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Rheinzeiten - Doppel.Design

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Landeshauptstadt<br />

Düsseldorf<br />

Die Geschichte der rheinseitigen<br />

Stadt front nach den Befunden<br />

der archäologischen Forschung.<br />

Düsseldorfer<br />

Mit Beiträgen zum Alltagsleben in<br />

am<br />

den Stadtquartieren der Kaufleute,<br />

Hand werker und Tagelöhner.<br />

Entdeckungen Archäologische Oesterwind Bernd Lommerzheim Ralf<br />

ISBN 3–00–013858–7 <strong>Rheinzeiten</strong> Rheinufer<br />

<strong>Rheinzeiten</strong><br />

Archäologische Entdeckungen am Düsseldorfer Rheinufer<br />

Ralf Lommerzheim<br />

Bernd Oesterwind


Krämerstraße<br />

Abb. 41<br />

Gewölbekeller<br />

Krämerstraße 19.<br />

Grabungsfoto.<br />

Gefäße<br />

aus den Brunnen in<br />

der Krämerstraße 19:<br />

Abb. 42<br />

Bemalte Irdenware<br />

vom Niederrhein,<br />

18. Jahrhundert<br />

Abb. 43<br />

Fragmente von<br />

Trinkgläsern,<br />

16. Jahrhundert<br />

Abb. 44<br />

Dreibeingefäß aus<br />

Frechener Produktion,<br />

18. Jahrhundert<br />

1632 Krämerstraße


Westliche Krämerstraße<br />

Abb. 45<br />

Krämerstraße.<br />

Übersichtsplan<br />

mit den ergrabenen<br />

Fundamenten, Keller -<br />

anlagen und Brunnen<br />

(dunkel angelegt)<br />

31<br />

5,40 m<br />

N


Krämerstraße<br />

Abb. 46<br />

Trinkgefäß aus<br />

Siegburger Steinzeug,<br />

um 1580<br />

Abb. 47<br />

Große Henkelschüssel<br />

mit leuchtend grüner<br />

Innenglasur und<br />

Kammstrichdekor.<br />

Weißtonige Ware<br />

Frechener Art,<br />

16. Jahrhundert<br />

Aus der Stadtchronik<br />

Nach den Ergebnissen der urkundlichen Quel lenforschung<br />

besaß das 1288 zur Stadt erhobene<br />

Dorf an der Düsselmündung in jenen Tagen nur<br />

„zwei Straßen, die diesen Namen verdienen“ 25.<br />

Neben der zuvor erwähnten „Altestadt“ ist eine<br />

parallel zum Rhein verlaufende Wegeführung<br />

bekannt geworden, die in der Gründ ungszeit die<br />

Bezeichnung „am Ufer“ führte. Es steht zu<br />

ver mu ten, dass die Umbenennung in „Krämerstraße“<br />

erst einige Generationen später erfolgte.<br />

Diese Namensänderung stand höchstwahr -<br />

schein lich in Zusammenhang mit der hier wohl<br />

um 1400 einsetzenden Ansiedlung von Kaufleuten<br />

und Kleinhändlern.<br />

Nähere Angaben zu Art und Umfang der<br />

hochmittelalterlichen Wohnbebauung sind der<br />

schriftlichen Überlieferung jedoch nicht zu<br />

entnehmen.<br />

In der frühen Neuzeit lehnten sich einige Baukörper<br />

der westlichen Häuserzeile an die rheinseitig<br />

umlaufende Stadtmauer an. Nahe der<br />

Altestadt ist die langgestreckte, eingeschossige<br />

Fleischhalle zu lokalisieren, die 1697 als Verkaufsplatz<br />

für die Metzger gebaut worden war.<br />

Verbunden war sie mit der Schlachthalle,<br />

welche mit dem nebenan liegenden Wohnhaus<br />

einen gemeinsamen mächtigen Unterbau von<br />

Basaltblöcken hatte, bei dem es sich um die<br />

Abb. 48<br />

Krämerstraße.<br />

Die zum Abriss freige -<br />

gebenen Gebäude (rote<br />

Markierung) nach einem<br />

Katasterplan des späten<br />

19. Jahrhunderts


Reste der 1636 errichteten Bastion handeln<br />

dürfte. Das Wohn haus gehörte dem Kammerportier<br />

der Kurfürstin Anna Maria Luisa,<br />

Sebastian Lucas Fröschel und seiner Frau Maria<br />

Sibilla Haas, welche es 1699 für ein Darlehen<br />

verpfändeten 26.<br />

Im nordwestlichen Winkel öffnete ein kleines<br />

Stadttor – die Lindentrappenpforte – den Weg<br />

auf das tiefer gelegene Werft, wo sich wahrscheinlich<br />

eine Schiffsanlegestelle befand. Den<br />

nördlichen Abschluss bildete der alte Zollturm,<br />

der zuletzt als Pulverturm diente. Am 10. August<br />

1634 wurde das darin gelagerte Pulver durch<br />

einen Blitzschlag entzündet. Die gewaltige<br />

Explosion verursachte auch an den Häusern der<br />

Krämerstraße erhebliche Schäden.<br />

Aus dieser Zeit stammen die ersten konkreten<br />

Angaben zu den Bewohnern des Straßenzuges.<br />

Danach gehörte die Krämerstraße aufgrund ihrer<br />

unmittelbaren Nähe zum Schloß im 17. und<br />

18. Jahrhundert zu den bevorzugten Wohnbezirken<br />

der Stadt. Immerhin hatte hier schon<br />

Herzog Johann III. im Jahr 1537 ein Gebäude<br />

(„neben dem Heiligenhäuschen“) erworben.<br />

In seiner Schrift „Historische Wanderungen<br />

durch die alte Stadt Düsseldorf“ hat H. Ferber<br />

eine Zusammenstellung der hier nachgewie -<br />

senen wohl habenden Bürger, Hofbeamten und<br />

Ade ligen gegeben. Demnach lebten in der<br />

Krämerstraße unter anderem Hof medicus<br />

Rubens (1708, Haus Nr. 1), Magister Hartung<br />

(1632, Haus Nr. 7), Ratsmitglied und Schöffe<br />

Westliche Krämerstraße<br />

Herding (1632, Haus Nr. 13), Bürger meister<br />

Schepperus (1632/1633, Haus Nr.15), der reiche<br />

Gerichtsschreiber Neuenhausen (1632, Haus<br />

Nr. 17), Schultheiß Caspars (1632, Haus Nr. 19),<br />

Amtsverwalter Windeck (1738, Haus Nr. 16)<br />

so wie der in seiner Zeit berühmte Maler J. F.<br />

Douven (1713, Haus Nr. 2), der als Por traitist<br />

höchster Adelskreise im An sehen stand. Die<br />

zuvor verwendeten Hausnummern stammen<br />

aus dem 19. Jahr hundert. Bis dahin trugen die<br />

Gebäude Eigen namen wie etwa „In den sieben<br />

Sternen“ (Nr. 11) oder waren durch den Namen<br />

des Besitzers („von Hochsted’sches Haus“,<br />

Nr. 18) gekennzeichnet.<br />

Mit der Beschießung der Stadt am 7. Oktober<br />

1794 durch französische Revolutionstruppen<br />

beginnt das letzte Kapitel in der Geschichte der<br />

Krämerstraße. In den oftmals nur provisorisch<br />

wiederhergestellten Häusern wohnen nun überwiegend<br />

Handwerker wie der Anstreicher Drach<br />

oder der Schneider Giesen. 1803 wird die<br />

Düsseldorfer Arbeitsanstalt, in der mittellose<br />

Erwachsene und Kinder mit handwerklichen<br />

Tätigkeiten beschäftigt werden, in das Haus<br />

Nr. 19 verlegt. Das stattliche Gebäude muss<br />

nach wechselvoller Nutzung zusammen mit den<br />

übrigen rheinwärts gelegenen Häusern in den<br />

Jahren 1899 – 1902 dem Ausbau des neuen<br />

Werfts weichen. Mit dem Abriss der östlichen<br />

Häuserzeile (1968) gerät eine der ältesten Straßen<br />

unserer Stadt in Vergessenheit.<br />

33


Krämerstraße<br />

Brunnenfunde aus der<br />

Krämerstraße 19:<br />

Abb. 49<br />

Pfannkuchenteller,<br />

bemalte Irdenware,<br />

18. Jahrhundert<br />

Abb. 50<br />

Drei herzförmige<br />

Saucieren und ein<br />

kleiner Teller aus<br />

niederländischer<br />

Produktion. Fayence,<br />

18. Jahrhundert<br />

Abb. 51<br />

Drei blaue bemalte<br />

Gefäße aus Wester -<br />

wälder Steinzeug,<br />

17./18. Jahrhundert<br />

Der Alltag am Rhein:<br />

Grabungsbefunde<br />

9<br />

Aus der zuvor geschilderten Quellenlage ergab<br />

sich die Notwendigkeit, den durch den Rheinufertunnel<br />

beanspruchten historischen Untergrund<br />

im Abschnitt zwischen Altestadt und<br />

Burgplatz mit besonderer Intensität archäologisch<br />

zu untersuchen.<br />

Dabei waren einerseits grundlegende Fragen zur<br />

Entwicklung und Topographie unseres ältesten<br />

Stadtviertels zu klären. Zum anderen galt es,<br />

die privaten Lebensverhältnisse der – teilweise<br />

na ment lich überlieferten – Bewohnerinnen und<br />

Be wohner zu beleuchten. Eine ganz außer ge -<br />

wöhn liche Fülle an aufgefundenen Gebrauchsge<br />

genständen bewegte die Autoren dazu, diese<br />

Zeugnisse des „Alltagslebens in der Krämerstraße“<br />

in den Mittelpunkt des folgenden Kapitels zu<br />

stellen.<br />

Beginnen wir unseren Bericht mit einer Übersicht<br />

über das Grabungsgelände und die hier<br />

aufgedeckten Siedlungsbefunde (Abb. 52):<br />

Der auf einer Länge von etwa 120 Metern<br />

untersuchte Bereich umfasst die Südwestseite<br />

11<br />

13<br />

der Krämerstraße mit den Häusern Nr. 9, 11,<br />

13, 15, 17 und 19. Die gleichfalls durch die<br />

Tunnelstraße tangierten Häuser Nr. 5 und 7<br />

waren bereits in alter Zeit weitgehend zerstört<br />

worden.<br />

Die Ansprache der Bauparzellen beruht auf<br />

einer neuzeitlichen Grundstückseinteilung, die<br />

aus Katasterplänen des 18. und 19. Jahrhunderts<br />

übernommen wurde.<br />

Bereits bei Voruntersuchungen konnte ein<br />

nahezu kontinuierlicher Anstieg des anstehenden<br />

Kiesbodens von Norden nach Süden beo b achtet<br />

werden. Danach lag das Straßenniveau in Höhe<br />

des Gebäudes Nr. 19 ursprünglich knapp 2,50 m<br />

über dem Fußpunkt auf der ehemaligen Parzelle<br />

Krämerstraße Nr. 5.<br />

Der Grabungsplan läßt sowohl Einzelbefunde<br />

als auch vielgestaltige Baustrukturen erkennen,<br />

deren funktionale Deutung und zeitliche Zuord -<br />

nung durch die oftmals fragmentarische Überlieferung<br />

erschwert wird. Diese Fest stellung trifft<br />

insbesondere auf die älteste Siedlungsphase zu.<br />

15<br />

17<br />

Abb. 52<br />

Westliche Krämerstraße.<br />

Übersichtsplan mit<br />

den ergrabenen Grund -<br />

mauern der Häuser 9–19<br />

3,50 m<br />

N


19<br />

B<br />

A<br />

Westliche Krämerstraße<br />

Nach den aufgefundenen Keramikresten setzte<br />

die Bau tätigkeit im fortgeschrittenen 14. Jahr -<br />

hundert auf der Parzelle Krämerstraße 17 ein.<br />

Die hier ergrabenen Baustrukturen belegen die<br />

Existenz eines einfachen Holzhauses, dessen<br />

Pfosten noch in den Boden eingegraben worden<br />

sind. Um 1400 ersetzte man diese wenig dauer -<br />

hafte Konstruktion durch ein Fachwerkgebäude,<br />

dessen Schwellbalken auf einem Fundament -<br />

sockel aus Bruchstein ruhten. Als zugehörig erwies<br />

sich ein aus Ziegeln gemauerter Brunnen im<br />

östlichen Teil des Grundstücks, der später in einen<br />

Abfallschacht umgewandelt wurde (Abb. 53).<br />

Trotz intensiver Nachforschung ergaben sich<br />

keine weiteren Hinweise auf eine Wohnbebauung<br />

der Krämerstraße im frühen 15. Jahrhundert.<br />

Aus dieser Siedlungsphase blieben lediglich die<br />

auf den angrenzenden Parzellen (Nr. 15/19) vorgefundenen<br />

Brunnenanlagen erhalten.<br />

Archäologisch gut dokumentiert ist hingegen<br />

eine intensive Bautätigkeit in der ersten Hälfte<br />

des 16. Jahrhunderts. Innerhalb weniger Jahrzehnte<br />

entstanden die mit Ziegeln aufgemauerten<br />

Keller der Häuser Krämerstraße Nr. 13, 15, 17<br />

und 19. Da die sparsamen Bauherren bei der Her -<br />

stellung der Kellerfußböden oftmals auch Fehlbrände<br />

und Altmaterial in Zweitverwendung benutzten,<br />

bot sich den Ausgräbern ein farbenfrohes<br />

Abb. 53<br />

Krämerstraße 17.<br />

Grabungsbefunde<br />

des 14. Jahrhunderts<br />

35<br />

4,10 m<br />

N


Krämerstraße<br />

Abb. 54<br />

Krämerstraße 13.<br />

Grabungsplan<br />

vom Fußboden<br />

der Kelleranlage<br />

62,00 cm<br />

N<br />

Bild (Abb. 54). Als interessante Ausstattungsdetails<br />

sind neben einzelnen Sicker gruben die gemauerten,<br />

überwiegend quadratischen Ein -<br />

tiefungen zu erwähnen, die wohl zur kühlen<br />

Lagerung verderblicher Lebensmittel bestimmt<br />

waren.<br />

Aufgrund der schlechten Befundlage konnte<br />

nicht eindeutig geklärt werden, ob die Wände der<br />

– mehrheitlich etwa 20 qm großen – Kellerräume<br />

ein Gewölbe oder eine Holzbalkendecke getragen<br />

haben. Teile des Tonnengewölbes blieben lediglich<br />

bei dem ungewöhnlich stark eingetieften<br />

<strong>Doppel</strong>keller auf der Parzelle Krämerstraße<br />

Nr. 19 erhalten.<br />

Spätestens in den Jahren um 1550 verfügten<br />

alle zuvor genannten Häuser über einen eigenen<br />

Brunnen. Die stets in Ziegelbauweise erstellten<br />

Brunnenschächte reichten bei einer lichten<br />

Weite von 0,80–1,50m noch etwa 5–7m in<br />

den anstehenden Boden hinab. Vielleicht ist in<br />

dieser eher geringen Bautiefe auch ein Grund für<br />

die allgemein kurze Nutzungsdauer zu sehen:<br />

Bei kontinuierlich sinkendem Grundwasserspiegel<br />

konnten die Anlagen kein ge nießbares<br />

Wasser mehr liefern und wurden in Entsorgungsschächte<br />

umgewandelt. Die anschließende<br />

Verfüllung der Brunnenröhren mit Bauschutt,<br />

Küchenabfällen und zerbrochenem Hausrat zog<br />

sich in Einzelfällen (Krämerstraße Nr. 19) über<br />

mehrere Jahrhunderte hin.<br />

Nach den Ergebnissen der bauhistorischen Auswertung<br />

dürften die kleinteilig überlieferten<br />

Fundamentreste der Häuser Krämerstraße Nr. 9<br />

und 11 frühestens in der zweiten Hälfte des<br />

16. Jahrhunderts entstanden sein. Die für eine<br />

nähere Datierung erforderlichen Fundobjekte<br />

fehlen hier gänzlich, sodass auch der weitere<br />

Besiedlungsablauf ungeklärt bleiben muss.<br />

Konkrete Informationen liegen hingegen für die<br />

höher gelegenen Parzellen Krämerstraße Nr. 15,<br />

17 und 19 vor. So zeigte das Anwesen des<br />

Gerichtsschreibers Neuenhausen (Nr. 17) eine


Trennung in ein stattliches Vorderhaus und ein<br />

kleines, unterkellertes Hinterhaus (Abb. 55).<br />

Dieses nahm nur etwa die halbe Grundstücksbreite<br />

ein, sodass noch Platz für eine kleine<br />

Hoffläche blieb. Die Verbindung zwischen<br />

beiden Baukörpern erfolgte über eine Treppe<br />

aus Backstein. Trotz einiger Umbauten in<br />

napoleonischer Zeit blieb dieser, im späten<br />

16. Jahrhundert geschaffene Zustand gut<br />

er kennbar.<br />

Der auf den schmalen Grundstücken Krämerstraße<br />

Nr. 13 und 15 angetroffene Gebäudekomplex<br />

setzte sich aus verschiedenen Bau -<br />

abschnitten, Neubauten und Erweiterungen des<br />

frühen 16.–18. Jahrhunderts zusammen. Von<br />

den jüngeren Erweiterungen fast vollständig<br />

überbaut war der gemeinsame Kernbereich im<br />

Osten beider Parzellen, auf dem um 1500 ein<br />

langrechteckiges Ziegelbauwerk errichtet wurde.<br />

Als zugehörig erwies sich der südwestlich<br />

angrenzende Brunnen, dessen Verfüllung<br />

zahl reiche interessante Funde enthielt. Etwa<br />

50– 60 Jahre später legte man das vorgenannte<br />

Haus nieder und teilte das Areal in zwei<br />

Bauplätze gleicher Größe auf.<br />

Wegen der zahlreichen, zeitlich schlecht<br />

be stimm baren Ausbauphasen lässt sich die<br />

weitere Baugeschichte nur noch unvollständig<br />

erschließen. Immerhin deuten die erhaltenen<br />

Fundament reste darauf hin, dass spätes -<br />

tens um 1580 auf beiden Parzellen jeweils ein<br />

unter kellertes Vorderhaus gestanden hat. Dabei<br />

Abb. 55<br />

Krämerstraße 17.<br />

Grabungsbefunde<br />

des 16. Jahrhunderts<br />

37<br />

2,60 m<br />

N


Krämerstraße<br />

Abb. 56<br />

Krämerstraße 15.<br />

Grabungszeichnung<br />

der Brunnenanlage<br />

75,70 cm<br />

Aufsicht<br />

N<br />

wurde der alte Ziegelbrunnen (Abb. 56) in den<br />

Baubestand des Hauses Krämerstraße Nr. 15<br />

integriert. Dieses giebelständig auf die Krämerstraße<br />

ausgerichtete Gebäude besaß im 17. Jahrhundert<br />

einen kleinen Kamin in der nördlichen<br />

