Daten<br />
denkt der Historiker zunächst an das bekannte<br />
Faktum, dass die Pest in Düsseldorf in den<br />
Jahren 1577–1588 etwa zwei Drittel der Bevöl -<br />
ke rung hinwegraffte. Wurden die Anwohner<br />
etwa durch die Angst, sich mit verunreinigtem<br />
Wasser zu verseuchen, zur Aufgabe der Brunnen<br />
bewegt? Immerhin diente der Befund (Bef.<br />
Nr.962, 963) bis zum Anfang des 17. Jahrhunderts<br />
als Kloake. Eine konsequente Auffüllung<br />
der Brunnenröhre setzte erst im fortgeschrittenen<br />
18. Jahrhundert ein (Bef. Nr.951) und wurde<br />
um 1810 (Bef. Nr. 909, 910) abgeschlossen.<br />
Ein ganz anderer Ablauf zeichnet sich für den<br />
nörd lichen gelegenen Brunnen ab. Hier konnte<br />
eine im frühen 16. Jahrhundert einsetzende<br />
Verfüllung mit kompaktem Bauschutt und<br />
Kü chen abfällen nachgewiesen werden. Für eine<br />
an schließend aufgetragene, bauschutthaltige Lage<br />
(Bef. Nr.227) deutet sich ein Zusammen hang<br />
mit der Explosion des Pulverturms (1634) an.<br />
Im frühen 18. Jahrhundert veränderte sich der<br />
Charakter der entsorgten Alltagsdokumente.<br />
Offensichtlich nutzte ein metallverarbeitender<br />
Handwerksbetrieb die sich hier bietenden Entsorgungsmöglichkeiten<br />
(Bef. Nr. 60).<br />
Im Überblick erbrachten beide Brunnen deut -<br />
liche Hinweise auf einen sozial „gehobenen“<br />
Lebensstil bis ins 18. Jahrhundert hinein. Auch<br />
wenn die Zusammensetzung der Fundkomplexe<br />
gewiss auf einer Zufallsauswahl beruht, erscheint<br />
an dieser Stelle ein kurzer Hinweis auf die wertvolleren<br />
Objekte unter dem Aspekt eines sich<br />
abzeichnenden „Wohlstandsgefälles“ reizvoll.<br />
Denn neben den aufgefundenen Speiseresten<br />
wirft vor allem das überlieferte Haushaltsgerät<br />
ein Licht auf die Konsumgewohnheiten im<br />
16. und 17. Jahrhundert.<br />
Die Masse des geborgenen Fundmaterials besteht<br />
aus keramischem Koch- und Tafelgeschirr,<br />
das in anderem Kontext noch näher beleuchtet<br />
wird. Einen klaren Hinweis auf den hohen<br />
Lebensstandard geben vor allem die in beiden<br />
Brunnen entdeckten Hohlgläser. Dabei dominiert<br />
in quantitativer und qualitativer Hinsicht<br />
das der südlichen Anlage entnommene En -<br />
semble, welches auch zahlreiche repräsentative<br />
Luxusgläser enthielt.<br />
43
Krämerstraße<br />
Abb. 66<br />
Profilschnitt durch<br />
den Brunnen.<br />
Darstellung der<br />
Verfüllschichten<br />
und Verzeichnis<br />
der wichtigsten<br />
Fundobjekte<br />
Brunnen 1: Krämerstraße 19, Norden<br />
33<br />
29<br />
60<br />
161<br />
188<br />
225<br />
227<br />
240<br />
33<br />
Ziegelbruch, Mörtelbrocken, Tonmineral wasser -<br />
flasche: Westerwald, Fragment der Wandung,<br />
grauer Ton, handgedreht (vor 1870)<br />
29<br />
(Dach)ziegelfragmente, helle Fensterglasfragmente,<br />
Austernschalen, Tierknochen, Portweinflaschenfragmente,<br />
Fayence: Fragment, blau bemalt, 18. Jahrhundert<br />
Plättchen mit Scharnieransatz: Fragment, Bronze<br />
0,5 mm dick, 1,3 cm breit, unverziert, Buchschließe<br />
60<br />
Ziegelfragmente, locker-blasige Eisenschlacke sowie<br />
Blech-/Eisen plattenfragmente, Holzkohle, Tierknochen,<br />
Muscheln<br />
Bauchige Mineralwasserflasche: Fragment mit auf -<br />
gemaltem, kobalt blauem P., ca. 1700<br />
Kopf einer Frauenfigur, Weißton: Gesamthöhe<br />
4,5 cm, Kopfhöhe 3 cm, verstrichene Naht sichtbar<br />
von Ohr zu Ohr über den Kopf laufend. Frisur:<br />
Mittelscheitel, lockiges Haar, hinten durch Knoten<br />
zusammengehalten; Engels gesicht?<br />
Tonpfeifen: Fragmente nach der Form 1715–35,<br />
Marke PD auf Wandung eines Kopfes unbestimmt.<br />
161<br />
Ziegelfragmente, etwas Wandputz, Mörtel<br />
Fensterglasfragmente: hellgrün, dünn, auch Randstücke<br />
Steinverschluss: Fragment, Höhe 2,7 cm, innen<br />
hohle Halbeiform, schwarzer Marmor. Es könnte<br />
sich um den Verschluss einer steinernen Arznei-/<br />
Apotheker- oder Parfümflasche handeln<br />
Fragment einer bauchigen Tonmineralwasser -<br />
flasche. 17./18. Jahrhundert<br />
Dreibeinkochtopf, Hafnerware: 1/4 des Randes<br />
fehlt. Höhe 11,5 cm, Beinchenhöhe 1,5 cm, heller<br />
elfenbeinfarbener Ton (Frechen), innen honigfarben<br />
glasiert, außen beginnend ca. 1 cm unterhalb des<br />
ausgestellten Randes hellgrün. Bandhenkel (Breite<br />
2,3 cm), am oberen Ansatz mit Zierkniff, am unteren<br />
Ansatz hügelförmig verstärkt und mit Fingerdruck -<br />
mulde verziert, Schmauchspur an der Lippenpartie<br />
Umgeschlagene Fußfragmente von 4 verschiedenen<br />
hellen Glaskelchen, heller Warzenbecher. 17. Jahrhundert<br />
188<br />
Ziegelbrocken, Kalkmörtel, Wandputz<br />
Kachelofenfragment, grün glasiert, um 1500<br />
Bauchiges, blau bemaltes Mineralwasser fla schen -<br />
fragment. 17./18. Jahrhundert<br />
Kuppafragment eines Römers mit geritztem<br />
Fiederdekor<br />
Glaskanne: gedrehtes Röhrchen, hell-milchiges Glas,<br />
venezianische Machart, an einer Seite zusammengekniffen.<br />
17./18. Jahrhundert<br />
Trichterhalsbecher (Siegburger Steinzeug)<br />
225<br />
Dachziegelfragmente, 7 Dachschieferfragmente,<br />
Ziegelbrocken, Kalkmörtel<br />
Fensterglas: Fragmente, teils bemalt, Bleifassung<br />
(Abb. 77)<br />
Ofenkacheln: Große monochrom und in einem Fall<br />
auch polychrom glasierte und verzierte Teilstücke<br />
eines Kachelofens (um 1500 bzw. 1. Hälfte des<br />
16. Jahrhunderts). Bei dem poly chromen Stück<br />
deutet die noch blasse Tönung der nicht grünen<br />
Farben darauf hin, dass es in der Übergangsphase<br />
1530–1550 entstanden ist, als die Kachelbäcker es<br />
noch nicht verstanden, alle Farben zum Leuchten<br />
zu bringen. 1530–50<br />
Weißtonpfeifen: Fragment, ein Kopf formdatiert<br />
1690–1735<br />
Hohlglas: Römer, 2 Fragmente: a) Beerennuppen -<br />
auflage auf Hohlschaft mit Ansatz des Schläfers und<br />
Ende des gesponnenen Fußes,<br />
b) Kuppafragment mit Fadenansatz; Flügelglas,<br />
profiliertes helles Kelchstilfragment, 17. Jahrhundert.
Berkemeyerfragment mit steilem, vollglasigem<br />
Schläfer<br />
Hafnerware, glasierte Fragmente: darunter Drei -<br />
beinfragment innen gelb, außen oliv glasiert mit<br />
Oxideinschlüssen<br />
Rückseite einer Bleituch?plombe (innen Gewebeabdruck<br />
von Tuch oder Sack) 29<br />
Mehrere Eisennägel (ein Oberteil gut erhalten,<br />
rechteckiger Querschnitt 8 x 6 mm)<br />
227<br />
Ziegelbruch, etwas Kalkmörtel, großes Dachschieferfragment<br />
mit 7 Löchern (Abb. 71)<br />
Fensterglas: Fragmente, z. T. bemalt<br />
Krug, Raeren: Fragment, Bauerntanzszene (Steinzeug)<br />
Spinnwirtel 30 (Steinzeug, Raeren 2. Hälfte 16. Jahrhundert),<br />
1550–1600<br />
Westerwälder Kanne: Zwei aneinander passende<br />
Randstücke einer kobaltblau bemalten Westerwälder<br />
Kanne mit weiter Öffnung, 1 cm unterhalb des<br />
Randes eingerahmtes Schriftfeld, links und oben<br />
intakt, zu lesen TILMENIN BR..., AFFENSEIN...,<br />
...VSED..., Ende 16. Jahr hundert?<br />
Töpfchen: komplettes, zylinderförmiges Töpfchen<br />
Frechener Art: Höhe 4,5 cm. Bodendurchmesser<br />
3 cm.<br />
Töpfchen: zylindrische Bodenpartie, 2 cm hoch,<br />
große Bauchrundung mit Zierrillen an der weites -<br />
ten Stelle, schräg nach oben zeigende Lippe. Feiner<br />
hellgrauer Ton, Lippenpartie und Schulter außen<br />
oliv glasiert, Boden Durchmesser 4,5 cm, Gesamt -<br />
höhe 5,5 cm.<br />
Steinzeugkanne: Fragment: schwach ausge prägter<br />
Wellenfußboden (Durchmesser 16,5 cm), Siegburg,<br />
helles Steinzeug: 15 Jahrhundert<br />
Flötenglas: Bodenfragment, Stängeldurchmesser<br />
8 mm<br />
Einsatzgewicht: Messing (Abb. 124)<br />
Schnalle: korrodiertes Eisen, Dorn abgebrochen,<br />
Schnalle rechteckig: 3,5 x 4 cm Außenmaß<br />
Kruzifix: Bronze, Breite von Hand zu Hand 4,5 cm,<br />
von Kopf zu Fuß 3,2 cm, hinten Nagel angesetzt,<br />
ankorrodiert<br />
Münze: Silber, noch zu lesen: + PL...E..(ET?)<br />
COUR... Kreuz in der Mitte, Durchmesser 1,6 cm<br />
Organisches Material, gewebtes Tuch<br />
240<br />
Ziegelfragmente, Dachziegel 31 , Dachschiefer, Kalk -<br />
mörtel<br />
2 Messergriffe: a) Hirschhorn, b) durch rautenförmige<br />
Einkerbungen auf beiden Breitflächen verzierter<br />
Vollknochengriff, am Ende dreifach durchbohrt,<br />
ca. 1600 (Abb. 102)<br />
Hohlglas: helles Spechterglasfragment, spätes<br />
16./evtl. Anfang 17. Jahrhundert, Randstück eines<br />
dick glasigen (3 mm) dunkelblauen, steilen Bechers,<br />
Randdurchmesser 4,6 cm; (Abb. 146)<br />
2 zusammengehörige Tellerbodenfragmente, hellgrün,<br />
brauner Belag, Boden in der Mitte leicht<br />
gewölbt, dort Glasdicke 0,7 cm, außen 11 mm,<br />
Glasbruch, erhalten ca. 7 cm<br />
Warzenbecherfragment, leicht konische Form,<br />
Randstück, in Form geblasen, versetzt angeordnete<br />
Warzen, hellgrünes Glas<br />
3 Standboden-Töpfe, Irdenware, davon einer:<br />
2. Hälfte 16. Jahrhundert<br />
Nachttopf: Höhe 12,2 cm, Lippendurchmesser<br />
ca.16 cm, Bodendurchm. 9 cm, außen hell glasiert,<br />
innen rauh, dort heller Ablagerungsüberzug, flacher<br />
Boden mit Drahtabzugsspuren; Henkel fehlt; Übergang<br />
Wandung/Lippe außen durch Zierrille betont;<br />
hellgrauer Ton<br />
Standboden-Einhenkelküchentopf: flacher Boden<br />
mit parallelen Drahtabzugrillen, Höhe 20 cm, außen<br />
kurz unterm Rand nur eine Zierrille, Rand außen<br />
nach 1,5 cm scharf waagerecht nach innen angeschnitten,<br />
innen durchgehend stark gerillt, dunkelrotbraune<br />
Glasur bis kurz unterm Rand mit helleren<br />
Flecken, teilweise rauh stumpf, wahrscheinlich<br />
1. Hälfte 17. Jahrhundert<br />
2 Medaillonbecher: Fragmente, Steinzeug, Siegburg,<br />
mit biblischen Szenen und Beschriftungen.<br />
2. Hälfte 16. Jahrhundert. (Abb. 98–100)<br />
Pulle: Fragment, Steinzeug, Siegburg, mit großen<br />
Medaillonauflagen, beidseitig lesbar HELENA, einmal<br />
... NTIUS; um 1550<br />
Schnelle: komplett bis auf einige fehlende Randstücke,<br />
Weißton, Steinzeug, Siegburg, signiert HH<br />
= Hans Hilgers, 1569–1595 (Abb. 96)<br />
Ratskanne: Fragment unterer Teil (Siegburg, 15./<br />
Anfang 16. Jahrhundert?)<br />
3 Trichterhalsbecher: Steinzeug, Siegburg<br />
5 Dachschieferfragmente (Abb. 71)<br />
Fensterglasfragmente<br />
45
Krämerstraße<br />
Abb. 67<br />
Profilschnitt durch<br />
den Brunnen.<br />
Darstellung der<br />
Verfüllschichten<br />
und Verzeichnis<br />
der wichtigsten<br />
Fundobjekte<br />
Brunnen 2: Krämerstraße 19, Süden<br />
912<br />
931<br />
951<br />
953<br />
962<br />
963<br />
965<br />
909<br />
910<br />
909<br />
(Portwein-)Flasche: Bodenfragment mit Wandungs -<br />
ansatz, dunkelgrün<br />
Tonmineralwasserflasche: Fragment mit unterem<br />
Ansatz des Henkels, dort deutliche Fingerdruck -<br />
mulde, hellgrauer Ton (Westerwald), hand gedreht<br />
910<br />
Helles Hohlglas: 4 Fragmente: 2 konische Becher<br />
mit dickem, glattem Boden (zentrierter Glasbruch)<br />
und Teil der aufgehenden glatten Wandung (Bodendurchm.<br />
5,2 und 3,8 cm); ein konischer Becher mit<br />
dünnerem Boden und facettierter Wandung; ein<br />
engbauchiger Becher mit facettierter Oberfläche<br />
(2 Reihen Querovale), darüber längere, senkrechte<br />
Bahnen; 18. Jahrhundert<br />
Portweinflaschenfragmente<br />
1 kompletter Weißton-Pfeifentopf, Stempel auf<br />
Ständer: gekrönte 46 und Seitenstempel; 1 Stielfragment<br />
mit Umschrift als Abschluss des Zierfeldes:<br />
DO?KNE? 1775–1815 (duco)<br />
912<br />
Lehmfragment: außen etwas angeziegelt, flacher<br />
Abdruck eines Brettes oder Balkens<br />
Metallschlacken: einmal mit Eisenrest, glänzend<br />
braune, blasige Schlacke<br />
Flacheisen: stark korrodiertes Fragment eines Spaten<br />
blattes<br />
Portweinflaschen: Fragment: grünes oder braunes<br />
Glas, ca. 4 mm dick, Bodendurchmesser 8,5 bis<br />
11 cm; zylindrische und bauchige Flaschenformen;<br />
Schläfer mit Glasbruch; Flaschenhals teils oben abgeschnitten,<br />
teils gerundet; mehrfach kommt vor:<br />
dicker umgelegter Glasring ca. 1 cm unterhalb der<br />
senkrechten Lippe (Abb. 138)<br />
Weißtonpfeifen: viele Fragmente, darunter: 2 Stielfragmente<br />
mit „WKGH“, 1 Stielfragment mit Namen<br />
parallel zur Stielrichtung nahe am Kopfansatz:<br />
JOHANNES°KEID°EA° (oder ER); passt an einen<br />
Kopf mit gekröntem W. (weitere 2 Stielfragmente mit<br />
Teilen des Namens); 1 Kopf mit Blümchen und<br />
Lilie sowie abgesetzten senkrechten, oben rund<br />
abgeschlossenen Bahnen; reich verzierter Kopf mit<br />
Stempel: gekröntes W (nicht genau datiert); ein<br />
weiterer Kopf mit Stempel: gekröntes W auf<br />
waagerecht schraffiertem Feld; ein Kopf mit Stempel<br />
auf Ständer: gekrönte 27 mit Beimarke (datiert:<br />
1750 –1775); 2 Stielfragmente mit Unterschrift<br />
„(EX) GOUDA“, ein gebogenes, in Stielrichtung<br />
gerieftes Stielfragment; ein noch 7,5 cm langes Stielfragment,<br />
Mundstück, Durchmesser 4 mm.<br />
931<br />
Portweinflaschen: zahlreiche Fragmente, darunter<br />
4 Hälse, alle an der Mündung abgeschnitten, 3 mit<br />
unregelmäßiger Ringverstärkung direkt unter der<br />
leicht ausgestellten Lippe (Abb. 138)<br />
Deutsche Fayence: Fragmente ohne Marken, einige<br />
Teller hessischer Provenienz, 18. Jahrhundert<br />
Emaillierte Tasse: innen weiß, außen dunkelblau<br />
emailliert, Henkel oben mit Einrollung/Öse, angerostet:<br />
Durchm. der Lippe: 8,5 cm, des Standbodens<br />
5 cm, Rest einer braunen Farbe innen.<br />
953<br />
Buntes venezianisches Flügelglas: 24 Fragmente<br />
(Abb. 164), 17. Jahrhundert<br />
Fayencen: ca. 30 Teile, zumeist fast komplett, vorwiegend<br />
Teller verschiedener Größe; 3 flache, herzförmige<br />
Saucieren mit spitzem Ausguss; 2 Becher,<br />
alle blau bemalt, zumeist mit Chinoiserien.<br />
Hafnerschüsseln:<br />
