02/2017
Fritz + Fränzi
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Monatsinterview<br />
«Wir sind auf die Eltern<br />
angewiesen»<br />
In jedem Kanton gibt es Schulpsychologische Dienste. Ihr Angebot steht Kindern und<br />
Jugendlichen, ihren Eltern und Lehrpersonen kostenlos zur Verfügung. Doch was sind<br />
das für Fälle, bei denen Schulpsychologen hinzugezogen werden? Schulpsychologin<br />
Ruth Etienne Klemm über ihre Arbeit, auffällige Schüler und überforderte Eltern.<br />
Interview: Evelin Hartmann Bilder: Anne Gabriel-Jürgens / 13 Photo<br />
Ein schön restauriertes Stadthaus<br />
im Zürcher Kreis 6. Im 3. Stock<br />
befinden sich die Räume des<br />
Schulpsychologischen Dienstes<br />
Waidberg. Im Gang eine Spielecke,<br />
im Büro der Schulpsychologin eine<br />
Sandkiste mit Sandspielzeug. Ruth<br />
Etienne Klemm lächelt, streicht über<br />
den Rock ihres Kostüms, setzt sich.<br />
Vor ihr auf dem Tisch liegen<br />
ausgebreitet Unterlagen. Sie hat sich<br />
gut vorbereitet auf das Gespräch mit<br />
der Journalistin.<br />
Frau Etienne Klemm, als Schulpsychologin<br />
arbeiten Sie mit Lehrpersonen,<br />
Schulleitern, der Schulpflege und<br />
Eltern eng zusammen. Mit welchen<br />
Sorgen kommen Eltern zu Ihnen?<br />
Wenn sich Eltern an den Schulpsychologischen<br />
Dienst wenden, geht<br />
es immer um Schwierigkeiten ihrer<br />
Kinder in der Schule und mit dem<br />
Lernen. Sie machen sich Sorgen, dass<br />
ihr Kind schulisch nicht recht vom<br />
Fleck kommt, denken, dass ihr Kind<br />
vom Lehrer nicht «richtig» gesehen,<br />
in seinen Fähigkeiten und seinem<br />
Bemühen nicht richtig eingeschätzt<br />
wird, oder sie sagen, dass sich das<br />
Kind in der Klasse nicht wohlfühlt.<br />
Was heisst das konkret?<br />
Machen wir ein Beispiel: Ein Kind<br />
ist in der 6. Klasse und möchte an<br />
die Aufnahmeprüfungen fürs Gymnasium<br />
gehen. Die Eltern sind überzeugt,<br />
dass diese Schule genau das<br />
Richtige für ihr Kind ist. Die Lehrpersonen<br />
hingegen sehen einige<br />
Schwierigkeiten beim Lernen und<br />
bei der Arbeitshaltung. Dann kann<br />
es sein, dass die Eltern mit der Idee<br />
«Manche Eltern<br />
delegieren ihre<br />
Träume an die<br />
Kinder. Und<br />
überfordern sie.»<br />
was? Ist diese Schwierigkeit den<br />
Lehrpersonen auch in den vorangegangenen<br />
Schuljahren aufgefallen?<br />
Wurden Massnahmen, wie spezielle<br />
Lese- oder Rechtschreibtrainings,<br />
ergriffen? Mit welchem Erfolg? Falls<br />
nicht, kann das Kind von uns abgeklärt<br />
werden. Dies muss natürlich<br />
sehr sorgfältig erfolgen, damit nicht<br />
der Verdacht aufkommt, die Eltern<br />
wollten dem Kind nur einen Vorteil<br />
verschaffen.<br />
Haben Sie ein weiteres Beispiel für<br />
uns?<br />
Ein anderes Mal haben mich Eltern<br />
kontaktiert, die der Meinung waren,<br />
ihr 8-jähriger Sohn sei sehr begabt<br />
und langweile sich im Unterricht. Sie<br />
hatten im Familienrat darüber<br />
gesprochen, ob der Junge vielleicht<br />
eine Klasse überspringen sollte. Er<br />
sei so lernbegierig und die Eltern<br />
wollten, dass er sich die Freude am<br />
Lernen erhält. Ich bin dann auf die<br />
Lehrerin zugegangen, die im Grunde<br />
gleicher Meinung war. Der Bub<br />
sei auf der kognitiven und sozialen<br />
Ebene sehr weit. Sie war sich aber<br />
nicht sicher, ob er auch schon von<br />
der emotionalen Reife in eine vierte<br />
Klasse passen würde.<br />
Wie sind Sie vorgegangen?<br />
zu uns kommen, ihr Sohn, ihre Tochter<br />
habe eine Rechtschreibschwäche,<br />
für die sie einen Nachteilsausgleich<br />
erwirken möchten. Das würde be <br />
deuten, dass das Kind zusätzliche<br />
Zeit bekommt oder gewisse Hilfsmittel,<br />
zum Beispiel einen Rechtschreibeduden,<br />
bei der Prüfung<br />
verwenden darf.<br />
Und der Schulpsychologische Dienst<br />
geht dem nach.<br />
Wir kontaktieren die Schule, die das<br />
Kind besucht. Hat man dort bereits Ich habe die ganze Familie zu Ge <br />
etwas unternommen, und, wenn ja, sprächen eingeladen. Ich woll >>><br />
«Ich bedaure<br />
Jugendliche, die<br />
sich durchs Gymi<br />
quälen, weil sie<br />
für diese<br />
Schulform nicht<br />
geeignet sind»,<br />
sagt Ruth<br />
Etienne Klemm.<br />
30 Februar <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi