Rheinzeiten - Doppel.Design
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Krämerstraße<br />
Abb. 68<br />
Zwei fragmentarische<br />
Trinkgefäße<br />
mit Nuppendekor,<br />
16. Jahrhundert<br />
Abb. 69<br />
Oberteil eines<br />
Bartmannkruges,<br />
wohl aus Frechener<br />
Produktion. Spätes<br />
16. Jahrhundert<br />
Abb. 70<br />
Niedriger Krautstrunk,<br />
um 1500. Das Gefäß<br />
wird auf S. 101 näher<br />
beschrieben<br />
Der Alltag am Rhein:<br />
Das Haus Nr.19<br />
Städtisches Wohnen im Wandel<br />
Jeder ergrabene Hausstand kann uns viel über<br />
den persönlichen Lebensstil seiner Benutzer<br />
berichten. Um diesen zu verstehen, reicht jedoch<br />
der lustvolle Blick auf die geborgenen Kostbarkeiten<br />
nicht aus. Vielmehr muss man die sozialen<br />
und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der<br />
unterschiedlichen Epochen und die individuelle<br />
Umsetzung nachvollziehen. Der renaissancezeitliche<br />
Mensch etwa baute und lebte in der<br />
Krämerstraße anders als am Rheinort oder in<br />
der Ratinger Straße. Den kleinen und großen<br />
Dingen nachzuspüren, ist daher das Anliegen<br />
der folgenden Seiten. Alle vorgestellten Beispiele<br />
vom einfachen Kochgeschirr bis zum prunk -<br />
vollen Kachelofen reagieren auf eine bestehende<br />
Alltagskultur und zeigen, wie sich diese stets<br />
aufs Neue interpretieren und den eigenen Lebensbedürfnissen<br />
anpassen lässt.<br />
Wenden wir uns somit zunächst den überlieferten<br />
architektonischen Fragmenten aus dem ersten<br />
Brunnen zu.<br />
Aus der untersten, ältesten Schicht (Schicht<br />
240) stammen Fragmente von Dachziegeln<br />
und Schieferplatten, die Hinweise auf die Art der<br />
Dacheindeckung geben. Auch in der folgenden<br />
Einfüllschicht 227 fanden sich wiederum<br />
Dachschieferplatten mit Nagellöchern. Bei den<br />
genannten Schieferplatten handelt es sich eindeutig<br />
um Deckstein, also Dachschieferplatten,<br />
deren Analyse sogar einige Rückschlüsse auf<br />
die Form und den Neigungswinkel des Daches<br />
zulässt. Aufgrund einer Materialuntersuchung,<br />
die durch die Firma I. B. Rathscheck Schiefer in<br />
Mayen durchgeführt worden ist, handelte es<br />
sich bei diesen Schieferplatten um qualitativ<br />
hochwertigen Dachschiefer. Der Stein dürfte<br />
mit einiger Wahrscheinlichkeit aus einer Grube<br />
bei Kaub am Rhein stammen, nicht ganz auszuschließen<br />
ist jedoch, dass es sich um Moselschiefer<br />
vom Mayener Katzenberg handeln kann.<br />
Eine Platte mit einer Reihe waagerechter Nagel -<br />
löcher gibt sich als so genannter „<strong>Doppel</strong>end-<br />
Ort stein“ zu erkennen, der zu einer Dach -<br />
eindeckung in „Altdeutscher Deckung“ mit<br />
Schieferplatten des Formates 1/32 passt. Mit<br />
den großen 1/12er-Platten werden nach der<br />
Dachdeckerregel die Deckungen Altdeutscher<br />
Art an der Dachunterkante begonnen, um dann<br />
aufsteigend zum Dachfirst in die kleineren<br />
Formate 1/16 und 1/32 („König“) überzugehen:<br />
diese traditionsreiche Deckart „im scharfen<br />
Hieb“ hat sich in den letzten Jahrhunderten unverändert<br />
erhalten. Eine handwerklich derart<br />
anspruchsvolle und auch heute noch kostspielige<br />
Dacheindeckung wie sie die „Altdeutsche<br />
Deckung“ darstellt, eignet sich für recht steile<br />
Dächer mit einer Neigung ab 50° aufwärts.<br />
Einzelne Schie fer plattenfragmente deuten da -<br />
rauf hin, dass sie zu einer Wandbekleidung –<br />
etwa der Wetterseite – gehört haben können.<br />
Wir möchten vermuten, dass die älteste Bauphase<br />
des Hauses Nr. 19 im Aufgehenden ein auf<br />
steinernen Grundmauern und Keller geschoss<br />
aufsitzendes Fachwerkgebäude mit steilem<br />
Schieferdach und schieferverkleideten Giebelund<br />
Fassadenpartien gewesen sein dürfte.<br />
Abb. 71<br />
Schieferplattenformate:<br />
1/12; 1/16;<br />
1/32 („König“)