a) mit IHS und Kreuz sowie Blattwerk im Spiegel<br />
b) mit grünem und gelbem Malhorndekor, auf<br />
dem Spiegel: Spirale<br />
c) große Schüssel mit gelbem Malhorndekor sowie<br />
Henkel, Spiegel: Spirale, 17. Jahrhundert<br />
Tiefe, grün glasierte Hafnerschüssel: auf dem Spiegel<br />
stilisierte Blume aus Wellenbanddekor, ebenso<br />
auf der abgesetzten Fahne Wellenband, randnahe<br />
Fingertupfen, Höhe 13 cm, ein Henkel vorhanden,<br />
Bodendurchmesser 14,3 cm, auch auf der Außenwand<br />
zu 2/3 glasiert, hellweißer Ton, um 1600?<br />
Vorratsgefäß, Steinzeug (Westerwald): hellgrauer<br />
Ton, außen bräunlich-oliv, innen hellbraun, Höhe<br />
ca. 26 cm, Rand mit leichtem Falz, Außendurchmesser<br />
17 cm, 3 cm unterhalb des Randes beginnen<br />
2 waagerecht angesetzte Henkel, Zier rillen auf der
Wandung in der Henkel- sowie Boden zone, wulstig<br />
abgesetzter Boden, Durchmesser 10,2 cm<br />
962<br />
Fensterglasfassung aus Blei: ca. 33 cm lang, Sei tenfassung<br />
0,5 cm breit, mit innerem Mittelsteg, der<br />
beidseitig leiterförmig geriffelt ist<br />
Ofenkacheln: Fragmente, u. a. Bekrönungsstück<br />
Kelchgläser: Stiel mit Fuß, Fußbecher: Nuppen<br />
außen und innen<br />
Steinzeugtöpfchen: komplett bis auf einen Abplatzer<br />
am Rand, zylin drische Form: Bodendurchmesser<br />
5 cm, Rand 4,7 cm = leicht konisch, Boden zur<br />
Standfläche schräg abgeschnitten, Rand wulstartig<br />
abgesetzt, durchgängig glasiert, außen glatt, innen<br />
Drehrillen, weißer/heller, leicht grauer Ton, z. T.<br />
Anflug einer honigfarbenen Glasur, dort feine<br />
Schwundrisse, 1. Hälfte 17. Jahrhundert<br />
Fußteller, Hafnerware mit Kammstrichverzierung:<br />
Fragment, Fuß und große Teile der Wandung in<br />
Scherben erhalten; Randdurchmesser 27 cm, Fußdurchmesser<br />
10,5 cm, Fußhöhe 2,5 cm, Gesamt -<br />
höhe 7 cm; intentionelle Perforierung unterhalb der<br />
Lippe; keine abgesetzte Fahne; innen: honigfarbene<br />
Glasur mit rotbraunen Oxideinsprengseln; Verzierung<br />
nur schwach sichtbar: auf dem Spiegel innen konzentrische<br />
Kreise sowie weiter außen Bereiche mit<br />
kleinen Kreissegmenten, Wandung durch konzentrische<br />
Kreise abgesetzt; Randwulst fast quadratisch<br />
im Querschnitt, Unterseite: abgewittert bis auf<br />
Reste der original rötlichen Oberfläche, Zierrille<br />
ca. 1 cm unterhalb des Randes und 1 cm oberhalb<br />
des Fußteils, Ton: hell, leicht rosa, um 1600<br />
Kleiner glasierter Dreibeintopf: Profil mit Henkel<br />
komplett erhalten, Gesamthöhe ca. 13 cm, Höhe<br />
des Dreibeinchens 2,5 cm; außen ist der Topf<br />
hellgrün, innen honigfarben glasiert; Bandhenkel<br />
am Lippenansatz einmal zusammengekniffen, am<br />
unteren Ansatz Fingermulde; die schräg ausgestellte<br />
Lippe (Breite 3,5 cm) ist außen deutlich durch<br />
4 Rillen abgesetzt; Drehrillen auf der inneren<br />
Wandung; Ton elfenbeinfarben: Frechen<br />
Glasierter Dreibeintopf: fast komplett, Mittelstück<br />
des Henkels fehlt, Höhe 12 cm Randdurchmesser<br />
13 cm, Falzlippe, außen unglasiert, Zierrillen trennen<br />
außen Wandung von Lippe, innen ocker/bräunliche<br />
Glasur mit Oxidspuren; Ton: hellgelb, Außenseite<br />
mit Schmauchspuren, 1. Hälfte 17. Jahrhundert<br />
Großer glasierter Deckel: Fragment, ca. 1/3 incl.<br />
Knauf erhalten, außen honiggelb glasiert; Durchmesser<br />
20 cm; Höhe bis Knaufoberkante 5,5 cm;<br />
Knaufhöhe 1,5 cm, Durchmesser 2,5 cm, zum Teil<br />
eckig; Oberseite grobe, Unterseite feine Drehrillen,<br />
spitz hochbiegender Rand, Unterseite angeschmaucht;<br />
elfen beinfarbener Ton: Frechen<br />
963<br />
Kleiner Berkemeyer: Profil in Scherben durch -<br />
gängig erhalten, Mittelteil des Bodens fehlt; glattes,<br />
1 mm dickes Glas, Farbe: dunkel grünblau, gekniffe<br />
ner Fußring, Mittelteil des Bodens fehlt; auf Wandungsunterteil:<br />
2 Reihen versetzter 2,5 cm breiter,<br />
lappig-zungenförmig nach oben zeigender Nuppen,<br />
Spitzen eng anliegend. Kuppafaden in 4 cm Höhe,<br />
an einer Stelle in Tropfen auslaufend; Glas hat leicht<br />
konische Gesamtform, Kuppa etwas nach innen gebogen;<br />
1. Hälfte 16. Jahrhundert<br />
Maigelein, Fragment; Boden erhalten, Profil durch -<br />
gängig (ein weiteres Wandungsstück anpassend),<br />
Höhe 4,3 cm, größter Durchmesser 9 cm, gewölbter<br />
Schläfer 2 cm hoch, Glasbruch, mittelhell grünes,<br />
leicht blaustichiges Glas, ankorrodiert; 15. Jahrhundert<br />
(Abb. 143)<br />
Steinzeug-Pulle, Siegburg; teilweise geklebt, Höhe<br />
ca. 17 cm, leicht gewölbter Boden mit Schnittspuren,<br />
Durchmesser 7,5 cm, größter Bauchdurchmesser<br />
ca. 16 cm, 2 cm vom Boden bis zur Schulter Zierrillen,<br />
Schulter glatt, Hals Zierrillen, abgesetzte<br />
hutförmige Lippe (2 cm hoch, Durchmesser 3,8 cm,<br />
glatt), Bandhenkel setzt unterhalb des Randes an<br />
(2,5 cm breit, Mittelstück fehlt), Ton: grau, die olivfarbene<br />
Glasur verläuft sich in Streifen an der unteren<br />
Wandung, ca. 1560 (Abb. 61)<br />
Einhenkelzylinderhalskrug, Steinzeug, Siegburg:<br />
komplett bis auf die Hälfte des steilen Randes,<br />
Höhe 20 cm, Durchmesser des Wellenfußes 9 cm,<br />
Bandhenkelbreite 2,2 cm; hellgrauer Ton mit außen<br />
braun/rötlichem Anflug von Salzglasur; mittelalterli<br />
che Gefäßkeramik, Jacobakanne 14./15. Jahr hun -<br />
dert<br />
2 Nachttöpfe:<br />
I. Höhe 13,5 cm, Rand vollständig, schräg nach<br />
außen gestellt, Durchmesser 16,5 cm, ein Henkel<br />
(2,5 cm breit mit Mittelmulde), Boden leicht gewölbt,<br />
Schnittspuren, Durchmesser 8 cm, außen<br />
keine Drehrillen/-riefen, im Topfinnern bräunlicher<br />
Belag, Ton hellgrau, außen mit bräunlich-olivem<br />
Anflug<br />
II. bis auf ein paar kleine Randscherben komplett,<br />
Höhe 15 cm, Bodendurchmesser 9,5 cm, auf der<br />
Bodenunterseite Schnittspuren; Drehriefen außen<br />
auf unterer Wandung, in der Henkelzone feiner;<br />
Henkel 2,5 cm breit mit Mittelmulde; grauer Ton,<br />
außen und innen glasiert, innen leicht bräunlicher<br />
Belag; ca. 1560<br />
Beide Nachttöpfe sind von der Machart her den in<br />
der gleichen Schicht gefundenen Siegburger Pullen<br />
ähnlich. Auf einem großen Siegburger Medaillon<br />
(dat. 1566 –1575), vermutlich einer Pulle (dargestellt<br />
Jupiter und Venus mit Amor am Bett), ist auch<br />
ein Nachttopf dieser Form dargestellt.<br />
Siegburger Steinzeugkrug (eventuell Bartmann):<br />
erhalten: Boden und Teil der aufgehenden Wandung<br />
(Gesamthöhe ca. 7 cm) sowie nicht anpassendes<br />
Wandungsstück (ca. 6 x 4 cm) mit schräg aufgelegtem,<br />
floralem Ornamentband (Ansatz), hellgrauer<br />
Ton; Bodendurchmesser 7,7 cm, Messerspuren,<br />
Höhe des Fußes 2,1 cm, zuunterst Wulst, drüber eng<br />
gesetzte Zierrillen; diese setzen sich auf der leicht<br />
ausbauchenden Wandung fort; hellgrauer Ton,<br />
Krug außen glasiert, teils hellbrauner Anflug; der<br />
Form nach wie: Brühler Keramik des Mittelalters,<br />
1985, No. 127, hier ist der Fuß aber einfacher gestaltet<br />
(spätes 16. Jahrhundert), der sorgfältige Aufbau<br />
des Fußes deutet im vorliegenen Fall auf ein<br />
früheres Datum. Eine besser passende Parallele ist<br />
datiert Mitte 16. Jahrhundert, um 1550<br />
965<br />
Nachttopf: Steinzeug, Höhe 14 cm, Bodendurchmesser<br />
9,3 cm mit Drahtabzugsspuren, Henkel mit<br />
Mittelmulde 2,2 cm breit, innen kein Belag, außen<br />
bis zur Henkelzone grob gerieft, hellgrauer Ton,<br />
außen hell glasiert in unterschiedlichen Färbungen<br />
von bräunlich bis grau, zum Teil gelb/oliv, um 1500<br />
47
Krämerstraße<br />
Abb. 68<br />
Zwei fragmentarische<br />
Trinkgefäße<br />
mit Nuppendekor,<br />
16. Jahrhundert<br />
Abb. 69<br />
Oberteil eines<br />
Bartmannkruges,<br />
wohl aus Frechener<br />
Produktion. Spätes<br />
16. Jahrhundert<br />
Abb. 70<br />
Niedriger Krautstrunk,<br />
um 1500. Das Gefäß<br />
wird auf S. 101 näher<br />
beschrieben<br />
Der Alltag am Rhein:<br />
Das Haus Nr.19<br />
Städtisches Wohnen im Wandel<br />
Jeder ergrabene Hausstand kann uns viel über<br />
den persönlichen Lebensstil seiner Benutzer<br />
berichten. Um diesen zu verstehen, reicht jedoch<br />
der lustvolle Blick auf die geborgenen Kostbarkeiten<br />
nicht aus. Vielmehr muss man die sozialen<br />
und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der<br />
unterschiedlichen Epochen und die individuelle<br />
Umsetzung nachvollziehen. Der renaissancezeitliche<br />
Mensch etwa baute und lebte in der<br />
Krämerstraße anders als am Rheinort oder in<br />
der Ratinger Straße. Den kleinen und großen<br />
Dingen nachzuspüren, ist daher das Anliegen<br />
der folgenden Seiten. Alle vorgestellten Beispiele<br />
vom einfachen Kochgeschirr bis zum prunk -<br />
vollen Kachelofen reagieren auf eine bestehende<br />
Alltagskultur und zeigen, wie sich diese stets<br />
aufs Neue interpretieren und den eigenen Lebensbedürfnissen<br />
anpassen lässt.<br />
Wenden wir uns somit zunächst den überlieferten<br />
architektonischen Fragmenten aus dem ersten<br />
Brunnen zu.<br />
Aus der untersten, ältesten Schicht (Schicht<br />
240) stammen Fragmente von Dachziegeln<br />
und Schieferplatten, die Hinweise auf die Art der<br />
Dacheindeckung geben. Auch in der folgenden<br />
Einfüllschicht 227 fanden sich wiederum<br />
Dachschieferplatten mit Nagellöchern. Bei den<br />
genannten Schieferplatten handelt es sich eindeutig<br />
um Deckstein, also Dachschieferplatten,<br />
deren Analyse sogar einige Rückschlüsse auf<br />
die Form und den Neigungswinkel des Daches<br />
zulässt. Aufgrund einer Materialuntersuchung,<br />
die durch die Firma I. B. Rathscheck Schiefer in<br />
Mayen durchgeführt worden ist, handelte es<br />
sich bei diesen Schieferplatten um qualitativ<br />
hochwertigen Dachschiefer. Der Stein dürfte<br />
mit einiger Wahrscheinlichkeit aus einer Grube<br />
bei Kaub am Rhein stammen, nicht ganz auszuschließen<br />
ist jedoch, dass es sich um Moselschiefer<br />
vom Mayener Katzenberg handeln kann.<br />
Eine Platte mit einer Reihe waagerechter Nagel -<br />
löcher gibt sich als so genannter „<strong>Doppel</strong>end-<br />
Ort stein“ zu erkennen, der zu einer Dach -<br />
eindeckung in „Altdeutscher Deckung“ mit<br />
Schieferplatten des Formates 1/32 passt. Mit<br />
den großen 1/12er-Platten werden nach der<br />
Dachdeckerregel die Deckungen Altdeutscher<br />
Art an der Dachunterkante begonnen, um dann<br />
aufsteigend zum Dachfirst in die kleineren<br />
Formate 1/16 und 1/32 („König“) überzugehen:<br />
diese traditionsreiche Deckart „im scharfen<br />
Hieb“ hat sich in den letzten Jahrhunderten unverändert<br />
erhalten. Eine handwerklich derart<br />
anspruchsvolle und auch heute noch kostspielige<br />
Dacheindeckung wie sie die „Altdeutsche<br />
Deckung“ darstellt, eignet sich für recht steile<br />
Dächer mit einer Neigung ab 50° aufwärts.<br />
Einzelne Schie fer plattenfragmente deuten da -<br />
rauf hin, dass sie zu einer Wandbekleidung –<br />
etwa der Wetterseite – gehört haben können.<br />
Wir möchten vermuten, dass die älteste Bauphase<br />
des Hauses Nr. 19 im Aufgehenden ein auf<br />
steinernen Grundmauern und Keller geschoss<br />
aufsitzendes Fachwerkgebäude mit steilem<br />
Schieferdach und schieferverkleideten Giebelund<br />
Fassadenpartien gewesen sein dürfte.<br />
Abb. 71<br />
Schieferplattenformate:<br />
1/12; 1/16;<br />
1/32 („König“)
Westliche Krämerstraße<br />
Die wenigen Fragmente von tönernen Dach -<br />
ziegeln aus Schicht 240 können vom Dach<br />
eines Anbaues oder Nebengebäudes, vielleicht<br />
aber auch von Reparaturphasen des Haupt -<br />
daches stammen.<br />
In welchem Umfang Dachziegel für die Neubauten<br />
der Stadt Düsseldorf benötigt worden<br />
sind, belegt etwa ein fürstliches Dekret des<br />
Jahres 1557, in dem die örtlichen „Pfannen -<br />
bäcker“ angewiesen werden, für einen Zeitraum<br />
von drei Jahren jeweils 125.000 Dachziegel<br />
für die Düsseldorfer Baustellen zu brennen –<br />
zugleich wird die traditionelle Deckweise mit<br />
Stroh wegen der hohen Brandgefahr verboten.<br />
Dies wird auch in Paragraph 6 der Düsseldorfer<br />
Polizeiordnung von 1545 ausdrücklich vermerkt:<br />
„... sollen zur besseren Verhütung des Feuers ... alle<br />
Dächer in Zukunft mit Schiefer oder Pfannen<br />
und nicht mehr mit Stroh bedeckt werden.“<br />
Eingangs wurde aufgrund der Nähe der Krämer -<br />
straße zum kurfürstlichen Schloss bereits darüber<br />
berichtet, dass es sich in der damaligen Zeit um<br />
eine gesuchte Wohnlage gehandelt haben dürfte:<br />
der Befund eines aufwändigen Schieferdaches<br />
nach Art der „altdeutschen Deckung“ (Abb. 72)<br />
und einer zumindest teilweisen Giebel- und<br />
Fassadenverkleidung lässt diese Vermutung<br />
zur Gewissheit werden, denn nur vermögende<br />
Bauherren konnten sich das teure, von weither<br />
gelieferte Material und die kostspieligen Dach -<br />
decker arbeiten leisten. Dies ist ja der Grund<br />
dafür, warum Schieferdächer im Spätmittelalter<br />
und früher Neuzeit zumeist auf repräsentativen<br />
Verwaltungsgebäuden, Burgen, Klöstern und<br />
Kirchen zu finden sind (Abb. 73).<br />
Abb. 72<br />
Schematische<br />
Darstellung<br />
eines Daches in<br />
„Altdeutscher Deckung“<br />
Abb. 73<br />
Darstellung einer<br />
schiefergedeckten<br />
Kirche aus der mittel -<br />
alterlichen Handschrift<br />
„Sachsenspiegel“<br />
49
Krämerstraße<br />
Abb. 74<br />
Tischherd der<br />
Renaissance- und<br />
Barockzeit, nach einer<br />
zeitgenössischen<br />
Darstellung<br />
Herd & Küchenausstattung<br />
Die Küche des Hauses dürfte vermutlich im<br />
Erdgeschoss gelegen haben, mit leichtem Zugang<br />
zum Vorratskeller mit den Frischwasserbrunnen<br />
und zum Gemüse- und Kräutergarten,<br />