Traufwand. Archäologisch nachgewiesen ist auch<br />

ein etwa 2 Meter breiter Eingangsbereich in der<br />

Mitte der östlichen Stirnseite, der in den Jahren<br />

nach 1794 verlegt wurde.<br />

Betrachten wir nun abschließend die auf dem<br />

großen Eckgrundstück Krämerstraße Nr. 19<br />

ergrabenen Befunde. Die Besitzergeschichte<br />

dieses in sozialtopographisch wichtiger Lage<br />

nahe dem Schloss gelegenen Anwesens lässt<br />

sich seit dem 17. Jahrhundert verfolgen. Nach<br />

dem Landsteuerbuch von 1632 war es „...Ihrer<br />

Durchlaucht Haus, wo Herr Schultheiss Caspar<br />

Caspars wohnt“. Die hohe gesellschaftliche Stellung<br />

des wohlhabenden Schultheißen Caspars,<br />

der später zum Landrentmeister und Kammerdirektor<br />

am Düsseldorfer Hofe ernannt wurde,<br />

wird auch dadurch unterstrichen, dass es ihm<br />

gelang, für sich und seine Ehefrau eine Begräb -<br />

nisstätte unmittelbar neben dem Michaelis-Altar<br />

der nahen St. Lambertus- Kirche zu erwirken.<br />

Seit 1694 erhielten in dem hier von Herzog<br />

Philipp Wilhelm eingerichteten Pagenhaus<br />

(später auch als „Knabenhaus“ bezeichnet) zahlreiche<br />

junge Adelige ihre diplomatische und<br />

militärische Grundausbildung.<br />

Nach einer Unterbrechung von etwa 20 Jahren<br />

wird diese Tradition mit der Gründung einer<br />

Adelsakademie durch den Hofkanzler Anton<br />

Sissonet im Jahr 1749 fortgesetzt.<br />

Das 1991 freigelegte Ensemble ließ zahlreiche<br />

Bauspuren aus unterschiedlichen Siedlungs -<br />

pha sen erkennen, die jedoch nicht mehr zu einem<br />

geschlossenen baugeschichtlichen Bild zusam -<br />

men gefügt werden konnten.<br />

Für die Zeitepoche des Spätmittelalters blieben<br />

einzelne Fundamentreste aus Feldstein erhalten,<br />

die sich deutlich von den jüngeren, in Ziegeltechnik<br />

aufgeführten Mauerzügen unterschieden.<br />

Auch deuten die im näheren Umfeld aufge -<br />

lesenen Funde, darunter Fragmente der mittelalterlichen<br />

„Grauware“ (Abb. 57), darauf hin,<br />

dass der nordöstliche Teil der Parzelle bereits um


1400 besiedelt war. Deutlich erfassbar ist hier<br />

jedoch erst wieder ein unterkellerter Neubau<br />

des 16. Jahrhunderts, bei dem Teile des älteren<br />

Hauses in situ wiederverwendet wurden.<br />

In der Zeit von 1450 – 1500 entstanden auf<br />

den westlichen gelegenen Flächen zwei Trinkwasser<br />

brunnen mit kreisrunden, aus Ziegeln<br />

gemauerten Schächten. Wegen der besonderen<br />

Bedeutung der hierin entdeckten archäolo -<br />

gischen Dokumente werden diese Anlagen in<br />

einem separaten Abschnitt vorgestellt.<br />

Den weitaus eindrucksvollsten Baukörper errich -<br />

tete man im 2. Viertel des 16. Jahrhunderts auf<br />

der Südseite des Grundstücks: Ein ungewöhnlich<br />

stark eingetiefter, mit Backsteinen aufgeführter<br />

<strong>Doppel</strong>keller erreichte das Außenmaß<br />

von 10,40m x 5,60m. Die aufgehenden Wände<br />

Abb. 57<br />

Krämerstraße 19.<br />

Scherben eines<br />

mittelalterlichen<br />

Kugeltopfes<br />

Abb. 58<br />

Krämerstraße 19.<br />

Ansichtszeichnung der<br />

östlichen Kellerwand<br />

im Raum A, s. Abb. 52<br />

39<br />

6,10 cm<br />

42,70 cm


Krämerstraße<br />

Abb. 59<br />

Krämerstraße 19.<br />

Grabungsbefunde<br />

des 16. Jahrhunderts<br />

2,70 m<br />

N<br />

trugen noch die Ansätze der Tonnengewölbe<br />

(Abb. 58) und in den Mauern waren spitzbogige<br />

Nischen ausgespart, in denen eine Öllampe<br />

oder Kerze abgestellt werden konnte. Im Winkel<br />

zwischen diesem Bauwerk und dem wohl gleichzeitig<br />

entstandenen Vorderhaus im Nordosten<br />

blieb Platz für einen Innenhof.<br />

Nach Bautechnik und -material weisen die untersuchten<br />

Ziegelfundamente eine auffällige Übereinstimmung<br />

mit den ebenfalls im 16. Jahr hundert<br />

entstandenen Substrukturen des Schlos ses<br />

(s. S. 121, Nordflügel, Keller 1) auf.<br />

Die hochwertige Qualität der hiermit angespro -<br />

chenen Bauausführung wurde von den übrigen<br />

Grundbauwerken in der Krämerstraße nicht annähernd<br />

erreicht. Mit Blick auf die eingangs<br />

erwähnte archivalische Überlieferung möchten<br />

wir daher die Vermutung aussprechen, dass die<br />

im beigedruckten Plan gekennzeichneten An -<br />

lagen (Abb. 59) zu jenem Anwesen gehörten,<br />

welches Herzog Johann III. „zur Notdurft<br />

und Vollführung unseres angefangenen Baus zu<br />

Düsseldorf im Jahr 1537 mit Mitteln aus der<br />

Zollkasse erworben hatte“. 27


Die letzten größeren Grundrissänderungen sind<br />

für die napoleonische Epoche belegt. Um 1800<br />

wurde der südlichen Längswand eine neue Fassade<br />

vorgeblendet. Mit der massiven Erneue rung<br />

der Westwand (bis zur nördlichen Grundstücks -<br />

grenze) war eine Überbauung der alten Hoffläche<br />

verbunden. Erwähnenswert ist auch die bauliche<br />

Trennung der Kelleranlage (Abb. 60) in zwei Teilbereiche,<br />

die neue Zu gän ge erhielten.<br />

Nur wenige Meter abseits der westlichen Keller<br />

treppe konnte im Jahr 1995 bei Kanalbauarbei<br />

ten auf dem „Unteren Werft“ eine Brand-<br />

schuttschicht dokumentiert werden, die im Zusammenhang<br />

mit dem Pulverturmunglück von<br />

1634 zu sehen ist. Die hier zahlreich aufgefundenen<br />

Ausstat tungs reste stammen höchst -<br />

wahrscheinlich aus den bei der Explosion des<br />

Pulverturmes 1634 beschädigten Häusern der<br />

Krämerstraße. Außer der genaueren zeit lichen<br />

Einordnung der Schicht selbst, ermöglicht dieses<br />

Fundensemble sogar Aussagen zum Aussehen<br />

und zur Innenausstattung der Gebäude. Das rekonstruierte<br />

Schichtprofil und die geborgenen<br />

Objekte werden zur Zeit im Stadtmuseum ausgestellt.<br />

Abb. 60<br />

Grabungsplan.<br />

Ziegelfußboden der<br />

Kelleranlage A im Haus<br />

Krämerstraße 19<br />

41<br />

80,00 cm<br />

N


Krämerstraße<br />

Brunnenfunde aus der<br />

Krämerstraße 19:<br />

Abb. 61<br />

Zwei Kugelbauch -<br />

krüge aus<br />

Siegburger Steinzeug,<br />

16. Jahrhundert<br />

Abb. 62<br />

Blau bemalter<br />

Fayenceteller mit<br />

floralem Dekor,<br />

18. Jahrhundert<br />

Abb. 63<br />

Scherzgefäß mit<br />

drei aufgesetzten<br />

Ausgüssen.<br />

Siegburger Steinzeug,<br />

16. Jahrhundert<br />

Der Alltag am Rhein:<br />

Zwei Brunnen<br />

Auf der späteren Parzelle Krämerstraße 19 kamen<br />

neben den Fundamentresten der frühneuzeitlichen<br />

Wohnbebauung zwei Trinkwasserbrunnen<br />

zutage, die zu den wichtigsten Befunden der<br />

Rheinufergrabung 1991 zählen.<br />

Die nur etwa 10 Meter voneinander entfernt lie -<br />

genden, runden Mauerkränze (Abb. 64) wiesen<br />

signifikante Konstruktionsunterschiede auf.<br />

Während der auf einem massiven Holzrahmen<br />

aufsitzende Brunnenschacht Nr. 2 bereits im<br />

modernen „Absenkverfahren“ errichtet worden<br />

war, wurde die Ziegelwandung des ersten<br />

Brunnens noch in einer offenen Baugrube aufge -<br />

mau ert. Auffällig sind weiterhin unterschiedliche<br />

Durchmesser und die diffe rie renden Sohl tiefen 28<br />

der Anlagen.<br />

Verfüllte Brunnen bergen nicht selten ein rei -<br />

ches Spektrum an archäologischen Funden; in<br />

1<br />

unserem Fall wurden die Ausgräber durch<br />

eine – für die Düsseldorfer Altstadt – einmalige<br />

Qualität und Quantität der ergrabenen Objekte<br />

überrascht. Offenbar hatten die Bewohner<br />

im 16. Jahrhundert damit begonnen, beide Brunnen<br />

als Abfallschächte zu verwenden – möglicherweise<br />

war der Grund hierfür ein Rückgang des<br />

Grundwasserspiegels oder das Brunnenwasser<br />

war ungenießbar geworden. Letzteres mag durch<br />

einsickernde Fäkalien geschehen sein, ein seit<br />

dem Mittelalter recht häufiger Grund für die<br />

Aufgabe von Trinkwasserbrunnen. Jedenfalls<br />

wurden die Brunnen bis in das 19. Jahrhundert<br />

hinein wiederholt als Abfallschächte benutzt;<br />

entsprechend konnten bei der archäologischen<br />

Untersuchung z. B. bei Brunnen 1 insgesamt<br />

acht Einfüllschichten festgestellt werden, die<br />

Fundstücke aus dem 15. bis 18. Jahrhundert<br />

2<br />

Abb. 64<br />

Krämerstraße 19.<br />

Lageplan der<br />

Brunnenanlagen<br />

1 Brunnen 1<br />

2 Brunnen 2


Abb. 65<br />

Krämerstraße 19.<br />

Grabungszeichnung<br />

(Aufsicht) der südlichen<br />

Brunnenanlage<br />

66,70 cm<br />

N<br />

Westliche Krämerstraße<br />

enthielten. Betrachten wir nun die in den Profilzeichnungen<br />

(Abb. 66 /67) dokumen tierten<br />

Verfüllphasen:<br />

Nur der südliche Brunnen (Nr.2) zeigte über<br />

der Sohle eine typische Schlicklage, die als Nutzungsschicht<br />

wohl aus der Zeit von 1450–1500<br />

anzusprechen ist. Durch die aufliegende, etwa<br />

0,40 m starke Einfüllschicht (Bef. Nr. 963) kann<br />

die Auflassung der Anlage auf die Jahre von<br />

1550–1580 fixiert werden. Bei diesen Daten<br />

denkt der Historiker zunächst an das bekannte<br />

Faktum, dass die Pest in Düsseldorf in den<br />

Jahren 1577–1588 etwa zwei Drittel der Bevöl -<br />

ke rung hinwegraffte. Wurden die Anwohner<br />

etwa durch die Angst, sich mit verunreinigtem<br />

Wasser zu verseuchen, zur Aufgabe der Brunnen<br />

bewegt? Immerhin diente der Befund (Bef.<br />

Nr.962, 963) bis zum Anfang des 17. Jahrhunderts<br />

als Kloake. Eine konsequente Auffüllung<br />

der Brunnenröhre setzte erst im fortgeschrittenen<br />

18. Jahrhundert ein (Bef. Nr.951) und wurde<br />

um 1810 (Bef. Nr. 909, 910) abgeschlossen.<br />

Ein ganz anderer Ablauf zeichnet sich für den<br />

nörd lichen gelegenen Brunnen ab. Hier konnte<br />

eine im frühen 16. Jahrhundert einsetzende<br />

Verfüllung mit kompaktem Bauschutt und<br />

Kü chen abfällen nachgewiesen werden. Für eine<br />

an schließend aufgetragene, bauschutthaltige Lage<br />

(Bef. Nr.227) deutet sich ein Zusammen hang<br />

mit der Explosion des Pulverturms (1634) an.<br />

Im frühen 18. Jahrhundert veränderte sich der<br />

Charakter der entsorgten Alltagsdokumente.<br />

Offensichtlich nutzte ein metallverarbeitender<br />

Handwerksbetrieb die sich hier bietenden Entsorgungsmöglichkeiten<br />

(Bef. Nr. 60).<br />

Im Überblick erbrachten beide Brunnen deut -<br />

liche Hinweise auf einen sozial „gehobenen“<br />

Lebensstil bis ins 18. Jahrhundert hinein. Auch<br />

wenn die Zusammensetzung der Fundkomplexe<br />

gewiss auf einer Zufallsauswahl beruht, erscheint<br />

an dieser Stelle ein kurzer Hinweis auf die wertvolleren<br />

Objekte unter dem Aspekt eines sich<br />

abzeichnenden „Wohlstandsgefälles“ reizvoll.<br />

Denn neben den aufgefundenen Speiseresten<br />

wirft vor allem das überlieferte Haushaltsgerät<br />

ein Licht auf die Konsumgewohnheiten im<br />

16. und 17. Jahrhundert.<br />

Die Masse des geborgenen Fundmaterials besteht<br />

aus keramischem Koch- und Tafelgeschirr,<br />

das in anderem Kontext noch näher beleuchtet<br />

wird. Einen klaren Hinweis auf den hohen<br />

Lebensstandard geben vor allem die in beiden<br />

Brunnen entdeckten Hohlgläser. Dabei dominiert<br />

in quantitativer und qualitativer Hinsicht<br />

das der südlichen Anlage entnommene En -<br />

semble, welches auch zahlreiche repräsentative<br />

Luxusgläser enthielt.<br />

43


Krämerstraße<br />

Abb. 66<br />

Profilschnitt durch<br />

den Brunnen.<br />

Darstellung der<br />

Verfüllschichten<br />

und Verzeichnis<br />

der wichtigsten<br />

Fundobjekte<br />

Brunnen 1: Krämerstraße 19, Norden<br />

33<br />

29<br />

60<br />

161<br />

188<br />

225<br />

227<br />

240<br />

33<br />

Ziegelbruch, Mörtelbrocken, Tonmineral wasser -<br />

flasche: Westerwald, Fragment der Wandung,<br />

grauer Ton, handgedreht (vor 1870)<br />

29<br />

(Dach)ziegelfragmente, helle Fensterglasfragmente,<br />

Austernschalen, Tierknochen, Portweinflaschenfragmente,<br />

Fayence: Fragment, blau bemalt, 18. Jahrhundert<br />

Plättchen mit Scharnieransatz: Fragment, Bronze<br />

0,5 mm dick, 1,3 cm breit, unverziert, Buchschließe<br />

60<br />

Ziegelfragmente, locker-blasige Eisenschlacke sowie<br />

Blech-/Eisen plattenfragmente, Holzkohle, Tierknochen,<br />

Muscheln<br />

Bauchige Mineralwasserflasche: Fragment mit auf -<br />

gemaltem, kobalt blauem P., ca. 1700<br />

Kopf einer Frauenfigur, Weißton: Gesamthöhe<br />

4,5 cm, Kopfhöhe 3 cm, verstrichene Naht sichtbar<br />

von Ohr zu Ohr über den Kopf laufend. Frisur:<br />

Mittelscheitel, lockiges Haar, hinten durch Knoten<br />

zusammengehalten; Engels gesicht?<br />

Tonpfeifen: Fragmente nach der Form 1715–35,<br />

Marke PD auf Wandung eines Kopfes unbestimmt.<br />

161<br />

Ziegelfragmente, etwas Wandputz, Mörtel<br />

Fensterglasfragmente: hellgrün, dünn, auch Randstücke<br />

Steinverschluss: Fragment, Höhe 2,7 cm, innen<br />

hohle Halbeiform, schwarzer Marmor. Es könnte<br />

sich um den Verschluss einer steinernen Arznei-/<br />

Apotheker- oder Parfümflasche handeln<br />

Fragment einer bauchigen Tonmineralwasser -<br />

flasche. 17./18. Jahrhundert<br />

Dreibeinkochtopf, Hafnerware: 1/4 des Randes<br />

fehlt. Höhe 11,5 cm, Beinchenhöhe 1,5 cm, heller<br />

elfenbeinfarbener Ton (Frechen), innen honigfarben<br />

glasiert, außen beginnend ca. 1 cm unterhalb des<br />

ausgestellten Randes hellgrün. Bandhenkel (Breite<br />

2,3 cm), am oberen Ansatz mit Zierkniff, am unteren<br />

Ansatz hügelförmig verstärkt und mit Fingerdruck -<br />

mulde verziert, Schmauchspur an der Lippenpartie<br />

Umgeschlagene Fußfragmente von 4 verschiedenen<br />

hellen Glaskelchen, heller Warzenbecher. 17. Jahrhundert<br />

188<br />

Ziegelbrocken, Kalkmörtel, Wandputz<br />

Kachelofenfragment, grün glasiert, um 1500<br />

Bauchiges, blau bemaltes Mineralwasser fla schen -<br />

fragment. 17./18. Jahrhundert<br />

Kuppafragment eines Römers mit geritztem<br />

Fiederdekor<br />

Glaskanne: gedrehtes Röhrchen, hell-milchiges Glas,<br />

venezianische Machart, an einer Seite zusammengekniffen.<br />

17./18. Jahrhundert<br />

Trichterhalsbecher (Siegburger Steinzeug)<br />

225<br />

Dachziegelfragmente, 7 Dachschieferfragmente,<br />

Ziegelbrocken, Kalkmörtel<br />

Fensterglas: Fragmente, teils bemalt, Bleifassung<br />

(Abb. 77)<br />

Ofenkacheln: Große monochrom und in einem Fall<br />

auch polychrom glasierte und verzierte Teilstücke<br />

eines Kachelofens (um 1500 bzw. 1. Hälfte des<br />

16. Jahrhunderts). Bei dem poly chromen Stück<br />

deutet die noch blasse Tönung der nicht grünen<br />

Farben darauf hin, dass es in der Übergangsphase<br />

1530–1550 entstanden ist, als die Kachelbäcker es<br />

noch nicht verstanden, alle Farben zum Leuchten<br />

zu bringen. 1530–50<br />

Weißtonpfeifen: Fragment, ein Kopf formdatiert<br />

1690–1735<br />

Hohlglas: Römer, 2 Fragmente: a) Beerennuppen -<br />

auflage auf Hohlschaft mit Ansatz des Schläfers und<br />

Ende des gesponnenen Fußes,<br />

b) Kuppafragment mit Fadenansatz; Flügelglas,<br />

profiliertes helles Kelchstilfragment, 17. Jahrhundert.


