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Taxi Times Special 2016 - Kauf

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EINHEITSTAXI<br />

EINHEITSTAXI<br />

EIN TAXI<br />

NAMENS FRIDOLIN<br />

Seit Jahrzehnten redet man dem <strong>Taxi</strong>gewerbe ein,<br />

es lohne sich nicht, spezielle „<strong>Taxi</strong>s“ zu produzieren.<br />

Es wird Zeit, mit diesem Märchen aufzuräumen.<br />

JAHRHUNDERTAUFGABE<br />

Um das <strong>Taxi</strong> zukunftssicher zu machen,<br />

sind eine Menge Baustellen zu eröffnen:<br />

• Änderung des PBefG und der damit<br />

zusammenhängenden Verordnungen<br />

und Vorschriften in unserem Sinne<br />

(bevor es im Uber-Unsinn geändert<br />

wird)<br />

• Völlige Neustrukturierung des <strong>Taxi</strong>tarifes<br />

und der Preisermittlung<br />

durch Umstellung auf GPS-basierte<br />

Preise (man erinnere sich nur<br />

an das aktuelle Drama mit dem<br />

Kennen Sie Fridolin? Wahrscheinlich<br />

nicht, Fridolin ist ja nicht gerade<br />

ein angesagter Vorname wie<br />

Malte-Torben oder Finn-Lucas. Aber die<br />

Älteren werden sich vielleicht an Fridolin<br />

erinnern. Der „Fridolin“ ist eines der vielen<br />

Beispiele, die mit der Behauptung aufräumen,<br />

es lohne sich nicht, Fahrzeuge für spezielle<br />

Zwecke herzustellen. Fridolin kostete<br />

im Jahr 1968 mit 6 834 DM weniger als der<br />

gleichzeitig in Groß serie hergestellte VW-<br />

Transporter-Kastenwagen.<br />

Es gibt noch viele andere Beispiele von<br />

für Spezialzwecke optimierten Fahrzeugen:<br />

Allein der Blick von der Besucherterrasse<br />

auf das Vorfeld eines Flughafens zeigt<br />

gleich Dutzende Spezialfahrzeuge auf einmal.<br />

Auch für das <strong>Taxi</strong>gewerbe wäre ein<br />

speziell konstruiertes Fahrzeug von Vorteil.<br />

Nicht ohne Grund sind das Londoner<br />

Metrocab und das amerikanische Checker<br />

Cab weltbekannt und geschätzt. Jeder<br />

Handwerker weiß: Für eine gute Arbeit<br />

braucht man gutes Werkzeug.<br />

Doch was haben wir? Zum <strong>Taxi</strong> umgefrickelte<br />

Großserien-Pkw, die sich nicht<br />

durch das Fahrzeugkonzept, sondern allein<br />

durch die (leider nicht mehr überall) vorgeschriebene<br />

<strong>Taxi</strong>farbe, eine Alarmanlage<br />

und eine Funkvorrüstung vom Allerwelts-<br />

Pkw für Max Mustermann unterscheiden.<br />

ES FEHLT DAS WERKZEUG<br />

Wir reden von unseren immer älter werdenden<br />

Fahrgästen, wollen aber eine<br />

75-Jährige mit Hüftgelenksarthrose trotz<br />

Schmerzen in ein C-Klasse-<strong>Taxi</strong> falten.<br />

Ihren Rolli bringen wir im Kofferraum<br />

Konformitäts bewertungsverfahren<br />

der <strong>Taxi</strong>uhren)<br />

• Forderung an die Industrie, endlich<br />

ein wirkliches TAXI anzubieten, nicht<br />

nur suboptimale Fahrzeuge<br />

• Umstieg des <strong>Taxi</strong>gewerbes auf<br />

zukünftige Antriebstechnologien<br />

und politische Unterstützung dieser<br />

Aufgabe<br />

Es ist wirklich eine Jahrhundertaufgabe,<br />

die hier auf unser Gewerbe<br />

und seine führenden Köpfe wartet.<br />

So sieht ein „<strong>Taxi</strong> of tomorrow“<br />

aus, mit dem wir beim<br />

Publikum punkten können:<br />

viel Platz für die Fahrgäste<br />

durch Unterflurtechnik.<br />

auch kaum unter, das Reinheben über die<br />

hohe Ladekante hat schon manchem Fahrer<br />

heftige Rückenprobleme beschert. Erst<br />

wenn Fahrgäste an den Rollstuhl gefesselt<br />

sind, finden sich einige Unternehmer, die<br />

ihr <strong>Taxi</strong> für mehrere Tausend Euro rollstuhltauglich<br />

umbauen lassen. Seltsam.<br />

Ein <strong>Taxi</strong> sollte mehr Raum für unsere<br />

Fahrgäste und deren Gepäck bieten als ein<br />

08/15-Pkw. Es sollte einen schnellen, problemlosen<br />