der im Bereich zwischen Haus und Stadtmauer<br />
gelegen haben dürfte.<br />
In der älteren, spätmittelalterlichen Bauphase,<br />
die durch Reste der Grundmauern sowie Keramik<br />
und Kachelofenfragmente belegt sind, mag<br />
eine für diese Zeitepoche durchaus typische eben<br />
erdige Herdstelle mit kaminartig ange legtem<br />
Rauchabzug vorhanden gewesen sein (Abb. 75).<br />
Für die Renaissance- und Barockzeit darf man<br />
einen so genannten Tischherd annehmen. Bei<br />
dieser Konstruktion brannte das Herdfeuer auf<br />
einem tischartig aufgemauerten Sockel, der ein<br />
bequemeres Kochen ermöglichte. Bis in das<br />
19. Jahrhundert hinein waren diese gemauerten<br />
Tischherde (Abb. 74) in Verwendung und wurden<br />
erst nach und nach durch die eisernen<br />
Koch herde modernerer Form verdrängt.<br />
Gemauerte Tischherde konnten in wohlha -<br />
benden Haushalten beachtliche Dimensionen<br />
erreichen: auf der Arbeitsfläche mussten mehrere<br />
Holz- und Holzkohlefeuer für mehrere Töpfe,<br />
Kessel und Pfannen sowie für Drehgrille<br />
und Grillroste unterhalten werden. Entsprechend<br />
groß konnte der zugehörige Rauchabzug<br />
dimensioniert sein. Die Rauchfänge konnten,<br />
wie erhaltene Exemplare, zum Beispiel in einigen<br />
Klöstern, Burgen und Schlössern zeigen, in<br />
Fachwerktechnik ausgeführt sein.<br />
Tatsächlich stammt aus Haus 19 (Brunnen 2,<br />
Schicht 912) ein Stück Lehmbewurf einer<br />
Fach werkkonstruktion, die eine deutliche<br />
„Verziegelung“, somit Spuren von Feuereinwirkung<br />
zeigt. In dem hartgebrannten, vom Rauch<br />
geschwärzten Lehm hat sich der Balken abdruck<br />
der Holzkonstruktion erhalten. Die Schmauchspuren<br />
und die Verziegelung des Lehmputzbrockens<br />
deuten darauf hin, dass wir hier ein<br />
Bruchstück eines großen Rauchabzuges vor uns<br />
haben, der ursprünglich wohl über dem Küchenherd<br />
des Hauses die Feuerschwaden und<br />
Kochdünste in den Kaminschlot ableitete.<br />
Zu einer gediegenen Küchenausstattung in der<br />
Zeit des späten 17. und 18. Jahrhunderts konnte<br />
durch aus eine Fliesenverkleidung der Küchenwand,<br />
über dem Waschbecken oder an Partien<br />
Abb. 75<br />
Ebenerdig angelegte<br />
Herdstelle nach einer<br />
spätmittelalterlichen<br />
Darstellung
der Kaminwand gehören. Solche farbigen<br />
Wandfliesen fanden sich in dem Verfüllungsschutt<br />
eines Brunnens von Haus 15. Hier traten<br />
mehrere Fragmente von blau bemalten Wandfliesen<br />
auf, die offensichtlich aus einer Delfter<br />
Fayence-Manufaktur stammen.<br />
Die Geräteausstattung der Küchen umfasste<br />
ein ganzes Arsenal von Hängekesseln, Grapen -<br />
töpfen (dreibeinige Metallkochtöpfe), Pfannen,<br />
Spießen, Grillrosten und tönernem Koch -<br />
geschirr (Kapitel „Speisezubereitung & Küchentech<br />
niken“). Arbeitstische, Holzzuber, Fässer<br />
und Daubeneimer, Salzkistchen und Weinkrüge<br />
(Abb. 76 „Bartmann“) sowie ein breites Spektrum<br />
von Messern, Löffeln, Küchen beilen und Fleischgabeln<br />
gehörten zum alltäglichen Handwerkszeug<br />
des Küchenpersonals. Die grundsätzlichen<br />
Formen der Küchengerätschaften ändern sich<br />
über einen langen Zeitraum hinweg kaum –<br />
allerdings nimmt erwartungsgemäß ab der<br />
Barockzeit die Verwendung von Töpfen und<br />
Kesseln aus Gusseisen und Kupfer deutlich zu.<br />
Auch Schmalz- und Öltöpfe, Sauerkraut- und<br />
Butterfässer und mancherlei Grundbestandteile<br />
der Küche, wie z. B. verschiedene Getreide, ge -<br />
trock nete Hülsenfrüchte, Zwiebeln und Knob -<br />
lauch mussten zu allen Zeiten stets greifbar sein.<br />
Abb. 76<br />
Bartmannkrug<br />
mit Wappen auflage.<br />
Zeichnerisch<br />
rekonstruierter<br />
Gefäßkörper, um 1600<br />
51<br />
4,50 cm
Krämerstraße<br />
Abb. 77<br />
Bemalte<br />
Fenster scheiben<br />
mit floralen<br />
Ornamenten<br />
(Schicht 225,<br />
17. Jahrhundert)<br />
2,00 cm (farbig)<br />
3,50 cm (schwarz)<br />
Wohnkomfort im Alltag: Fensterglas<br />
Die Funde aus Brunnen 1 lassen auch Rück -<br />
schlüsse auf Details der Innenausstattung des<br />
Gebäudes zu. So fanden sich etliche Bruchstücke<br />
von flach ausgewalztem, grünlichem Glas, die<br />
belegen, dass die Hausfenster schon in der älteren<br />
Bauphase (Schicht 240; 2. Hälfte 16. Jahrhundert)<br />
mit Scheiben ausgestattet gewesen<br />
sind. Die genaue Form der ursprünglich verwendeten<br />
Flachglasstücke, die vermittels von Blei-<br />
fassungen zu einer größeren Fensterscheibe zusammengesetzt<br />
worden waren, ließ sich anhand<br />
der vorliegenden Bruchstücke nicht mehr<br />
ermitteln. Jedoch scheint festzustehen, dass es<br />
sich nicht um die ansonsten aus spätmittel -<br />
alterlichen und frühneuzeitlichen Fundzusammenhängen<br />
wohlbekannten runden Butzenscheiben<br />
gehandelt hat – vermutlich wird man<br />
am ehesten rechteckige und rautenförmige<br />
Einzelelemente verwendet haben.<br />
Aus der jüngeren, bereits in die erste Hälfte<br />
des 17. Jahrhunderts datierenden Schicht 225<br />
stammt eine Partie Fensterglas, die eine außer -<br />
gewöhnliche, farbige Bemalung mit floralen<br />
Ornamenten auf weist! Diese Fragmente werden<br />
zu beson ders kostbar ausgeführten, repräsen -<br />
tativen Zimmer fenstern gehört haben, die<br />
vermutlich doch wohl die straßenseitigen<br />
Wohnräume geschmückt haben (Abb. 77).<br />
Ob die Erneuerung dieser Fenster mit der für<br />
das Jahr 1634 überlieferten Explosion des nahe<br />
gelegenen Pulverturms zusammenhängt, ist<br />
zwar nicht zu beweisen, aber immerhin durchaus<br />
möglich. Die Eintragungen im sogenannten<br />
„Land steuerbuch“ schildern eindrucksvoll die<br />
g a n z<br />
erheblichen Gebäudeschäden, von denen auch
Kachelöfen<br />
Die effektive Wärmedämmung der Räume, an<br />
der die gläsernen Fensterscheiben einen erheblichen<br />
Anteil hatten, war der wichtigste Aspekt<br />
des Wohnkomforts. Um ein behaglicheres Raumklima<br />
zu erreichen, waren die Wände der spätmittelalterlichen<br />
bis frühneuzeitlichen Wohnräume<br />
nach Möglichkeit mit Holztäfelungen<br />
versehen. Die wichtigste Quelle der Behaglichkeit<br />
war freilich der wärmende Ofen, um den<br />
herum sich, vor allem natürlich in der kalten<br />
Jahreszeit, das häusliche Leben konzentrierte.<br />
Konkrete Hinweise auf solche Öfen besitzen wir<br />
ebenfalls aus dem Schuttinhalt des Brunnens 1<br />
(Schicht 225 und 188; 17. Jahrhundert) in Form<br />
von zahlreichen tönernen Kachelfragmenten.<br />
Die farbig glasierten und teilweise orna mental<br />
verzierten Kacheln, die im Verlauf des 17. Jahrhunderts<br />
in den Abfallschacht gelangten, gehören<br />
zu mindestens drei verschiedenen Öfen,<br />
die nach einer vermutlich längeren Gebrauchs -<br />
zeit schließlich repariert oder ganz erneuert<br />
werden mussten.<br />
Spätgotische Kachelfragmente<br />
Mehrere Fragmente aus Schicht 225 können<br />
dem Typus der „Nischenkachel“ oder „Halb -<br />
zylinderkachel“ zugewiesen werden. Aus den<br />
verschiedenen Bruchstücken lässt sich eine<br />
hochrechteckige, fleckig braun-grünlich glasierte<br />
Ofenkachel mit spätgotisch ornamentiertem<br />
Vorsatzblatt rekonstruieren. Der Ton ist hellorange,<br />
die Rückseite weist Glasurspritzer und<br />
Ofenschmauchspuren auf. Die Zierplatte zeigt<br />
eine breite Kielbogenverblendung mit gekurvten<br />
Ziernasen. Der Kielbogen wird von einer Volute<br />
mit großer Ziereichel und zwei kleinen,<br />
begleitenden Eicheln gekrönt. In den oberen<br />
Zwickeln ist jeweils ein Rad dargestellt, dessen<br />
Speichen aus kleinen Eicheln gebildet werden.<br />
Der Kielbogen ruht auf zierlichen Rundsäulen,<br />
die durch Knoten profiliert sind und nach unten<br />
zu in einem spatenförmigem Sockel enden<br />
(Abb. 78). Sehr gute Vergleichsstücke für unsere<br />
Kacheln kennt man aus Kölner Fundkomplexen,<br />
die dort in die 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts<br />
datiert werden.<br />
Abb. 78<br />
Nischenkachelfragment<br />
aus Schicht 225,<br />
eine Nischenkachel<br />
aus Köln<br />
53<br />
4,00 cm
Krämerstraße<br />
Abb. 79<br />
Die Herstellung<br />
einer spätgotischen<br />
Nischenkachel<br />
(nach Schietzel 1982)<br />
Nischenkacheln stellte man aus zylinderförmig<br />
gedrehten Tonkörpern her, die mit dem Draht<br />
in Längsrichtung halbiert wurden. Auf diese<br />
Hälften wurden die Vorsatzplatten geklebt, die<br />
in einem einfachen Arbeitsgang auf einem Holzmodel<br />
geformt wurden. In einem abschließenden<br />
Arbeitsgang konnte das mehr oder weniger<br />
komplizierte Durchbruchsmuster mit einem<br />
Messer herausgetrennt werden.<br />
Interessant ist ein kleines Fragment einer grünglasierten<br />
Kachel, die aus Schicht 225 stammt:<br />
erkennbar ist noch der scharf gegratete Giebel<br />
eines baldachinartigen Daches und die Ansätze<br />
eines spätgotisch-vegetabilen Ziermaßwerkes.<br />
Auch für diese Kachel findet sich eine sehr gute<br />
Entsprechung im Kölner Fundstoff des ausgehenden<br />
15. Jahrhunderts. Man möchte annehmen,<br />
dass die infrage kommende Kachel aus ein<br />
und demselben Model stammt – während das<br />
Kölner Exemplar als Nischenzier ein Kölner<br />
Stadtwappen trägt, mag das Düsseldorfer Exemplar<br />
in anderer Weise geschmückt gewesen sein.<br />
Auch für dieses Kachelfragment geht man von<br />
einem zeitlichen Ansatz kurz vor 1500 aus. 32<br />
Vermutlich dürften die vorgestellten Kacheln zu<br />
zwei großen Öfen gehört haben, die aufgrund<br />
der spätgotischen Verzierung in die Zeit kurz<br />
vor 1500 datiert werden können. Allgemein<br />
geht man davon aus, dass die altertümlichen<br />
Nischenkacheln kurz nach 1500 außer Mode<br />
kamen und zunehmend von den flacheren<br />
Blattkacheln ersetzt wurden.<br />
Renaissancezeitliche Kachelfragmente<br />
Von solchen so genannten Blattkacheln wurden<br />
nur wenige Fragmente zusammen mit den<br />
Nischenkacheln im Brunnenschutt der Schicht<br />
225 gefunden. Bei den Blattkacheln handelt es<br />
sich, wie schon bemerkt, um einen jüngeren<br />
Kacheltyp, der in der Zeit des frühen 16. Jahrhunderts<br />
in Gebrauch kam.<br />
Stellt man die lange Lebenszeit von Kachelöfen<br />
in Rechnung, dürften die verschiedenen Kachelformen<br />
durchaus gleichzeitig in Gebrauch<br />
gewesen sein. Es kann also sein, dass im Haus an
der Krämerstraße zumindest zeitweilig zwei<br />
oder mehrere Kachelöfen – ältere im spätgo -<br />
tischen Stil und einer im modernen Renaissancestil<br />
– in Betrieb waren.<br />
Leider ist nur ein größeres Fragment der linken<br />
oberen Ecke einer Kachel erhalten, das gewisse<br />
Rückschlüsse auf die Gesamtform erlaubt:<br />
demnach handelte es sich um eine hochrechteckige,<br />
an den Außenkanten grünglasierten<br />
Blattkachel mit dem Ansatz einer schlicht<br />
profilierten, in kräftigem Blau gehaltenen Rund -<br />
bogenarchitektur. Das innere, tieferliegende<br />
Zierfeld, von dem nur eine kleine Randpartie<br />
erhalten ist, zeigt eine leuchtend gelbe Glasur.<br />
In dem grünglasierten Eckzwickel kniet die<br />
Gestalt eines geflügelten Putto (Abb. 80).<br />
Schon die kontrastreiche Farbglasur der Blattkachel<br />
weist in die Zeit der Renaissance. Diese<br />
Datierung lässt sich wiederum durch Vergleichsstücke<br />
aus der Kölner Altstadt stützen –<br />
eine polychrome Kachel mit dem Porträt einer<br />
vornehmen Dame mit kunstvollem Kopfputz<br />
weist identische Putten in den Zwickeln auf,<br />
sodass man annehmen möchte, die beiden<br />
Kacheln seien in derselben Werkstatt gearbeitet<br />
worden. Als Zeitansatz für Blattkacheln dieser<br />
Form wird das 2. Viertel des 16. Jahrhunderts<br />
erwogen.<br />
Schließlich hat Brunnen 2 des Hauses 19 eine<br />
polychrom glasierte Bekrönungskachel erbracht:<br />
Das trapezförmige Unterteil der Kachel weist<br />
seitlich s-förmige Rankenvoluten auf. Das<br />
Bildfeld ist randlich mit einem Eierstabfries<br />
abgeschlossen. Im Bildfeld selbst ist das<br />
Brustbild einer nach rechts gewandten bärtigen<br />
Männergestalt in antiker Toga – vielleicht eines<br />
Philosophen – dargestellt. Als Bekrönung dient<br />
eine Aedicula mit Dreiecksgiebeln und kleinen<br />
kugelförmigen Akroterien. Zu unserer Bekrö -<br />
nungs kachel, die ursprünglich zu dem dekorativen<br />
oberen Abschluss eines Kachelofens<br />
gehörte, kennt man gute Vergleichsstücke aus<br />
der Kölner Kachelproduktion, die von I. Unger 33<br />
in die Jahre um 1575 datiert werden.<br />
Abb. 80<br />
Renaissancezeitliches<br />
Kachelfragment aus<br />
Schicht 225, eine<br />
Blattkachel aus Köln<br />
55<br />
5,10 cm
Krämerstraße<br />
Einige wenige Ofenkachelfragmente sind an -<br />
schließend auch für Haus 15 zu nennen – aus<br />
der Brunnenverfüllung liegen kleinere Bruchstücke<br />
von grünglasierten Tonkacheln vor, die<br />
zu einer Blattkachel, wenn nicht gar zu mehreren<br />
Blattkacheln gehören. Zu erkennen ist die<br />
Profilansicht nach links eines Männerkopfes,<br />
nach guten Vergleichsstücken zu urteilen der<br />
Darstellung eines Speiseträgers, die vermutlich<br />
in den Jahren zwischen 1550 – 60 in einer Kölner<br />
Werkstatt entstanden ist.<br />
Legt man die erörterten Datierungsansätze<br />
zugrunde, so dürften demnach die Öfen in den<br />
beiden Häusern 15 und 19 über 100 Jahre in<br />
Benutzung gewesen sein, bevor sie im Verlaufe<br />
des 17. Jahrhunderts. erneuert werden mussten<br />
und die Kachelbruchstücke in den Abfallschacht<br />
gelangten. Vielleicht wurden die Öfen<br />
ja auch durch einen in dieser Zeit aufkommenden<br />
gusseisernen Ofentyp ersetzt.<br />
Abb. 81<br />
Fragment einer<br />
Bekrönungskachel<br />
aus Haus 19.<br />
Brunnen 2,<br />