Berkemeyerfragment mit steilem, vollglasigem<br />

Schläfer<br />

Hafnerware, glasierte Fragmente: darunter Drei -<br />

beinfragment innen gelb, außen oliv glasiert mit<br />

Oxideinschlüssen<br />

Rückseite einer Bleituch?plombe (innen Gewebeabdruck<br />

von Tuch oder Sack) 29<br />

Mehrere Eisennägel (ein Oberteil gut erhalten,<br />

rechteckiger Querschnitt 8 x 6 mm)<br />

227<br />

Ziegelbruch, etwas Kalkmörtel, großes Dachschieferfragment<br />

mit 7 Löchern (Abb. 71)<br />

Fensterglas: Fragmente, z. T. bemalt<br />

Krug, Raeren: Fragment, Bauerntanzszene (Steinzeug)<br />

Spinnwirtel 30 (Steinzeug, Raeren 2. Hälfte 16. Jahrhundert),<br />

1550–1600<br />

Westerwälder Kanne: Zwei aneinander passende<br />

Randstücke einer kobaltblau bemalten Westerwälder<br />

Kanne mit weiter Öffnung, 1 cm unterhalb des<br />

Randes eingerahmtes Schriftfeld, links und oben<br />

intakt, zu lesen TILMENIN BR..., AFFENSEIN...,<br />

...VSED..., Ende 16. Jahr hundert?<br />

Töpfchen: komplettes, zylinderförmiges Töpfchen<br />

Frechener Art: Höhe 4,5 cm. Bodendurchmesser<br />

3 cm.<br />

Töpfchen: zylindrische Bodenpartie, 2 cm hoch,<br />

große Bauchrundung mit Zierrillen an der weites -<br />

ten Stelle, schräg nach oben zeigende Lippe. Feiner<br />

hellgrauer Ton, Lippenpartie und Schulter außen<br />

oliv glasiert, Boden Durchmesser 4,5 cm, Gesamt -<br />

höhe 5,5 cm.<br />

Steinzeugkanne: Fragment: schwach ausge prägter<br />

Wellenfußboden (Durchmesser 16,5 cm), Siegburg,<br />

helles Steinzeug: 15 Jahrhundert<br />

Flötenglas: Bodenfragment, Stängeldurchmesser<br />

8 mm<br />

Einsatzgewicht: Messing (Abb. 124)<br />

Schnalle: korrodiertes Eisen, Dorn abgebrochen,<br />

Schnalle rechteckig: 3,5 x 4 cm Außenmaß<br />

Kruzifix: Bronze, Breite von Hand zu Hand 4,5 cm,<br />

von Kopf zu Fuß 3,2 cm, hinten Nagel angesetzt,<br />

ankorrodiert<br />

Münze: Silber, noch zu lesen: + PL...E..(ET?)<br />

COUR... Kreuz in der Mitte, Durchmesser 1,6 cm<br />

Organisches Material, gewebtes Tuch<br />

240<br />

Ziegelfragmente, Dachziegel 31 , Dachschiefer, Kalk -<br />

mörtel<br />

2 Messergriffe: a) Hirschhorn, b) durch rautenförmige<br />

Einkerbungen auf beiden Breitflächen verzierter<br />

Vollknochengriff, am Ende dreifach durchbohrt,<br />

ca. 1600 (Abb. 102)<br />

Hohlglas: helles Spechterglasfragment, spätes<br />

16./evtl. Anfang 17. Jahrhundert, Randstück eines<br />

dick glasigen (3 mm) dunkelblauen, steilen Bechers,<br />

Randdurchmesser 4,6 cm; (Abb. 146)<br />

2 zusammengehörige Tellerbodenfragmente, hellgrün,<br />

brauner Belag, Boden in der Mitte leicht<br />

gewölbt, dort Glasdicke 0,7 cm, außen 11 mm,<br />

Glasbruch, erhalten ca. 7 cm<br />

Warzenbecherfragment, leicht konische Form,<br />

Randstück, in Form geblasen, versetzt angeordnete<br />

Warzen, hellgrünes Glas<br />

3 Standboden-Töpfe, Irdenware, davon einer:<br />

2. Hälfte 16. Jahrhundert<br />

Nachttopf: Höhe 12,2 cm, Lippendurchmesser<br />

ca.16 cm, Bodendurchm. 9 cm, außen hell glasiert,<br />

innen rauh, dort heller Ablagerungsüberzug, flacher<br />

Boden mit Drahtabzugsspuren; Henkel fehlt; Übergang<br />

Wandung/Lippe außen durch Zierrille betont;<br />

hellgrauer Ton<br />

Standboden-Einhenkelküchentopf: flacher Boden<br />

mit parallelen Drahtabzugrillen, Höhe 20 cm, außen<br />

kurz unterm Rand nur eine Zierrille, Rand außen<br />

nach 1,5 cm scharf waagerecht nach innen angeschnitten,<br />

innen durchgehend stark gerillt, dunkelrotbraune<br />

Glasur bis kurz unterm Rand mit helleren<br />

Flecken, teilweise rauh stumpf, wahrscheinlich<br />

1. Hälfte 17. Jahrhundert<br />

2 Medaillonbecher: Fragmente, Steinzeug, Siegburg,<br />

mit biblischen Szenen und Beschriftungen.<br />

2. Hälfte 16. Jahrhundert. (Abb. 98–100)<br />

Pulle: Fragment, Steinzeug, Siegburg, mit großen<br />

Medaillonauflagen, beidseitig lesbar HELENA, einmal<br />

... NTIUS; um 1550<br />

Schnelle: komplett bis auf einige fehlende Randstücke,<br />

Weißton, Steinzeug, Siegburg, signiert HH<br />

= Hans Hilgers, 1569–1595 (Abb. 96)<br />

Ratskanne: Fragment unterer Teil (Siegburg, 15./<br />

Anfang 16. Jahrhundert?)<br />

3 Trichterhalsbecher: Steinzeug, Siegburg<br />

5 Dachschieferfragmente (Abb. 71)<br />

Fensterglasfragmente<br />

45


Krämerstraße<br />

Abb. 67<br />

Profilschnitt durch<br />

den Brunnen.<br />

Darstellung der<br />

Verfüllschichten<br />

und Verzeichnis<br />

der wichtigsten<br />

Fundobjekte<br />

Brunnen 2: Krämerstraße 19, Süden<br />

912<br />

931<br />

951<br />

953<br />

962<br />

963<br />

965<br />

909<br />

910<br />

909<br />

(Portwein-)Flasche: Bodenfragment mit Wandungs -<br />

ansatz, dunkelgrün<br />

Tonmineralwasserflasche: Fragment mit unterem<br />

Ansatz des Henkels, dort deutliche Fingerdruck -<br />

mulde, hellgrauer Ton (Westerwald), hand gedreht<br />

910<br />

Helles Hohlglas: 4 Fragmente: 2 konische Becher<br />

mit dickem, glattem Boden (zentrierter Glasbruch)<br />

und Teil der aufgehenden glatten Wandung (Bodendurchm.<br />

5,2 und 3,8 cm); ein konischer Becher mit<br />

dünnerem Boden und facettierter Wandung; ein<br />

engbauchiger Becher mit facettierter Oberfläche<br />

(2 Reihen Querovale), darüber längere, senkrechte<br />

Bahnen; 18. Jahrhundert<br />

Portweinflaschenfragmente<br />

1 kompletter Weißton-Pfeifentopf, Stempel auf<br />

Ständer: gekrönte 46 und Seitenstempel; 1 Stielfragment<br />

mit Umschrift als Abschluss des Zierfeldes:<br />

DO?KNE? 1775–1815 (duco)<br />

912<br />

Lehmfragment: außen etwas angeziegelt, flacher<br />

Abdruck eines Brettes oder Balkens<br />

Metallschlacken: einmal mit Eisenrest, glänzend<br />

braune, blasige Schlacke<br />

Flacheisen: stark korrodiertes Fragment eines Spaten<br />

blattes<br />

Portweinflaschen: Fragment: grünes oder braunes<br />

Glas, ca. 4 mm dick, Bodendurchmesser 8,5 bis<br />

11 cm; zylindrische und bauchige Flaschenformen;<br />

Schläfer mit Glasbruch; Flaschenhals teils oben abgeschnitten,<br />

teils gerundet; mehrfach kommt vor:<br />

dicker umgelegter Glasring ca. 1 cm unterhalb der<br />

senkrechten Lippe (Abb. 138)<br />

Weißtonpfeifen: viele Fragmente, darunter: 2 Stielfragmente<br />

mit „WKGH“, 1 Stielfragment mit Namen<br />

parallel zur Stielrichtung nahe am Kopfansatz:<br />

JOHANNES°KEID°EA° (oder ER); passt an einen<br />

Kopf mit gekröntem W. (weitere 2 Stielfragmente mit<br />

Teilen des Namens); 1 Kopf mit Blümchen und<br />

Lilie sowie abgesetzten senkrechten, oben rund<br />

abgeschlossenen Bahnen; reich verzierter Kopf mit<br />

Stempel: gekröntes W (nicht genau datiert); ein<br />

weiterer Kopf mit Stempel: gekröntes W auf<br />

waagerecht schraffiertem Feld; ein Kopf mit Stempel<br />

auf Ständer: gekrönte 27 mit Beimarke (datiert:<br />

1750 –1775); 2 Stielfragmente mit Unterschrift<br />

„(EX) GOUDA“, ein gebogenes, in Stielrichtung<br />

gerieftes Stielfragment; ein noch 7,5 cm langes Stielfragment,<br />

Mundstück, Durchmesser 4 mm.<br />

931<br />

Portweinflaschen: zahlreiche Fragmente, darunter<br />

4 Hälse, alle an der Mündung abgeschnitten, 3 mit<br />

unregelmäßiger Ringverstärkung direkt unter der<br />

leicht ausgestellten Lippe (Abb. 138)<br />

Deutsche Fayence: Fragmente ohne Marken, einige<br />

Teller hessischer Provenienz, 18. Jahrhundert<br />

Emaillierte Tasse: innen weiß, außen dunkelblau<br />

emailliert, Henkel oben mit Einrollung/Öse, angerostet:<br />

Durchm. der Lippe: 8,5 cm, des Standbodens<br />

5 cm, Rest einer braunen Farbe innen.<br />

953<br />

Buntes venezianisches Flügelglas: 24 Fragmente<br />

(Abb. 164), 17. Jahrhundert<br />

Fayencen: ca. 30 Teile, zumeist fast komplett, vorwiegend<br />

Teller verschiedener Größe; 3 flache, herzförmige<br />

Saucieren mit spitzem Ausguss; 2 Becher,<br />

alle blau bemalt, zumeist mit Chinoiserien.<br />

Hafnerschüsseln:<br />

a) mit IHS und Kreuz sowie Blattwerk im Spiegel<br />

b) mit grünem und gelbem Malhorndekor, auf<br />

dem Spiegel: Spirale<br />

c) große Schüssel mit gelbem Malhorndekor sowie<br />

Henkel, Spiegel: Spirale, 17. Jahrhundert<br />

Tiefe, grün glasierte Hafnerschüssel: auf dem Spiegel<br />

stilisierte Blume aus Wellenbanddekor, ebenso<br />

auf der abgesetzten Fahne Wellenband, randnahe<br />

Fingertupfen, Höhe 13 cm, ein Henkel vorhanden,<br />

Bodendurchmesser 14,3 cm, auch auf der Außenwand<br />

zu 2/3 glasiert, hellweißer Ton, um 1600?<br />

Vorratsgefäß, Steinzeug (Westerwald): hellgrauer<br />

Ton, außen bräunlich-oliv, innen hellbraun, Höhe<br />

ca. 26 cm, Rand mit leichtem Falz, Außendurchmesser<br />

17 cm, 3 cm unterhalb des Randes beginnen<br />

2 waagerecht angesetzte Henkel, Zier rillen auf der


Wandung in der Henkel- sowie Boden zone, wulstig<br />

abgesetzter Boden, Durchmesser 10,2 cm<br />

962<br />

Fensterglasfassung aus Blei: ca. 33 cm lang, Sei tenfassung<br />

0,5 cm breit, mit innerem Mittelsteg, der<br />

beidseitig leiterförmig geriffelt ist<br />

Ofenkacheln: Fragmente, u. a. Bekrönungsstück<br />

Kelchgläser: Stiel mit Fuß, Fußbecher: Nuppen<br />

außen und innen<br />

Steinzeugtöpfchen: komplett bis auf einen Abplatzer<br />

am Rand, zylin drische Form: Bodendurchmesser<br />

5 cm, Rand 4,7 cm = leicht konisch, Boden zur<br />

Standfläche schräg abgeschnitten, Rand wulstartig<br />

abgesetzt, durchgängig glasiert, außen glatt, innen<br />

Drehrillen, weißer/heller, leicht grauer Ton, z. T.<br />

Anflug einer honigfarbenen Glasur, dort feine<br />

Schwundrisse, 1. Hälfte 17. Jahrhundert<br />

Fußteller, Hafnerware mit Kammstrichverzierung:<br />

Fragment, Fuß und große Teile der Wandung in<br />

Scherben erhalten; Randdurchmesser 27 cm, Fußdurchmesser<br />

10,5 cm, Fußhöhe 2,5 cm, Gesamt -<br />

höhe 7 cm; intentionelle Perforierung unterhalb der<br />

Lippe; keine abgesetzte Fahne; innen: honigfarbene<br />

Glasur mit rotbraunen Oxideinsprengseln; Verzierung<br />

nur schwach sichtbar: auf dem Spiegel innen konzentrische<br />

Kreise sowie weiter außen Bereiche mit<br />

kleinen Kreissegmenten, Wandung durch konzentrische<br />

Kreise abgesetzt; Randwulst fast quadratisch<br />

im Querschnitt, Unterseite: abgewittert bis auf<br />

Reste der original rötlichen Oberfläche, Zierrille<br />

ca. 1 cm unterhalb des Randes und 1 cm oberhalb<br />

des Fußteils, Ton: hell, leicht rosa, um 1600<br />

Kleiner glasierter Dreibeintopf: Profil mit Henkel<br />

komplett erhalten, Gesamthöhe ca. 13 cm, Höhe<br />

des Dreibeinchens 2,5 cm; außen ist der Topf<br />

hellgrün, innen honigfarben glasiert; Bandhenkel<br />

am Lippenansatz einmal zusammengekniffen, am<br />

unteren Ansatz Fingermulde; die schräg ausgestellte<br />

Lippe (Breite 3,5 cm) ist außen deutlich durch<br />

4 Rillen abgesetzt; Drehrillen auf der inneren<br />

Wandung; Ton elfenbeinfarben: Frechen<br />

Glasierter Dreibeintopf: fast komplett, Mittelstück<br />

des Henkels fehlt, Höhe 12 cm Randdurchmesser<br />

13 cm, Falzlippe, außen unglasiert, Zierrillen trennen<br />

außen Wandung von Lippe, innen ocker/bräunliche<br />

Glasur mit Oxidspuren; Ton: hellgelb, Außenseite<br />

mit Schmauchspuren, 1. Hälfte 17. Jahrhundert<br />

Großer glasierter Deckel: Fragment, ca. 1/3 incl.<br />

Knauf erhalten, außen honiggelb glasiert; Durchmesser<br />

20 cm; Höhe bis Knaufoberkante 5,5 cm;<br />

Knaufhöhe 1,5 cm, Durchmesser 2,5 cm, zum Teil<br />

eckig; Oberseite grobe, Unterseite feine Drehrillen,<br />

spitz hochbiegender Rand, Unterseite angeschmaucht;<br />

elfen beinfarbener Ton: Frechen<br />

963<br />

Kleiner Berkemeyer: Profil in Scherben durch -<br />

gängig erhalten, Mittelteil des Bodens fehlt; glattes,<br />

1 mm dickes Glas, Farbe: dunkel grünblau, gekniffe<br />

ner Fußring, Mittelteil des Bodens fehlt; auf Wandungsunterteil:<br />

2 Reihen versetzter 2,5 cm breiter,<br />

lappig-zungenförmig nach oben zeigender Nuppen,<br />

Spitzen eng anliegend. Kuppafaden in 4 cm Höhe,<br />

an einer Stelle in Tropfen auslaufend; Glas hat leicht<br />

konische Gesamtform, Kuppa etwas nach innen gebogen;<br />

1. Hälfte 16. Jahrhundert<br />

Maigelein, Fragment; Boden erhalten, Profil durch -<br />

gängig (ein weiteres Wandungsstück anpassend),<br />

Höhe 4,3 cm, größter Durchmesser 9 cm, gewölbter<br />

Schläfer 2 cm hoch, Glasbruch, mittelhell grünes,<br />

leicht blaustichiges Glas, ankorrodiert; 15. Jahrhundert<br />

(Abb. 143)<br />

Steinzeug-Pulle, Siegburg; teilweise geklebt, Höhe<br />

ca. 17 cm, leicht gewölbter Boden mit Schnittspuren,<br />

Durchmesser 7,5 cm, größter Bauchdurchmesser<br />

ca. 16 cm, 2 cm vom Boden bis zur Schulter Zierrillen,<br />

Schulter glatt, Hals Zierrillen, abgesetzte<br />

hutförmige Lippe (2 cm hoch, Durchmesser 3,8 cm,<br />

glatt), Bandhenkel setzt unterhalb des Randes an<br />

(2,5 cm breit, Mittelstück fehlt), Ton: grau, die olivfarbene<br />

Glasur verläuft sich in Streifen an der unteren<br />

Wandung, ca. 1560 (Abb. 61)<br />

Einhenkelzylinderhalskrug, Steinzeug, Siegburg:<br />

komplett bis auf die Hälfte des steilen Randes,<br />

Höhe 20 cm, Durchmesser des Wellenfußes 9 cm,<br />

Bandhenkelbreite 2,2 cm; hellgrauer Ton mit außen<br />

braun/rötlichem Anflug von Salzglasur; mittelalterli<br />

che Gefäßkeramik, Jacobakanne 14./15. Jahr hun -<br />

dert<br />

2 Nachttöpfe:<br />

I. Höhe 13,5 cm, Rand vollständig, schräg nach<br />

außen gestellt, Durchmesser 16,5 cm, ein Henkel<br />

(2,5 cm breit mit Mittelmulde), Boden leicht gewölbt,<br />

Schnittspuren, Durchmesser 8 cm, außen<br />

keine Drehrillen/-riefen, im Topfinnern bräunlicher<br />

Belag, Ton hellgrau, außen mit bräunlich-olivem<br />

Anflug<br />

II. bis auf ein paar kleine Randscherben komplett,<br />

Höhe 15 cm, Bodendurchmesser 9,5 cm, auf der<br />

Bodenunterseite Schnittspuren; Drehriefen außen<br />

auf unterer Wandung, in der Henkelzone feiner;<br />

Henkel 2,5 cm breit mit Mittelmulde; grauer Ton,<br />

außen und innen glasiert, innen leicht bräunlicher<br />

Belag; ca. 1560<br />

Beide Nachttöpfe sind von der Machart her den in<br />

der gleichen Schicht gefundenen Siegburger Pullen<br />

ähnlich. Auf einem großen Siegburger Medaillon<br />

(dat. 1566 –1575), vermutlich einer Pulle (dargestellt<br />

Jupiter und Venus mit Amor am Bett), ist auch<br />

ein Nachttopf dieser Form dargestellt.<br />

Siegburger Steinzeugkrug (eventuell Bartmann):<br />

erhalten: Boden und Teil der aufgehenden Wandung<br />

(Gesamthöhe ca. 7 cm) sowie nicht anpassendes<br />

Wandungsstück (ca. 6 x 4 cm) mit schräg aufgelegtem,<br />

floralem Ornamentband (Ansatz), hellgrauer<br />

Ton; Bodendurchmesser 7,7 cm, Messerspuren,<br />

Höhe des Fußes 2,1 cm, zuunterst Wulst, drüber eng<br />

gesetzte Zierrillen; diese setzen sich auf der leicht<br />

ausbauchenden Wandung fort; hellgrauer Ton,<br />

Krug außen glasiert, teils hellbrauner Anflug; der<br />

Form nach wie: Brühler Keramik des Mittelalters,<br />

1985, No. 127, hier ist der Fuß aber einfacher gestaltet<br />

(spätes 16. Jahrhundert), der sorgfältige Aufbau<br />

des Fußes deutet im vorliegenen Fall auf ein<br />

früheres Datum. Eine besser passende Parallele ist<br />

datiert Mitte 16. Jahrhundert, um 1550<br />

965<br />

Nachttopf: Steinzeug, Höhe 14 cm, Bodendurchmesser<br />

9,3 cm mit Drahtabzugsspuren, Henkel mit<br />

Mittelmulde 2,2 cm breit, innen kein Belag, außen<br />

bis zur Henkelzone grob gerieft, hellgrauer Ton,<br />

außen hell glasiert in unterschiedlichen Färbungen<br />

von bräunlich bis grau, zum Teil gelb/oliv, um 1500<br />

47


Krämerstraße<br />

Abb. 68<br />

Zwei fragmentarische<br />

Trinkgefäße<br />

mit Nuppendekor,<br />

16. Jahrhundert<br />

Abb. 69<br />

Oberteil eines<br />

Bartmannkruges,<br />

wohl aus Frechener<br />

Produktion. Spätes<br />

16. Jahrhundert<br />

Abb. 70<br />

Niedriger Krautstrunk,<br />

um 1500. Das Gefäß<br />

wird auf S. 101 näher<br />

beschrieben<br />

Der Alltag am Rhein:<br />

Das Haus Nr.19<br />

Städtisches Wohnen im Wandel<br />

Jeder ergrabene Hausstand kann uns viel über<br />

den persönlichen Lebensstil seiner Benutzer<br />

berichten. Um diesen zu verstehen, reicht jedoch<br />

der lustvolle Blick auf die geborgenen Kostbarkeiten<br />

nicht aus. Vielmehr muss man die sozialen<br />

und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der<br />

unterschiedlichen Epochen und die individuelle<br />

Umsetzung nachvollziehen. Der renaissancezeitliche<br />

Mensch etwa baute und lebte in der<br />

Krämerstraße anders als am Rheinort oder in<br />

der Ratinger Straße. Den kleinen und großen<br />

Dingen nachzuspüren, ist daher das Anliegen<br />

der folgenden Seiten. Alle vorgestellten Beispiele<br />

vom einfachen Kochgeschirr bis zum prunk -<br />

vollen Kachelofen reagieren auf eine bestehende<br />

Alltagskultur und zeigen, wie sich diese stets<br />

aufs Neue interpretieren und den eigenen Lebensbedürfnissen<br />

anpassen lässt.<br />

Wenden wir uns somit zunächst den überlieferten<br />

architektonischen Fragmenten aus dem ersten<br />

Brunnen zu.<br />

Aus der untersten, ältesten Schicht (Schicht<br />

240) stammen Fragmente von Dachziegeln<br />

und Schieferplatten, die Hinweise auf die Art der<br />

Dacheindeckung geben. Auch in der folgenden<br />

Einfüllschicht 227 fanden sich wiederum<br />

Dachschieferplatten mit Nagellöchern. Bei den<br />

genannten Schieferplatten handelt es sich eindeutig<br />

um Deckstein, also Dachschieferplatten,<br />

deren Analyse sogar einige Rückschlüsse auf<br />

die Form und den Neigungswinkel des Daches<br />

zulässt. Aufgrund einer Materialuntersuchung,<br />

die durch die Firma I. B. Rathscheck Schiefer in<br />

Mayen durchgeführt worden ist, handelte es<br />

sich bei diesen Schieferplatten um qualitativ<br />

hochwertigen Dachschiefer. Der Stein dürfte<br />

mit einiger Wahrscheinlichkeit aus einer Grube<br />

bei Kaub am Rhein stammen, nicht ganz auszuschließen<br />

ist jedoch, dass es sich um Moselschiefer<br />

vom Mayener Katzenberg handeln kann.<br />

Eine Platte mit einer Reihe waagerechter Nagel -<br />

löcher gibt sich als so genannter „<strong>Doppel</strong>end-<br />

Ort stein“ zu erkennen, der zu einer Dach -<br />

eindeckung in „Altdeutscher Deckung“ mit<br />

Schieferplatten des Formates 1/32 passt. Mit<br />

den großen 1/12er-Platten werden nach der<br />

Dachdeckerregel die Deckungen Altdeutscher<br />

Art an der Dachunterkante begonnen, um dann<br />

aufsteigend zum Dachfirst in die kleineren<br />

Formate 1/16 und 1/32 („König“) überzugehen:<br />

diese traditionsreiche Deckart „im scharfen<br />

Hieb“ hat sich in den letzten Jahrhunderten unverändert<br />

erhalten. Eine handwerklich derart<br />

anspruchsvolle und auch heute noch kostspielige<br />

Dacheindeckung wie sie die „Altdeutsche<br />

Deckung“ darstellt, eignet sich für recht steile<br />

Dächer mit einer Neigung ab 50° aufwärts.<br />

Einzelne Schie fer plattenfragmente deuten da -<br />

rauf hin, dass sie zu einer Wandbekleidung –<br />

etwa der Wetterseite – gehört haben können.<br />

Wir möchten vermuten, dass die älteste Bauphase<br />

des Hauses Nr. 19 im Aufgehenden ein auf<br />

steinernen Grundmauern und Keller geschoss<br />

aufsitzendes Fachwerkgebäude mit steilem<br />

Schieferdach und schieferverkleideten Giebelund<br />

Fassadenpartien gewesen sein dürfte.<br />

Abb. 71<br />

Schieferplattenformate:<br />

1/12; 1/16;<br />

1/32 („König“)