und „schmerzfreien“ Ein- und<br />

Ausstieg ermöglichen und es sollte auf<br />

neue, auf unser Gewerbe zukommende<br />

Verkehrsformen wie Ride-Sharing vorbereitet<br />

sein.<br />

FAHRGASTBEDÜRFNISSE<br />

Was wollen unsere Fahrgäste? Bequem,<br />

schnell und sicher von Haustür zu Haustür<br />

befördert werden. Ohne Umsteigen, ohne<br />

Wartezeiten, ohne Fußwege. Einzig das <strong>Taxi</strong><br />

kann dies bieten. Doch wer täglich als <strong>Taxi</strong>fahrer<br />

arbeitet, der weiß, dass wir nur noch<br />

einen Teil unserer potenziellen Fahrgäste<br />

erreichen. Behinderte haben eigene Fahrdienste,<br />

Patienten werden zunehmend in<br />

Mietwagen befördert und anspruchsvollere<br />

Fahrgäste, die sich nicht in ein – manchmal<br />

etwas seltsam riechendes – mit schwarzem<br />

Kunstleder ausgeschlagenes Behältnis<br />

zwängen wollen, gelenkt von einem mürrisch<br />

dreinblickenden „Navi-Bediener“,<br />

bestellen eine Limousine. Und die vielen<br />

Millionen, denen ständiges <strong>Taxi</strong>fahren<br />

einfach zu teuer ist, die fahren mit dem<br />

eigenen Pkw oder mit den – hoch subventionierten<br />

– Bussen und Bahnen.<br />

FOTOS: TAXI Journal<br />

Der VW Typ 147, „Fridolin“, rollte durch Deutschlands Straßen<br />

der 60er-, 70er- und 80er-Jahre und lieferte für die Deutsche<br />

Bundespost Pakete aus.<br />

FRIDOLIN-MAXI-TAXI<br />

Zurück zu Fridolin. Wie könnte denn ein<br />

„Fridolin-<strong>Taxi</strong>“, ein Fahrzeug, welches speziell<br />

auf die Bedürfnisse unserer Fahrgäste<br />

zugeschnitten ist, aussehen? Fangen wir<br />

gleich mit der Maximallösung an, dem<br />

„Maxi-<strong>Taxi</strong>“.<br />

Was heute als sogenanntes Großraumtaxi<br />

herum fährt, ist größtenteils im Grunde<br />

ein Witz. Allenfalls der Mercedes Vito und<br />

der Volkswagen Caravelle erfüllen das Kriterium<br />

Großraum ausreichend. Früher gab<br />

es wenigstens noch den Mercedes Strich-<br />

Achter mit einem 650 Millimeter langen<br />

eingesetzten Mittelstück. Hier konnten<br />

drei Fahrgäste auf Klappstühlen halbwegs<br />

bequem befördert werden. Satte 10 000<br />

dieser „Langholzwagen“ produzierten die<br />

Stuttgarter zwischen 1968 und 1976. Es<br />

fahren südlich und östlich des Mittelmeeres<br />

heute noch welche.<br />

Definieren wir einmal die Kriterien für<br />

ein Großraumtaxi: Ein Großraumtaxi muss<br />

für alle sieben oder acht Fahrgäste bequemen<br />

Zugang und ausreichend Platz bieten.<br />

Und für das Reisegepäck aller Passagiere.<br />

Es sollte rollstuhltauglich sein: Schon heute<br />

verlangt die New Yorker TLC (<strong>Taxi</strong> & Limousine<br />

Commission), dass 20 Prozent aller<br />

neu zugelassenen <strong>Taxi</strong>s rollstuhltauglich<br />

sind – in Frankfurt sind es zurzeit gerade<br />

einmal zwei von 1 712 <strong>Taxi</strong>s. Es wird elektrisch<br />

fahren, heute noch schwer vorstellbar,<br />

aber denken wir mal ein paar Jahre<br />

voraus. Es muss einen niedrigen Einstieg<br />

haben. Der Fahrer muss einen geschützten<br />

und großzügigen Arbeitsplatz haben. Es<br />

sollte elektrische Schiebetüren besitzen.<br />

Das Ganze lässt sich auf der Grundfläche<br />

eines handelsüblichen Ford Transit verwirklichen.<br />

Wir haben uns ein paar Gedanken<br />

gemacht, wie so ein Maxi-<strong>Taxi</strong><br />

konzipiert sein könnte.<br />

Im Maxi-<strong>Taxi</strong>, man könnte es auch<br />

„Micro- Bus“ nennen, haben die Passagiere<br />

reichlich Platz. Vielleicht ist es etwas zu<br />

groß, um einzelne Fahrgäste zu befördern,<br />

aber das machen die heutigen Vito- und<br />

Caravelle-<strong>Taxi</strong>s ja auch. Hinter dem Maxi-<br />

<strong>Taxi</strong> – alle <strong>Taxi</strong>-Ober bedenken träger sollten<br />