Schicht 962<br />
2,70 cm
Zum Aussehen der spätgotischen Kachelöfen<br />
Die in Schicht 225 aufgeführten altertümlichen<br />
Nischenkachelfragmente gehören vermutlich zum<br />
Aufbau eines hohen Kachelofens, der mit einiger<br />
Sicherheit auf einem gemauerten, feuersicheren<br />
Fundament gestanden hat. Von der Kachelung<br />
des Feuerkastens selbst ist leider nichts erhalten<br />
geblieben. Das Aussehen solcher Kachel öfen<br />
lässt sich anhand einiger heute noch erhaltener<br />
bzw. rekonstruierter Vergleichsstücke erschließen:<br />
wir möchten vermuten, dass unser Ofen einen<br />
ähn li chen Aufbau wie der Kachelofen aus<br />
der Burg von Tata (Ungarn, 2. Hälfte 15. Jahrhundert)<br />
hatte.<br />
Zahlreich sind die Darstellungen von Kachel -<br />
öfen in der Kunst, und stets sind hölzerne<br />
Bänke abgebildet, auf denen man sich bei häuslichen<br />
Arbeiten, etwa bei Nähen und Sticken,<br />
aber auch in den abendlichen Mußestunden<br />
aufwärmen konnte. Noch heute weiß man ja die<br />
behagliche Wärme von Kachelöfen zu schätzen!<br />
Auf alltägliche Hausarbeiten, die man vielleicht<br />
auf der gemütlichen Ofenbank verrichtete, deutet<br />
wiederum ein unscheinbarer Fund aus dem<br />
Brunnenschacht hin: hier fand sich in Schicht<br />
227 (Ende 16., Anfang 17. Jahrhundert) auch<br />
ein kleiner tönerner Spinnwirtel aus Raerener<br />
oder Frechener Produktion.<br />
Der braunglasierte, getigerte Tonwirtel diente<br />
als Schwunggewicht für eine hölzerne Handspindel,<br />
mit der Wollfäden gesponnen wurden.<br />
Es mag durchaus sein, dass diese Hausarbeiten<br />
nicht nur von den jüngeren Mädchen oder<br />
Dienstmägden ausgeführt worden sind – sondern<br />
auch die Hausfrau selbst wird sich mit Spinnen,<br />
Brettchenweben, Nähen und Sticken während<br />
der langen Herbst- und Winterabende die Zeit<br />
vertrieben haben.<br />
Abb. 82<br />
Rekonstruktions versuch<br />
des spätgotischen<br />
Kachelofens aus Haus 19<br />
57
Krämerstraße<br />
Abb. 83<br />
Spielgefäß aus Fayence,<br />
Brunnen 2, Haus 15<br />
2,80 cm<br />
Abb. 84<br />
Braunglasierter<br />
Spinnwirtel aus<br />
Brunnen 2, Haus 15<br />
2,60 cm<br />
Kinderspielzeug:<br />
Spinnwirtel & Miniaturgefäße<br />
Ein auffallend kleiner Spinnwirtel von nur<br />
2,5 cm Durchmesser ist aus den ca. 100 Jahre<br />
jünger datierenden Fundzusammenhängen von<br />
Haus 19, Brunnen 2 überliefert: Aufgrund seiner<br />
geringen Größe möchten wir den Wirtel aus<br />
salzglasiertem, braun-getigertem Steinzeug als<br />
Kinderspielzeug ansprechen. Diese Vermutung<br />
wird durch den Umstand unterstützt, dass<br />
zusammen mit dem Spinnwirtel Bruchstücke<br />
von drei Miniaturgefäßen, die dem normal -<br />
großen, im Alltag verwendeten Gebrauchsgeschirr<br />
des frühen 18. Jahrhunderts exakt nachgebildet<br />
sind.<br />
Ein kleines Tellerchen ist den großen, gegliederten,<br />
schüsselartigen Tellern der Bauernke -<br />
ramik nachempfunden. Das Tellerchen ist<br />
weißtonig und innen gelblich bis olivgrün<br />
glasiert. Der Durchmesser beträgt nur 6 cm<br />
(Abb. 85).<br />
Das zweite Gefäß in Fayence ausgeführt, stellt<br />
eine hochwandige Schüssel dar, die auf dem<br />
Innenboden ein mit Pinselstrichen gemaltes,<br />
kleines Vögelchen zeigt. Der Randdurchmesser<br />
des Schüsselchens beträgt nur 6,2 cm (Abb. 83).<br />
Etwas größer fällt dagegen das dritte Miniaturgefäß<br />
aus (Randdurchmesser 9 cm; Abb. 86).<br />
Wie das eingangs beschriebene Tellerchen besteht<br />
es aus weißtoniger Bauernkeramik mit gelber<br />
Innenglasur. Die durchlochte Wandung weist<br />
das Gefäß als Sieb zur Käseherstellung aus.<br />
Zu allen Zeiten reflektierten die Kinderspiele<br />
die Welt der Erwachsenen und dienten so dem<br />
Erlernen von Verhaltensweisen und Tätigkeiten,<br />
die im späteren Leben beherrscht werden<br />
mussten. Zudem wurden Kinder in der damaligen<br />
Gesellschaft anders gesehen als heute: man<br />
nahm sie als kleine Erwachsene wahr, die sich<br />
ernsthaft auf ihre spätere gesellschaftliche Funktion<br />
vorzubereiten hatten. Das Spiel und häufig<br />
auch die Kinderarbeit stand im Dienste der<br />
Erziehung zum vollwertigen Erwachsenen. Dies<br />
zeigte sich auch in der Kinderkleidung, die sich<br />
nicht wesentlich von der Kleidung der Eltern<br />
unterschied.<br />
Alle die beschriebenen Gegenstände dürfen<br />
vielleicht als Spielsachen eines Mädchens<br />
gedeutet werden, mit deren Hilfe die wichtigsten<br />
hausfraulichen Tätigkeiten spielerisch erlernt<br />
wurden, etwa das Heimwerk des Garnspinnens<br />
und die Beherrschung der verschiedenen Küchen<br />
arbeiten.<br />
Abb. 85<br />
Miniaturteller<br />
2,75 cm<br />
Abb. 86<br />
Spielgefäß aus Fayence,<br />
aus Brunnen 2,<br />
Haus 15<br />
2,70 cm
Abb. 88<br />
Parfumflakon.<br />
Die nähere<br />
Beschreibung<br />
findet sich<br />
auf Seite 107<br />
2,90 cm<br />
Sanitäre Einrichtungen & Körperpflege<br />
Als Folge der verheerenden Pestepedemien des<br />
hohen Mittelalters waren die bis dahin sehr<br />
beliebten öffentlichen Badehäuser von der<br />
Obrigkeit verboten worden; der schlechte Ruf,<br />
der den Badestuben durch tatsächliches oder<br />
vermeintliches unzüchtiges Treiben anhaftete –<br />
und eine intensive Bekämpfung durch die<br />
Kirche nach sich zog –, trug ebenfalls zum<br />
weitgehenden Verbot dieser Einrichtungen bei.<br />
Die individuelle Körperpflege war wieder auf<br />
das eigene familiäre Umfeld beschränkt – der<br />
Holzzuber mit warmem Wasser diente dem<br />
Bade, ansonsten behalf man sich mit Waschschüssel<br />
und Seife. Im Sommer nutzte man<br />
natürlich die Gelegenheit zum vergnüglichen<br />
Bade in Flüssen und Seen.<br />
Waschen, Einölen und Kämmen der Haare<br />
gehörte zur regelmäßigen Körperpflege. Anschließend<br />
salbte man den Körper mit Duftölen<br />
oder verwendete Parfums. Ein kleines Glas flakon<br />
mit Riefenverzierung dürfte zur Aufbewah rung<br />
eines Parfums gedient haben (Abb. 88).<br />
Zu Zeiten des Barock galt die Verwendung des<br />
Wassers bei der Körperpflege in höfischen<br />
Kreisen bekanntlich als Ausdruck bäuerlicher<br />
Sitten – man behalf sich vielfach mit gepuderten<br />
Perücken, Schminke und Duftwässerchen.<br />
Aus den Düsseldorfer Grabungen kennen wir<br />
außerdem einige Haarkämme, die aus Knochenscheiben<br />
mit doppelseitig sehr fein ausgesägten<br />
Zähnen gearbeitet sind. Solche besonders feinen<br />
Kämme dienten dazu, Flöhe und andere Para siten<br />
auszukämmen. Mit kleinen Haarnadeln konnte<br />
die Frisur oder eine Perücke festgesteckt werden.<br />
Haupthaar und Bart konnte man beim Barbier<br />
scheren lassen, dem oft auch die Rolle des Baders<br />
zukam: Zähne reißen, Schröpfköpfe setzen und<br />
klei nere chirurgische Eingriffe wurden hier am -<br />
bu lant, oft mehr schlecht als recht vorge nommen.<br />
Abb. 87<br />
Knochenkamm<br />
und Haarnadeln<br />
2,60 cm (Kamm)<br />
3,20 cm (Nadeln)<br />
Abb. 89<br />
Vornehme Dame<br />
im Badezuber.<br />
Nach einer<br />
mittelalterlichen<br />
Zeichnung<br />
59
Krämerstraße<br />
Abb. 90<br />
Nachttopf mit<br />
Relief auflagen.<br />
1. Hälfte 17. Jahrhundert<br />
5,00 cm<br />
Besser ausgestattete Bürgerhäuser besaßen Aborte<br />
mit gemauerter Sickergrube, die von Zeit zu Zeit<br />
von speziellen Lohnarbeitern geleert wurden.<br />
Manche Kloaken waren mit Holz brettern ausgeschalt<br />
und entsprechend undicht. Gerade in<br />
den dichtbesiedelten Städten konnten so die aussickernden<br />
Abwässer zu nahe angelegte Trinkwasserbrunnen<br />
verseuchen.<br />
Bereits im späten Mittelalter war man sich<br />
durchaus des Zusammenhanges zwischen Trink -<br />
wasserverseuchung und auftretenden Krankheiten<br />
bewusst, wenn man auch die Einzelheiten<br />
noch nicht wissenschaftlich erfassen konnte:<br />
zahlreiche Städte besaßen Gesetzesvorschriften<br />
für Mindestabstände zwischen Jauchegruben<br />
und Brunnen, Zuwiderhandlungen konnten<br />
empfindlich bestraft werden.<br />
Die Frage der Aborte und der Sickergruben<br />
wird in der Düsseldorfer Polizeiordnung von<br />
1557 penibel genau geregelt: „... kein heimlich<br />
Gemach (= Abort) ... soll nach der Straße oder<br />
öffentlichen Plätzen liegen oder überhängen,<br />
sondern wer keinen Pütz (= Senkgrube) dazu<br />
machen will, soll die heimlichen Gemächer<br />
inwendig auf seinem Miste oder Hofplatz, wo es<br />
ihm am besten gelegen ist, aber doch dermassen<br />
anlegen, dass den nächsten Nachbarn damit keinen<br />
Gestank bereite, auch ihnen an ihren Gebäuden<br />
und Mauern daraus kein Nachteil entstehe.“<br />
Leider konnten in den rückwärtigen, von den<br />
Gra bungen nur ausschnittweise erfassten Hof-<br />
bereichen der Häuser 15 und 19 keine Kloakengruben<br />
nachgewiesen werden. Am ehesten<br />
wird man aber hier die „heimlichen Gemächer“<br />
vermuten dürfen. Infrage kommt auch eine<br />
Entsorgung in Richtung Fluss, etwa über eine<br />
Abwasserrinne in Form einer zweischaligen<br />
Holz wasserleitung, wie sie im Bereich des<br />
Unteren Werftes nachgewiesen werden konnte.<br />
Jedenfalls durften nach den bestehenden Vorschriften<br />
keine Aborte in den oberen Etagen der<br />
Wohnhäuser angelegt werden, die über einen<br />
Fallschacht die Fäkalien einfach in eine Kloaken -<br />
grube entsorgten, wie dies noch im Mittelalter<br />
gang und gäbe war. Ausdrücklich werden in der<br />
Polizeiordnung schmale Gassen zwischen Wohnhäusern<br />
verboten, damit „... allerhand Unreinig -<br />
keit vermieden werde.“<br />
Abb. 91<br />
Querschnitt durch eine<br />
Holzwasserleitung vom<br />
Unteren Werft.<br />
17. Jahrhundert<br />
25,00 cm
Fastenzeit & Tafelfreuden<br />
Auch in dem Haushalt eines wohlhabenden<br />
Mannes war im Alltag durchaus einfache Kost<br />
die Regel. Zudem ist zu bedenken, dass der<br />
Kalender zahlreiche Fastentage kannte, etwa die<br />
Fastenperiode von Aschermittwoch bis Kar -<br />
freitag, deren Einhaltung nicht nur von den<br />
Klerikern, sondern auch von den gottesfürch -<br />
tigen Laien erwartet wurde.<br />
Umso ausgiebiger wurde an den Feier- und Festtagen<br />
getafelt: besonders die offiziellen Feste des<br />
Hochadels und des hohen Klerus, etwa Krönungen,<br />
Konzile und Hochzeiten, bei denen man<br />
auch das einfache Volk bewirtete, wur den mit<br />
großem Aufwand ausgerichtet. Noch heute sind<br />
solche mehrtägigen Fest lich kei ten – wie etwa<br />
die „Düsseldorfer Fürstenhochzeit von 1585“ –<br />
für ihre Üppigkeit sprich wörtlich.<br />
Natürlich verstanden nicht nur die Düsseldorfer<br />
Adeligen, sondern auch die Kaufleute und<br />
Hofbeamten zu feiern, wenn es galt, mit einem<br />
Festmahl Personen von Rang oder Geschäftspartner<br />
zu bewirten.<br />
Zur Bewirtung der Gäste wurde bei einem<br />
Festmahl Personal benötigt, das die Tafelnden<br />
bediente, Speisen auftrug und Getränke nachschenkte.<br />
Für ganz besondere Anlässe konnte<br />
man einen Mundschenk für den Wein oder<br />
sogar einen Tranchiermeister engagieren, der die<br />
Bratenstücke und Geflügel kunstvoll am Tisch<br />
zerlegte und den Gästen mund gerechte Bissen<br />
vorlegte. Manchmal wurde die Tafel gesellschaft<br />
auch mit Musik unterhalten; jedoch blieben<br />
solch aufwändige Veranstaltungen meist auf<br />
die adeligen Hofhaltungen begrenzt – wie<br />
die Düsseldorfer Residenz: hier konnten zur<br />
Erbauung der Gäste sogar Possenreißer, Tänzer<br />
und Akrobaten aufgeboten werden!<br />
Jedoch auch der wohlhabende Schultheiß<br />
Caspars wusste bei besonderen Anlässen, eine<br />
geschmückte Tafel mit dem prächtigen Geschirr<br />
und wertvollen Trinkgläsern zu präsentieren und<br />
aufzutischen, was Küche und Keller hergaben.<br />
Ein Haushalt wie der des Schultheißen verfügte<br />
über ein ganzes Arsenal von prächtigen Tischgefäßen,<br />
die bei Festen als Tafelgeschirr dienen<br />
konnten: Schenkkannen aus Ton, Zinn oder<br />
Silber sowie entsprechende Servierplatten,<br />
Schüsseln und Pokale wurden in der guten<br />
Stube, in der man die Gäste empfing, auf<br />
Regalen und Buffets stolz präsentiert.<br />
Noch in das 15. Jahrhundert kann das Fragment<br />
eines „Kuttrolf“ (Abb. 157) datiert werden – eine<br />
kleine, dünn wandig ausgeblasene und bauchige<br />
Flasche, die sich durch einen aus zwei Glasröhren<br />
gebildeten Hals und eine schälchenförmige<br />
Mündung auszeichnet. Solche zerbrech lichen,<br />
deko rativen Gläser dienten dem effektvollen<br />
Aus schenken von edlem Wein oder Weinbrannt<br />
bei Tisch. Bei feuchtfröhlichen Trinkgelagen<br />
kamen Scherzgefäße, so genannte „Vexiergefäße“<br />
zum Einsatz. Ein solcher Schenk krug mit drei<br />
nebeneinander liegenden Ausgüssen, mit denen<br />
man gleich drei Zechern auf einmal nach -<br />
schenken konnte, fand sich in dem verfüllten<br />
Brunnenschacht 2. Das Gefäß entstammt einer<br />
Siegburger Töpferwerkstatt des späten 16. Jahrhunderts<br />
(Abb. 97).<br />
Abb. 92<br />
Spätmittelalterliche<br />
Darstellung einer<br />
Tafelgesellschaft.<br />
Eine gebra tene Ente<br />
wird vom Hausherren<br />
tranchiert und sogleich<br />
den Gästen vorgelegt.<br />
Vor den Schmausenden<br />
liegen jeweils ein runder<br />
Brotsemmel, Brettchen,<br />
Tafelmesser sowie ein<br />
gläserner Trinkbecher<br />
Abb. 93<br />
Reich verzierter<br />
Knochengriff eines<br />
Tischmessers<br />
61<br />
3,40 cm
Krämerstraße<br />
Abb. 94<br />
Kleiner Fayenceteller<br />
mit Hahnenkampf-Motiv<br />
3,85 cm 6,15 cm<br />
Teure Trinkgläser gehörten ebenfalls zu der<br />
festlich gedeckten Tafel, so etwa Nuppen- und<br />
Stangengläser, Weinkelche mit profiliertem<br />
Balusterschaft oder sogar kunstvoll geformte,<br />