Westliche Krämerstraße<br />

Die wenigen Fragmente von tönernen Dach -<br />

ziegeln aus Schicht 240 können vom Dach<br />

eines Anbaues oder Nebengebäudes, vielleicht<br />

aber auch von Reparaturphasen des Haupt -<br />

daches stammen.<br />

In welchem Umfang Dachziegel für die Neubauten<br />

der Stadt Düsseldorf benötigt worden<br />

sind, belegt etwa ein fürstliches Dekret des<br />

Jahres 1557, in dem die örtlichen „Pfannen -<br />

bäcker“ angewiesen werden, für einen Zeitraum<br />

von drei Jahren jeweils 125.000 Dachziegel<br />

für die Düsseldorfer Baustellen zu brennen –<br />

zugleich wird die traditionelle Deckweise mit<br />

Stroh wegen der hohen Brandgefahr verboten.<br />

Dies wird auch in Paragraph 6 der Düsseldorfer<br />

Polizeiordnung von 1545 ausdrücklich vermerkt:<br />

„... sollen zur besseren Verhütung des Feuers ... alle<br />

Dächer in Zukunft mit Schiefer oder Pfannen<br />

und nicht mehr mit Stroh bedeckt werden.“<br />

Eingangs wurde aufgrund der Nähe der Krämer -<br />

straße zum kurfürstlichen Schloss bereits darüber<br />

berichtet, dass es sich in der damaligen Zeit um<br />

eine gesuchte Wohnlage gehandelt haben dürfte:<br />

der Befund eines aufwändigen Schieferdaches<br />

nach Art der „altdeutschen Deckung“ (Abb. 72)<br />

und einer zumindest teilweisen Giebel- und<br />

Fassadenverkleidung lässt diese Vermutung<br />

zur Gewissheit werden, denn nur vermögende<br />

Bauherren konnten sich das teure, von weither<br />

gelieferte Material und die kostspieligen Dach -<br />

decker arbeiten leisten. Dies ist ja der Grund<br />

dafür, warum Schieferdächer im Spätmittelalter<br />

und früher Neuzeit zumeist auf repräsentativen<br />

Verwaltungsgebäuden, Burgen, Klöstern und<br />

Kirchen zu finden sind (Abb. 73).<br />

Abb. 72<br />

Schematische<br />

Darstellung<br />

eines Daches in<br />

„Altdeutscher Deckung“<br />

Abb. 73<br />

Darstellung einer<br />

schiefergedeckten<br />

Kirche aus der mittel -<br />

alterlichen Handschrift<br />

„Sachsenspiegel“<br />

49


Krämerstraße<br />

Abb. 74<br />

Tischherd der<br />

Renaissance- und<br />

Barockzeit, nach einer<br />

zeitgenössischen<br />

Darstellung<br />

Herd & Küchenausstattung<br />

Die Küche des Hauses dürfte vermutlich im<br />

Erdgeschoss gelegen haben, mit leichtem Zugang<br />

zum Vorratskeller mit den Frischwasserbrunnen<br />

und zum Gemüse- und Kräutergarten,<br />

der im Bereich zwischen Haus und Stadtmauer<br />

gelegen haben dürfte.<br />

In der älteren, spätmittelalterlichen Bauphase,<br />

die durch Reste der Grundmauern sowie Keramik<br />

und Kachelofenfragmente belegt sind, mag<br />

eine für diese Zeitepoche durchaus typische eben<br />

erdige Herdstelle mit kaminartig ange legtem<br />

Rauchabzug vorhanden gewesen sein (Abb. 75).<br />

Für die Renaissance- und Barockzeit darf man<br />

einen so genannten Tischherd annehmen. Bei<br />

dieser Konstruktion brannte das Herdfeuer auf<br />

einem tischartig aufgemauerten Sockel, der ein<br />

bequemeres Kochen ermöglichte. Bis in das<br />

19. Jahrhundert hinein waren diese gemauerten<br />

Tischherde (Abb. 74) in Verwendung und wurden<br />

erst nach und nach durch die eisernen<br />

Koch herde modernerer Form verdrängt.<br />

Gemauerte Tischherde konnten in wohlha -<br />

benden Haushalten beachtliche Dimensionen<br />

erreichen: auf der Arbeitsfläche mussten mehrere<br />

Holz- und Holzkohlefeuer für mehrere Töpfe,<br />

Kessel und Pfannen sowie für Drehgrille<br />

und Grillroste unterhalten werden. Entsprechend<br />

groß konnte der zugehörige Rauchabzug<br />

dimensioniert sein. Die Rauchfänge konnten,<br />

wie erhaltene Exemplare, zum Beispiel in einigen<br />

Klöstern, Burgen und Schlössern zeigen, in<br />

Fachwerktechnik ausgeführt sein.<br />

Tatsächlich stammt aus Haus 19 (Brunnen 2,<br />

Schicht 912) ein Stück Lehmbewurf einer<br />

Fach werkkonstruktion, die eine deutliche<br />

„Verziegelung“, somit Spuren von Feuereinwirkung<br />

zeigt. In dem hartgebrannten, vom Rauch<br />

geschwärzten Lehm hat sich der Balken abdruck<br />

der Holzkonstruktion erhalten. Die Schmauchspuren<br />

und die Verziegelung des Lehmputzbrockens<br />

deuten darauf hin, dass wir hier ein<br />

Bruchstück eines großen Rauchabzuges vor uns<br />

haben, der ursprünglich wohl über dem Küchenherd<br />

des Hauses die Feuerschwaden und<br />

Kochdünste in den Kaminschlot ableitete.<br />

Zu einer gediegenen Küchenausstattung in der<br />

Zeit des späten 17. und 18. Jahrhunderts konnte<br />

durch aus eine Fliesenverkleidung der Küchenwand,<br />

über dem Waschbecken oder an Partien<br />

Abb. 75<br />

Ebenerdig angelegte<br />

Herdstelle nach einer<br />

spätmittelalterlichen<br />

Darstellung


der Kaminwand gehören. Solche farbigen<br />

Wandfliesen fanden sich in dem Verfüllungsschutt<br />

eines Brunnens von Haus 15. Hier traten<br />

mehrere Fragmente von blau bemalten Wandfliesen<br />

auf, die offensichtlich aus einer Delfter<br />

Fayence-Manufaktur stammen.<br />

Die Geräteausstattung der Küchen umfasste<br />

ein ganzes Arsenal von Hängekesseln, Grapen -<br />

töpfen (dreibeinige Metallkochtöpfe), Pfannen,<br />

Spießen, Grillrosten und tönernem Koch -<br />

geschirr (Kapitel „Speisezubereitung & Küchentech<br />

niken“). Arbeitstische, Holzzuber, Fässer<br />

und Daubeneimer, Salzkistchen und Weinkrüge<br />

(Abb. 76 „Bartmann“) sowie ein breites Spektrum<br />

von Messern, Löffeln, Küchen beilen und Fleischgabeln<br />

gehörten zum alltäglichen Handwerkszeug<br />

des Küchenpersonals. Die grundsätzlichen<br />

Formen der Küchengerätschaften ändern sich<br />

über einen langen Zeitraum hinweg kaum –<br />

allerdings nimmt erwartungsgemäß ab der<br />

Barockzeit die Verwendung von Töpfen und<br />

Kesseln aus Gusseisen und Kupfer deutlich zu.<br />

Auch Schmalz- und Öltöpfe, Sauerkraut- und<br />

Butterfässer und mancherlei Grundbestandteile<br />

der Küche, wie z. B. verschiedene Getreide, ge -<br />

trock nete Hülsenfrüchte, Zwiebeln und Knob -<br />

lauch mussten zu allen Zeiten stets greifbar sein.<br />

Abb. 76<br />

Bartmannkrug<br />

mit Wappen auflage.<br />

Zeichnerisch<br />

rekonstruierter<br />

Gefäßkörper, um 1600<br />

51<br />

4,50 cm


Krämerstraße<br />

Abb. 77<br />

Bemalte<br />

Fenster scheiben<br />

mit floralen<br />

Ornamenten<br />

(Schicht 225,<br />

17. Jahrhundert)<br />

2,00 cm (farbig)<br />

3,50 cm (schwarz)<br />

Wohnkomfort im Alltag: Fensterglas<br />

Die Funde aus Brunnen 1 lassen auch Rück -<br />

schlüsse auf Details der Innenausstattung des<br />

Gebäudes zu. So fanden sich etliche Bruchstücke<br />

von flach ausgewalztem, grünlichem Glas, die<br />

belegen, dass die Hausfenster schon in der älteren<br />

Bauphase (Schicht 240; 2. Hälfte 16. Jahrhundert)<br />

mit Scheiben ausgestattet gewesen<br />

sind. Die genaue Form der ursprünglich verwendeten<br />

Flachglasstücke, die vermittels von Blei-<br />

fassungen zu einer größeren Fensterscheibe zusammengesetzt<br />

worden waren, ließ sich anhand<br />

der vorliegenden Bruchstücke nicht mehr<br />

ermitteln. Jedoch scheint festzustehen, dass es<br />

sich nicht um die ansonsten aus spätmittel -<br />

alterlichen und frühneuzeitlichen Fundzusammenhängen<br />

wohlbekannten runden Butzenscheiben<br />

gehandelt hat – vermutlich wird man<br />

am ehesten rechteckige und rautenförmige<br />

Einzelelemente verwendet haben.<br />

Aus der jüngeren, bereits in die erste Hälfte<br />

des 17. Jahrhunderts datierenden Schicht 225<br />

stammt eine Partie Fensterglas, die eine außer -<br />

gewöhnliche, farbige Bemalung mit floralen<br />

Ornamenten auf weist! Diese Fragmente werden<br />

zu beson ders kostbar ausgeführten, repräsen -<br />

tativen Zimmer fenstern gehört haben, die<br />

vermutlich doch wohl die straßenseitigen<br />

Wohnräume geschmückt haben (Abb. 77).<br />

Ob die Erneuerung dieser Fenster mit der für<br />

das Jahr 1634 überlieferten Explosion des nahe<br />

gelegenen Pulverturms zusammenhängt, ist<br />

zwar nicht zu beweisen, aber immerhin durchaus<br />

möglich. Die Eintragungen im sogenannten<br />

„Land steuerbuch“ schildern eindrucksvoll die<br />

g a n z<br />

erheblichen Gebäudeschäden, von denen auch


Kachelöfen<br />

Die effektive Wärmedämmung der Räume, an<br />

der die gläsernen Fensterscheiben einen erheblichen<br />

Anteil hatten, war der wichtigste Aspekt<br />

des Wohnkomforts. Um ein behaglicheres Raumklima<br />

zu erreichen, waren die Wände der spätmittelalterlichen<br />

bis frühneuzeitlichen Wohnräume<br />

nach Möglichkeit mit Holztäfelungen<br />

versehen. Die wichtigste Quelle der Behaglichkeit<br />

war freilich der wärmende Ofen, um den<br />

herum sich, vor allem natürlich in der kalten<br />

Jahreszeit, das häusliche Leben konzentrierte.<br />

Konkrete Hinweise auf solche Öfen besitzen wir<br />

ebenfalls aus dem Schuttinhalt des Brunnens 1<br />

(Schicht 225 und 188; 17. Jahrhundert) in Form<br />

von zahlreichen tönernen Kachelfragmenten.<br />

Die farbig glasierten und teilweise orna mental<br />

verzierten Kacheln, die im Verlauf des 17. Jahrhunderts<br />

in den Abfallschacht gelangten, gehören<br />

zu mindestens drei verschiedenen Öfen,<br />

die nach einer vermutlich längeren Gebrauchs -<br />

zeit schließlich repariert oder ganz erneuert<br />

werden mussten.<br />

Spätgotische Kachelfragmente<br />

Mehrere Fragmente aus Schicht 225 können<br />

dem Typus der „Nischenkachel“ oder „Halb -<br />

zylinderkachel“ zugewiesen werden. Aus den<br />

verschiedenen Bruchstücken lässt sich eine<br />

hochrechteckige, fleckig braun-grünlich glasierte<br />

Ofenkachel mit spätgotisch ornamentiertem<br />

Vorsatzblatt rekonstruieren. Der Ton ist hellorange,<br />

die Rückseite weist Glasurspritzer und<br />

Ofenschmauchspuren auf. Die Zierplatte zeigt<br />

eine breite Kielbogenverblendung mit gekurvten<br />

Ziernasen. Der Kielbogen wird von einer Volute<br />

mit großer Ziereichel und zwei kleinen,<br />

begleitenden Eicheln gekrönt. In den oberen<br />

Zwickeln ist jeweils ein Rad dargestellt, dessen<br />

Speichen aus kleinen Eicheln gebildet werden.<br />

Der Kielbogen ruht auf zierlichen Rundsäulen,<br />

die durch Knoten profiliert sind und nach unten<br />

zu in einem spatenförmigem Sockel enden<br />

(Abb. 78). Sehr gute Vergleichsstücke für unsere<br />

Kacheln kennt man aus Kölner Fundkomplexen,<br />

die dort in die 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts<br />

datiert werden.<br />

Abb. 78<br />

Nischenkachelfragment<br />

aus Schicht 225,<br />

eine Nischenkachel<br />

aus Köln<br />

53<br />

4,00 cm


Krämerstraße<br />

Abb. 79<br />

Die Herstellung<br />

einer spätgotischen<br />

Nischenkachel<br />

(nach Schietzel 1982)<br />

Nischenkacheln stellte man aus zylinderförmig<br />

gedrehten Tonkörpern her, die mit dem Draht<br />

in Längsrichtung halbiert wurden. Auf diese<br />

Hälften wurden die Vorsatzplatten geklebt, die<br />

in einem einfachen Arbeitsgang auf einem Holzmodel<br />

geformt wurden. In einem abschließenden<br />

Arbeitsgang konnte das mehr oder weniger<br />

komplizierte Durchbruchsmuster mit einem<br />

Messer herausgetrennt werden.<br />

Interessant ist ein kleines Fragment einer grünglasierten<br />

Kachel, die aus Schicht 225 stammt:<br />

erkennbar ist noch der scharf gegratete Giebel<br />

eines baldachinartigen Daches und die Ansätze<br />

eines spätgotisch-vegetabilen Ziermaßwerkes.<br />

Auch für diese Kachel findet sich eine sehr gute<br />

Entsprechung im Kölner Fundstoff des ausgehenden<br />

15. Jahrhunderts. Man möchte annehmen,<br />

dass die infrage kommende Kachel aus ein<br />

und demselben Model stammt – während das<br />

Kölner Exemplar als Nischenzier ein Kölner<br />

Stadtwappen trägt, mag das Düsseldorfer Exemplar<br />

in anderer Weise geschmückt gewesen sein.<br />

Auch für dieses Kachelfragment geht man von<br />

einem zeitlichen Ansatz kurz vor 1500 aus. 32<br />

Vermutlich dürften die vorgestellten Kacheln zu<br />

zwei großen Öfen gehört haben, die aufgrund<br />

der spätgotischen Verzierung in die Zeit kurz<br />

vor 1500 datiert werden können. Allgemein<br />

geht man davon aus, dass die altertümlichen<br />

Nischenkacheln kurz nach 1500 außer Mode<br />

kamen und zunehmend von den flacheren<br />

Blattkacheln ersetzt wurden.<br />

Renaissancezeitliche Kachelfragmente<br />

Von solchen so genannten Blattkacheln wurden<br />

nur wenige Fragmente zusammen mit den<br />

Nischenkacheln im Brunnenschutt der Schicht<br />

225 gefunden. Bei den Blattkacheln handelt es<br />

sich, wie schon bemerkt, um einen jüngeren<br />

Kacheltyp, der in der Zeit des frühen 16. Jahrhunderts<br />

in Gebrauch kam.<br />

Stellt man die lange Lebenszeit von Kachelöfen<br />

in Rechnung, dürften die verschiedenen Kachelformen<br />

durchaus gleichzeitig in Gebrauch<br />

gewesen sein. Es kann also sein, dass im Haus an


der Krämerstraße zumindest zeitweilig zwei<br />

oder mehrere Kachelöfen – ältere im spätgo -<br />

tischen Stil und einer im modernen Renaissancestil<br />

– in Betrieb waren.<br />

Leider ist nur ein größeres Fragment der linken<br />

oberen Ecke einer Kachel erhalten, das gewisse<br />

Rückschlüsse auf die Gesamtform erlaubt:<br />

demnach handelte es sich um eine hochrechteckige,<br />

an den Außenkanten grünglasierten<br />

Blattkachel mit dem Ansatz einer schlicht<br />

profilierten, in kräftigem Blau gehaltenen Rund -<br />

bogenarchitektur. Das innere, tieferliegende<br />

Zierfeld, von dem nur eine kleine Randpartie<br />

erhalten ist, zeigt eine leuchtend gelbe Glasur.<br />

In dem grünglasierten Eckzwickel kniet die<br />

Gestalt eines geflügelten Putto (Abb. 80).<br />

Schon die kontrastreiche Farbglasur der Blattkachel<br />

weist in die Zeit der Renaissance. Diese<br />

Datierung lässt sich wiederum durch Vergleichsstücke<br />

aus der Kölner Altstadt stützen –<br />

eine polychrome Kachel mit dem Porträt einer<br />

vornehmen Dame mit kunstvollem Kopfputz<br />

weist identische Putten in den Zwickeln auf,<br />

sodass man annehmen möchte, die beiden<br />

Kacheln seien in derselben Werkstatt gearbeitet<br />

worden. Als Zeitansatz für Blattkacheln dieser<br />

Form wird das 2. Viertel des 16. Jahrhunderts<br />

erwogen.<br />

Schließlich hat Brunnen 2 des Hauses 19 eine<br />

polychrom glasierte Bekrönungskachel erbracht:<br />

Das trapezförmige Unterteil der Kachel weist<br />

seitlich s-förmige Rankenvoluten auf. Das<br />

Bildfeld ist randlich mit einem Eierstabfries<br />

abgeschlossen. Im Bildfeld selbst ist das<br />

Brustbild einer nach rechts gewandten bärtigen<br />

Männergestalt in antiker Toga – vielleicht eines<br />

Philosophen – dargestellt. Als Bekrönung dient<br />