sich jetzt gut an schnallen! – steckt eine<br />

wesentlich weiter gehende Idee: Real time-<br />

Ridesharing, auf Deutsch: Echtzeit-Sammelfahrten.<br />

Die 1 712 Frankfurter <strong>Taxi</strong>s befördern<br />

täglich um die 24 000 Personen (1 712 x<br />

1,4 Personen/Fahrt x 10 Fahrten/Tag).<br />

Somit befördern wir höchstens 1 Prozent<br />

aller „Beförderungsfälle“, 99 Prozent fahren<br />

nicht mit uns! Warum?<br />

MULTIMILLIARDENGESCHÄFT<br />

Lassen wir einmal alle anderen Kriterien<br />

außer Acht (Gesetzeskonformität, Profes sionalität,<br />

Versicherungsrisiken). Der Erfolg<br />

der Piraten-<strong>Taxi</strong> organisation Uber beim<br />

Publi kum weltweit basiert in erster Linie<br />

darauf, dass es für den Fahrgast billiger ist,<br />

als mit dem <strong>Taxi</strong> zu fahren. Unsere Kosten<br />

sind hoch, wir können nicht billiger fahren,<br />

haben zurzeit sogar Mühe, unserem Personal<br />

den Mindestlohn zu zahlen. Die einzige<br />

Möglichkeit, billiger zu werden, ist, den<br />

Fahrpreis auf mehrere Fahrgäste zu splitten.<br />

Realtime-Ridesharing ist das Zauberwort.<br />

Wer schon ein bisschen in der Welt<br />

he rum gekommen ist, der weiß, dass es das<br />

angeblich von „neuen Mobilitätsanbietern“<br />

und Autokonzernen erfundene Realtime-<br />

Ridesharing schon lange an vielen Orten<br />

auf dem Globus gibt: Istanbul (Dolmuş),<br />

Bangkok (Tuk-Tuk), Los Angeles (Shuttle-<br />

Service). Nur in der EU noch nicht. Aber<br />

auch mit einem „normalen“ <strong>Taxi</strong> mit fünf<br />

Sitzplätzen lässt sich Realtime-Ridesharing<br />

selbstverständlich durchführen!<br />

Auf dieses Prinzip setzen Investoren<br />

große Hoffnungen und wittern ein Multimilliardengeschäft<br />

in der Zukunft, investieren<br />

Milliarden Dollars in furcht- und<br />

(noch) gesetzlose Vorreiter wie Uber, die<br />

mit UberPOOL schon in den Startlöchern<br />

kauern. Gerade erst ist BMW mit der Idee<br />

des Ride-Sharing um die Ecke gekommen.<br />

Man wolle dieses Segment der Personenbeförderung<br />

besetzen, bevor Uber den<br />

zweiten Anlauf in Deutschland starten<br />

kann. Mit seiner DriveNow-Autovermietung<br />

und in Zusammenarbeit mit Sixt sind schon<br />

die ersten Schritte getan. Und man darf<br />

befürchten: Wenn ein Konzern wie BMW<br />

so ein Projekt startet, dann wird es richtig<br />