mehrfarbige Flügelgläser aus den weltbekannten<br />
venezianischen Glashütten. Auch aus dem<br />
Haushalt des reichen Schöffen Schepperus<br />
(Haus 15) haben sich Reste solcher exquisiten<br />
Gläser erhalten: ein Fragment eines Balusterschaftes<br />
aus klarem Glas zeigt im Inneren eine<br />
<strong>Doppel</strong>helix aus je einem feinen weißen und<br />
roten Glasfaden auf. Dieses ursprünglich prunkvolle<br />
Trinkgefäß – wohl ein Flügelglas – datiert<br />
um die Mitte des 17. Jahrhunderts (Kapitel<br />
„Hohlglas“).<br />
Begehrt und teuer war in der Barockzeit auch<br />
prächtig bemaltes chinesisches Porzellan, das<br />
über den Orienthandel der niederländischen<br />
Kaufleute an den Niederrhein gelangte. Schon<br />
bald wurde die große Nachfrage nach solchen<br />
„Chinoiserien“ durch einheimische Produkte<br />
befriedigt: zwar gelang es noch nicht, hochwertiges<br />
Porzellan herzustellen – man begnügte sich<br />
mit der Umsetzung orientalischer Motive auf<br />
Fayencegeschirr. Besonders in der Region um<br />
Delft in den Niederlanden entstanden Manufakturen,<br />
die qualitativ hochwertige Fayencen<br />
mit typischer blauer Pinselbemalung herstellten<br />
und weithin verhandelten.<br />
Reste von mehr als einem Dutzend Fayence -<br />
gefäßen, darunter mehrere nach chinesischer<br />
Art bemalter Teller, fanden sich im Schutt des<br />
Brunnen 2 von Haus 19. Ein großes Exemplar<br />
zeigt zwei Vögel und einen Schmetterling an<br />
einem von üppigem Pflanzenwuchs umgebenen<br />
Seeufer (Abb. 95). Auf dem Boden trägt der<br />
Teller die Herstellermarke D:Paxx, die eine<br />
Herkunft aus dem Töpferatelier De Paeuw in<br />
Delft vermuten lässt und eine Datierung in die<br />
Jahre um 1710 erlaubt. 34<br />
Abb. 95<br />
Fayenceteller mit<br />
blauer Pinselbemalung
Drei kleinere Fayenceteller zeigen im Spiegel<br />
des Innenbodens den Kampf zweier Hähne,<br />
flankiert von zwei kleineren Vögeln. Auf dem<br />
Boden eines Tellers findet sich eine einfache<br />
Pinselsignatur aus den übereinander gestellten<br />
Zahlenzeichen 1 und 4 (Abb. 94).<br />
Erschwinglicher als die exotischen Fayenceteller<br />
waren die glasierten, häufig farbig bemalten<br />
Teller und Schüsseln der Irden- und Hafnerware,<br />
die ab dem 17. Jahrhundert zunehmend<br />
in den Fund komplexen der Düsseldorfer Alt -<br />
stadt grabung vertreten ist.<br />
Zum eher alltäglichen Tafelgeschirr gehören<br />
Keramiken aus der ältesten Füllschicht von<br />
Brunnen1 (Schicht 240), die in die Renais sance-<br />
Epoche zu datieren ist. Prächtig verziert ist ein<br />
weißtoniger, schlank-konischer Humpen, eine so<br />
genannte „Schnelle“ (Abb. 96). Das Trinkgefäß<br />
zeigt drei plastisch aufgelegte Wappen felder,<br />
wobei das mittlere Zierfeld das königlich-<br />
englische Wappen zeigt.<br />
Abb. 96<br />
„Schnelle“ mit<br />
königlich-englischem<br />
Wappen<br />
63<br />
2,70 cm
Krämerstraße<br />
Abb. 97<br />
Vexiergefäß<br />
aus Brunnen 2,<br />
helles Steinzeug,<br />
salzglasiert<br />
3,40 cm<br />
Wie der Vergleich der Ziermodeln erweist,<br />
stammt die Schnelle aus der Werkstatt des Siegburger<br />
Töpfers Hans Hilgers, der sein Steinzeug<br />
im ausgehenden 16. Jahrhundert produzierte.<br />
Solche Gefäße wurden bei Tisch als Bierhumpen<br />
verwendet, dementsprechend besitzen zahlreiche<br />
der in Museen und Sammlungen erhaltenen<br />
Gefäße dieser Form einen Klappdeckel aus Zinn.<br />
Wein oder auch Branntwein trank man dagegen<br />
aus den kleineren Trichterhalsbechern, von<br />
de nen man ebenfalls mehrere sehr qualitätvolle<br />
Exemplare in den untersten Brunnensedimenten<br />
fand. Die Steinzeugbecher stammen wie die<br />
Schnelle aus einer Siegburger Töpferei. Verziert<br />
sind die Gefäße mit runden, modelgepressten<br />
Schmuck me daillons: eines zeigt einen behelmten
Abb. 98<br />
Medaillon mit<br />
dem Bildnis eines<br />
römischen Kaisers<br />
1,60 cm<br />
Abb. 100<br />
Trichterhalsbecher mit<br />
Medaillonauflage<br />
5,60 cm<br />
Römer kopf mit der Umschrift „Titus“ (Abb. 98),<br />
zwei Becher zeigen religiöse, biblische Motive,<br />
etwa einen Prediger mit Kreuz und Messkelch<br />
(Abb. 99). Neben den stets aktuellen biblischchristlichen<br />
Bildzitaten waren in der Renaissance-<br />
Epoche die klassisch-antiken Motive sehr<br />
beliebt, man schätzte die griechisch-römische<br />
Mythologie und die Darstellung der antiken<br />
Sagen- und Götter gestalten: Zahlreich sind daher<br />
die allegorischen Darstellungen auf Keramik,<br />
Textilien und zeitgenössischer Gemäl dekunst<br />
und Plastik, aber auch die Körperpanzer und<br />
Helme der Kriegsleute waren sehr häufig nach<br />
„antiker Art“ ausgeschmückt. Antikisierende<br />
Motive waren weiterhin, wie wir gesehen haben,<br />
bei der Verzierung der renaissancezeitlichen<br />
Kachel öfen sehr beliebt.<br />
Im Gegensatz zu den medaillongeschmückten<br />
Trinkbechern ist eine schlichte, aber qualitätvoll<br />
gearbeitete Siegburger Henkelkanne als Schenkgefäß<br />
verwendet worden. Mit einer solchen<br />
Steinzeugkanne wurde im Vorratskeller der<br />
Wein aus den großen Holzfässern abgezapft und<br />
in den Speiseraum getragen.<br />
Abb. 99<br />
Medaillon mit<br />
religiösem Motiv<br />
65<br />
1,60 cm
Krämerstraße<br />
Abb. 101<br />
Tonnenförmiges<br />
Salzfässchen<br />
aus Schicht 240<br />
4,30 cm<br />
Die Tafel<br />
Der Esstisch, die „Tafel“, bestand in der Frühzeit<br />
aus einer Tischplatte oder Holzbrettern, die auf<br />
mehr oder weniger kunstvoll gestaltete Böcke<br />
gelegt wurden. Entsprechend problemlos ließ<br />
sich nach dem Mahl „die Tafel aufheben“, also<br />
kurzerhand abräumen und hinaustragen.<br />
Der Tisch war mit einer Tischdecke bedeckt<br />
und bei besonders feierlichen Anlässen reich<br />
geschmückt, besonders im Barock (17. Jahrhundert)<br />
kamen Tafelaufsätze in Mode, auf<br />
denen die aufgetragenen Speisen präsentiert<br />
wurden. Auch die Speisen selbst konnten<br />
kunstvoll geschmückt werden, z. B. mit Zierrat<br />
aus Schmalz und Gelee oder aber mit Federn,<br />
Blattgold und schön gearbeiteten Zierspießchen.<br />
Kerzenleuchter, Mostrich-, Salz- und Pfeffertöpfchen<br />
sowie Zucker- bzw. Honiggefäße<br />
gehörten ebenfalls auf den Tisch. Aus dem<br />
archäologischen Fundgut etwa ist ein solches<br />
kleines tönernes Salzfässchen überliefert, das mit<br />
seinem gedrungen-tonnenförmigen Bauch und<br />
vier kurzen Standbeinen formal an ein Schweinchen<br />
errinnert.<br />
Zur Grundausstattung für das gemeinsame Mahl<br />
gehörte ein Holzbrett, rund oder rechteckig, mit<br />
oder ohne Saftrinne – wie sie ganz ähnlich auch<br />
heute noch als Frühstücks- oder Jausenbrettchen<br />
üblich sind. Im ausgehenden Mittelalter konnten<br />
auch Brotscheiben als Unterlagen für die<br />
Fleischportionen dienen. Man konnte so das<br />
bratensaftgetränkte Brot gleich mitverzehren<br />
oder aber, was nicht selten vorkam, im Anschluss<br />
an das Essen an Bettler abgeben. Ab dem<br />
16. Jahrhundert kommen zunehmend Zinnteller<br />
in Gebrauch, und in einem gut ausgestatteten<br />
Haushalt, wie Krämergasse 19, dürften solche<br />
Teller mit einiger Sicherheit zum Tafelgeschirr<br />
gehört haben. Im 17. und 18. Jahrhundert<br />
waren in chine sischer Manier bemalte Fayenceteller<br />
in Mode und sind, wie wir weiter oben<br />
bereits gesehen haben, in einiger Anzahl in der<br />
Krämerstraße ausgegraben worden.<br />
Das Essbesteck<br />
Als Essbesteck waren ein Löffel und ein Tafelmesser<br />
unentbehrlich und gehörten daher zum<br />
persönlichen Besitz eines jeden. Unter einem<br />
„Besteck“ verstand man ein Messer im Lederfutteral,<br />
in dem zusätzlich ein bis zwei kleinere<br />
Tafelmesserchen „steckten“. Zuweilen war in<br />
dem Futteral auch ein kleiner eiserner Pfriem<br />
mit Griff untergebracht, mit dem man Fleischstücke<br />
aus der heißen Brühe aufspießen konnte<br />
und der nach der Mahlzeit auch als Zahnstocher<br />
verwendet werden konnte.<br />
Das Tischmesser war deutlich kleiner als das am<br />
Gürtel getragene dolchartige Messer, das zwar<br />
auch beim Essen zum Einsatz kommen konnte,<br />
eigentlich aber eher zu Verteidigungszwecken<br />
diente. Anders als heute war es allgemein üblich,<br />
die Speisen mit der Messerspitze zum Munde<br />
zu führen. Spezielle Tischmesser mit verziertem
Griff sind auch aus der Düsseldorfer Grabung<br />
mehrfach belegt, zwei Messerchen stammen<br />
sogar aus dem Brunnenschacht von Haus 19: das<br />
eine Messer (Abb. 102) besitzt Griffplatten aus<br />
Hirschhorn und scheint an Heft und Klinge<br />
noch ankorrodierte Reste der Lederscheide<br />
bewahrt zu haben. Von dem zweiten Messer hat<br />
sich nur der zierliche Vollgriff aus Knochen<br />
erhalten, der durch rautenförmige Zierkerben<br />
und ein dreifach durchbohrtes, kleeblattartig gestaltetes<br />
Ende geschmückt ist. Vielleicht war hier<br />
ein Quast anzuhängen, mit dem man sich bei<br />
Tisch die Hand abwischen konnte. Die Messer<br />
dürften nach dem Fundzusammenhang in das<br />
ausgehende 16. Jahrhundert zu datieren sein.<br />
Der Löffel diente zum essen von Breien, Brühen<br />
und Suppen. Mit ihm nahm man sich aus den<br />
großen Servierschüsseln und bediente sich bei<br />
den aufgetragenen Speisen. Häufig war der<br />
Löffel aus Holz geschnitzt, besaß eine runde<br />
Laffe und einen kurzen Griff, der in einem<br />
verdickten oder umgebogenen Ende auslief und<br />
bei manchen Löffeln kunstvoll gestaltet sein<br />
konnte. Einfache, aus Holz geschnitzte Löffel<br />
waren billige Massenwaren, die bei Verlust oder<br />
Beschädigung leicht zu ersetzen waren – sicher<br />
ist dies der Grund für den Umstand, dass solche<br />
Löffel in historischen Haushalts aufzählungen<br />
und Inventaren zumeist keiner Erwähnung für<br />
wert befunden werden. Seltener, aber durchaus<br />
üblich waren Löffel aus Horn, später aus Zinn,<br />
wertvolle Exemplare waren auch in Silber ausgeführt.<br />
Seinen Löffel führte man, wie das Messer, stets<br />
mit sich: in einem Beutelchen am Leibgurt oder<br />
wie auf spätmittelalterlichen Darstellungen von<br />
Bauern zu sehen, gar an die Mütze oder den<br />
Hut gesteckt!<br />
Die Gabel war bei Tisch im ausgehenden Mittelalter<br />
und in der Renaissancezeit nur sehr selten<br />
in Gebrauch, und wenn, dann zunächst als<br />
extravagantes Accessoire von höchsten Adelsoder<br />
Klerikerkreisen. Entsprechend sind die<br />
erhaltenen Exemplare ausnahmslos prunkvoll<br />
verziert und aus kostbaren Materialien gearbeitet.<br />
Mit den zweizinkigen Gäbelchen aß man<br />
vorzüglich „süßes Geschlecks“, also klebrig honigsüße<br />
Nachspeisen und kan diertes Obst.<br />
In den Normalhaushalten war der Gebrauch von<br />
Speisegabeln freilich ganz und gar unüblich und<br />
wurde auch von der Kirche abgelehnt, da man in<br />
der Gabel ein „Instrument des Teufels“ sah – bekannt<br />
ist der Ausspruch Martin Luthers aus dem<br />
Jahre 1518 „... Gott bewahr mich vor Gäbel chen!“.<br />
Mit der Veränderung der Koch- und Ess ge -<br />
wohnheiten, besonders mit dem Zunehmen<br />
von heiß servierten Gemüsespeisen, kamen Ess -<br />
ga beln mit geraden oder gebogenen Zin ken im<br />
17. Jahrhundert jedoch zunehmend in Gebrauch.<br />
Abb. 102<br />
Ein Tischmesser<br />
aus dem nördlichen<br />
Brunnen der<br />
Krämerstraße 19,<br />
Schicht 240<br />
67<br />
3,00 cm
Krämerstraße<br />
Abb. 103<br />
Weinbecher „Römer“,<br />
spätes 16. Jahrhundert<br />
2,50 cm<br />
Tischsitten<br />
„Wer chan mässichait nit hat weder an trinken,<br />
noch an speis der selb mag nimmer werden weis!“<br />
Hans Vintler, Blumen der Tugend (1411)<br />
Noch im 16. und 17. Jahrhundert war es in<br />
Mitteleuropa gang und gäbe, seine Mahlzeiten<br />
mit den bloßen Händen und unter Zuhilfenahme<br />
des Tischmessers zu sich zu nehmen. Dennoch<br />
gab es durchaus Regeln für das richtige und<br />
höfliche Benehmen bei Tisch, die so genannten<br />
„Tischzuchten“ 35:<br />
Zur Vorbereitung auf das Mahl gehörte es<br />
sich, die Kleidung und vor allem die Hände<br />
zu reinigen. Bei Gastmählern gingen daher<br />
Bediens tete mit Wasserkannen, Becken und<br />
Handtüchern reihum und boten den Gästen<br />
Gelegenheit zur Handwaschung – eine Tradition,<br />
die bis in die griechisch-römische Antike<br />
zurückreicht.<br />
Der Gastgeber beginnt die gemeinsame<br />
Mahlzeit mit einem Tischgebet. Er ist es auch,<br />
der mit dem ersten Bissen das Essen eröffnet<br />
– erst dann ist es schicklich, den ersten Schluck<br />
Wein zu sich zu nehmen! (Abb. 103/104).<br />
Trank der Hausherr einem Gast zu, so war es<br />
grob unhöflich, den Trunk zu verweigern. Die<br />
Sitte des zutrinkens oder „röhmens“/„rühmens“<br />
(daher die Bezeichnung „Römer“ für eine<br />
bestimmte Weinglasform – der Name hat mit<br />
den antiken Römern nichts zu tuen!) konnte<br />
exzessive Züge annehmen, weswegen die<br />
Kirche die Unsitte zu verbieten suchte.<br />
Als ungehörig wird es empfunden, aus den<br />
Schenkgefäßen zu trinken oder – wenn man<br />
sich das Glas oder den Becher mit einem<br />
Tischnachbarn zu teilen hatte – mit fettigen<br />
Lippen daraus zu trinken.<br />
Da die Höflichkeit gegenüber dem Gast geber<br />
es gebietet, von jedem der z. T. zahlreichen<br />
Gänge der Speisefolge zu kosten, wird dringend<br />
angeraten, jeweils nur eine bescheidene<br />
Portion zu nehmen.<br />
Es gilt als unschicklich, seine Fleisch- oder<br />
Brotstücke direkt in die Soße oder die Salz-<br />
und Pfeffergefäße zu tunken.<br />
Tadelnswert ist es auch, unflätig zu rülpsen,<br />
sich in das Tischtuch zu schneuzen oder das<br />
Messer am Stiefel abzuwischen.