eine Aedicula mit Dreiecksgiebeln und kleinen<br />

kugelförmigen Akroterien. Zu unserer Bekrö -<br />

nungs kachel, die ursprünglich zu dem dekorativen<br />

oberen Abschluss eines Kachelofens<br />

gehörte, kennt man gute Vergleichsstücke aus<br />

der Kölner Kachelproduktion, die von I. Unger 33<br />

in die Jahre um 1575 datiert werden.<br />

Abb. 80<br />

Renaissancezeitliches<br />

Kachelfragment aus<br />

Schicht 225, eine<br />

Blattkachel aus Köln<br />

55<br />

5,10 cm


Krämerstraße<br />

Einige wenige Ofenkachelfragmente sind an -<br />

schließend auch für Haus 15 zu nennen – aus<br />

der Brunnenverfüllung liegen kleinere Bruchstücke<br />

von grünglasierten Tonkacheln vor, die<br />

zu einer Blattkachel, wenn nicht gar zu mehreren<br />

Blattkacheln gehören. Zu erkennen ist die<br />

Profilansicht nach links eines Männerkopfes,<br />

nach guten Vergleichsstücken zu urteilen der<br />

Darstellung eines Speiseträgers, die vermutlich<br />

in den Jahren zwischen 1550 – 60 in einer Kölner<br />

Werkstatt entstanden ist.<br />

Legt man die erörterten Datierungsansätze<br />

zugrunde, so dürften demnach die Öfen in den<br />

beiden Häusern 15 und 19 über 100 Jahre in<br />

Benutzung gewesen sein, bevor sie im Verlaufe<br />

des 17. Jahrhunderts. erneuert werden mussten<br />

und die Kachelbruchstücke in den Abfallschacht<br />

gelangten. Vielleicht wurden die Öfen<br />

ja auch durch einen in dieser Zeit aufkommenden<br />

gusseisernen Ofentyp ersetzt.<br />

Abb. 81<br />

Fragment einer<br />

Bekrönungskachel<br />

aus Haus 19.<br />

Brunnen 2,<br />

Schicht 962<br />

2,70 cm


Zum Aussehen der spätgotischen Kachelöfen<br />

Die in Schicht 225 aufgeführten altertümlichen<br />

Nischenkachelfragmente gehören vermutlich zum<br />

Aufbau eines hohen Kachelofens, der mit einiger<br />

Sicherheit auf einem gemauerten, feuersicheren<br />

Fundament gestanden hat. Von der Kachelung<br />

des Feuerkastens selbst ist leider nichts erhalten<br />

geblieben. Das Aussehen solcher Kachel öfen<br />

lässt sich anhand einiger heute noch erhaltener<br />

bzw. rekonstruierter Vergleichsstücke erschließen:<br />

wir möchten vermuten, dass unser Ofen einen<br />

ähn li chen Aufbau wie der Kachelofen aus<br />

der Burg von Tata (Ungarn, 2. Hälfte 15. Jahrhundert)<br />

hatte.<br />

Zahlreich sind die Darstellungen von Kachel -<br />

öfen in der Kunst, und stets sind hölzerne<br />

Bänke abgebildet, auf denen man sich bei häuslichen<br />

Arbeiten, etwa bei Nähen und Sticken,<br />

aber auch in den abendlichen Mußestunden<br />

aufwärmen konnte. Noch heute weiß man ja die<br />

behagliche Wärme von Kachelöfen zu schätzen!<br />

Auf alltägliche Hausarbeiten, die man vielleicht<br />

auf der gemütlichen Ofenbank verrichtete, deutet<br />

wiederum ein unscheinbarer Fund aus dem<br />

Brunnenschacht hin: hier fand sich in Schicht<br />

227 (Ende 16., Anfang 17. Jahrhundert) auch<br />

ein kleiner tönerner Spinnwirtel aus Raerener<br />

oder Frechener Produktion.<br />

Der braunglasierte, getigerte Tonwirtel diente<br />

als Schwunggewicht für eine hölzerne Handspindel,<br />

mit der Wollfäden gesponnen wurden.<br />

Es mag durchaus sein, dass diese Hausarbeiten<br />

nicht nur von den jüngeren Mädchen oder<br />

Dienstmägden ausgeführt worden sind – sondern<br />

auch die Hausfrau selbst wird sich mit Spinnen,<br />

Brettchenweben, Nähen und Sticken während<br />

der langen Herbst- und Winterabende die Zeit<br />

vertrieben haben.<br />

Abb. 82<br />

Rekonstruktions versuch<br />

des spätgotischen<br />

Kachelofens aus Haus 19<br />

57


Krämerstraße<br />

Abb. 83<br />

Spielgefäß aus Fayence,<br />

Brunnen 2, Haus 15<br />

2,80 cm<br />

Abb. 84<br />

Braunglasierter<br />

Spinnwirtel aus<br />

Brunnen 2, Haus 15<br />

2,60 cm<br />

Kinderspielzeug:<br />

Spinnwirtel & Miniaturgefäße<br />

Ein auffallend kleiner Spinnwirtel von nur<br />

2,5 cm Durchmesser ist aus den ca. 100 Jahre<br />

jünger datierenden Fundzusammenhängen von<br />

Haus 19, Brunnen 2 überliefert: Aufgrund seiner<br />

geringen Größe möchten wir den Wirtel aus<br />

salzglasiertem, braun-getigertem Steinzeug als<br />

Kinderspielzeug ansprechen. Diese Vermutung<br />

wird durch den Umstand unterstützt, dass<br />

zusammen mit dem Spinnwirtel Bruchstücke<br />

von drei Miniaturgefäßen, die dem normal -<br />

großen, im Alltag verwendeten Gebrauchsgeschirr<br />

des frühen 18. Jahrhunderts exakt nachgebildet<br />

sind.<br />

Ein kleines Tellerchen ist den großen, gegliederten,<br />

schüsselartigen Tellern der Bauernke -<br />

ramik nachempfunden. Das Tellerchen ist<br />

weißtonig und innen gelblich bis olivgrün<br />

glasiert. Der Durchmesser beträgt nur 6 cm<br />

(Abb. 85).<br />

Das zweite Gefäß in Fayence ausgeführt, stellt<br />

eine hochwandige Schüssel dar, die auf dem<br />

Innenboden ein mit Pinselstrichen gemaltes,<br />

kleines Vögelchen zeigt. Der Randdurchmesser<br />

des Schüsselchens beträgt nur 6,2 cm (Abb. 83).<br />

Etwas größer fällt dagegen das dritte Miniaturgefäß<br />

aus (Randdurchmesser 9 cm; Abb. 86).<br />

Wie das eingangs beschriebene Tellerchen besteht<br />

es aus weißtoniger Bauernkeramik mit gelber<br />

Innenglasur. Die durchlochte Wandung weist<br />

das Gefäß als Sieb zur Käseherstellung aus.<br />

Zu allen Zeiten reflektierten die Kinderspiele<br />

die Welt der Erwachsenen und dienten so dem<br />

Erlernen von Verhaltensweisen und Tätigkeiten,<br />

die im späteren Leben beherrscht werden<br />

mussten. Zudem wurden Kinder in der damaligen<br />

Gesellschaft anders gesehen als heute: man<br />

nahm sie als kleine Erwachsene wahr, die sich<br />

ernsthaft auf ihre spätere gesellschaftliche Funktion<br />

vorzubereiten hatten. Das Spiel und häufig<br />

auch die Kinderarbeit stand im Dienste der<br />

Erziehung zum vollwertigen Erwachsenen. Dies<br />

zeigte sich auch in der Kinderkleidung, die sich<br />

nicht wesentlich von der Kleidung der Eltern<br />

unterschied.<br />

Alle die beschriebenen Gegenstände dürfen<br />

vielleicht als Spielsachen eines Mädchens<br />

gedeutet werden, mit deren Hilfe die wichtigsten<br />

hausfraulichen Tätigkeiten spielerisch erlernt<br />

wurden, etwa das Heimwerk des Garnspinnens<br />

und die Beherrschung der verschiedenen Küchen<br />

arbeiten.<br />

Abb. 85<br />

Miniaturteller<br />

2,75 cm<br />

Abb. 86<br />

Spielgefäß aus Fayence,<br />

aus Brunnen 2,<br />

Haus 15<br />

2,70 cm


Abb. 88<br />

Parfumflakon.<br />

Die nähere<br />

Beschreibung<br />

findet sich<br />

auf Seite 107<br />

2,90 cm<br />

Sanitäre Einrichtungen & Körperpflege<br />

Als Folge der verheerenden Pestepedemien des<br />

hohen Mittelalters waren die bis dahin sehr<br />

beliebten öffentlichen Badehäuser von der<br />

Obrigkeit verboten worden; der schlechte Ruf,<br />

der den Badestuben durch tatsächliches oder<br />

vermeintliches unzüchtiges Treiben anhaftete –<br />

und eine intensive Bekämpfung durch die<br />

Kirche nach sich zog –, trug ebenfalls zum<br />

weitgehenden Verbot dieser Einrichtungen bei.<br />

Die individuelle Körperpflege war wieder auf<br />

das eigene familiäre Umfeld beschränkt – der<br />

Holzzuber mit warmem Wasser diente dem<br />

Bade, ansonsten behalf man sich mit Waschschüssel<br />

und Seife. Im Sommer nutzte man<br />

natürlich die Gelegenheit zum vergnüglichen<br />

Bade in Flüssen und Seen.<br />

Waschen, Einölen und Kämmen der Haare<br />

gehörte zur regelmäßigen Körperpflege. Anschließend<br />

salbte man den Körper mit Duftölen<br />

oder verwendete Parfums. Ein kleines Glas flakon<br />

mit Riefenverzierung dürfte zur Aufbewah rung<br />

eines Parfums gedient haben (Abb. 88).<br />

Zu Zeiten des Barock galt die Verwendung des<br />

Wassers bei der Körperpflege in höfischen<br />

Kreisen bekanntlich als Ausdruck bäuerlicher<br />

Sitten – man behalf sich vielfach mit gepuderten<br />

Perücken, Schminke und Duftwässerchen.<br />

Aus den Düsseldorfer Grabungen kennen wir<br />

außerdem einige Haarkämme, die aus Knochenscheiben<br />

mit doppelseitig sehr fein ausgesägten<br />

Zähnen gearbeitet sind. Solche besonders feinen<br />

Kämme dienten dazu, Flöhe und andere Para siten<br />

auszukämmen. Mit kleinen Haarnadeln konnte<br />

die Frisur oder eine Perücke festgesteckt werden.<br />

Haupthaar und Bart konnte man beim Barbier<br />

scheren lassen, dem oft auch die Rolle des Baders<br />

zukam: Zähne reißen, Schröpfköpfe setzen und<br />

klei nere chirurgische Eingriffe wurden hier am -<br />

bu lant, oft mehr schlecht als recht vorge nommen.<br />

Abb. 87<br />

Knochenkamm<br />

und Haarnadeln<br />

2,60 cm (Kamm)<br />

3,20 cm (Nadeln)<br />

Abb. 89<br />

Vornehme Dame<br />

im Badezuber.<br />

Nach einer<br />

mittelalterlichen<br />

Zeichnung<br />

59


Krämerstraße<br />

Abb. 90<br />

Nachttopf mit<br />

Relief auflagen.<br />

1. Hälfte 17. Jahrhundert<br />

5,00 cm<br />

Besser ausgestattete Bürgerhäuser besaßen Aborte<br />

mit gemauerter Sickergrube, die von Zeit zu Zeit<br />

von speziellen Lohnarbeitern geleert wurden.<br />

Manche Kloaken waren mit Holz brettern ausgeschalt<br />

und entsprechend undicht. Gerade in<br />

den dichtbesiedelten Städten konnten so die aussickernden<br />

Abwässer zu nahe angelegte Trinkwasserbrunnen<br />

verseuchen.<br />

Bereits im späten Mittelalter war man sich<br />

durchaus des Zusammenhanges zwischen Trink -<br />

wasserverseuchung und auftretenden Krankheiten<br />

bewusst, wenn man auch die Einzelheiten<br />

noch nicht wissenschaftlich erfassen konnte:<br />

zahlreiche Städte besaßen Gesetzesvorschriften<br />

für Mindestabstände zwischen Jauchegruben<br />

und Brunnen, Zuwiderhandlungen konnten<br />

empfindlich bestraft werden.<br />

Die Frage der Aborte und der Sickergruben<br />

wird in der Düsseldorfer Polizeiordnung von<br />

1557 penibel genau geregelt: „... kein heimlich<br />

Gemach (= Abort) ... soll nach der Straße oder<br />

öffentlichen Plätzen liegen oder überhängen,<br />

sondern wer keinen Pütz (= Senkgrube) dazu<br />

machen will, soll die heimlichen Gemächer<br />

inwendig auf seinem Miste oder Hofplatz, wo es<br />

ihm am besten gelegen ist, aber doch dermassen<br />

anlegen, dass den nächsten Nachbarn damit keinen<br />

Gestank bereite, auch ihnen an ihren Gebäuden<br />

und Mauern daraus kein Nachteil entstehe.“<br />

Leider konnten in den rückwärtigen, von den<br />

Gra bungen nur ausschnittweise erfassten Hof-<br />

bereichen der Häuser 15 und 19 keine Kloakengruben<br />

nachgewiesen werden. Am ehesten<br />

wird man aber hier die „heimlichen Gemächer“<br />

vermuten dürfen. Infrage kommt auch eine<br />

Entsorgung in Richtung Fluss, etwa über eine<br />

Abwasserrinne in Form einer zweischaligen<br />

Holz wasserleitung, wie sie im Bereich des<br />

Unteren Werftes nachgewiesen werden konnte.<br />

Jedenfalls durften nach den bestehenden Vorschriften<br />

keine Aborte in den oberen Etagen der<br />

Wohnhäuser angelegt werden, die über einen<br />

Fallschacht die Fäkalien einfach in eine Kloaken -<br />

grube entsorgten, wie dies noch im Mittelalter<br />

gang und gäbe war. Ausdrücklich werden in der<br />

Polizeiordnung schmale Gassen zwischen Wohnhäusern<br />

verboten, damit „... allerhand Unreinig -<br />

keit vermieden werde.“<br />

Abb. 91<br />

Querschnitt durch eine<br />

Holzwasserleitung vom<br />

Unteren Werft.<br />

17. Jahrhundert<br />

25,00 cm


Fastenzeit & Tafelfreuden<br />

Auch in dem Haushalt eines wohlhabenden<br />

Mannes war im Alltag durchaus einfache Kost<br />

die Regel. Zudem ist zu bedenken, dass der<br />

Kalender zahlreiche Fastentage kannte, etwa die<br />

Fastenperiode von Aschermittwoch bis Kar -<br />

freitag, deren Einhaltung nicht nur von den<br />

Klerikern, sondern auch von den gottesfürch -<br />

tigen Laien erwartet wurde.<br />

Umso ausgiebiger wurde an den Feier- und Festtagen<br />

getafelt: besonders die offiziellen Feste des<br />

Hochadels und des hohen Klerus, etwa Krönungen,<br />

Konzile und Hochzeiten, bei denen man<br />

auch das einfache Volk bewirtete, wur den mit<br />

großem Aufwand ausgerichtet. Noch heute sind<br />

solche mehrtägigen Fest lich kei ten – wie etwa<br />

die „Düsseldorfer Fürstenhochzeit von 1585“ –<br />

für ihre Üppigkeit sprich wörtlich.<br />

Natürlich verstanden nicht nur die Düsseldorfer<br />

Adeligen, sondern auch die Kaufleute und<br />

Hofbeamten zu feiern, wenn es galt, mit einem<br />

Festmahl Personen von Rang oder Geschäftspartner<br />

zu bewirten.<br />

Zur Bewirtung der Gäste wurde bei einem<br />

Festmahl Personal benötigt, das die Tafelnden<br />

bediente, Speisen auftrug und Getränke nachschenkte.<br />

Für ganz besondere Anlässe konnte<br />

man einen Mundschenk für den Wein oder<br />

sogar einen Tranchiermeister engagieren, der die<br />

Bratenstücke und Geflügel kunstvoll am Tisch<br />

zerlegte und den Gästen mund gerechte Bissen<br />

vorlegte. Manchmal wurde die Tafel gesellschaft<br />

auch mit Musik unterhalten; jedoch blieben<br />

solch aufwändige Veranstaltungen meist auf<br />

die adeligen Hofhaltungen begrenzt – wie<br />

die Düsseldorfer Residenz: hier konnten zur<br />

Erbauung der Gäste sogar Possenreißer, Tänzer<br />

und Akrobaten aufgeboten werden!<br />

Jedoch auch der wohlhabende Schultheiß<br />

Caspars wusste bei besonderen Anlässen, eine<br />

geschmückte Tafel mit dem prächtigen Geschirr<br />

und wertvollen Trinkgläsern zu präsentieren und<br />

aufzutischen, was Küche und Keller hergaben.<br />

Ein Haushalt wie der des Schultheißen verfügte<br />

über ein ganzes Arsenal von prächtigen Tischgefäßen,<br />

die bei Festen als Tafelgeschirr dienen<br />

konnten: Schenkkannen aus Ton, Zinn oder<br />

Silber sowie entsprechende Servierplatten,<br />

Schüsseln und Pokale wurden in der guten<br />

Stube, in der man die Gäste empfing, auf<br />

Regalen und Buffets stolz präsentiert.<br />

Noch in das 15. Jahrhundert kann das Fragment<br />

eines „Kuttrolf“ (Abb. 157) datiert werden – eine<br />

kleine, dünn wandig ausgeblasene und bauchige<br />

Flasche, die sich durch einen aus zwei Glasröhren<br />

gebildeten Hals und eine schälchenförmige<br />

Mündung auszeichnet. Solche zerbrech lichen,<br />

deko rativen Gläser dienten dem effektvollen<br />

Aus schenken von edlem Wein oder Weinbrannt<br />

bei Tisch. Bei feuchtfröhlichen Trinkgelagen<br />

kamen Scherzgefäße, so genannte „Vexiergefäße“<br />

zum Einsatz. Ein solcher Schenk krug mit drei<br />

nebeneinander liegenden Ausgüssen, mit denen<br />

man gleich drei Zechern auf einmal nach -<br />

schenken konnte, fand sich in dem verfüllten<br />

Brunnenschacht 2. Das Gefäß entstammt einer<br />

Siegburger Töpferwerkstatt des späten 16. Jahrhunderts<br />

(Abb. 97).<br />

Abb. 92<br />

Spätmittelalterliche<br />

Darstellung einer<br />

Tafelgesellschaft.<br />

Eine gebra tene Ente<br />

wird vom Hausherren<br />

tranchiert und sogleich<br />

den Gästen vorgelegt.<br />

Vor den Schmausenden<br />

liegen jeweils ein runder<br />

Brotsemmel, Brettchen,<br />

Tafelmesser sowie ein<br />

gläserner Trinkbecher<br />

Abb. 93<br />

Reich verzierter<br />

Knochengriff eines<br />

Tischmessers<br />

61<br />

3,40 cm


Krämerstraße<br />

Abb. 94<br />

Kleiner Fayenceteller<br />

mit Hahnenkampf-Motiv<br />

3,85 cm 6,15 cm<br />

Teure Trinkgläser gehörten ebenfalls zu der<br />

festlich gedeckten Tafel, so etwa Nuppen- und<br />

Stangengläser, Weinkelche mit profiliertem<br />

Balusterschaft oder sogar kunstvoll geformte,<br />

mehrfarbige Flügelgläser aus den weltbekannten<br />

venezianischen Glashütten. Auch aus dem<br />

Haushalt des reichen Schöffen Schepperus<br />

(Haus 15) haben sich Reste solcher exquisiten<br />

Gläser erhalten: ein Fragment eines Balusterschaftes<br />

aus klarem Glas zeigt im Inneren eine<br />

<strong>Doppel</strong>helix aus je einem feinen weißen und<br />

roten Glasfaden auf. Dieses ursprünglich prunkvolle<br />

Trinkgefäß – wohl ein Flügelglas – datiert<br />

um die Mitte des 17. Jahrhunderts (Kapitel<br />

„Hohlglas“).<br />

Begehrt und teuer war in der Barockzeit auch<br />

prächtig bemaltes chinesisches Porzellan, das<br />

über den Orienthandel der niederländischen<br />

Kaufleute an den Niederrhein gelangte. Schon<br />

bald wurde die große Nachfrage nach solchen<br />

„Chinoiserien“ durch einheimische Produkte<br />

befriedigt: zwar gelang es noch nicht, hochwertiges<br />

Porzellan herzustellen – man begnügte sich<br />

mit der Umsetzung orientalischer Motive auf<br />

Fayencegeschirr. Besonders in der Region um<br />

Delft in den Niederlanden entstanden Manufakturen,<br />

die qualitativ hochwertige Fayencen<br />

mit typischer blauer Pinselbemalung herstellten<br />

und weithin verhandelten.<br />

Reste von mehr als einem Dutzend Fayence -<br />

gefäßen, darunter mehrere nach chinesischer<br />

Art bemalter Teller, fanden sich im Schutt des<br />

Brunnen 2 von Haus 19. Ein großes Exemplar<br />

zeigt zwei Vögel und einen Schmetterling an<br />

einem von üppigem Pflanzenwuchs umgebenen<br />

Seeufer (Abb. 95). Auf dem Boden trägt der<br />

Teller die Herstellermarke D:Paxx, die eine<br />

Herkunft aus dem Töpferatelier De Paeuw in<br />

Delft vermuten lässt und eine Datierung in die<br />

Jahre um 1710 erlaubt. 34<br />

Abb. 95<br />

Fayenceteller mit<br />

blauer Pinselbemalung


Drei kleinere Fayenceteller zeigen im Spiegel<br />

des Innenbodens den Kampf zweier Hähne,<br />

flankiert von zwei kleineren Vögeln. Auf dem<br />

Boden eines Tellers findet sich eine einfache<br />

Pinselsignatur aus den übereinander gestellten<br />

Zahlenzeichen 1 und 4 (Abb. 94).<br />

Erschwinglicher als die exotischen Fayenceteller<br />

waren die glasierten, häufig farbig bemalten<br />

Teller und Schüsseln der Irden- und Hafnerware,<br />

die ab dem 17. Jahrhundert zunehmend<br />

in den Fund komplexen der Düsseldorfer Alt -<br />

stadt grabung vertreten ist.<br />

Zum eher alltäglichen Tafelgeschirr gehören<br />

Keramiken aus der ältesten Füllschicht von<br />

Brunnen1 (Schicht 240), die in die Renais sance-<br />

Epoche zu datieren ist. Prächtig verziert ist ein<br />

weißtoniger, schlank-konischer Humpen, eine so<br />

genannte „Schnelle“ (Abb. 96). Das Trinkgefäß<br />

zeigt drei plastisch aufgelegte Wappen felder,<br />

wobei das mittlere Zierfeld das königlich-<br />

englische Wappen zeigt.<br />

Abb. 96<br />

„Schnelle“ mit<br />

königlich-englischem<br />

Wappen<br />

63<br />

2,70 cm


Krämerstraße<br />

Abb. 97<br />

Vexiergefäß<br />

aus Brunnen 2,<br />

helles Steinzeug,<br />

salzglasiert<br />

3,40 cm<br />

Wie der Vergleich der Ziermodeln erweist,<br />

stammt die Schnelle aus der Werkstatt des Siegburger<br />

Töpfers Hans Hilgers, der sein Steinzeug<br />

im ausgehenden 16. Jahrhundert produzierte.<br />

Solche Gefäße wurden bei Tisch als Bierhumpen<br />

verwendet, dementsprechend besitzen zahlreiche<br />

der in Museen und Sammlungen erhaltenen<br />

Gefäße dieser Form einen Klappdeckel aus Zinn.<br />

Wein oder auch Branntwein trank man dagegen<br />

aus den kleineren Trichterhalsbechern, von<br />

de nen man ebenfalls mehrere sehr qualitätvolle<br />

Exemplare in den untersten Brunnensedimenten<br />

fand. Die Steinzeugbecher stammen wie die<br />

Schnelle aus einer Siegburger Töpferei. Verziert<br />

sind die Gefäße mit runden, modelgepressten<br />

Schmuck me daillons: eines zeigt einen behelmten


Abb. 98<br />

Medaillon mit<br />

dem Bildnis eines<br />

römischen Kaisers<br />

1,60 cm<br />

Abb. 100<br />

Trichterhalsbecher mit<br />

Medaillonauflage<br />

5,60 cm<br />

Römer kopf mit der Umschrift „Titus“ (Abb. 98),<br />

zwei Becher zeigen religiöse, biblische Motive,<br />

etwa einen Prediger mit Kreuz und Messkelch<br />

(Abb. 99). Neben den stets aktuellen biblischchristlichen<br />

Bildzitaten waren in der Renaissance-<br />

Epoche die klassisch-antiken Motive sehr<br />

beliebt, man schätzte die griechisch-römische<br />

Mythologie und die Darstellung der antiken<br />

Sagen- und Götter gestalten: Zahlreich sind daher<br />

die allegorischen Darstellungen auf Keramik,<br />

Textilien und zeitgenössischer Gemäl dekunst<br />

und Plastik, aber auch die Körperpanzer und<br />

Helme der Kriegsleute waren sehr häufig nach<br />

„antiker Art“ ausgeschmückt. Antikisierende<br />

Motive waren weiterhin, wie wir gesehen haben,<br />

bei der Verzierung der renaissancezeitlichen<br />

Kachel öfen sehr beliebt.<br />

Im Gegensatz zu den medaillongeschmückten<br />

Trinkbechern ist eine schlichte, aber qualitätvoll<br />

gearbeitete Siegburger Henkelkanne als Schenkgefäß<br />

verwendet worden. Mit einer solchen<br />

Steinzeugkanne wurde im Vorratskeller der<br />

Wein aus den großen Holzfässern abgezapft und<br />

in den Speiseraum getragen.<br />

Abb. 99<br />

Medaillon mit<br />

religiösem Motiv<br />

65<br />

1,60 cm


Krämerstraße<br />

Abb. 101<br />

Tonnenförmiges<br />

Salzfässchen<br />

aus Schicht 240<br />

4,30 cm<br />

Die Tafel<br />

Der Esstisch, die „Tafel“, bestand in der Frühzeit<br />

aus einer Tischplatte oder Holzbrettern, die auf<br />

mehr oder weniger kunstvoll gestaltete Böcke<br />

gelegt wurden. Entsprechend problemlos ließ<br />

sich nach dem Mahl „die Tafel aufheben“, also<br />

kurzerhand abräumen und hinaustragen.<br />

Der Tisch war mit einer Tischdecke bedeckt<br />

und bei besonders feierlichen Anlässen reich<br />

geschmückt, besonders im Barock (17. Jahrhundert)<br />

kamen Tafelaufsätze in Mode, auf<br />

denen die aufgetragenen Speisen präsentiert<br />

wurden. Auch die Speisen selbst konnten<br />

kunstvoll geschmückt werden, z. B. mit Zierrat<br />

aus Schmalz und Gelee oder aber mit Federn,<br />

Blattgold und schön gearbeiteten Zierspießchen.<br />

Kerzenleuchter, Mostrich-, Salz- und Pfeffertöpfchen<br />

sowie Zucker- bzw. Honiggefäße<br />

gehörten ebenfalls auf den Tisch. Aus dem<br />

archäologischen Fundgut etwa ist ein solches<br />

kleines tönernes Salzfässchen überliefert, das mit<br />

seinem gedrungen-tonnenförmigen Bauch und<br />

vier kurzen Standbeinen formal an ein Schweinchen<br />

errinnert.<br />

Zur Grundausstattung für das gemeinsame Mahl<br />

gehörte ein Holzbrett, rund oder rechteckig, mit<br />

oder ohne Saftrinne – wie sie ganz ähnlich auch<br />

heute noch als Frühstücks- oder Jausenbrettchen<br />

üblich sind. Im ausgehenden Mittelalter konnten<br />

auch Brotscheiben als Unterlagen für die<br />

Fleischportionen dienen. Man konnte so das<br />

bratensaftgetränkte Brot gleich mitverzehren<br />

oder aber, was nicht selten vorkam, im Anschluss<br />

an das Essen an Bettler abgeben. Ab dem<br />

16. Jahrhundert kommen zunehmend Zinnteller<br />

in Gebrauch, und in einem gut ausgestatteten<br />

Haushalt, wie Krämergasse 19, dürften solche<br />

Teller mit einiger Sicherheit zum Tafelgeschirr<br />

gehört haben. Im 17. und 18. Jahrhundert<br />

waren in chine sischer Manier bemalte Fayenceteller<br />

in Mode und sind, wie wir weiter oben<br />

bereits gesehen haben, in einiger Anzahl in der<br />

Krämerstraße ausgegraben worden.<br />

Das Essbesteck<br />

Als Essbesteck waren ein Löffel und ein Tafelmesser<br />

unentbehrlich und gehörten daher zum<br />

persönlichen Besitz eines jeden. Unter einem<br />

„Besteck“ verstand man ein Messer im Lederfutteral,<br />

in dem zusätzlich ein bis zwei kleinere<br />

Tafelmesserchen „steckten“. Zuweilen war in<br />

dem Futteral auch ein kleiner eiserner Pfriem<br />

mit Griff untergebracht, mit dem man Fleischstücke<br />

aus der heißen Brühe aufspießen konnte<br />

und der nach der Mahlzeit auch als Zahnstocher<br />

verwendet werden konnte.<br />

Das Tischmesser war deutlich kleiner als das am<br />

Gürtel getragene dolchartige Messer, das zwar<br />

auch beim Essen zum Einsatz kommen konnte,<br />

eigentlich aber eher zu Verteidigungszwecken<br />

diente. Anders als heute war es allgemein üblich,<br />

die Speisen mit der Messerspitze zum Munde<br />

zu führen. Spezielle Tischmesser mit verziertem


Griff sind auch aus der Düsseldorfer Grabung<br />

mehrfach belegt, zwei Messerchen stammen<br />

sogar aus dem Brunnenschacht von Haus 19: das<br />

eine Messer (Abb. 102) besitzt Griffplatten aus<br />

Hirschhorn und scheint an Heft und Klinge<br />

noch ankorrodierte Reste der Lederscheide<br />

bewahrt zu haben. Von dem zweiten Messer hat<br />

sich nur der zierliche Vollgriff aus Knochen<br />

erhalten, der durch rautenförmige Zierkerben<br />

und ein dreifach durchbohrtes, kleeblattartig gestaltetes<br />

Ende geschmückt ist. Vielleicht war hier<br />

ein Quast anzuhängen, mit dem man sich bei<br />

Tisch die Hand abwischen konnte. Die Messer<br />

dürften nach dem Fundzusammenhang in das<br />

ausgehende 16. Jahrhundert zu datieren sein.<br />

Der Löffel diente zum essen von Breien, Brühen<br />

und Suppen. Mit ihm nahm man sich aus den<br />

großen Servierschüsseln und bediente sich bei<br />

den aufgetragenen Speisen. Häufig war der<br />

Löffel aus Holz geschnitzt, besaß eine runde<br />

Laffe und einen kurzen Griff, der in einem<br />

verdickten oder umgebogenen Ende auslief und<br />

bei manchen Löffeln kunstvoll gestaltet sein<br />

konnte. Einfache, aus Holz geschnitzte Löffel<br />

waren billige Massenwaren, die bei Verlust oder<br />

Beschädigung leicht zu ersetzen waren – sicher<br />

ist dies der Grund für den Umstand, dass solche<br />

Löffel in historischen Haushalts aufzählungen<br />

und Inventaren zumeist keiner Erwähnung für<br />

wert befunden werden. Seltener, aber durchaus<br />

üblich waren Löffel aus Horn, später aus Zinn,<br />

wertvolle Exemplare waren auch in Silber ausgeführt.<br />

Seinen Löffel führte man, wie das Messer, stets<br />

mit sich: in einem Beutelchen am Leibgurt oder<br />

wie auf spätmittelalterlichen Darstellungen von<br />

Bauern zu sehen, gar an die Mütze oder den<br />

Hut gesteckt!<br />

Die Gabel war bei Tisch im ausgehenden Mittelalter<br />

und in der Renaissancezeit nur sehr selten<br />

in Gebrauch, und wenn, dann zunächst als<br />

extravagantes Accessoire von höchsten Adelsoder<br />

Klerikerkreisen. Entsprechend sind die<br />

erhaltenen Exemplare ausnahmslos prunkvoll<br />

verziert und aus kostbaren Materialien gearbeitet.<br />

Mit den zweizinkigen Gäbelchen aß man<br />

vorzüglich „süßes Geschlecks“, also klebrig honigsüße<br />

Nachspeisen und kan diertes Obst.<br />

In den Normalhaushalten war der Gebrauch von<br />

Speisegabeln freilich ganz und gar unüblich und<br />

wurde auch von der Kirche abgelehnt, da man in<br />

der Gabel ein „Instrument des Teufels“ sah – bekannt<br />

ist der Ausspruch Martin Luthers aus dem<br />

Jahre 1518 „... Gott bewahr mich vor Gäbel chen!“.<br />

Mit der Veränderung der Koch- und Ess ge -<br />

wohnheiten, besonders mit dem Zunehmen<br />

von heiß servierten Gemüsespeisen, kamen Ess -<br />

ga beln mit geraden oder gebogenen Zin ken im<br />

17. Jahrhundert jedoch zunehmend in Gebrauch.<br />

Abb. 102<br />

Ein Tischmesser<br />

aus dem nördlichen<br />

Brunnen der<br />

Krämerstraße 19,<br />

Schicht 240<br />

67<br />

3,00 cm


Krämerstraße<br />

Abb. 103<br />

Weinbecher „Römer“,<br />

spätes 16. Jahrhundert<br />

2,50 cm<br />

Tischsitten<br />

„Wer chan mässichait nit hat weder an trinken,<br />

noch an speis der selb mag nimmer werden weis!“<br />

Hans Vintler, Blumen der Tugend (1411)<br />

Noch im 16. und 17. Jahrhundert war es in<br />

Mitteleuropa gang und gäbe, seine Mahlzeiten<br />

mit den bloßen Händen und unter Zuhilfenahme<br />

des Tischmessers zu sich zu nehmen. Dennoch<br />

gab es durchaus Regeln für das richtige und<br />

höfliche Benehmen bei Tisch, die so genannten<br />

„Tischzuchten“ 35:<br />

Zur Vorbereitung auf das Mahl gehörte es<br />

sich, die Kleidung und vor allem die Hände<br />

zu reinigen. Bei Gastmählern gingen daher<br />

Bediens tete mit Wasserkannen, Becken und<br />

Handtüchern reihum und boten den Gästen<br />

Gelegenheit zur Handwaschung – eine Tradition,<br />

die bis in die griechisch-römische Antike<br />

zurückreicht.<br />

Der Gastgeber beginnt die gemeinsame<br />

Mahlzeit mit einem Tischgebet. Er ist es auch,<br />

der mit dem ersten Bissen das Essen eröffnet<br />

– erst dann ist es schicklich, den ersten Schluck<br />

Wein zu sich zu nehmen! (Abb. 103/104).<br />

Trank der Hausherr einem Gast zu, so war es<br />

grob unhöflich, den Trunk zu verweigern. Die<br />

Sitte des zutrinkens oder „röhmens“/„rühmens“<br />

(daher die Bezeichnung „Römer“ für eine<br />

bestimmte Weinglasform – der Name hat mit<br />

den antiken Römern nichts zu tuen!) konnte<br />

exzessive Züge annehmen, weswegen die<br />

Kirche die Unsitte zu verbieten suchte.<br />

Als ungehörig wird es empfunden, aus den<br />

Schenkgefäßen zu trinken oder – wenn man<br />

sich das Glas oder den Becher mit einem<br />

Tischnachbarn zu teilen hatte – mit fettigen<br />

Lippen daraus zu trinken.<br />

Da die Höflichkeit gegenüber dem Gast geber<br />

es gebietet, von jedem der z. T. zahlreichen<br />

Gänge der Speisefolge zu kosten, wird dringend<br />

angeraten, jeweils nur eine bescheidene<br />

Portion zu nehmen.<br />

Es gilt als unschicklich, seine Fleisch- oder<br />

Brotstücke direkt in die Soße oder die Salz-<br />

und Pfeffergefäße zu tunken.<br />

Tadelnswert ist es auch, unflätig zu rülpsen,<br />

sich in das Tischtuch zu schneuzen oder das<br />

Messer am Stiefel abzuwischen.


