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ECHO Karriere 2016

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INTERVIEW<br />

„Gemeinsame Strategie für<br />

Erwachsenenbildung fehlt“<br />

Arbeiterkammer. Präsident Erwin Zangerl zeigt die Baustellen im Bildungsbereich und den unbefriedigenden<br />

Status quo in der Erwachsenenbildung auf und kritisiert das Fehlen einer „Dachstrategie“.<br />

Außerdem spricht er sich für eine verbesserte Studienförderung aus.<br />

Bildung ist ein Thema, das niemanden richtig<br />

kalt lässt. Wo sehen Sie das grundsätzliche<br />

Problem im Bildungsbereich?<br />

Erwin Zangerl: Egal ob es um die Reduzierung<br />

der Arbeitslosigkeit geht oder um die Zukunft für<br />

das Land, sobald etwas nachhaltig sein soll, wird als<br />

Lösung immer die Bildung herangezogen. Sie muss<br />

dann ausgebaut werden, mit mehr Ressourcen versehen,<br />

mehr praxisbezogen, für alle Personen leichter<br />

zugänglich gemacht werden ... und, und, und.<br />

Meistens werden aber keine konkreten Lösungsvorschläge<br />

genannt oder gerne solche, die nicht in den<br />

eigenen Verantwortungsbereich fallen. Und wenn<br />

tatsächlich Beispiele andiskutiert werden, heißt es<br />

dann auf Nachfrage hin, „das ist sehr komplex und<br />

kann nicht so einfach übers Knie gebrochen werden“.<br />

Wir als AK Tirol dagegen nehmen unsere Verantwortung<br />

für die Bildung der Arbeitnehmerfamilien<br />

wahr. Im Jahr 2015 haben wir mehr als 1,75 Millionen<br />

Euro für die AK-Bildungsbeihilfen von Arbeitnehmerkindern<br />

ausgegeben. Das betrifft Schüler,<br />

Lehrlinge, Studierende oder Absolventen im zweiten<br />

Bildungsweg. Statt permanent über schlechte PISA-<br />

Ergebnisse zu jammern, unternehmen wir etwas. Die<br />

AK Tirol unterstützt die Leseförderung schon vom<br />

Kindergarten an und verzeichnet pro Jahr mehr als<br />

350.000 Entlehnungen in der AK-Bibliothek.<br />

Bildung wird in Österreich stark vererbt. Was kann man<br />

tun, um diesen Zustand zu ändern?<br />

Bildung darf nicht vom Einkommen der Eltern abhängen.<br />

Im Rahmen von mehr als 200 Kursen pro<br />

Jahr ermöglicht die AK rund 1000 Schülerinnen und<br />

Schülern eine kostengünstige Nachhilfe. Und die<br />

Mehrzahl der Neuen Mittelschulen und 90 Prozent<br />

der Polytechnischen Schulen greifen auf unsere kostenlosen<br />

Berufsorientierungsmappen zurück. Doch<br />

kommen wir von unseren konkreten Beispielen auf<br />

die Möglichkeiten im Land Tirol zurück und wenden<br />

uns der Aus- und Weiterbildung zu.<br />

Lebenslanges Lernen wird gerne und oft als absolute<br />

Notwendigkeit angeführt. Wie steht es damit in Tirol?<br />

Wir haben mit dem Land eine umfangreiche Studie<br />

namens MAP EB erstellen lassen. Das ist eine<br />

Landkarte der Erwachsenenbildung in Tirol mit<br />

dem Projektziel, Handlungsempfehlungen und<br />

Perspektiven zur Weiterentwicklung der Erwachsenenbildung<br />

in Tirol zu entwerfen und mögliche<br />

Lücken im Bildungsangebot zu schließen. Leider<br />

scheint dieses Ziel in Vergessenheit geraten zu sein.<br />

Es braucht in Tirol im Bereich der Erwachsenenbildung<br />

eine koordinierte Strategie aller Erwachsenenbildungseinrichtungen,<br />

um lebenslanges Lernen und<br />

Bildung im Erwachsenenalter zu fördern. Erwachsenenbildung<br />

muss koordiniert und bedarfsorientiert<br />

zu den Menschen vor Ort gebracht werden. Die<br />

Erwachsenenbildungseinrichtungen leisten einen<br />

wichtigen Beitrag zur persönlichen und beruflichen<br />

Entwicklung der Menschen und zur Sicherung des<br />

Wirtschaftsstandorts Tirol. Gemessen an der Anzahl<br />

der Teilnehmer und Bildungsveranstaltungen ist die<br />

Erwachsenenbildung der mit Abstand größte Sektor<br />

im Bildungssystem. Die Bedeutung der Erwachsenenbildung<br />

wird in den Budgets des Landes und des<br />

Bundes aber nicht abgebildet. Die finanzielle Last<br />

wird vorwiegend von den Sozialpartnern, den Betrieben,<br />

dem AMS und den Teilnehmern „geschultert“.<br />

Leider sind im Bereich der Erwachsenenbildung die<br />

Bürger stark auf die Eigenfinanzierung angewiesen,<br />

was vielen den Zugang zu Bildungsprozessen erschwert.<br />

Es herrscht das Matthäus-Prinzip: Es wird<br />

dem geholfen, der schon hat. Weiterbildung muss<br />

auch für Menschen mit einem geringeren Einkommen<br />

zugänglich sein. Die Weiterbildungsstatistiken<br />

sprechen jedoch eine andere Sprache.<br />

Wie sieht es mit der Verbreitung der Erwachsenenbildung<br />

in Tirol aus?<br />

Man geht davon aus, dass die Hälfte der erwerbstätigen<br />

Bevölkerung kein Interesse an Weiterbildung<br />

Foto: Kröll<br />

56 <strong>ECHO</strong> <strong>Karriere</strong> <strong>2016</strong>

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