Auch sich bei Tisch zu kratzen, zu spucken<br />
oder die Finger abzulecken galt als durchaus<br />
unfein. Die Knochen solle man nicht abnagen,<br />
sondern sein Messer zuhilfe nehmen. Durchaus<br />
erlaubt war es jedoch, die abgegessenen<br />
Knochen unter den Tisch fallen zu lassen,<br />
jedoch nur unter den eigenen Sitzplatz und<br />
ohne durch einen unbedachten Wurf einen<br />
Tischnachbarn zu verletzen!<br />
In der Renaissancezeit kamen in Kreisen der<br />
„besseren Gesellschaft“ Mundtücher und Servietten<br />
in Mode, mit denen man sich bei Tisch<br />
Mund und Hände abwischen konnte. Das<br />
Mundtuch konnte man während des Mahles<br />
über die Schulter oder den linken Arm legen.<br />
Der Speisezettel<br />
Aus den untersten drei Schuttschichten des verfüllten<br />
Brunnenschachtes 1 im Keller des Hauses<br />
19 stammen eine ganze Anzahl Tierknochen,<br />
die als Küchenabfall zu bezeichnen sind. Die<br />
Analyse des Knochenmaterials erbrachte inte -<br />
ressante Details hinsichtlich des Fleischver -<br />
brauches eines wohlhabenden Haushaltes des<br />
16. und 17. Jahrhunderts.<br />
Tierknochen aus Brunnen 1,Schicht 240<br />
Die meisten Knochen stammen aus der unters -<br />
ten Schicht 240, deren Fundstücke in die<br />
2. Hälfte/Ende des 16. Jahrhunderts zu datieren<br />
sind. Gefunden wurden hier erwartungsgemäß<br />
Reste von Rind, Kalb (Schlachtalter unter<br />
6 Monaten) und Schwein. In einiger Menge<br />
fanden sich Hühnerknochen, darunter auch Extremi<br />
täten knochen von ausgewachsenen Hähnen.<br />
Auch Gans und Ente standen auf dem<br />
Speisezettel, ebenso Wildvögel – kleine Flügelknochen<br />
aus Schicht 240 könnten zu einer<br />
Schnepfe gehören, die auch heute noch zu den<br />
seltenen und teuren Delikatessen zählt.<br />
Daneben ist im Abfall auch Fisch nachweisbar:<br />
zahlreiche große Wirbelknochen deuten auf den<br />
häufigen Verzehr von Flussfischen (wie etwa<br />
Hecht) und Seefisch hin (wie etwa Dorsch);<br />
letzterer könnte auch in Form von Stockfisch<br />
(getrockneter Kabeljau) in der Küche verarbeitet<br />
worden sein.<br />
Nur vergleichsweise wenige Knochen weisen<br />
Schlachtspuren auf. Einige verbrannnte Kno -<br />
chen reste dürften zusammen mit der Herd asche<br />
in den Abfallschacht gelangt sein. An den Knochenresten<br />
eines fötalen Kalbes konnten Nagespuren<br />
vom Hundegebiss nachgewiesen werden:<br />
wahrscheinlich diente ein totgeborenes Kalb als<br />
Futter für die Haushunde.<br />
Abb. 104<br />
„Römer“ aus dunkel -<br />
grünem Waldglas,<br />
um 1600<br />
69<br />
2,50 cm
Krämerstraße<br />
Abb. 105<br />
Eine Darstellung aus<br />
dem Kochbuch des<br />
Platina (1542) zeigt<br />
„allerley Geflügel“<br />
Schließlich fanden sich noch die Knochenreste<br />
einer Ratte, des stetigen Begleiters des Stadtmenschen.<br />
Von katastrophalen Notzeiten einmal<br />
abgesehen, standen Ratten jedoch nicht auf<br />
der Speisekarte. Unser lästiger Nager wurde<br />
vermutlich in Küche oder Keller als Schädling<br />
erlegt und im Brunnenschacht entsorgt.<br />
Tierknochen aus Schicht 227<br />
Die Funde dieser Schuttschicht gehören ganz<br />
an das Ende des 16. und in die ersten Jahrzehnte<br />
des 17. Jahrhunderts. Rind und Schwein<br />
sind wiederum belegt, ebenso Huhn und Gans.<br />
Wenige Wirbelknochen stammen wieder von<br />
großen Fluss- und Seefischen.<br />
Auf den Genuss von Wildtieren deuten Kanin -<br />
chen knochen hin. Kaninchen und Hasen waren<br />
begehrte und – verglichen etwa mit dem äußerst<br />
beliebten Brathuhn – teure Lebensmittel.<br />
Auffallenderweise zeigen die Knochen zahl -<br />
reiche Schlachtspuren, zerhackte Knochen und<br />
Schnitt marken. Auch tauchen im Fundmaterial<br />
verschie dene Kälberknochen mit deutlichen<br />
Spuren von Hundeverbiss auf.<br />
Tierknochen aus Schicht 225<br />
Schuttschicht 225 dürfte aufgrund der Keramik<br />
etwa in die Jahre um 1650 zu stellen sein.<br />
Die Knochenauswahl entspricht in etwa<br />
derjenigen der vorausgehenden Schichten. Rind,<br />
Schwein, Kaninchen, wenig Huhn, wenig Fisch<br />
sind vertreten – neu ist der Beleg eines Schafes,<br />
das im Alter von 6 Monaten bis 2 Jahren geschlachtet<br />
worden war.<br />
Auch an diesem Knochenmaterial konnten<br />
zahlreiche Schlachtspuren festgestellt werden,<br />
u. a. Schnittspuren an den Hinterfußknochen<br />
(Fersen- und Rollbein) eines Schweines, wie sie<br />
beispielsweise auftreten, wenn man das getötete<br />
Tier zum Auswaiden und Zerlegen an ein<br />
Gestell oder eine Leiter aufhängte, wie dies alte<br />
und heute noch geübte Metzgerpraxis ist.<br />
Insgesamt überrascht bei der Zusammensetzung<br />
der Speisereste das seltene Auftreten von<br />
Wildpret. Sicherlich wird man jedoch für die<br />
Bewohner des Hauses 19 voraussetzen dürfen,<br />
dass sie Hirsch, Reh und Wildschwein – um nur<br />
einige Beispiele zu nennen – zu schätzen wussten<br />
und sich den Verzehr dieser Wildtiere gewiss
Abb. 106<br />
Einige Holzfässer<br />
werden mit gepökelten<br />
Salzheringen gefüllt.<br />
Nach einer mittelalterlichen<br />
Darstellung<br />
finanziell leisten konnten und tat sächlich auch<br />
gelegentlich geleistet haben!<br />
Geflügel<br />
Das Federvieh war in der Küche des 16.–18.<br />
Jahrhunderts außerordentlich beliebt, beson ders<br />
Hühner, Hähne oder gar Kapaune (kastrierte,<br />
gemästete Junghähne) wurden häufig zubereitet.<br />
Darüber hinaus schätzte man eine Vielzahl von<br />
Wild- und Singvögeln, denen man mit Leimruten<br />
und Stellnetzen nachstellte: Goldammern,<br />
Dohlen, Perlhühner, Wachteln, Schnepfen,<br />
Wildenten und Gänse, ja gelegentlich sogar<br />
Schwäne, Pfauen und Kraniche fanden den<br />
Weg auf die Tafeln der reichen Familien.<br />
Ein unverzichtbarer Bestandteil der Küche war<br />
das Hühnerei. Eierspeisen standen vor allem<br />
während der Fastenzeit häufig auf dem<br />
Küchenzettel, mit Eiern bereitete man zahlreiche<br />
Vorspeisen und auch die beliebten Pfannkuchen.<br />
Durch Eier erhielten Pasteten und Füllmassen<br />
ihre Bindung und schließlich waren sie zur<br />
Zubereitung von allerlei Gebäck und Süßspeisen<br />
unerläßlich.<br />
Fische<br />
Wie die Funde von Wirbelknochen und Gräten<br />
aus Brunnen 1 deutlich gezeigt haben, spielte<br />
Fisch eine wichtige Rolle bei der täglichen<br />
Ernährung, besonders aber an den Freitagen<br />
und natürlich während der kirchlichen Fastenperioden.<br />
Die Märkte der Stadt belieferten die<br />
Haushalte mit frischen, gesalzenen und getrock -<br />
neten Seefischen, aber auch mit einer reichen<br />
Palette von Flussfischen (Fischereikapitel, S. 148).<br />
Der Fischhändler<br />
Die sauberen Flüsse, vor allem der Rheinstrom<br />
lieferte Hechte, Barsche, Aale, Neunaugen,<br />
Äschen, Forellen, Lachse und Hausen – letzterer<br />
zählt zu einer Störart, dessen getrocknete<br />
Schwimm blase in alter Zeit als Geliermittel in<br />
der Küche Verwendung fand. Wie schon das<br />
Landsteuerbuch von 1632 berichtet, hatten sich<br />
die Fischer und Fischhändler insbesondere in<br />
der Nähe des „Alten Hafens“ niedergelassen.<br />
So sind für das 17. Jahrhundert am Rheinort<br />
und in der Rheinstraße nicht weniger als sieben<br />
Fischhändler belegt.<br />
Abb. 107<br />
Fischgerichte aus:<br />
„Schachtaffeln<br />
der Gesundheit ...<br />
verteuscht durch<br />
Mich(ael) Hew“,<br />
Straßburg 1533<br />
71
Krämerstraße<br />
Obst & Gemüse<br />
In den privaten Gärten und auf den Märkten<br />
der Stadt konnte man sich mit verschiedenen<br />
Gemüsen versorgen. Beliebt waren Zwiebel und<br />
verschiedene Lauchpflanzen sowie zahlreiche<br />
Kohlsorten, die frisch zubereitet oder als Sauerkraut<br />
haltbar gemacht wurden. Hülsenfrüchte<br />
wie Erbsen, Linsen und Bohnen konnten getrocknet<br />
unbegrenzte Zeit aufbewahrt werden<br />
und waren ein wichtiger Lieferant für Kohlenhydrate<br />
in Zeiten, in denen die Kartoffel im<br />
Rheinland noch unbekannt war. Rüben, Rettich<br />
und Möhren wurden ebenso genossen wie<br />
verschiedene, heute nahezu in Vergessenheit<br />
geratene Blattgemüse wie Gartenmelde und<br />
großblättriger Lattich.<br />
In der spätmittelalterlichen bis frühneuzeitlichen<br />
Küche wurden die verschiedenen<br />
Gemüse sehr lange gekocht – regelrecht zu<br />
„Mus“ zerkocht! Breie, Grützen und Eintöpfe<br />
(Abb. 108) aus Gemüsen, Hülsenfrüchten und<br />
Getreiden waren täglicher Bestandteil der<br />
Ernährung. Erst in Verlauf des 17. Jahrhunderts<br />
tritt ein allmählicher Wandel in der kulina -<br />
rischen Zubereitung der verschiedenen Gemüsesorten<br />
ein – wie wir gesehen haben, kommt<br />
neben Messer und Löffel nun auch die Ess gabel<br />
zunehmend in Gebrauch.<br />
Zahlreiche Schalenfragmente von Haselnüssen<br />
fanden sich in Brunnen 2: Haselnüsse, Wal -<br />
nüsse, Mandeln und Esskastanien wurden in<br />
der Küche häufig verwendet – aus den zunächst<br />
exotischen und damit teuren Mandeln wurde<br />
Mandelmilch hergestellt, die in der Fastenzeit<br />
Kuh- oder Ziegenmilch ersetzen konnte und<br />
die außerdem die Grundlage für beliebte Süß -<br />
speisen bildete.<br />
Wildwachsende Pilze und Beeren wurden<br />
gesammelt und von Händlern angeboten:<br />
besonders Heidelbeeren, Himbeeren, Brombeeren<br />
und Erdbeeren sowie die Fruchtstände des<br />
schwarzen Holunders wurden als Früchte verwendet<br />
oder zu Saft gekocht. Von Rhein, Mosel<br />
und Ahr und bis in das 19. Jahrhundert auch<br />
von der Sieg gelangten Wein und Weintrauben,<br />
frisch und als Rosinen getrocknet auf den<br />
Düsseldorfer Markt.<br />
Wichtige Vitaminlieferanten waren Äpfel,<br />
Birnen, Pflaumen und Kirschen sowie die<br />
heute fast in Vergessenheit geratenen Quitten,<br />
Mispeln und Schlehen. Diese Früchte hatten<br />
zudem den Vorteil, dass sie, in einem kühlen<br />
Vorratskeller auf Strohschütten gelagert, über<br />
die Herbst- und Winterperiode haltbar waren<br />
oder aber gedörrt sehr lange aufbewahrt<br />
werden konnten. Aus Beeren und Früchten<br />
wurde außerdem ein dicker Sirup eingekocht,<br />
der für die Zubereitung von Soßen, Süßspeisen<br />
und Konfekt verwendet werden konnte.<br />
Abb. 108<br />
Kochtopf<br />
aus Irdenware,<br />
17. Jahrhundert<br />
4,30 cm
Kräuter & Gewürze<br />
Zu allen Zeiten spielen in der Küche Gewürze<br />
eine entscheidene Rolle. Während der Renaissance-<br />
und Barockzeit liebte man sehr kräftig<br />
gewürzte Speisen, ja der reichliche Einsatz von<br />
teueren, exotischen Gewürzzutaten galt als<br />
Statussymbol, als Ausweis für Reichtum und<br />
Erfolg! Zudem sprach man stark aroma tischen<br />
Gewürzen kräftigende und heilende Wirkungen<br />
zu (Kapitel „Küchenrezepte & Diätetik“). Dies<br />
galt auch für den Essig, mit dem man neben<br />
Wein und Most zahlreiche Fleisch- und Fisch -<br />
soßen würzte: schon Hildegard von Bingen hebt<br />
die wohltuende Wirkung des Essigs hervor. Als<br />
exotische Gewürze boten die Händler dem, der<br />
es sich leisten konnte, Pfefferschoten und -körner,<br />
Gewürznelken, Ingwerwurzel, Kardamom, Mus<br />
katnuss, Zimt und Safran an. Auch der teuer<br />
gehandelte Rohrzucker war bekannt und begehrt.<br />
Neben Bienenhonig und eingekochtem Most<br />
der einzige bekannte Süßstoff – erst später<br />
er fand man Verfahren zur Gewinnung von Rüben<br />
zucker. Im heimischen Küchengarten kul ti -<br />
vierte die Hausfrau etwa Knob lauch, Petersilie,<br />
Dill, Liebstöckel, Majoran, Pimpinelle, Isop,<br />
Thy mian, Rosmarin, Wermuth, Koriander,<br />
Dost, Fenchel, Bohnenkraut und Estragon, das<br />
„Drachenkraut“, dem man beson dere Heilkräfte<br />
zusprach. Wacholder beeren, Hopfen, Kalmuswurzel<br />
und Bärlauch wurden ebenso gesammelt<br />
wie Meerettichwurzel und Senfsamen. Besonders<br />
die Herstellung von Mostrich, einer Senfzubereitung<br />
mit Most, hat in Düsseldorf eine große<br />
Tradition – schon in alter Zeit schätzte man<br />
scharfe Senfpaste als Beigabe zu gebratenem<br />
Fleisch und Pasteten.<br />
Abb. 109<br />
Bärlauch<br />
Abb. 110<br />
Hopfen<br />
Abb. 111<br />
Pfeffer<br />
Abb. 112<br />
Safran<br />
Abb. 113<br />
Nelke<br />
73
Krämerstraße<br />
Abb. 114<br />
Weitmündige<br />
Henkeltöpfe<br />
5,30 cm<br />
Speisezubereitung & Küchentechnik<br />
Auf dem Küchenherd (Kapitel „Küche & Herd“)<br />
wurden die verschiedenen Pfannen, Tiegel und<br />
Grapentöpfe auf Holz- oder Holzkohlefeuern<br />
erhitzt.<br />
Kochen<br />
Größere Flüssigkeitsmengen wurden in Metallkesseln,<br />
die an Kesselhaken aufgehängt waren,<br />
erhitzt. Außerdem wurden bronzene oder<br />
gusseiserne Dreifußkessel mit Bügelhenkel, sogenannte<br />
„Grapen“, verwendet. Die drei kurzen<br />
Standbeine dieser Töpfe erlaubten es, sie direkt<br />
über ein Herdfeuer zu platzieren.<br />
Einfache Tontöpfe, in denen flüssige Speisen,<br />
Breie, Grützen oder Gemüse zubereitet wurden,<br />
konnten direkt auf die Glut gestellt werden oder<br />
wurden lediglich an das Herdfeuer herangerückt,<br />
wenn eine behutsamere Erhitzung gewünscht war.<br />
Entsprechend besitzen wir aus Brunnen 1/<br />
Schicht 240 (spätes 16. Jahrhundert/17. Jahrhundert)<br />
ein halbes Dutzend Küchengefäße, die<br />
nur auf einer Seite Ruß- und Schmauchspuren<br />
vom Herdfeuer aufweisen. Es handelt sich, wie<br />
es scheint, um einen Satz von tönernem Kochgeschirr,<br />
das vielleicht durch ein Malheur zum<br />
selben Zeitpunkt zerscherbt worden ist und<br />
anschließend in den Schutt des Brunnenschachtes<br />
geworfen wurde. Zwei weitmündige<br />
Henkeltöpfe (Abb. 114) dienten zum Erhitzen<br />
von flüssigen Speisen und Getränken: mit der<br />
dem Henkel abgewandten Seite wurden sie an<br />
das Herdfeuer geschoben, wie die Schmauchund<br />
Rußspuren eindeutig zeigen.<br />
Ein innen braun glasierter Henkeltopf mit drei<br />
Grapenfüßen weist Schmauchspuren am Bauch<br />
und am Unterboden auf (Abb. 116). Dieser Gra -<br />
pen topf konnte über ein kleines Feuer oder<br />
glühende Holzkohlen gestellt werden, um<br />
Speisen unter stetigem Rühren zu erhitzen.<br />
Eine kleine, tongrundige Schale mit Querhenkel<br />
(Abb. 115) diente möglicherweise zur Zu be rei -<br />
tung von Soßen oder Eierspeisen. Schließlich<br />
fand sich noch ein salzglasierter Henkeltopf<br />
(Abb. 117), der offensichtlich nicht als Kochtopf<br />
verwendet worden ist, jedoch in der Küche als<br />
Flüssig keitsbehälter diente.<br />
Ab dem 17. Jahrhundert fanden auch zahlreiche
Teller und Schüsseln der glasierten und oft farbig<br />
ornamentierten Irden- und Hafnerware Verwen -<br />
dung in den Küchen, sei es als Rühr- und Teigschüsseln<br />
oder als Milch-, Wasser- und Mostkannen.<br />
Die seit der Antike gebräuchliche Art, am offenen<br />
Feuer zu kochen, schmoren, grillen und rös<br />
ten hat sich fast unverändert bis in die Neuzeit<br />
hinein gehalten, wenngleich tönernes Koch -<br />
geschirr ab dem 18. Jahrhundert zunehmend<br />
durch eiserne oder kupferne Töpfe abgelöst werden.<br />
Besonders dann im Verlaufe des 19. Jahr -<br />
hunderts, mit der Einführung von kleineren,<br />
transportablen Kochherden mit eingebauter<br />
Bratröhre in den städtischen Haushalten des<br />
frühen Industriezeitalters, veränderte sich die<br />
Technik des Kochens nachhaltig.<br />
Braten & Schmoren<br />
Zum Braten von Speisen standen schmiede -<br />
eiserne Pfannen und Schmortöpfe aus Eisen<br />
und Keramik zur Verfügung. Gebraten wurde<br />
mit Butter, Butterschmalz, Schweineschmalz,<br />
ausgelassenem „grünen“ Speck oder Pflanzenölen.<br />
Fische konnten in langovalen Tonformen<br />
mit und ohne Deckel gebraten werden. Eine<br />
beliebte Zubereitungsart war die Pastete, eine<br />
Fleischfülle mit Teigmantel, die in Schmor töpfen<br />
gebacken wurde.<br />
Für uns Heutige, die an kurze, vitamin scho -<br />
nende Garzeiten gewöhnt sind, ist es befremdlich<br />
zu hören, dass im 16.–17. Jahrhundert<br />
Fleisch häufig mehrfach gegart wurde! Das<br />
besonders beliebte Hühnerfleisch etwa wurde<br />
zunächst gekocht oder gebraten, sodann kräftig<br />
gewürzt, gewürfelt oder zu Mus gestampft. Die<br />
Masse wurde in Teigmäntel gehüllt und zu<br />
Pasteten („Hohlbraten“) oder Fleischbällen<br />
verarbeitet und anschließend erneut gebraten<br />
oder gegrillt. Zweifellos hatte diese Zubereitungsweise<br />
den Effekt, dass die Pasteten weniger<br />
schnell verderblich waren als kurzgebratene<br />
Fleischgerichte.<br />
Abb. 115<br />
Kleine, tongrundige<br />
Schale mit Querhenkel<br />
Abb. 116<br />
Innen glasierter<br />
Henkeltopf mit<br />
drei Grapenfüßen<br />
Abb. 117<br />
Salzglasierter<br />
Henkeltopf<br />
75<br />
5,30 cm<br />
5,30 cm<br />
5,40 cm
Krämerstraße<br />
Abb. 118<br />
Krebs, nach einem<br />
Kupferstich von 1682<br />
Abb. 119<br />
Entwurf eines auto ma -<br />
tischen Drehspießes.<br />
Nach einer Zeichnung<br />
von Leonardo Da Vinci<br />
Bratspieß & Grill<br />
Größere Bratenstücke, auch ganze Schweine<br />
und Schafe sowie die verschiedenen Geflügel,<br />
wurden am Spieß zubereitet. Hierzu konnte<br />
man sich schon im Mittelalter automatischer<br />
Drehspieße bedienen, die durch die heiße<br />
Abluft im Kaminschacht vermittels von Schaufel -<br />
rädern, Zahnrädern und Treibriemen in lang -<br />
same Rotation versetzt wurden. Solche ausgeklügelten<br />
Maschinerien sind zahlreich auf zeitgenössischen<br />
Küchendarstellungen abgebildet.<br />
Auch der geniale Ingenieur Leonardo da Vinci<br />
hatte sich Gedanken zu automatischen, federoder<br />
gewichtsbetriebenen Grillspießen gemacht.<br />
Die Drehspieße wurden dicht an das Herdfeuer<br />
oder die Holzkohle gerückt. Unter dem Spieß<br />
wurde ein „Fettnäpfchen“ aufgestellt, in dem<br />
sich Fett, Bratensaft und Marinade, mit dem<br />
der Braten von Zeit zu Zeit begossen wurde,<br />
sammeln konnte.<br />
Bei ebenerdigen Herdfeuern, wie sie noch im<br />
Mittelalter allgemein üblich waren, konnte es<br />
daher leicht passieren, dass man in das sprichwörtlich<br />
gewordene „Fettnäpfchen“ trat.<br />
Für kleinere Fische oder für die auch am<br />
Niederrhein so beliebten Bratwürste verwendete<br />
man verschieden große eiserne Grillroste, die<br />
man an einem Stielgriff auf die Glut setzen und<br />
ebenso leicht zur Seite ziehen konnte. Solche<br />
eisernen Roste haben sich seit keltisch-römischer<br />
Zeit bis zum heutigen Tag formal fast unver -<br />
ändert erhalten.