Auch sich bei Tisch zu kratzen, zu spucken<br />

oder die Finger abzulecken galt als durchaus<br />

unfein. Die Knochen solle man nicht abnagen,<br />

sondern sein Messer zuhilfe nehmen. Durchaus<br />

erlaubt war es jedoch, die abgegessenen<br />

Knochen unter den Tisch fallen zu lassen,<br />

jedoch nur unter den eigenen Sitzplatz und<br />

ohne durch einen unbedachten Wurf einen<br />

Tischnachbarn zu verletzen!<br />

In der Renaissancezeit kamen in Kreisen der<br />

„besseren Gesellschaft“ Mundtücher und Servietten<br />

in Mode, mit denen man sich bei Tisch<br />

Mund und Hände abwischen konnte. Das<br />

Mundtuch konnte man während des Mahles<br />

über die Schulter oder den linken Arm legen.<br />

Der Speisezettel<br />

Aus den untersten drei Schuttschichten des verfüllten<br />

Brunnenschachtes 1 im Keller des Hauses<br />

19 stammen eine ganze Anzahl Tierknochen,<br />

die als Küchenabfall zu bezeichnen sind. Die<br />

Analyse des Knochenmaterials erbrachte inte -<br />

ressante Details hinsichtlich des Fleischver -<br />

brauches eines wohlhabenden Haushaltes des<br />

16. und 17. Jahrhunderts.<br />

Tierknochen aus Brunnen 1,Schicht 240<br />

Die meisten Knochen stammen aus der unters -<br />

ten Schicht 240, deren Fundstücke in die<br />

2. Hälfte/Ende des 16. Jahrhunderts zu datieren<br />

sind. Gefunden wurden hier erwartungsgemäß<br />

Reste von Rind, Kalb (Schlachtalter unter<br />

6 Monaten) und Schwein. In einiger Menge<br />

fanden sich Hühnerknochen, darunter auch Extremi<br />

täten knochen von ausgewachsenen Hähnen.<br />

Auch Gans und Ente standen auf dem<br />

Speisezettel, ebenso Wildvögel – kleine Flügelknochen<br />

aus Schicht 240 könnten zu einer<br />

Schnepfe gehören, die auch heute noch zu den<br />

seltenen und teuren Delikatessen zählt.<br />

Daneben ist im Abfall auch Fisch nachweisbar:<br />

zahlreiche große Wirbelknochen deuten auf den<br />

häufigen Verzehr von Flussfischen (wie etwa<br />

Hecht) und Seefisch hin (wie etwa Dorsch);<br />

letzterer könnte auch in Form von Stockfisch<br />

(getrockneter Kabeljau) in der Küche verarbeitet<br />

worden sein.<br />

Nur vergleichsweise wenige Knochen weisen<br />

Schlachtspuren auf. Einige verbrannnte Kno -<br />

chen reste dürften zusammen mit der Herd asche<br />

in den Abfallschacht gelangt sein. An den Knochenresten<br />

eines fötalen Kalbes konnten Nagespuren<br />

vom Hundegebiss nachgewiesen werden:<br />

wahrscheinlich diente ein totgeborenes Kalb als<br />

Futter für die Haushunde.<br />

Abb. 104<br />

„Römer“ aus dunkel -<br />

grünem Waldglas,<br />

um 1600<br />

69<br />

2,50 cm


Krämerstraße<br />

Abb. 105<br />

Eine Darstellung aus<br />

dem Kochbuch des<br />

Platina (1542) zeigt<br />

„allerley Geflügel“<br />

Schließlich fanden sich noch die Knochenreste<br />

einer Ratte, des stetigen Begleiters des Stadtmenschen.<br />

Von katastrophalen Notzeiten einmal<br />

abgesehen, standen Ratten jedoch nicht auf<br />

der Speisekarte. Unser lästiger Nager wurde<br />

vermutlich in Küche oder Keller als Schädling<br />

erlegt und im Brunnenschacht entsorgt.<br />

Tierknochen aus Schicht 227<br />

Die Funde dieser Schuttschicht gehören ganz<br />

an das Ende des 16. und in die ersten Jahrzehnte<br />

des 17. Jahrhunderts. Rind und Schwein<br />

sind wiederum belegt, ebenso Huhn und Gans.<br />

Wenige Wirbelknochen stammen wieder von<br />

großen Fluss- und Seefischen.<br />

Auf den Genuss von Wildtieren deuten Kanin -<br />

chen knochen hin. Kaninchen und Hasen waren<br />

begehrte und – verglichen etwa mit dem äußerst<br />

beliebten Brathuhn – teure Lebensmittel.<br />

Auffallenderweise zeigen die Knochen zahl -<br />

reiche Schlachtspuren, zerhackte Knochen und<br />

Schnitt marken. Auch tauchen im Fundmaterial<br />

verschie dene Kälberknochen mit deutlichen<br />

Spuren von Hundeverbiss auf.<br />

Tierknochen aus Schicht 225<br />

Schuttschicht 225 dürfte aufgrund der Keramik<br />

etwa in die Jahre um 1650 zu stellen sein.<br />

Die Knochenauswahl entspricht in etwa<br />

derjenigen der vorausgehenden Schichten. Rind,<br />

Schwein, Kaninchen, wenig Huhn, wenig Fisch<br />

sind vertreten – neu ist der Beleg eines Schafes,<br />

das im Alter von 6 Monaten bis 2 Jahren geschlachtet<br />

worden war.<br />

Auch an diesem Knochenmaterial konnten<br />

zahlreiche Schlachtspuren festgestellt werden,<br />

u. a. Schnittspuren an den Hinterfußknochen<br />

(Fersen- und Rollbein) eines Schweines, wie sie<br />

beispielsweise auftreten, wenn man das getötete<br />

Tier zum Auswaiden und Zerlegen an ein<br />

Gestell oder eine Leiter aufhängte, wie dies alte<br />

und heute noch geübte Metzgerpraxis ist.<br />

Insgesamt überrascht bei der Zusammensetzung<br />

der Speisereste das seltene Auftreten von<br />

Wildpret. Sicherlich wird man jedoch für die<br />

Bewohner des Hauses 19 voraussetzen dürfen,<br />

dass sie Hirsch, Reh und Wildschwein – um nur<br />

einige Beispiele zu nennen – zu schätzen wussten<br />

und sich den Verzehr dieser Wildtiere gewiss


Abb. 106<br />

Einige Holzfässer<br />

werden mit gepökelten<br />

Salzheringen gefüllt.<br />

Nach einer mittelalterlichen<br />

Darstellung<br />

finanziell leisten konnten und tat sächlich auch<br />

gelegentlich geleistet haben!<br />

Geflügel<br />

Das Federvieh war in der Küche des 16.–18.<br />

Jahrhunderts außerordentlich beliebt, beson ders<br />

Hühner, Hähne oder gar Kapaune (kastrierte,<br />

gemästete Junghähne) wurden häufig zubereitet.<br />

Darüber hinaus schätzte man eine Vielzahl von<br />

Wild- und Singvögeln, denen man mit Leimruten<br />

und Stellnetzen nachstellte: Goldammern,<br />

Dohlen, Perlhühner, Wachteln, Schnepfen,<br />

Wildenten und Gänse, ja gelegentlich sogar<br />

Schwäne, Pfauen und Kraniche fanden den<br />

Weg auf die Tafeln der reichen Familien.<br />

Ein unverzichtbarer Bestandteil der Küche war<br />

das Hühnerei. Eierspeisen standen vor allem<br />

während der Fastenzeit häufig auf dem<br />

Küchenzettel, mit Eiern bereitete man zahlreiche<br />

Vorspeisen und auch die beliebten Pfannkuchen.<br />

Durch Eier erhielten Pasteten und Füllmassen<br />

ihre Bindung und schließlich waren sie zur<br />

Zubereitung von allerlei Gebäck und Süßspeisen<br />

unerläßlich.<br />

Fische<br />

Wie die Funde von Wirbelknochen und Gräten<br />

aus Brunnen 1 deutlich gezeigt haben, spielte<br />

Fisch eine wichtige Rolle bei der täglichen<br />

Ernährung, besonders aber an den Freitagen<br />

und natürlich während der kirchlichen Fastenperioden.<br />

Die Märkte der Stadt belieferten die<br />

Haushalte mit frischen, gesalzenen und getrock -<br />

neten Seefischen, aber auch mit einer reichen<br />

Palette von Flussfischen (Fischereikapitel, S. 148).<br />

Der Fischhändler<br />

Die sauberen Flüsse, vor allem der Rheinstrom<br />

lieferte Hechte, Barsche, Aale, Neunaugen,<br />

Äschen, Forellen, Lachse und Hausen – letzterer<br />

zählt zu einer Störart, dessen getrocknete<br />

Schwimm blase in alter Zeit als Geliermittel in<br />

der Küche Verwendung fand. Wie schon das<br />

Landsteuerbuch von 1632 berichtet, hatten sich<br />

die Fischer und Fischhändler insbesondere in<br />

der Nähe des „Alten Hafens“ niedergelassen.<br />

So sind für das 17. Jahrhundert am Rheinort<br />

und in der Rheinstraße nicht weniger als sieben<br />

Fischhändler belegt.<br />

Abb. 107<br />

Fischgerichte aus:<br />

„Schachtaffeln<br />

der Gesundheit ...<br />

verteuscht durch<br />

Mich(ael) Hew“,<br />

Straßburg 1533<br />

71


Krämerstraße<br />

Obst & Gemüse<br />

In den privaten Gärten und auf den Märkten<br />

der Stadt konnte man sich mit verschiedenen<br />

Gemüsen versorgen. Beliebt waren Zwiebel und<br />

verschiedene Lauchpflanzen sowie zahlreiche<br />

Kohlsorten, die frisch zubereitet oder als Sauerkraut<br />

haltbar gemacht wurden. Hülsenfrüchte<br />

wie Erbsen, Linsen und Bohnen konnten getrocknet<br />

unbegrenzte Zeit aufbewahrt werden<br />

und waren ein wichtiger Lieferant für Kohlenhydrate<br />

in Zeiten, in denen die Kartoffel im<br />

Rheinland noch unbekannt war. Rüben, Rettich<br />

und Möhren wurden ebenso genossen wie<br />

verschiedene, heute nahezu in Vergessenheit<br />

geratene Blattgemüse wie Gartenmelde und<br />

großblättriger Lattich.<br />

In der spätmittelalterlichen bis frühneuzeitlichen<br />

Küche wurden die verschiedenen<br />

Gemüse sehr lange gekocht – regelrecht zu<br />

„Mus“ zerkocht! Breie, Grützen und Eintöpfe<br />

(Abb. 108) aus Gemüsen, Hülsenfrüchten und<br />

Getreiden waren täglicher Bestandteil der<br />

Ernährung. Erst in Verlauf des 17. Jahrhunderts<br />

tritt ein allmählicher Wandel in der kulina -<br />

rischen Zubereitung der verschiedenen Gemüsesorten<br />

ein – wie wir gesehen haben, kommt<br />

neben Messer und Löffel nun auch die Ess gabel<br />

zunehmend in Gebrauch.<br />

Zahlreiche Schalenfragmente von Haselnüssen<br />

fanden sich in Brunnen 2: Haselnüsse, Wal -<br />

nüsse, Mandeln und Esskastanien wurden in<br />

der Küche häufig verwendet – aus den zunächst<br />

exotischen und damit teuren Mandeln wurde<br />

Mandelmilch hergestellt, die in der Fastenzeit<br />

Kuh- oder Ziegenmilch ersetzen konnte und<br />

die außerdem die Grundlage für beliebte Süß -<br />

speisen bildete.<br />

Wildwachsende Pilze und Beeren wurden<br />

gesammelt und von Händlern angeboten:<br />

besonders Heidelbeeren, Himbeeren, Brombeeren<br />

und Erdbeeren sowie die Fruchtstände des<br />

schwarzen Holunders wurden als Früchte verwendet<br />

oder zu Saft gekocht. Von Rhein, Mosel<br />

und Ahr und bis in das 19. Jahrhundert auch<br />

von der Sieg gelangten Wein und Weintrauben,<br />

frisch und als Rosinen getrocknet auf den<br />

Düsseldorfer Markt.<br />

Wichtige Vitaminlieferanten waren Äpfel,<br />

Birnen, Pflaumen und Kirschen sowie die<br />

heute fast in Vergessenheit geratenen Quitten,<br />

Mispeln und Schlehen. Diese Früchte hatten<br />

zudem den Vorteil, dass sie, in einem kühlen<br />

Vorratskeller auf Strohschütten gelagert, über<br />

die Herbst- und Winterperiode haltbar waren<br />

oder aber gedörrt sehr lange aufbewahrt<br />

werden konnten. Aus Beeren und Früchten<br />

wurde außerdem ein dicker Sirup eingekocht,<br />

der für die Zubereitung von Soßen, Süßspeisen<br />

und Konfekt verwendet werden konnte.<br />

Abb. 108<br />

Kochtopf<br />

aus Irdenware,<br />

17. Jahrhundert<br />

4,30 cm


Kräuter & Gewürze<br />

Zu allen Zeiten spielen in der Küche Gewürze<br />

eine entscheidene Rolle. Während der Renaissance-<br />

und Barockzeit liebte man sehr kräftig<br />

gewürzte Speisen, ja der reichliche Einsatz von<br />

teueren, exotischen Gewürzzutaten galt als<br />

Statussymbol, als Ausweis für Reichtum und<br />

Erfolg! Zudem sprach man stark aroma tischen<br />

Gewürzen kräftigende und heilende Wirkungen<br />

zu (Kapitel „Küchenrezepte & Diätetik“). Dies<br />

galt auch für den Essig, mit dem man neben<br />

Wein und Most zahlreiche Fleisch- und Fisch -<br />

soßen würzte: schon Hildegard von Bingen hebt<br />

die wohltuende Wirkung des Essigs hervor. Als<br />

exotische Gewürze boten die Händler dem, der<br />

es sich leisten konnte, Pfefferschoten und -körner,<br />

Gewürznelken, Ingwerwurzel, Kardamom, Mus<br />

katnuss, Zimt und Safran an. Auch der teuer<br />

gehandelte Rohrzucker war bekannt und begehrt.<br />

Neben Bienenhonig und eingekochtem Most<br />

der einzige bekannte Süßstoff – erst später<br />

er fand man Verfahren zur Gewinnung von Rüben<br />

zucker. Im heimischen Küchengarten kul ti -<br />

vierte die Hausfrau etwa Knob lauch, Petersilie,<br />

Dill, Liebstöckel, Majoran, Pimpinelle, Isop,<br />

Thy mian, Rosmarin, Wermuth, Koriander,<br />

Dost, Fenchel, Bohnenkraut und Estragon, das<br />

„Drachenkraut“, dem man beson dere Heilkräfte<br />

zusprach. Wacholder beeren, Hopfen, Kalmuswurzel<br />

und Bärlauch wurden ebenso gesammelt<br />

wie Meerettichwurzel und Senfsamen. Besonders<br />

die Herstellung von Mostrich, einer Senfzubereitung<br />

mit Most, hat in Düsseldorf eine große<br />

Tradition – schon in alter Zeit schätzte man<br />

scharfe Senfpaste als Beigabe zu gebratenem<br />

Fleisch und Pasteten.<br />

Abb. 109<br />

Bärlauch<br />

Abb. 110<br />

Hopfen<br />

Abb. 111<br />

Pfeffer<br />

Abb. 112<br />

Safran<br />

Abb. 113<br />

Nelke<br />

73


Krämerstraße<br />

Abb. 114<br />

Weitmündige<br />

Henkeltöpfe<br />

5,30 cm<br />

Speisezubereitung & Küchentechnik<br />

Auf dem Küchenherd (Kapitel „Küche & Herd“)<br />

wurden die verschiedenen Pfannen, Tiegel und<br />

Grapentöpfe auf Holz- oder Holzkohlefeuern<br />

erhitzt.<br />

Kochen<br />

Größere Flüssigkeitsmengen wurden in Metallkesseln,<br />

die an Kesselhaken aufgehängt waren,<br />

erhitzt. Außerdem wurden bronzene oder<br />

gusseiserne Dreifußkessel mit Bügelhenkel, sogenannte<br />

„Grapen“, verwendet. Die drei kurzen<br />

Standbeine dieser Töpfe erlaubten es, sie direkt<br />

über ein Herdfeuer zu platzieren.<br />

Einfache Tontöpfe, in denen flüssige Speisen,<br />

Breie, Grützen oder Gemüse zubereitet wurden,<br />

konnten direkt auf die Glut gestellt werden oder<br />

wurden lediglich an das Herdfeuer herangerückt,<br />

wenn eine behutsamere Erhitzung gewünscht war.<br />

Entsprechend besitzen wir aus Brunnen 1/<br />

Schicht 240 (spätes 16. Jahrhundert/17. Jahrhundert)<br />

ein halbes Dutzend Küchengefäße, die<br />

nur auf einer Seite Ruß- und Schmauchspuren<br />

vom Herdfeuer aufweisen. Es handelt sich, wie<br />

es scheint, um einen Satz von tönernem Kochgeschirr,<br />

das vielleicht durch ein Malheur zum<br />

selben Zeitpunkt zerscherbt worden ist und<br />

anschließend in den Schutt des Brunnenschachtes<br />

geworfen wurde. Zwei weitmündige<br />

Henkeltöpfe (Abb. 114) dienten zum Erhitzen<br />

von flüssigen Speisen und Getränken: mit der<br />

dem Henkel abgewandten Seite wurden sie an<br />

das Herdfeuer geschoben, wie die Schmauchund<br />

Rußspuren eindeutig zeigen.<br />

Ein innen braun glasierter Henkeltopf mit drei<br />

Grapenfüßen weist Schmauchspuren am Bauch<br />

und am Unterboden auf (Abb. 116). Dieser Gra -<br />

pen topf konnte über ein kleines Feuer oder<br />

glühende Holzkohlen gestellt werden, um<br />

Speisen unter stetigem Rühren zu erhitzen.<br />

Eine kleine, tongrundige Schale mit Querhenkel<br />

(Abb. 115) diente möglicherweise zur Zu be rei -<br />

tung von Soßen oder Eierspeisen. Schließlich<br />

fand sich noch ein salzglasierter Henkeltopf<br />

(Abb. 117), der offensichtlich nicht als Kochtopf<br />

verwendet worden ist, jedoch in der Küche als<br />

Flüssig keitsbehälter diente.<br />

Ab dem 17. Jahrhundert fanden auch zahlreiche


Teller und Schüsseln der glasierten und oft farbig<br />

ornamentierten Irden- und Hafnerware Verwen -<br />

dung in den Küchen, sei es als Rühr- und Teigschüsseln<br />

oder als Milch-, Wasser- und Mostkannen.<br />

Die seit der Antike gebräuchliche Art, am offenen<br />

Feuer zu kochen, schmoren, grillen und rös<br />

ten hat sich fast unverändert bis in die Neuzeit<br />

hinein gehalten, wenngleich tönernes Koch -<br />

geschirr ab dem 18. Jahrhundert zunehmend<br />

durch eiserne oder kupferne Töpfe abgelöst werden.<br />

Besonders dann im Verlaufe des 19. Jahr -<br />

hunderts, mit der Einführung von kleineren,<br />

transportablen Kochherden mit eingebauter<br />

Bratröhre in den städtischen Haushalten des<br />

frühen Industriezeitalters, veränderte sich die<br />

Technik des Kochens nachhaltig.<br />

Braten & Schmoren<br />

Zum Braten von Speisen standen schmiede -<br />

eiserne Pfannen und Schmortöpfe aus Eisen<br />

und Keramik zur Verfügung. Gebraten wurde<br />

mit Butter, Butterschmalz, Schweineschmalz,<br />

ausgelassenem „grünen“ Speck oder Pflanzenölen.<br />

Fische konnten in langovalen Tonformen<br />

mit und ohne Deckel gebraten werden. Eine<br />

beliebte Zubereitungsart war die Pastete, eine<br />

Fleischfülle mit Teigmantel, die in Schmor töpfen<br />

gebacken wurde.<br />

Für uns Heutige, die an kurze, vitamin scho -<br />

nende Garzeiten gewöhnt sind, ist es befremdlich<br />

zu hören, dass im 16.–17. Jahrhundert<br />

Fleisch häufig mehrfach gegart wurde! Das<br />

besonders beliebte Hühnerfleisch etwa wurde<br />

zunächst gekocht oder gebraten, sodann kräftig<br />

gewürzt, gewürfelt oder zu Mus gestampft. Die<br />

Masse wurde in Teigmäntel gehüllt und zu<br />

Pasteten („Hohlbraten“) oder Fleischbällen<br />

verarbeitet und anschließend erneut gebraten<br />

oder gegrillt. Zweifellos hatte diese Zubereitungsweise<br />

den Effekt, dass die Pasteten weniger<br />

schnell verderblich waren als kurzgebratene<br />

Fleischgerichte.<br />

Abb. 115<br />

Kleine, tongrundige<br />

Schale mit Querhenkel<br />

Abb. 116<br />

Innen glasierter<br />

Henkeltopf mit<br />

drei Grapenfüßen<br />

Abb. 117<br />

Salzglasierter<br />

Henkeltopf<br />

75<br />

5,30 cm<br />

5,30 cm<br />

5,40 cm


Krämerstraße<br />

Abb. 118<br />

Krebs, nach einem<br />

Kupferstich von 1682<br />

Abb. 119<br />

Entwurf eines auto ma -<br />

tischen Drehspießes.<br />

Nach einer Zeichnung<br />

von Leonardo Da Vinci<br />

Bratspieß & Grill<br />

Größere Bratenstücke, auch ganze Schweine<br />

und Schafe sowie die verschiedenen Geflügel,<br />

wurden am Spieß zubereitet. Hierzu konnte<br />

man sich schon im Mittelalter automatischer<br />

Drehspieße bedienen, die durch die heiße<br />

Abluft im Kaminschacht vermittels von Schaufel -<br />

rädern, Zahnrädern und Treibriemen in lang -<br />

same Rotation versetzt wurden. Solche ausgeklügelten<br />

Maschinerien sind zahlreich auf zeitgenössischen<br />

Küchendarstellungen abgebildet.<br />

Auch der geniale Ingenieur Leonardo da Vinci<br />

hatte sich Gedanken zu automatischen, federoder<br />

gewichtsbetriebenen Grillspießen gemacht.<br />

Die Drehspieße wurden dicht an das Herdfeuer<br />

oder die Holzkohle gerückt. Unter dem Spieß<br />

wurde ein „Fettnäpfchen“ aufgestellt, in dem<br />

sich Fett, Bratensaft und Marinade, mit dem<br />

der Braten von Zeit zu Zeit begossen wurde,<br />

sammeln konnte.<br />

Bei ebenerdigen Herdfeuern, wie sie noch im<br />

Mittelalter allgemein üblich waren, konnte es<br />

daher leicht passieren, dass man in das sprichwörtlich<br />

gewordene „Fettnäpfchen“ trat.<br />

Für kleinere Fische oder für die auch am<br />

Niederrhein so beliebten Bratwürste verwendete<br />

man verschieden große eiserne Grillroste, die<br />

man an einem Stielgriff auf die Glut setzen und<br />

ebenso leicht zur Seite ziehen konnte. Solche<br />

eisernen Roste haben sich seit keltisch-römischer<br />

Zeit bis zum heutigen Tag formal fast unver -<br />

ändert erhalten.


Abb. 120<br />

Austernschale.<br />

Grabungsfund<br />

Brunnen 1,<br />

Schicht 188<br />

Küchenrezepte & Diätetik<br />

Als Beispiele für die rheinische Küche des<br />

17.–18. Jahrhunderts können wir ein Rezept<br />

aus dem Kochbuch der Burg Namedy bei<br />

Andernach zitieren, die, um 1770 aufgezeichnet,<br />

altbewährte Rezepte wiedergibt (Abb. 122).<br />

Wüldentenpasteten<br />

Die Enten müßen sauber geropfft Kopff, Flügel<br />

und Füß abgeschnitten, dann gebäht (= abgebrüht)<br />

und gespickt und im Gewürtz (Salz, Pfeffer,<br />

Nelken) und in Essig so lang, als man wil 1 oder<br />

2 Tag eingebeizt. Auf den Boden des Taigs thut<br />

man Pfeffer, Negelen (= Nelken) Citronen und<br />

Capern, geröscht Brodt, Speck und gehackt auf die<br />

Enden wieder so, und wann es gebacken, Fleischbrühe<br />

darein gefüllt.<br />

Aus den jüngeren Einfüllschichten des Brunnens<br />

1 (Schichten 188, 161, 60 und 29) sind<br />

zwar keine Knochenreste erhalten, dagegen sind<br />

hier jeweils Schalen von Austern und Weinberg -<br />

schnecken geborgen worden, die belegen, dass<br />

man schon im 17. und 18. Jahrhundert diese<br />

kulinarischen Leckereien zu schätzen wusste.<br />

Wie auch heute, so war schon in der damaligen<br />

Zeit über Geschmack kaum zu streiten: es gab<br />

offensichtlich ausgesprochene Liebhaber dieser<br />

eher exotischen Genüsse, die gastronomisch<br />

konservativ eingestellten Zeitgenossen mögen –<br />

wie heute noch – solcherlei Spezialitäten reserviert<br />

gegenübergestanden haben.<br />

Zu den Weinbergschnecken bemerkt etwa<br />

Magister Elsholtz, ein namhafter Gelehrter, in<br />

seinem 1682 verfaßten „Diaeteticon“: „...in<br />

summa so wol die Schnecken als alle in diesem<br />

Capitel erzehlete Schalenfische (= Austern und<br />

Miesmuscheln)dienen zur Abwechslung und<br />

Wollust mehr, dan den Hunger damit zu stillen<br />

und können also zu solchem Brauch der<br />

Abwechslung wol beybehalten werden.“<br />

(Elsholtz S. 243)<br />

Auch die Zubereitung der Weinbergschnecke<br />

nach französischem Rezept schildert der<br />

Magister, kann sich jedoch eines einleitenden<br />

skeptischen Kommentars nicht enthalten:<br />

„... Ich vewundere mich, daß der Menschen<br />

Neulichkeit (= Neugier) sich so ferne strecket und<br />

solch einen verdorbenen Schmack zu suchen sich<br />

bemühet, umb nur seine Lust zu sättigen: da doch<br />

solche Schnecken,man mag sie zurichten wie man<br />

wil, von mir nicht können gerühmet werden.“<br />

(Elsholtz S. 409)<br />

Die geschilderte Rezeptur entspricht im Großen<br />

und Ganzen den heute noch üblichen Verfahren<br />

zur Zubereitung von Schnecken:<br />

Abb. 121<br />

Gehäuse einer<br />

Weinberg schnecke.<br />

Grabungsfund<br />

Brunnen 1, Schicht 161<br />

77


Krämerstraße<br />

Abb. 122<br />

Rezept<br />

aus dem Kochbuch<br />

der Burg Namedy,<br />

um 1770<br />

„ ... Wenn man sie zurichten wil ... legt man die<br />

Schnecken in Saltz und Weinessig; alsdan werfen<br />

sie allen ihren Unflath von sich: hierinnen weltzt<br />

und kehret man sie offtmals umb, damit die durch<br />

solche Sauerkeit von allen ihrem Schleim gereinigt<br />

werden: hernach siedet man sie in einer guten<br />

kurtzen Brüh (= Bouillon) und ziehet sie aus<br />

ihrem Gehäuse mit der Spitze einer Stecknadel oder<br />

anderen Pfriemes. Nach diesem wäscht man das<br />

Gehäuse wol und läßt die Schnecke mit einer<br />

Brühe von Baumöl (= Olivenöl) etwas Weinessig,<br />

Wein und Gewürtz gemacht wol sieden: steckt sie<br />

hernach wieder in ihre Gehäuse, alsdan richtet<br />

man sie an auf geschnitten Brod, welches zuvor<br />

mit etwas Brüh befeuchtet worden und giesset<br />

Öl darüber: dieses heißt man bey den Frantzosen<br />

Une potage d’Escurgots. Man legt sie auch ohne<br />

Brod in die Schüssel und gießt Öl darüber. So fricaßiert<br />

man sie auch wie die jungen Hüner, macht<br />

eine Brüh von in Himbeersafft zerriebenen Eyerdottern<br />

oder von Rohm (= Rahm) darüber und<br />

trägt sie sonder Gehäuse zu Tische. So mag man sie<br />

auch, wan sie aus dem Gehäuse gezogen, in Mehl<br />

oder Nonnenteig (= Backteig mit Frischkäse, Milch<br />

und Weißwein) umweltzen und in Butter prägeln<br />

(= ausbacken): hernah wie zu einem andern<br />

Geprägels eine Brüh von Pomerantzen (= Bitter -<br />

orangen) und gehackter Petersilge darüber<br />

machen“.<br />

(Johann Sigismund Elsholtz, Diaeteticon –<br />

Neues Tischbuch (Brandenburg 1682) )


