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Die Tatsache, dass Kinder mit Eltern, die viel und lange arbeiten müssen, in vielerlei Hinsicht zu kurz kommen, ist eine Mär, die sich seit Jahren konsequent hält. Natürlich kann es zu entwicklungsrelevanten Vertrauensproblemen führen, wenn Eltern vor allem aus Prestigegründen und mit dem absoluten Ziel der Gewinnmaximierung eines ohnehin schon bestehenden Vermögens arbeiten; aber wenn die Notwendigkeit der eigenen Tätigkeit früh und klar kommuniziert wird, kann dies ein Verhältnis von Eltern und Kind fördern, das von Respekt und einem für die Zukunft des Kindes sinnvollen Pragmatismus geprägt ist. Weder Thekla Wilkening noch ihre Geschäftspartnerin Pola Fendel haben den neuen Erdenbürger Dante während der anstrengenden Gründungsphase als Belastung empfunden. Natürlich gab es Abende, an denen Thekla gerne die Nächte am Schreibtisch zum Tag gemacht hätte, doch die Wahrscheinlichkeit wäre hoch gewesen, dass sie nun mit einem Burnout in der Ecke auf einem Stuhl herum schaukeln würde. Gerade ein Kleinkind kann in gewissem Sinne Ruhe stiften, weil der Fokus auf ein anderes Aufgabenfeld gerichtet wird. Prokrastination? Für junge Mütter ein Fremdwort Sicherlich kann ein heranwachsender Hosenscheißer auch zunächst eine <strong>Karriere</strong>bremse sein; gerade dann, wenn man die Situation auf ein Angestelltenverhältnis ummünzt. Aber hier schneiden wir ein generelles Grundproblem unserer Gesellschaft an, die von uns erwartet, dass wir 200 Prozent und mehr durcharbeiten. Dabei vergessen viele, dass gerade junge Mütter in der Regel sehr schnell und strukturiert performen können. Prokrastination ist für sie ein Fremdwort, denn man hat, ist das Kind erst einmal versorgt, nur ein gewisses Zeitfenster zur Verfügung. Wer das Privileg genießt, sein Kind ein paar Stunden in vertrauensvolle Hände zu geben, setzt sich in dieser Zeit unter Garantie sehr produktiv an den Schreibtisch, um die freie Zeit zum Arbeiten auch tatsächlich zu nutzen. Der Versuchung, anfallende Aufgaben aufzuschieben, unterliegen eher diejenigen, die in der zeitlichen Begrenzung ihrer Aufgaben keine Grenze nach hinten gesetzt haben. Und da Überstunden in unserer Gesellschaft eher die Regel, als die Ausnahme sind, gibt es keinen Grund, Aufgaben schnell und achtsam zu erledigen. Für Thekla und Pola steht zumindest fest, dass sie mit der Kleiderei wahrscheinlich gerade deswegen so weit gekommen sind, weil sie den Startup-Exzess der unermüdlichen Arbeitsstunden nicht bis zum Letzten ausgereizt, sondern im Gegenteil die notwendigen Pausen eingelegt haben. Hier spielte auch die gegenseitige Verlässlichkeit eine große Rolle. Wenn man eine Aufgabe abgibt, sollte sie auch erledigt werden. Wird sie gut erledigt, sollte es nur von Relevanz sein, wie sich die Qualität der erledigten Aufgabe darstellt und nicht die Zeit, die darauf schlussendlich verwendet wurde. Auch hier war die Existenz des kleinen Dante im Falle von Thekla und Pola mehr Segen als Hindernis. 10
Ergebnisorientierte Arbeit als Form der Selbstbesinnung Die zugrunde liegende These ist hier, dass eine junge Mutter (als rudimentäres Rechenbeispiel) in vier Stunden dasselbe am Schreibtisch abreißen kann, wie ein kinderloser Arbeitslemming in acht Stunden. Man sollte nicht vergessen, dass ergebnisorientierte Arbeit eine Form der Selbstbesinnung ist. Sich selbst wieder zu spüren, die eigenen Fähigkeiten für eine andere Aufgabe als beispielsweise die Kinderbespaßung zu nutzen und die Dankbarkeit für eine professionelle Rückmeldung zu verbuchen; dies ist eine andere Laufrunde als die ewig wiederkehrende Befriedigungsspirale eines Kindes, hinter die man nie ein Häkchen mit ‚abschließend erledigt‘ machen kann und wird. Doch nun noch einmal zurück zum Konzept der jungen Mutter in dem Bestreben, in ihren ebenfalls jungen Jahren eine eigene <strong>Karriere</strong> auf die Beine zu stellen und eigene Gründungsgedanken zu verwirklichen. Ist es nicht ein sinnvolles Konzept der Natur, dass manche Dinge auch zu einem bestimmten Zeitpunkt angedacht sind? Unsere fruchtbarsten und leistungsfähigsten Jahren fallen nunmal in einen ähnlich gesteckten Zeitraum. Ist es denn nun wirklich ein konservativer Standpunkt, zu glauben, dass das Familienkonzept von Großeltern, Eltern und Kindern nicht auch seine zeitlich gerechtfertigte Berechtigung hat? Und dies ungeachtet von der Tatsache, ob dies ein klassisches Familienmodell, oder ein homo-, trans- oder variabel-sexuell gestaltetes Konstrukt der Familienfindung ist? Die Neujustierung des gelebten common sense Auch hier sind wir wieder bei dem Punkt der gesellschaftlichen Effektivität. Es hat sich eingebrannt, dass wir uns erst einmal selbst verwirklichen müssen, unseren erfolgreichen Share im Job leisten müssen, bevor wir zu einem angemessenen Zeitpunkt die Aufgabe der Kinderplanung angehen. 11
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