Abb. 120<br />
Austernschale.<br />
Grabungsfund<br />
Brunnen 1,<br />
Schicht 188<br />
Küchenrezepte & Diätetik<br />
Als Beispiele für die rheinische Küche des<br />
17.–18. Jahrhunderts können wir ein Rezept<br />
aus dem Kochbuch der Burg Namedy bei<br />
Andernach zitieren, die, um 1770 aufgezeichnet,<br />
altbewährte Rezepte wiedergibt (Abb. 122).<br />
Wüldentenpasteten<br />
Die Enten müßen sauber geropfft Kopff, Flügel<br />
und Füß abgeschnitten, dann gebäht (= abgebrüht)<br />
und gespickt und im Gewürtz (Salz, Pfeffer,<br />
Nelken) und in Essig so lang, als man wil 1 oder<br />
2 Tag eingebeizt. Auf den Boden des Taigs thut<br />
man Pfeffer, Negelen (= Nelken) Citronen und<br />
Capern, geröscht Brodt, Speck und gehackt auf die<br />
Enden wieder so, und wann es gebacken, Fleischbrühe<br />
darein gefüllt.<br />
Aus den jüngeren Einfüllschichten des Brunnens<br />
1 (Schichten 188, 161, 60 und 29) sind<br />
zwar keine Knochenreste erhalten, dagegen sind<br />
hier jeweils Schalen von Austern und Weinberg -<br />
schnecken geborgen worden, die belegen, dass<br />
man schon im 17. und 18. Jahrhundert diese<br />
kulinarischen Leckereien zu schätzen wusste.<br />
Wie auch heute, so war schon in der damaligen<br />
Zeit über Geschmack kaum zu streiten: es gab<br />
offensichtlich ausgesprochene Liebhaber dieser<br />
eher exotischen Genüsse, die gastronomisch<br />
konservativ eingestellten Zeitgenossen mögen –<br />
wie heute noch – solcherlei Spezialitäten reserviert<br />
gegenübergestanden haben.<br />
Zu den Weinbergschnecken bemerkt etwa<br />
Magister Elsholtz, ein namhafter Gelehrter, in<br />
seinem 1682 verfaßten „Diaeteticon“: „...in<br />
summa so wol die Schnecken als alle in diesem<br />
Capitel erzehlete Schalenfische (= Austern und<br />
Miesmuscheln)dienen zur Abwechslung und<br />
Wollust mehr, dan den Hunger damit zu stillen<br />
und können also zu solchem Brauch der<br />
Abwechslung wol beybehalten werden.“<br />
(Elsholtz S. 243)<br />
Auch die Zubereitung der Weinbergschnecke<br />
nach französischem Rezept schildert der<br />
Magister, kann sich jedoch eines einleitenden<br />
skeptischen Kommentars nicht enthalten:<br />
„... Ich vewundere mich, daß der Menschen<br />
Neulichkeit (= Neugier) sich so ferne strecket und<br />
solch einen verdorbenen Schmack zu suchen sich<br />
bemühet, umb nur seine Lust zu sättigen: da doch<br />
solche Schnecken,man mag sie zurichten wie man<br />
wil, von mir nicht können gerühmet werden.“<br />
(Elsholtz S. 409)<br />
Die geschilderte Rezeptur entspricht im Großen<br />
und Ganzen den heute noch üblichen Verfahren<br />
zur Zubereitung von Schnecken:<br />
Abb. 121<br />
Gehäuse einer<br />
Weinberg schnecke.<br />
Grabungsfund<br />
Brunnen 1, Schicht 161<br />
77
Krämerstraße<br />
Abb. 122<br />
Rezept<br />
aus dem Kochbuch<br />
der Burg Namedy,<br />
um 1770<br />
„ ... Wenn man sie zurichten wil ... legt man die<br />
Schnecken in Saltz und Weinessig; alsdan werfen<br />
sie allen ihren Unflath von sich: hierinnen weltzt<br />
und kehret man sie offtmals umb, damit die durch<br />
solche Sauerkeit von allen ihrem Schleim gereinigt<br />
werden: hernach siedet man sie in einer guten<br />
kurtzen Brüh (= Bouillon) und ziehet sie aus<br />
ihrem Gehäuse mit der Spitze einer Stecknadel oder<br />
anderen Pfriemes. Nach diesem wäscht man das<br />
Gehäuse wol und läßt die Schnecke mit einer<br />
Brühe von Baumöl (= Olivenöl) etwas Weinessig,<br />
Wein und Gewürtz gemacht wol sieden: steckt sie<br />
hernach wieder in ihre Gehäuse, alsdan richtet<br />
man sie an auf geschnitten Brod, welches zuvor<br />
mit etwas Brüh befeuchtet worden und giesset<br />
Öl darüber: dieses heißt man bey den Frantzosen<br />
Une potage d’Escurgots. Man legt sie auch ohne<br />
Brod in die Schüssel und gießt Öl darüber. So fricaßiert<br />
man sie auch wie die jungen Hüner, macht<br />
eine Brüh von in Himbeersafft zerriebenen Eyerdottern<br />
oder von Rohm (= Rahm) darüber und<br />
trägt sie sonder Gehäuse zu Tische. So mag man sie<br />
auch, wan sie aus dem Gehäuse gezogen, in Mehl<br />
oder Nonnenteig (= Backteig mit Frischkäse, Milch<br />
und Weißwein) umweltzen und in Butter prägeln<br />
(= ausbacken): hernah wie zu einem andern<br />
Geprägels eine Brüh von Pomerantzen (= Bitter -<br />
orangen) und gehackter Petersilge darüber<br />
machen“.<br />
(Johann Sigismund Elsholtz, Diaeteticon –<br />
Neues Tischbuch (Brandenburg 1682) )
Temperament Grundelement Saft Elementarqualität<br />
Melancholiker Erde schwarze Galle kalt & trocken<br />
(= altgriech. melancholè)<br />
Phlegmatiker Wasser Schleim kalt & feucht<br />
(= altgriech. phlegma)<br />
Sanguiniker Luft Blut warm & feucht<br />
(= lat. sanguis)<br />
Choleriker Feuer gelbe Galle warm & trocken<br />
(= altgriech. cholè)<br />
Die reservierte Haltung des Gelehrten Elsholtz<br />
gegenüber den Schalentieren war geprägt durch<br />
die medizinisch-diätetische Säftelehre, die in<br />
spätmittelalterlicher Tradition die verschiedens -<br />
ten Nahrungsmittel nach ihren spezifischen<br />
„Temperamenten“ und „Elementarqualitäten“<br />
einordnete. Die Ausgewogenheit der Diät, die<br />
durch einen komplizierten Ausgleich der<br />
verschiedenen Charakteristika erreicht werden<br />
konnte, war wichtige Grundlage der Medizin<br />
sowie der Beurteilung der Zusammenstellung<br />
von Arzneirezepturen und Küchenrezepten.<br />
Wurde etwa Fisch als „feucht und kalt“ charakterisiert,<br />
so konnten diese Eigenschaften durch<br />
die Zugabe von „warmen und trockenen“<br />
Stoffen – also etwa Pfeffergewürz oder Ingwerwurzel<br />
– kompensiert werden (Abb. 123).<br />
Auch die für unser heutiges Verständnis eigentümliche,<br />
häufig übertrieben anmutenden Würzquantitäten<br />
und Zusammenstellungen in zahlreichen<br />
spätmittelalterlich-frühneuzeitlichen<br />
Re zepturen haben – neben ihrer Funktion, die<br />
Speisen haltbar zu machen, oder einen etwaigen<br />
haut-goût zu übertönen – ihre eigentliche<br />
Be grün dung in dieser Säftelehre, die stets<br />
um Ausgleich zwischen den gegensätzlichen<br />
Grund qua li täten der verschiedenen Ingredienzen<br />
be müht war.<br />
Teure Gewürze und Arzneien wurden mit Feinwaagen<br />
portioniert und in Papiertütchen oder<br />
kleine Glasfläschchen abgefüllt. Der Fund eines<br />
kleinen Messinggewichtes aus Brunnen 1 des<br />
Hauses 19 belegt den Gebrauch einer solchen<br />
Feinwaage für das 18. Jahrhundert: es handelt<br />
sich bei dem Gewicht um ein so genanntes Sta -<br />
pel gewicht in Form eines zylindrischen Gefäßes<br />
mit Klappdeckel, der auf der Innenseite durch<br />
Abb. 123<br />
Schema der medizinischdiätetischen<br />
Säftelehre<br />
Abb. 124<br />
Stapelgewicht, Messing,<br />
18. Jahrhundert.<br />
Fundort:<br />
Krämerstraße 19,<br />
Brunnen 1<br />
79<br />
3,30 cm
Krämerstraße<br />
Abb. 125<br />
Arzneimittelfläschchen<br />
2,15 cm<br />
konzentrische Kreisgruppen verziert ist. In dem<br />
fest verschließbaren Stapelgewicht konnten die<br />
kleineren Feingewichte verwahrt werden – unser<br />
Gewicht konnte dann mit seinem Inhalt<br />
wiederum in das nächstgrößere Gewicht eingestapelt<br />
werden.<br />
Ebenso haben sich die Scherben von zahlreichen<br />
kleinen Arzneifläschchen (Abb. 125) nachweisen<br />
lassen. Bei einem grünen Glasfläschchen mit<br />
zylindrischem Körper und hochgestochenem<br />
Boden hat sich sogar noch der Verschluss korken<br />
erhalten!<br />
Eine wichtige Rolle für die Ernährung und die<br />
Gesundheit wurde der Qualität des Trink wassers<br />
zugemessen. Schon im Mittelalter war es<br />
eine Binsenweisheit, dass mangelnde Sauberkeit<br />
der Brunnen negative Auswirkungen auf die<br />
menschliche Gesundheit hatte – wenngleich die<br />
genauen hygienisch-medizinischen Zusammen -<br />
hänge noch weitgehend im Dunkel lagen.<br />
Schon der Magister Elsholtz widmet sich in<br />
seinem „Diaetetikon“ von 1682 sehr eingehend<br />
der „Krafft und Nutz des Wasser“.<br />
Zu Beginn des 18. Jahrhunderts bezieht der<br />
Düsseldorfer Hof sein Heilwasser aus der weithin<br />
berühm ten Grafenberger Mineralquelle.<br />
Neben den stark mineralien- und eisenhaltigen<br />
Heilwässern, die aus medizinisch-diätetischen<br />
Gründen getrunken wurden, wurde auch ein<br />
Teil des alltäglich benötigten Trinkwassers aus<br />
besonders geschätzten Quellen bezogen. Die für<br />
die Hofhaltung und Küche benötigte Wasser -<br />
menge wurde nach Bedarf mit hierfür bereit -<br />
gestellten kurfürstlichen Fuhrwerken transportiert.<br />
Bereits 1703 ordnete der Kurfürst Jan Wellem<br />
einen Aufsehen erregenden Transport von<br />
2000 Kannen des fürstlichen Quellwassers zur<br />
Bewirtung des spanischen Königs an.<br />
Aber auch in den bürgerlichen Haushalten<br />
werden ab dem 17.–18. Jahrhundert vermehrt<br />
Mineralwässer konsumiert, die als Brunnenabfüllungen<br />
in stabilen Steinzeugkrügen auf den<br />
Markt gelangen. Besonders die renommierten<br />
Mineralquellen der Eifel, des Rhein- und Lahntales<br />
finden weite Verbreitung: Wasser aus<br />
Selters wird in der Rheinregion namensgebend<br />
für kohlensäurehaltige Mineral wässer insgesamt.<br />
Aus der Zeit vor 1800 stammen Scherben von<br />
tönernen Mineralwasser krügen aus einem Brunnen<br />
des Hauses Nr.15. Nach den eingestem pel -<br />
ten Signets unterhalb des Halses handelte es sich<br />
um Wasser aus dem Apollinaris-Brunnen in<br />
Brohl am Rhein und aus der Abfüllung des
Abb. 126<br />
Selterswasserkrug<br />
mit Stempel,<br />
spätes 18. Jahrhundert<br />
3,50 cm<br />
Georg Kreuzberg in Ahrweiler. Eine Scherbe<br />
mit dem Stempel CT (= Churtrier) steht für<br />
eine Quelle aus der Vulkaneifel, darunter hat<br />
der Töpfer die Mineralwasserflasche mit den<br />
Buchstaben „HS“ gestempelt: ein Hinweis auf<br />
eine Krugtöpferei in Hillscheid/Wester wald.<br />
Aus dem Brunnen 1 des Hauses Nr. 19 liegen<br />
schließlich noch Fragmente eines Tonkruges mit<br />
aufgemaltem, blauem „P“ vor, die in die Zeit<br />
um 1700 zu datieren sind. Brunnen 2 erbrachte<br />
ein Stempelfragment in einem gemalten Kobalt -<br />
ring: die Umschrift um ein eingestempeltes<br />
Kreuz weist die Ton flasche als eine Abfüllung<br />
der Geilnauer Mineralquelle aus der Zeit nach<br />
1800 aus.<br />
Die Quelle gehört zu den Staatsbrunnen des<br />
Herzogtums Nassau, war jedoch aufgrund der<br />
ver gleichsweise geringen Verkaufsmengen eine<br />
wirtschaftlich eher unbedeutende Mineralquelle 35.<br />
81
Krämerstraße<br />
Abb. 127<br />
Drei Münzen aus dem<br />
Brunnen des Hauses<br />
Krämerstraße 15<br />
Der Alltag am Rhein:<br />
Das Haus Nr.15<br />
13<br />
Für das Haus Nr. 15 in der Krämerstraße ist<br />
der Name „Zum Elephanten“ überliefert. Der<br />
Besitzer war einst der reiche Schöffe Johannes<br />
Schepperus, dessen modisch-latinisierter Name<br />
ursprünglich nichts anderes bedeutete als<br />
„Schäfer“ und in dieser antikisierenden Form<br />
Reichtum und Bedeutung des Namensträgers<br />
unterstreichen sollte. Im Jahre 1663 war<br />
Johannes Schepperus sogar zum Bürgermeister<br />
der Stadt Düsseldorf gewählt worden; über seinen<br />
Beruf ist nichts weiter bekannt, vermutlich<br />
wird er sein beträchtliches Vermögen als Kaufmann<br />
erworben haben.<br />
15<br />
Zu den durch die archäologischen Grabungen<br />
freigelegten Baubefunden auf dem Grundstück<br />
Krämerstraße 15 gehört auch ein gemauerter<br />
Brunnen. Dieser der Frischwasserversorgung des<br />
Hauses „Zum Elephanten“ dienende Brunnen<br />
fiel im Verlaufe des 17. Jahrhunderts trocken –<br />
wie ja auch die Brunnen des Hauses 19 – , sodass<br />
sie in der Zeit nach 1690 als Abfallschächte verwendet<br />
werden konnten. Aus den verschiedenen<br />
Einfüllschichten stammen zahlreiche Fund -<br />
stücke, die uns etwas über das Alltagsleben der<br />
Hausbewohner, die Küchen- und Arbeitsgeräte,<br />
zum Teil auch über die Hauseinrichtung und<br />
den Wohnkomfort verraten können.<br />
17<br />
Abb. 128<br />
Die ergrabenen<br />
Grundmauern des<br />
Hauses Nr. 15 mit<br />
Brunnenanlage<br />
2,00 m
Westliche Krämerstraße<br />
„Feuersteine“<br />
Das zweifellos älteste Fundstück direkt von der<br />
Brunnensohle ist eine jungsteinzeitliche Feuersteinklinge<br />
(ca. 3. Jahrtausend v. Chr.), die schon<br />
im 17. Jahrhundert als verlagerter Einzelfund<br />
durch Zufall, vielleicht schon während der<br />
Anlage des Brunnenschachtes, hier eingetragen<br />
worden ist.<br />
Wesentlich jüngeren Datums, nämlich aus der<br />
Zeit um 1700, datiert ein anderer Feuerstein aus<br />
der darüber liegenden Einfüllschicht: hier handelt<br />
es sich um einen „Flintenstein“, ein rechteckig<br />
zugerichtetes Stückchen Feuerstein also,<br />
das zum Zündmechanismus einer Steinschlosspistole<br />
gehört hat.<br />
Der honigfarbene Stein wird wahrscheinlich aus<br />
der französischen Abbaustätte von Le Grand-<br />
Pressigny (Indre-et-Loire; Touraine) stammen –<br />
von hier werden schon in der Steinzeit Feuersteinklingen<br />
und Beile europaweit verhandelt,<br />
und noch in der Neuzeit bestanden hier florie-<br />
rende Manufakturen, die eine massen hafte Produktion<br />
von hochwertigen „Flintensteinen“ für<br />
die damals gebräuchlichen Steinschlossgewehre<br />
und -pistolen unterhielten. Auch in unserer<br />
Region finden sich Flintensteine buchstäblich<br />
auf jedem Acker und bei jeder archäologischen<br />
Grabung: Flintensteine waren billige Verbrauchsgüter,<br />
die wie unsere modernen Feuerzeugsteine<br />
schnell und häufig ersetzt wurden. Ein Soldat<br />
oder Jäger des 17.–18. Jahrhunderts führte stets<br />
mehrere Ersatzflintensteine mit sich – brach ein<br />
Feuerstein entzwei oder löste er sich aus der<br />
Metallzwinge des Zündhahns, wurde er schnell<br />
durch einen neuen Stein ersetzt.<br />
Auch unser Flintenstein zeigt an den Kanten<br />
die typischen Abnutzungsspuren, die durch<br />
das Aufschlagen auf die stählerne Zündplatte<br />
entstehen und die den Stein schließlich<br />
unbrauchbar gemacht haben. Er wurde durch<br />
den Besitzer der Schusswaffe ausgewechselt und<br />
in den Brunnen geworfen.<br />
Abb. 129<br />
Funktionsweise eines<br />
Flintensteins in einer<br />
Steinschlosspistole<br />
(nach W. Boeheim<br />
1890, Fig. 561)<br />
83
Krämerstraße<br />
Abb. 130<br />
Teebecher aus<br />
Delfter Fayence,<br />
18. Jahrhundert<br />
2,40 cm<br />