gefährlich für unser Gewerbe!<br />

Vielleicht auch deshalb wird auf das<br />

<strong>Taxi</strong>gewerbe bei den Projekten der „Großen“<br />

keinerlei Rücksicht genommen – und,<br />

sind wir ehrlich, warum auch? Niemand,<br />

das haben die letzten Monate und Jahre des<br />

Kampfes gegen Uber und unlauteren Wettbewerb<br />

gezeigt, unterstützt das <strong>Taxi</strong>gewerbe,<br />

weder die Politik noch die Verwaltung<br />

noch unsere langjährigen Handels partner.<br />

Nur durch teure Gerichtsverfahren konnten<br />

wir bisher das Schlimmste vermeiden.<br />

Doch das wird nicht ewig so weitergehen,<br />

die ersten EU-Politiker sind schon von Uber<br />

und Co weichgeklopft. Und wenn erst Daimler<br />

und BMW und die Bahn in Berlin an die<br />

Tür klopfen, wird das PBefG ganz schnell<br />

„auf den Prüfstand gestellt“.<br />

WIR SIND SCHON DRIN!<br />

Doch warum müssen Innovationen und<br />

Anpassung an veränderte Technologien im<br />

<strong>Taxi</strong>gewerbe immer von außen kommen?<br />

Niemand kennt unseren Job so gut wie wir,<br />

niemand weiß so genau, was wir und die<br />

Kunden in Zukunft brauchen. Wir haben<br />

schon manche Revolution im Kutschergewerbe<br />

überstanden, den Umstieg von der<br />

Pferdedroschke, die Einführung des Sprechfunks,<br />

des Datenfunks, der Apps. Jetzt steht<br />

wieder ein grundlegender Wandel an und<br />

wir, niemand anderes, sollten den ersten<br />

Schritt gehen und den Weg und die Richtung<br />

bestimmen.<br />

Und das Beste ist: Wir könnten sofort<br />

anfangen. Keiner der oben geschilderten<br />

Ideen stehen unüberwindliche gesetzliche<br />

Hindernisse im Weg. Mit Ausnahme- und<br />

Versuchsgenehmigungen wären einige<br />

Punkte recht schnell zu realisieren. Wir<br />

müssen uns nur trauen.<br />

Ein Gastkommentar von Michael Linke<br />

Michael Linke ist <strong>Taxi</strong>unternehmer in Frankfurt<br />

und Redakteur des TAXI Journal, des Magazins<br />

der <strong>Taxi</strong>-Vereinigung Frankfurt am Main e. V. Sein<br />

Beitrag erschien in voller Länge in der dortigen<br />

April-Ausgabe. Wir bedanken uns beim Autor für<br />

die freundliche Überlassung des Materials.<br />

24 SEPTEMBER / <strong>2016</strong> TAXI<br />

TAXI SEPTEMBER / <strong>2016</strong><br />

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