Temperament Grundelement Saft Elementarqualität<br />

Melancholiker Erde schwarze Galle kalt & trocken<br />

(= altgriech. melancholè)<br />

Phlegmatiker Wasser Schleim kalt & feucht<br />

(= altgriech. phlegma)<br />

Sanguiniker Luft Blut warm & feucht<br />

(= lat. sanguis)<br />

Choleriker Feuer gelbe Galle warm & trocken<br />

(= altgriech. cholè)<br />

Die reservierte Haltung des Gelehrten Elsholtz<br />

gegenüber den Schalentieren war geprägt durch<br />

die medizinisch-diätetische Säftelehre, die in<br />

spätmittelalterlicher Tradition die verschiedens -<br />

ten Nahrungsmittel nach ihren spezifischen<br />

„Temperamenten“ und „Elementarqualitäten“<br />

einordnete. Die Ausgewogenheit der Diät, die<br />

durch einen komplizierten Ausgleich der<br />

verschiedenen Charakteristika erreicht werden<br />

konnte, war wichtige Grundlage der Medizin<br />

sowie der Beurteilung der Zusammenstellung<br />

von Arzneirezepturen und Küchenrezepten.<br />

Wurde etwa Fisch als „feucht und kalt“ charakterisiert,<br />

so konnten diese Eigenschaften durch<br />

die Zugabe von „warmen und trockenen“<br />

Stoffen – also etwa Pfeffergewürz oder Ingwerwurzel<br />

– kompensiert werden (Abb. 123).<br />

Auch die für unser heutiges Verständnis eigentümliche,<br />

häufig übertrieben anmutenden Würzquantitäten<br />

und Zusammenstellungen in zahlreichen<br />

spätmittelalterlich-frühneuzeitlichen<br />

Re zepturen haben – neben ihrer Funktion, die<br />

Speisen haltbar zu machen, oder einen etwaigen<br />

haut-goût zu übertönen – ihre eigentliche<br />

Be grün dung in dieser Säftelehre, die stets<br />

um Ausgleich zwischen den gegensätzlichen<br />

Grund qua li täten der verschiedenen Ingredienzen<br />

be müht war.<br />

Teure Gewürze und Arzneien wurden mit Feinwaagen<br />

portioniert und in Papiertütchen oder<br />

kleine Glasfläschchen abgefüllt. Der Fund eines<br />

kleinen Messinggewichtes aus Brunnen 1 des<br />

Hauses 19 belegt den Gebrauch einer solchen<br />

Feinwaage für das 18. Jahrhundert: es handelt<br />

sich bei dem Gewicht um ein so genanntes Sta -<br />

pel gewicht in Form eines zylindrischen Gefäßes<br />

mit Klappdeckel, der auf der Innenseite durch<br />

Abb. 123<br />

Schema der medizinischdiätetischen<br />

Säftelehre<br />

Abb. 124<br />

Stapelgewicht, Messing,<br />

18. Jahrhundert.<br />

Fundort:<br />

Krämerstraße 19,<br />

Brunnen 1<br />

79<br />

3,30 cm


Krämerstraße<br />

Abb. 125<br />

Arzneimittelfläschchen<br />

2,15 cm<br />

konzentrische Kreisgruppen verziert ist. In dem<br />

fest verschließbaren Stapelgewicht konnten die<br />

kleineren Feingewichte verwahrt werden – unser<br />

Gewicht konnte dann mit seinem Inhalt<br />

wiederum in das nächstgrößere Gewicht eingestapelt<br />

werden.<br />

Ebenso haben sich die Scherben von zahlreichen<br />

kleinen Arzneifläschchen (Abb. 125) nachweisen<br />

lassen. Bei einem grünen Glasfläschchen mit<br />

zylindrischem Körper und hochgestochenem<br />

Boden hat sich sogar noch der Verschluss korken<br />

erhalten!<br />

Eine wichtige Rolle für die Ernährung und die<br />

Gesundheit wurde der Qualität des Trink wassers<br />

zugemessen. Schon im Mittelalter war es<br />

eine Binsenweisheit, dass mangelnde Sauberkeit<br />

der Brunnen negative Auswirkungen auf die<br />

menschliche Gesundheit hatte – wenngleich die<br />

genauen hygienisch-medizinischen Zusammen -<br />

hänge noch weitgehend im Dunkel lagen.<br />

Schon der Magister Elsholtz widmet sich in<br />

seinem „Diaetetikon“ von 1682 sehr eingehend<br />

der „Krafft und Nutz des Wasser“.<br />

Zu Beginn des 18. Jahrhunderts bezieht der<br />

Düsseldorfer Hof sein Heilwasser aus der weithin<br />

berühm ten Grafenberger Mineralquelle.<br />

Neben den stark mineralien- und eisenhaltigen<br />

Heilwässern, die aus medizinisch-diätetischen<br />

Gründen getrunken wurden, wurde auch ein<br />

Teil des alltäglich benötigten Trinkwassers aus<br />

besonders geschätzten Quellen bezogen. Die für<br />

die Hofhaltung und Küche benötigte Wasser -<br />

menge wurde nach Bedarf mit hierfür bereit -<br />

gestellten kurfürstlichen Fuhrwerken transportiert.<br />

Bereits 1703 ordnete der Kurfürst Jan Wellem<br />

einen Aufsehen erregenden Transport von<br />

2000 Kannen des fürstlichen Quellwassers zur<br />

Bewirtung des spanischen Königs an.<br />

Aber auch in den bürgerlichen Haushalten<br />

werden ab dem 17.–18. Jahrhundert vermehrt<br />

Mineralwässer konsumiert, die als Brunnenabfüllungen<br />

in stabilen Steinzeugkrügen auf den<br />

Markt gelangen. Besonders die renommierten<br />

Mineralquellen der Eifel, des Rhein- und Lahntales<br />

finden weite Verbreitung: Wasser aus<br />

Selters wird in der Rheinregion namensgebend<br />

für kohlensäurehaltige Mineral wässer insgesamt.<br />

Aus der Zeit vor 1800 stammen Scherben von<br />

tönernen Mineralwasser krügen aus einem Brunnen<br />

des Hauses Nr.15. Nach den eingestem pel -<br />

ten Signets unterhalb des Halses handelte es sich<br />

um Wasser aus dem Apollinaris-Brunnen in<br />

Brohl am Rhein und aus der Abfüllung des


Abb. 126<br />

Selterswasserkrug<br />

mit Stempel,<br />

spätes 18. Jahrhundert<br />

3,50 cm<br />

Georg Kreuzberg in Ahrweiler. Eine Scherbe<br />

mit dem Stempel CT (= Churtrier) steht für<br />

eine Quelle aus der Vulkaneifel, darunter hat<br />

der Töpfer die Mineralwasserflasche mit den<br />

Buchstaben „HS“ gestempelt: ein Hinweis auf<br />

eine Krugtöpferei in Hillscheid/Wester wald.<br />

Aus dem Brunnen 1 des Hauses Nr. 19 liegen<br />

schließlich noch Fragmente eines Tonkruges mit<br />

aufgemaltem, blauem „P“ vor, die in die Zeit<br />

um 1700 zu datieren sind. Brunnen 2 erbrachte<br />

ein Stempelfragment in einem gemalten Kobalt -<br />

ring: die Umschrift um ein eingestempeltes<br />

Kreuz weist die Ton flasche als eine Abfüllung<br />

der Geilnauer Mineralquelle aus der Zeit nach<br />

1800 aus.<br />

Die Quelle gehört zu den Staatsbrunnen des<br />

Herzogtums Nassau, war jedoch aufgrund der<br />

ver gleichsweise geringen Verkaufsmengen eine<br />

wirtschaftlich eher unbedeutende Mineralquelle 35.<br />

81


Krämerstraße<br />

Abb. 127<br />

Drei Münzen aus dem<br />

Brunnen des Hauses<br />

Krämerstraße 15<br />

Der Alltag am Rhein:<br />

Das Haus Nr.15<br />

13<br />

Für das Haus Nr. 15 in der Krämerstraße ist<br />

der Name „Zum Elephanten“ überliefert. Der<br />

Besitzer war einst der reiche Schöffe Johannes<br />

Schepperus, dessen modisch-latinisierter Name<br />

ursprünglich nichts anderes bedeutete als<br />

„Schäfer“ und in dieser antikisierenden Form<br />

Reichtum und Bedeutung des Namensträgers<br />

unterstreichen sollte. Im Jahre 1663 war<br />

Johannes Schepperus sogar zum Bürgermeister<br />

der Stadt Düsseldorf gewählt worden; über seinen<br />

Beruf ist nichts weiter bekannt, vermutlich<br />

wird er sein beträchtliches Vermögen als Kaufmann<br />

erworben haben.<br />

15<br />

Zu den durch die archäologischen Grabungen<br />

freigelegten Baubefunden auf dem Grundstück<br />

Krämerstraße 15 gehört auch ein gemauerter<br />

Brunnen. Dieser der Frischwasserversorgung des<br />

Hauses „Zum Elephanten“ dienende Brunnen<br />

fiel im Verlaufe des 17. Jahrhunderts trocken –<br />

wie ja auch die Brunnen des Hauses 19 – , sodass<br />

sie in der Zeit nach 1690 als Abfallschächte verwendet<br />

werden konnten. Aus den verschiedenen<br />

Einfüllschichten stammen zahlreiche Fund -<br />

stücke, die uns etwas über das Alltagsleben der<br />

Hausbewohner, die Küchen- und Arbeitsgeräte,<br />

zum Teil auch über die Hauseinrichtung und<br />

den Wohnkomfort verraten können.<br />

17<br />

Abb. 128<br />

Die ergrabenen<br />

Grundmauern des<br />

Hauses Nr. 15 mit<br />

Brunnenanlage<br />

2,00 m


Westliche Krämerstraße<br />

„Feuersteine“<br />

Das zweifellos älteste Fundstück direkt von der<br />

Brunnensohle ist eine jungsteinzeitliche Feuersteinklinge<br />

(ca. 3. Jahrtausend v. Chr.), die schon<br />

im 17. Jahrhundert als verlagerter Einzelfund<br />

durch Zufall, vielleicht schon während der<br />

Anlage des Brunnenschachtes, hier eingetragen<br />

worden ist.<br />

Wesentlich jüngeren Datums, nämlich aus der<br />

Zeit um 1700, datiert ein anderer Feuerstein aus<br />

der darüber liegenden Einfüllschicht: hier handelt<br />

es sich um einen „Flintenstein“, ein rechteckig<br />

zugerichtetes Stückchen Feuerstein also,<br />

das zum Zündmechanismus einer Steinschlosspistole<br />

gehört hat.<br />

Der honigfarbene Stein wird wahrscheinlich aus<br />

der französischen Abbaustätte von Le Grand-<br />

Pressigny (Indre-et-Loire; Touraine) stammen –<br />

von hier werden schon in der Steinzeit Feuersteinklingen<br />

und Beile europaweit verhandelt,<br />

und noch in der Neuzeit bestanden hier florie-<br />

rende Manufakturen, die eine massen hafte Produktion<br />

von hochwertigen „Flintensteinen“ für<br />

die damals gebräuchlichen Steinschlossgewehre<br />

und -pistolen unterhielten. Auch in unserer<br />

Region finden sich Flintensteine buchstäblich<br />

auf jedem Acker und bei jeder archäologischen<br />

Grabung: Flintensteine waren billige Verbrauchsgüter,<br />

die wie unsere modernen Feuerzeugsteine<br />

schnell und häufig ersetzt wurden. Ein Soldat<br />

oder Jäger des 17.–18. Jahrhunderts führte stets<br />

mehrere Ersatzflintensteine mit sich – brach ein<br />

Feuerstein entzwei oder löste er sich aus der<br />

Metallzwinge des Zündhahns, wurde er schnell<br />

durch einen neuen Stein ersetzt.<br />

Auch unser Flintenstein zeigt an den Kanten<br />

die typischen Abnutzungsspuren, die durch<br />

das Aufschlagen auf die stählerne Zündplatte<br />

entstehen und die den Stein schließlich<br />

unbrauchbar gemacht haben. Er wurde durch<br />

den Besitzer der Schusswaffe ausgewechselt und<br />

in den Brunnen geworfen.<br />

Abb. 129<br />

Funktionsweise eines<br />

Flintensteins in einer<br />

Steinschlosspistole<br />

(nach W. Boeheim<br />

1890, Fig. 561)<br />

83


Krämerstraße<br />

Abb. 130<br />

Teebecher aus<br />

Delfter Fayence,<br />

18. Jahrhundert<br />

2,40 cm<br />

Tabak, Tee & Branntwein<br />

Zu den neuweltlichen Genussmitteln, wie etwa<br />

Tomate, Mais, Kartoffel und Kakao, die im Verlaufe<br />

des 16. und 17. Jahrhunderts zunehmend<br />

auch in Deutschland Liebhaber und Konsumenten<br />

finden, gehört auch die Tabakspflanze.<br />

Vornehmlich über holländische Händler erobert<br />

die Mode des „tabacktrinkens“, wie man das<br />

Rauchen im 16. und 17. Jahrhundert gemeinhin<br />

nannte, auch das Rheinland. Ein sehr<br />

bezeichnendes, amüsantes Zeitdokument ist das<br />

im 17. Jahrhundert erschienene Nürnberger<br />

Flugblatt mit dem Titel „Der Teutsche Taback-<br />

Trinker“, in dem es weiter heißt: „ ...Grund richtige<br />

Beschreibung von Ursprung und Erfindung des<br />

Edlen Wunder-Krauts Nicotinia, von den Physicis<br />

Sana Sancta, von den His paniern Tabaco, und von<br />

den Teutschen Taback benahmet: Samt desselben<br />

Lob und Nutzen / und wie es erstlich auss Florida<br />

in Portugall / von dannen ferner in Franckreich /<br />

Spanien / Holland / endlichen auch in Teutschland<br />

transferirt und gebracht worden / und daselbst<br />

hauffenweis gepflantzet und angebauet wird. ...“ 37<br />

Die eifrige Verwendung des Tabakkrauts zog<br />

zugleich auch das Auftreten von zahlreichen Gebrauchsgegenständen<br />

nach sich, die nicht selten<br />

auch in den archäologischen Kontexten nach-<br />

zuweisen sind: es sind dies Tabakstöpfe und<br />

Schnupftabaksdosen aus Porzellan, Glas oder<br />

Metall und vor allem die zahlreichen Bruchstücke<br />

von tönernen Tabakspfeifen, die in man -<br />

nig faltiger Form, verziert und un ver ziert, mit<br />

und ohne Herstellerstempel und Jahreszahl aufgefunden<br />

werden.<br />

Bruchstücke solcher Tabakspfeifen finden<br />

sich auch in dem Brunnen des Hauses „Zum<br />

Elephanten“. Es handelt sich um Pfeifen aus<br />

weißem Ton („Pfeifenton“), von denen eine<br />

einen Kopf mit Ständerstempel „ASV“ aufweist.<br />

Ein zweiter Pfeifenkopf trägt ein Wappen, das<br />

ein springendes Pferd auf einer Wiese in Rollrankenwerk<br />

zeigt. Unter dem Wappen liest man<br />

„WORTMANN“. Von der Umschrift über dem<br />

Pferdchen haben sich nur wenige Buchstaben<br />

erhalten, die sich aufgrund der bekannten<br />

Vergleichsfunde jedoch gut ergänzen und lesen<br />

lassen. Das Motto lautete ursprünglich wohl:<br />

„V(IVAT * DUX) * BR * ET(* LVN)“<br />

(„Es lebe der Herzog von Britannien und Lüneburg“),<br />

ein Hinweis auf die regionale Herkunft<br />

der Pfeife aus einer niedersächsischen Manufaktur,<br />

denn zwischen dem englischen Königshaus<br />

und dem Hause Hannover bestanden<br />

engste Familienbande. An welchem Ort Nieder -<br />

sachsens die Werkstatt des Pfeifenmachers<br />

Wortmann stand, ob etwa in Uslar, Holzminden<br />

oder Grenzhausen, lässt sich heute noch nicht<br />

mit Sicherheit bestimmen. Klar ist aber die<br />

enge Verwandtschaft mit den fast gleichartig<br />

verzierten Stücken aus der Produktion der<br />

Pfeifenmacher Remi in Grenzhausen sowie<br />

Erdmann und Herrmann in Holzminden.<br />

Zwei weitere fragmentarische Pfeifenköpfe aus<br />

Düsseldorf weisen eine plastische Verzierung<br />

mit zu Kreisen angeordneten kleinen Buckeln,<br />

so genannten „Rosetten“, auf. Man kennt gleich -<br />

artige Tonpfeifen aus niederländischen Fund -<br />

zusammenhängen des ausgehenden 17. Jahrhunderts<br />

38.<br />

Abb. 131<br />

Wortmann-Pfeife<br />

1,60 cm<br />

Abb. 132<br />

Niederländische<br />

Tabakbanderole aus<br />

dem 18. Jahrhundert


Auch der Pfeifenstiel und der Bereich des Mundstückes<br />

trägt häufig eine einfache Ver zierung,<br />

seien es einfache Punktreihen, leichte Wulstungen<br />

oder spiralig angebrachte Riefen und Rippen.<br />

Ein Mundstückfragment weist ein facettiertes,<br />

kantig beschnittenes Ende auf. Solche Pfeifen<br />

lassen sich durch Vergleichsfunde zwanglos in<br />

die Zeit um 1710 bis 1750 datieren.<br />

In dieser Zeit gehörte das Rauchen auch in den<br />

besseren Kreisen längst zum guten Ton – man<br />

erinnere sich an das berühmte „Tabak-Kolleg“<br />

des Preußenkönigs Friedrich Wilhelm I., und<br />

natürlich wusste man auch im Hause des Schöf -<br />

fen und Bürgermeisters Johannes Schepperus in<br />

der Krämergasse 19 das Schmauchen der Tabaks -<br />

pfeife in gemütlicher Runde zu schätzen. Aus<br />

dem Brunnen 2 (Schicht 910) liegt ein gut erhaltener<br />

Pfeifenkopf aus weißem Ton vor, der<br />

als Fersenstempel eine gekrönte „46“ und eine<br />

Fersenseitenmarke trägt, die die Tonpfeife in<br />

die Jahre zwischen 1775–1815 datiert. Weitere<br />

Stielfragmente von Tonpfeifen aus diesem Fund -<br />

komplex tragen die Aufschrift „WKGH“ (um<br />

1745), „Johannes. Keis.EA“ und gekröntem „W“<br />

als Fersenmarke (um 1745). Ein Bruchstück<br />

trägt die Umschrift „(EX) GOUDA“ – ein<br />

Hinweis auf die holländische Herkunft der<br />

Tonpfeife.<br />

Abb. 133<br />

„Der Teutsche<br />

Taback-Trinker“.<br />

Flugblatt aus dem<br />

17. Jahrhundert<br />

85


Krämerstraße<br />

Abb. 134<br />

Pfeifenfragmente aus<br />

Schicht 333, Haus 15<br />

2,15 cm<br />

Es war durchaus üblich, für Gäste stets einige<br />

neue Tonpfeifen bereitzuhalten, denn die leicht<br />

zerbrechlichen Stücke konnten nicht immer<br />

mitgeführt werden.<br />

Wohlhabende Gastgeber boten gewiss Pfeifen<br />

besserer Ausführung an: dies waren etwa<br />

Tabakspfeifen mit besonders langem Stiel, so<br />

genannte „holländische“ Pfeifen, oder solche,<br />

deren Mundstück glasiert, beziehungsweise mit<br />

Wachs und Pergamentleim behandelt waren –<br />

dies verhinderte das unangenehme Kleben der<br />

Lippen an dem porösen Tonmundstück.<br />

Fast jede deutsche Landschaft hatte ihre eigene<br />

regionale Tonpfeifenproduktion, zudem wurden<br />

die Märkte mit großen Mengen von niederländischen<br />

Pfeifen beliefert, sodass einfache Pfeifen<br />

nach heutigem Maßstab Pfennigsartikel waren.<br />

Sie wurden zu Hunderttausenden herge stellt<br />

und in Gebinden von 12 Dutzend Stück in<br />

Körben, Kästen und sogar Fässern verpackt verhandelt.<br />

Gewiss waren die aufwändiger verzierten Pfeifen,<br />

wie etwa die oben beschriebene „Rosspfeife“,<br />

deutlich teurer als die einfachen, kurzen Ausführungen<br />

und wurden daher von der betuchteren<br />

Kundschaft bevorzugt. Erst mit dem 19.<br />

Jahrhundert wurden die beliebten Tonpfeifen<br />

zunehmend von den haltbareren, aber wesentlich<br />

teureren Porzellan-, Meerschaum- oder<br />

1<br />

Holzpfeifen verdrängt. Heute kennen wir Tonpfeifen<br />

eigentlich nur noch als Verzierungen an<br />

den traditionellen „Weckmännern“, die den<br />

Kindern am Nikolausfest geschenkt werden.<br />

Im „Haus zum Elefanten“ schmauchte man<br />

im späten 17. und 18. Jahrhundert den Tabak<br />

jedoch noch in langstieligen, schönen Tonpfeifen,<br />

und zum Rauchgenuss ließ man sich, wie<br />

die mitgefundenen Flaschenscherben verraten,<br />

ein gutes Gläschen Portwein schmecken, der<br />

ebenso wie der Tabak vermutlich über holländische<br />

Zwischenhändler seinen Weg nach<br />

Düsseldorf gefunden hat.<br />

6<br />

8 7 4<br />

2<br />

Abb. 135<br />

Aufbau einer Tonpfeife:<br />

1 Kopf<br />

2 Hals<br />

3 Stiel<br />

4 Ferse<br />

5 Mundstück<br />

6 Innenmarke<br />

7 Fersenmarke<br />

8 Fersenseitenmarke


Abb. 136<br />

Tonpfeifenfragment<br />

mit Werkstattmarke<br />

aus dem ehemaligen<br />

Neickmannshof in<br />

Mülheim an der Ruhr,<br />

18. Jahrhundert<br />

2,15 cm<br />

3<br />

Es überrascht nicht, wenn man in derselben<br />

Fundschicht auch zahlreiche Scherben von gut<br />

gearbeiteten, recht wertvollen Trink gläsern antraf,<br />

lieferte doch auch der Brunnen aus Haus 19<br />

schöne Beispiele von kostbaren Gläsern der<br />

Barockzeit. Einige der Gläser aus Haus 15 dürften<br />

sehr lange in Fami lienbesitz gewesen sein,<br />

denn sie gehören formen mäßig noch dem späten<br />

17. Jahrhundert an.<br />

Aus den stark zerscherbten Resten lassen sich<br />

etwa formgeblasene Becher mit floralem Dekor,<br />

niederländische Kelchgläser mit eingegossenen<br />

Spiralzierfäden und das Kuppafragment eines<br />

Glaspokals mit Rippendekor identifizieren.<br />

5<br />

Abb. 137<br />

Fragmente von verzierten<br />

Pfeifen stielen aus<br />

der Rheinufergrabung<br />

87<br />

2,00 cm


Krämerstraße<br />

Abb. 138<br />

Flaschenfragmente des<br />

17. und 18. Jahrhunderts<br />

aus der Krämerstraße<br />

4,00 cm<br />

Zusammen mit den Pfeifenfragmenten fand sich<br />

im Brunnen 1 des Hauses 15 (Abb. 150) auch<br />

eine bauchige Flasche aus hellem, mit feinen<br />

senkrechten Rippen verziertem Glas. Sie dürfte<br />

zum Ausschank von Wein oder Brandy gedient<br />

haben. Mit ihrem runden ausladenden Bauch,<br />

dem breiten sicheren Stand und dem geraden<br />

Hals errinnert die Flasche an die niederländischen<br />

„Katteköp“ (= „Katzenköpfe“) aus dunkel<br />

blau-grünem Glas, die als Wein- oder<br />

Branntweinflaschen verwendet worden sind.<br />

Der breite Standboden dieser Flaschen war<br />

wichtig, da<br />

diese häufig an Bord von Seeschiffen verwendet<br />

wurden und bei hohem Wellengang eine gute<br />

Standsicherheit bewiesen. Tatsächlich sind solche<br />

Flaschen in einiger Zahl aus Schiffswracks<br />

des 17. Jahrhunderts gehoben worden.<br />

Scherben von hochhalsigen Weinflaschen aus<br />

dunkelgrünem bis manchmal dunkelblauem<br />

Glas finden sich in den Düsseldorfer Ausgrabungen<br />

allenthalben. Die mundgeblasenen<br />

Flaschen des 17.–19. Jahrhunderts besitzen einen<br />

mehr oder weniger hoch aufgestochenen Boden<br />

(„Schläfer“) und weisen zumeist unterhalb des<br />

Randes einen umgelegten Glasfaden oder ein


aufgelegtes Zackenband auf. Hier konnte der<br />

Korken mit einer Schnur befestigt werden, die<br />

zusätzlich durch Siegellack gesichert wurde.<br />

Solche Flaschen besitzen im Unterschied zu den<br />

kugelbauchigen Kattekop-Flaschen einen eher<br />

zylindrischen oder hochbauchigen Behälter.<br />

Der Inhalt dieser Flaschen waren alkoholische<br />

Getränke, importierter Wein – häufig Portwein,<br />

oder auch Westindischer Rum sowie Brandy<br />

und Arrak aus den niederländischen Kolonien<br />

und Handelsniederlassungen in Südostasien,<br />

der in großen Mengen über den Rhein transpor -<br />

tiert, am Düsseldorfer Hafen umgeschlagen und<br />

schließlich auf die Märkte der Stadt gebracht<br />

wurde. Mehrere große Flaschen des 18.–19.<br />

Jahrhunderts geben sich durch eine Medaillonprägung<br />

unterhalb des Halses und Reste des Kor -<br />

kenbügels aus Blei als Behälter des geschätz ten<br />

und starken Kloster-Kräuterlikörs „Benedictine“<br />

zu erkennen!<br />

An nichtalkoholischen Warmgetränken waren<br />

Kaffee, Kakao und Tee beliebt. Ein schöner<br />

Beleg für den Teegenuss lieferte erneut der<br />

Brunnenschacht von Haus 15: hier fand sich ein<br />

kleiner, nur 5 cm hohe Teebecher aus Delfter<br />

Fayence (Abb. 130), der in chinesischer Manier<br />

mit einem feinen blauen Blumendekor bemalt ist.<br />

89


Krämerstraße<br />

Der „kleine Schatz“<br />

Abschließend wollen wir noch auf einen inte -<br />

ressanten Fundkomplex zu sprechen kommen,<br />

der uns einen Einblick in das Rechenwesen<br />

vergangener Jahrhunderte bietet.<br />

Aus Schicht 426 des Brunnens stammen eine<br />

Handvoll Münzen, die vielleicht zum Inhalt<br />

einer Börse gehört haben (Abb. 127).<br />

Der kurante Wert der Münzen war nicht hoch<br />

– es handelt sich um Kleingeld, unter anderem<br />

2 Stüber (Kleve 1756), ein unbestimmbarer<br />

Silber hohlpfennig und eine Medaille (Umschrift:<br />

„FRANGIT ET ATOLLIT / CEPHALVS<br />

PROGRIS BR“ )– zudem fanden sich mehrere<br />

bronzene Rechenpfennige, die keinen Münzwert<br />

besaßen und in der Zeit von 1720–1770,<br />

in die sich die Fundschicht datieren lässt, bereits<br />

ganz außer Mode gekommen waren. Es mag<br />

sich vielleicht also um die verlorene Börse eines<br />

Kindes gehandelt haben, in der sich „Spielgeld“<br />

und eben einige kleine Münzen befunden haben.<br />

Dennoch lohnt ein genauerer Blick auf die hier<br />

gefundenen „Rechenmünzen“ aus Bronzeblech<br />

– erinnern sie doch an eine heute fast vergessene,<br />

im Mittelalter jedoch alltäglich geübte Rechentechnik,<br />

lange bevor das schriftliche Rechnen<br />

mit arabischen Zahlen sich im 18. Jahrhundert<br />

endgültig durchsetzte!<br />

Für das kaufmännische oder auch alltägliche<br />

Rechnen „auf der Linie“ benötigte man einen<br />

Rechentisch mit eingeritzten Linien, ein transportables<br />

Rechenbrett oder aber ein Rechentuch,<br />

das man leicht überallhin mit sich führen<br />

konnte. Auf einer solchen Rechenunterlage waren<br />

senkrechte und waagerechte Linien aufgezeichnet,<br />

auf denen die Rechenmünzen ausgelegt<br />

wurden. Je nach der Zahl, die man darzustellen<br />

wünschte, legte man die Münzen auf die Tausender-,<br />

Fünfhunderter-, Hunderter-, Fünfziger-,<br />

Zehner-, Fünfer- oder Einerlinie (Abb. 140).<br />

Hatte man die zu addierenden Zahlen nun auf<br />

den Linien des Rechentuches ausgelegt, so<br />

konnte man, ähnlich wie bei dem heute noch<br />

bekannten „Abakus“-System, das Additionsergebnis<br />

in aller Ruhe auszählen.<br />

Da exaktes Rechnen für Kaufleute, Händler<br />

und Verwaltungsbeamte lebenswichtig war, gab<br />

Abb. 139<br />

Titelblatt der<br />

Rechenfibel von 1525


1 253 + 1 063 = 2 316<br />

es eine große Anzahl von Rechenmeistern, die<br />

unterrichteten, ihre eigenen Rechenfibeln und<br />

Rechenmünzen vermarkteten. Einer der berühmtesten<br />

Rechenmeister war der noch heute sprichwörtliche<br />

Adam Riese, der im Jahre 1525 ein<br />

Büchlein mit Anweisungen für die „Rechnung<br />

auff der Linihen“ herausgab (Abb. 139).<br />

Aus der Schicht 426 stammen zwei kupferne<br />

Rechenpfennige des Johann Heinrich Metzger<br />

(1689) sowie ein blechförmiger Bronzepfennig<br />

Tausender<br />

Fünfhunderter<br />

Hunderter<br />

Fünfziger<br />

Zehner<br />

Fünfer<br />

Einer<br />

des Nürnberger Rechenmeisters Michael Leykauf,<br />

der in der Zeit von 1724 bis 1768 wirkte.<br />

Gewiss war das Linienrechnen, wie oben bereits<br />

gesagt, im 18. Jahrhundert schon weitgehend in<br />

Vergessenheit geraten. Offensichtlich wurden<br />

die alten Rechenmünzen jedoch noch sehr lange<br />

aufbewahrt und sind nach unserer Vermutung<br />

schließlich noch als Spielgeld genutzt worden.<br />

Abb. 140<br />

Rechenschema:<br />

Addition „auf der Linie“<br />

91

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