Tabak, Tee & Branntwein<br />
Zu den neuweltlichen Genussmitteln, wie etwa<br />
Tomate, Mais, Kartoffel und Kakao, die im Verlaufe<br />
des 16. und 17. Jahrhunderts zunehmend<br />
auch in Deutschland Liebhaber und Konsumenten<br />
finden, gehört auch die Tabakspflanze.<br />
Vornehmlich über holländische Händler erobert<br />
die Mode des „tabacktrinkens“, wie man das<br />
Rauchen im 16. und 17. Jahrhundert gemeinhin<br />
nannte, auch das Rheinland. Ein sehr<br />
bezeichnendes, amüsantes Zeitdokument ist das<br />
im 17. Jahrhundert erschienene Nürnberger<br />
Flugblatt mit dem Titel „Der Teutsche Taback-<br />
Trinker“, in dem es weiter heißt: „ ...Grund richtige<br />
Beschreibung von Ursprung und Erfindung des<br />
Edlen Wunder-Krauts Nicotinia, von den Physicis<br />
Sana Sancta, von den His paniern Tabaco, und von<br />
den Teutschen Taback benahmet: Samt desselben<br />
Lob und Nutzen / und wie es erstlich auss Florida<br />
in Portugall / von dannen ferner in Franckreich /<br />
Spanien / Holland / endlichen auch in Teutschland<br />
transferirt und gebracht worden / und daselbst<br />
hauffenweis gepflantzet und angebauet wird. ...“ 37<br />
Die eifrige Verwendung des Tabakkrauts zog<br />
zugleich auch das Auftreten von zahlreichen Gebrauchsgegenständen<br />
nach sich, die nicht selten<br />
auch in den archäologischen Kontexten nach-<br />
zuweisen sind: es sind dies Tabakstöpfe und<br />
Schnupftabaksdosen aus Porzellan, Glas oder<br />
Metall und vor allem die zahlreichen Bruchstücke<br />
von tönernen Tabakspfeifen, die in man -<br />
nig faltiger Form, verziert und un ver ziert, mit<br />
und ohne Herstellerstempel und Jahreszahl aufgefunden<br />
werden.<br />
Bruchstücke solcher Tabakspfeifen finden<br />
sich auch in dem Brunnen des Hauses „Zum<br />
Elephanten“. Es handelt sich um Pfeifen aus<br />
weißem Ton („Pfeifenton“), von denen eine<br />
einen Kopf mit Ständerstempel „ASV“ aufweist.<br />
Ein zweiter Pfeifenkopf trägt ein Wappen, das<br />
ein springendes Pferd auf einer Wiese in Rollrankenwerk<br />
zeigt. Unter dem Wappen liest man<br />
„WORTMANN“. Von der Umschrift über dem<br />
Pferdchen haben sich nur wenige Buchstaben<br />
erhalten, die sich aufgrund der bekannten<br />
Vergleichsfunde jedoch gut ergänzen und lesen<br />
lassen. Das Motto lautete ursprünglich wohl:<br />
„V(IVAT * DUX) * BR * ET(* LVN)“<br />
(„Es lebe der Herzog von Britannien und Lüneburg“),<br />
ein Hinweis auf die regionale Herkunft<br />
der Pfeife aus einer niedersächsischen Manufaktur,<br />
denn zwischen dem englischen Königshaus<br />
und dem Hause Hannover bestanden<br />
engste Familienbande. An welchem Ort Nieder -<br />
sachsens die Werkstatt des Pfeifenmachers<br />
Wortmann stand, ob etwa in Uslar, Holzminden<br />
oder Grenzhausen, lässt sich heute noch nicht<br />
mit Sicherheit bestimmen. Klar ist aber die<br />
enge Verwandtschaft mit den fast gleichartig<br />
verzierten Stücken aus der Produktion der<br />
Pfeifenmacher Remi in Grenzhausen sowie<br />
Erdmann und Herrmann in Holzminden.<br />
Zwei weitere fragmentarische Pfeifenköpfe aus<br />
Düsseldorf weisen eine plastische Verzierung<br />
mit zu Kreisen angeordneten kleinen Buckeln,<br />
so genannten „Rosetten“, auf. Man kennt gleich -<br />
artige Tonpfeifen aus niederländischen Fund -<br />
zusammenhängen des ausgehenden 17. Jahrhunderts<br />
38.<br />
Abb. 131<br />
Wortmann-Pfeife<br />
1,60 cm<br />
Abb. 132<br />
Niederländische<br />
Tabakbanderole aus<br />
dem 18. Jahrhundert
Auch der Pfeifenstiel und der Bereich des Mundstückes<br />
trägt häufig eine einfache Ver zierung,<br />
seien es einfache Punktreihen, leichte Wulstungen<br />
oder spiralig angebrachte Riefen und Rippen.<br />
Ein Mundstückfragment weist ein facettiertes,<br />
kantig beschnittenes Ende auf. Solche Pfeifen<br />
lassen sich durch Vergleichsfunde zwanglos in<br />
die Zeit um 1710 bis 1750 datieren.<br />
In dieser Zeit gehörte das Rauchen auch in den<br />
besseren Kreisen längst zum guten Ton – man<br />
erinnere sich an das berühmte „Tabak-Kolleg“<br />
des Preußenkönigs Friedrich Wilhelm I., und<br />
natürlich wusste man auch im Hause des Schöf -<br />
fen und Bürgermeisters Johannes Schepperus in<br />
der Krämergasse 19 das Schmauchen der Tabaks -<br />
pfeife in gemütlicher Runde zu schätzen. Aus<br />
dem Brunnen 2 (Schicht 910) liegt ein gut erhaltener<br />
Pfeifenkopf aus weißem Ton vor, der<br />
als Fersenstempel eine gekrönte „46“ und eine<br />
Fersenseitenmarke trägt, die die Tonpfeife in<br />
die Jahre zwischen 1775–1815 datiert. Weitere<br />
Stielfragmente von Tonpfeifen aus diesem Fund -<br />
komplex tragen die Aufschrift „WKGH“ (um<br />
1745), „Johannes. Keis.EA“ und gekröntem „W“<br />
als Fersenmarke (um 1745). Ein Bruchstück<br />
trägt die Umschrift „(EX) GOUDA“ – ein<br />
Hinweis auf die holländische Herkunft der<br />
Tonpfeife.<br />
Abb. 133<br />
„Der Teutsche<br />
Taback-Trinker“.<br />
Flugblatt aus dem<br />
17. Jahrhundert<br />
85
Krämerstraße<br />
Abb. 134<br />
Pfeifenfragmente aus<br />
Schicht 333, Haus 15<br />
2,15 cm<br />
Es war durchaus üblich, für Gäste stets einige<br />
neue Tonpfeifen bereitzuhalten, denn die leicht<br />
zerbrechlichen Stücke konnten nicht immer<br />
mitgeführt werden.<br />
Wohlhabende Gastgeber boten gewiss Pfeifen<br />
besserer Ausführung an: dies waren etwa<br />
Tabakspfeifen mit besonders langem Stiel, so<br />
genannte „holländische“ Pfeifen, oder solche,<br />
deren Mundstück glasiert, beziehungsweise mit<br />
Wachs und Pergamentleim behandelt waren –<br />
dies verhinderte das unangenehme Kleben der<br />
Lippen an dem porösen Tonmundstück.<br />
Fast jede deutsche Landschaft hatte ihre eigene<br />
regionale Tonpfeifenproduktion, zudem wurden<br />
die Märkte mit großen Mengen von niederländischen<br />
Pfeifen beliefert, sodass einfache Pfeifen<br />
nach heutigem Maßstab Pfennigsartikel waren.<br />
Sie wurden zu Hunderttausenden herge stellt<br />
und in Gebinden von 12 Dutzend Stück in<br />
Körben, Kästen und sogar Fässern verpackt verhandelt.<br />
Gewiss waren die aufwändiger verzierten Pfeifen,<br />
wie etwa die oben beschriebene „Rosspfeife“,<br />
deutlich teurer als die einfachen, kurzen Ausführungen<br />
und wurden daher von der betuchteren<br />
Kundschaft bevorzugt. Erst mit dem 19.<br />
Jahrhundert wurden die beliebten Tonpfeifen<br />
zunehmend von den haltbareren, aber wesentlich<br />
teureren Porzellan-, Meerschaum- oder<br />
1<br />
Holzpfeifen verdrängt. Heute kennen wir Tonpfeifen<br />
eigentlich nur noch als Verzierungen an<br />
den traditionellen „Weckmännern“, die den<br />
Kindern am Nikolausfest geschenkt werden.<br />
Im „Haus zum Elefanten“ schmauchte man<br />
im späten 17. und 18. Jahrhundert den Tabak<br />
jedoch noch in langstieligen, schönen Tonpfeifen,<br />
und zum Rauchgenuss ließ man sich, wie<br />
die mitgefundenen Flaschenscherben verraten,<br />
ein gutes Gläschen Portwein schmecken, der<br />
ebenso wie der Tabak vermutlich über holländische<br />
Zwischenhändler seinen Weg nach<br />
Düsseldorf gefunden hat.<br />
6<br />
8 7 4<br />
2<br />
Abb. 135<br />
Aufbau einer Tonpfeife:<br />
1 Kopf<br />
2 Hals<br />
3 Stiel<br />
4 Ferse<br />
5 Mundstück<br />
6 Innenmarke<br />
7 Fersenmarke<br />
8 Fersenseitenmarke
Abb. 136<br />
Tonpfeifenfragment<br />
mit Werkstattmarke<br />
aus dem ehemaligen<br />
Neickmannshof in<br />
Mülheim an der Ruhr,<br />
18. Jahrhundert<br />
2,15 cm<br />
3<br />
Es überrascht nicht, wenn man in derselben<br />
Fundschicht auch zahlreiche Scherben von gut<br />
gearbeiteten, recht wertvollen Trink gläsern antraf,<br />
lieferte doch auch der Brunnen aus Haus 19<br />
schöne Beispiele von kostbaren Gläsern der<br />
Barockzeit. Einige der Gläser aus Haus 15 dürften<br />
sehr lange in Fami lienbesitz gewesen sein,<br />
denn sie gehören formen mäßig noch dem späten<br />
17. Jahrhundert an.<br />
Aus den stark zerscherbten Resten lassen sich<br />
etwa formgeblasene Becher mit floralem Dekor,<br />
niederländische Kelchgläser mit eingegossenen<br />
Spiralzierfäden und das Kuppafragment eines<br />
Glaspokals mit Rippendekor identifizieren.<br />
5<br />
Abb. 137<br />
Fragmente von verzierten<br />
Pfeifen stielen aus<br />
der Rheinufergrabung<br />
87<br />
2,00 cm
Krämerstraße<br />
Abb. 138<br />
Flaschenfragmente des<br />
17. und 18. Jahrhunderts<br />
aus der Krämerstraße<br />
4,00 cm<br />
Zusammen mit den Pfeifenfragmenten fand sich<br />
im Brunnen 1 des Hauses 15 (Abb. 150) auch<br />
eine bauchige Flasche aus hellem, mit feinen<br />
senkrechten Rippen verziertem Glas. Sie dürfte<br />
zum Ausschank von Wein oder Brandy gedient<br />
haben. Mit ihrem runden ausladenden Bauch,<br />
dem breiten sicheren Stand und dem geraden<br />
Hals errinnert die Flasche an die niederländischen<br />
„Katteköp“ (= „Katzenköpfe“) aus dunkel<br />
blau-grünem Glas, die als Wein- oder<br />
Branntweinflaschen verwendet worden sind.<br />
Der breite Standboden dieser Flaschen war<br />
wichtig, da<br />
diese häufig an Bord von Seeschiffen verwendet<br />
wurden und bei hohem Wellengang eine gute<br />
Standsicherheit bewiesen. Tatsächlich sind solche<br />
Flaschen in einiger Zahl aus Schiffswracks<br />
des 17. Jahrhunderts gehoben worden.<br />
Scherben von hochhalsigen Weinflaschen aus<br />
dunkelgrünem bis manchmal dunkelblauem<br />
Glas finden sich in den Düsseldorfer Ausgrabungen<br />
allenthalben. Die mundgeblasenen<br />
Flaschen des 17.–19. Jahrhunderts besitzen einen<br />
mehr oder weniger hoch aufgestochenen Boden<br />
(„Schläfer“) und weisen zumeist unterhalb des<br />
Randes einen umgelegten Glasfaden oder ein
aufgelegtes Zackenband auf. Hier konnte der<br />
Korken mit einer Schnur befestigt werden, die<br />
zusätzlich durch Siegellack gesichert wurde.<br />
Solche Flaschen besitzen im Unterschied zu den<br />
kugelbauchigen Kattekop-Flaschen einen eher<br />
zylindrischen oder hochbauchigen Behälter.<br />
Der Inhalt dieser Flaschen waren alkoholische<br />
Getränke, importierter Wein – häufig Portwein,<br />
oder auch Westindischer Rum sowie Brandy<br />
und Arrak aus den niederländischen Kolonien<br />
und Handelsniederlassungen in Südostasien,<br />
der in großen Mengen über den Rhein transpor -<br />
tiert, am Düsseldorfer Hafen umgeschlagen und<br />
schließlich auf die Märkte der Stadt gebracht<br />
wurde. Mehrere große Flaschen des 18.–19.<br />
Jahrhunderts geben sich durch eine Medaillonprägung<br />
unterhalb des Halses und Reste des Kor -<br />
kenbügels aus Blei als Behälter des geschätz ten<br />
und starken Kloster-Kräuterlikörs „Benedictine“<br />
zu erkennen!<br />
An nichtalkoholischen Warmgetränken waren<br />
Kaffee, Kakao und Tee beliebt. Ein schöner<br />
Beleg für den Teegenuss lieferte erneut der<br />
Brunnenschacht von Haus 15: hier fand sich ein<br />
kleiner, nur 5 cm hohe Teebecher aus Delfter<br />
Fayence (Abb. 130), der in chinesischer Manier<br />
mit einem feinen blauen Blumendekor bemalt ist.<br />
89
Krämerstraße<br />
Der „kleine Schatz“<br />
Abschließend wollen wir noch auf einen inte -<br />
ressanten Fundkomplex zu sprechen kommen,<br />
der uns einen Einblick in das Rechenwesen<br />
vergangener Jahrhunderte bietet.<br />
Aus Schicht 426 des Brunnens stammen eine<br />
Handvoll Münzen, die vielleicht zum Inhalt<br />
einer Börse gehört haben (Abb. 127).<br />
Der kurante Wert der Münzen war nicht hoch<br />
– es handelt sich um Kleingeld, unter anderem<br />
2 Stüber (Kleve 1756), ein unbestimmbarer<br />
Silber hohlpfennig und eine Medaille (Umschrift:<br />
„FRANGIT ET ATOLLIT / CEPHALVS<br />
PROGRIS BR“ )– zudem fanden sich mehrere<br />
bronzene Rechenpfennige, die keinen Münzwert<br />
besaßen und in der Zeit von 1720–1770,<br />
in die sich die Fundschicht datieren lässt, bereits<br />
ganz außer Mode gekommen waren. Es mag<br />
sich vielleicht also um die verlorene Börse eines<br />
Kindes gehandelt haben, in der sich „Spielgeld“<br />
und eben einige kleine Münzen befunden haben.<br />
Dennoch lohnt ein genauerer Blick auf die hier<br />
gefundenen „Rechenmünzen“ aus Bronzeblech<br />
– erinnern sie doch an eine heute fast vergessene,<br />
im Mittelalter jedoch alltäglich geübte Rechentechnik,<br />
lange bevor das schriftliche Rechnen<br />
mit arabischen Zahlen sich im 18. Jahrhundert<br />
endgültig durchsetzte!<br />
Für das kaufmännische oder auch alltägliche<br />
Rechnen „auf der Linie“ benötigte man einen<br />
Rechentisch mit eingeritzten Linien, ein transportables<br />
Rechenbrett oder aber ein Rechentuch,<br />
das man leicht überallhin mit sich führen<br />
konnte. Auf einer solchen Rechenunterlage waren<br />
senkrechte und waagerechte Linien aufgezeichnet,<br />
auf denen die Rechenmünzen ausgelegt<br />
wurden. Je nach der Zahl, die man darzustellen<br />
wünschte, legte man die Münzen auf die Tausender-,<br />
Fünfhunderter-, Hunderter-, Fünfziger-,<br />
Zehner-, Fünfer- oder Einerlinie (Abb. 140).<br />
Hatte man die zu addierenden Zahlen nun auf<br />
den Linien des Rechentuches ausgelegt, so<br />
konnte man, ähnlich wie bei dem heute noch<br />
bekannten „Abakus“-System, das Additionsergebnis<br />
in aller Ruhe auszählen.<br />
Da exaktes Rechnen für Kaufleute, Händler<br />
und Verwaltungsbeamte lebenswichtig war, gab<br />
Abb. 139<br />
Titelblatt der<br />
Rechenfibel von 1525
1 253 + 1 063 = 2 316<br />
es eine große Anzahl von Rechenmeistern, die<br />
unterrichteten, ihre eigenen Rechenfibeln und<br />
Rechenmünzen vermarkteten. Einer der berühmtesten<br />
Rechenmeister war der noch heute sprichwörtliche<br />
Adam Riese, der im Jahre 1525 ein<br />
Büchlein mit Anweisungen für die „Rechnung<br />
auff der Linihen“ herausgab (Abb. 139).<br />
Aus der Schicht 426 stammen zwei kupferne<br />
Rechenpfennige des Johann Heinrich Metzger<br />
(1689) sowie ein blechförmiger Bronzepfennig<br />
Tausender<br />
Fünfhunderter<br />
Hunderter<br />
Fünfziger<br />
Zehner<br />
Fünfer<br />
Einer<br />
des Nürnberger Rechenmeisters Michael Leykauf,<br />
der in der Zeit von 1724 bis 1768 wirkte.<br />
Gewiss war das Linienrechnen, wie oben bereits<br />
gesagt, im 18. Jahrhundert schon weitgehend in<br />
Vergessenheit geraten. Offensichtlich wurden<br />
die alten Rechenmünzen jedoch noch sehr lange<br />
aufbewahrt und sind nach unserer Vermutung<br />
schließlich noch als Spielgeld genutzt worden.<br />
Abb. 140<br />
Rechenschema:<br />
Addition „auf der Linie“<br />
91