02/2017
Fritz + Fränzi
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Psychologie & Gesellschaft<br />
Können Kinder zur<br />
Rechenschaft gezogen werden?<br />
Verursachen Kinder mutwillig einen Schaden, können sie von Gesetzes<br />
wegen haftbar gemacht werden. Was Eltern über das Thema Haftung und<br />
Urteilsfähigkeit von Kindern wissen müssen. Text: Susan Edthofer<br />
«Ein Schadenfall<br />
kann die Zukunft<br />
eines Kindes schwer<br />
beeinträchtigen.»<br />
Kinder treiben manchmal auch Unfug.<br />
Meistens verläuft alles harmlos. Doch was<br />
passiert, wenn sie mutwillig etwas kaputt<br />
machen oder jemandem wehtun? In der<br />
Zeitschrift «Beobachter» wird dies am Beispiel<br />
eines neunjährigen Jungen erläutert: Ein Knabe<br />
spielte in einer Scheune mit Streichhölzern und entfachte<br />
einen Brand. Er wurde als urteilsfähig befunden, da<br />
Kinder in diesem Alter wissen sollten, dass das Spielen<br />
mit Streichhölzern gefährlich ist. Eltern sind also nicht<br />
immer für das Handeln ihres Kindes verantwortlich.<br />
Dass Kinder von Gesetzes wegen als urteilsfähig gelten,<br />
sobald sie die Folgen ihres Tuns abschätzen können, ist<br />
vielen Eltern kaum oder zu wenig bewusst.<br />
Haftung aufgrund von Urteilsfähigkeit<br />
Eltern haften laut Gesetz für ihre minderjährigen Kinder,<br />
wenn sie ihre Aufsichtspflicht nicht wahrgenommen<br />
haben. Ist etwas passiert, wird also erst einmal geklärt,<br />
ob Eltern auf ihr Kind aufgepasst haben. Im folgenden<br />
Beispiel stellte sich die Frage, ob der Vater seiner Aufsichtspflicht<br />
nachgekommen ist, als er seinen beiden<br />
Kleinkindern beim Schlitteln zuschaute. Obwohl er<br />
dabei war, konnte er nicht verhindern, dass seine Kinder<br />
eine Frau rammten, die sich beim Sturz verletzte. Das<br />
Gericht entschied zugunsten des Vaters.<br />
Haben Eltern ihre Aufsichtspflicht erfüllt, müssen sie<br />
rechtlich gesehen nicht für einen Schaden aufkommen.<br />
Das bedeutet, dass das Kind einen vorsätzlich oder fahrlässig<br />
zugefügten Schaden selber berappen muss. Die<br />
Geschädigten wenden sich natürlich trotzdem eher an<br />
die Eltern als an die Kinder oder Jugendlichen. Zum<br />
Beispiel wenn beim Nachbarhaus die Fensterscheibe zu<br />
Bruch ging, obwohl dort nicht Fussball gespielt werden<br />
darf. Um das Verhältnis zu den Nachbarn nicht zu trüben,<br />
kommen Eltern meist für den Schaden auf, auch<br />
wenn sie ihre Aufsichtspflicht nicht vernachlässigt<br />
haben.<br />
Damit das Kind aus einem solchen Vorfall etwas<br />
lernt, sollte es miteinbezogen werden und vom Brief an<br />
die Haftpflichtversicherung bis zur Entschuldigung bei<br />
Susan Edthofer ist Redaktorin<br />
im Bereich Kommunikation<br />
den Nachbarn am Prozess teilnehmen. von Pro Juventute.<br />
Meistens muss noch ein Selbstbehalt beglichen<br />
werden. Durch die Mithilfe beim<br />
Gärtnern oder Autoputzen bekommt das Kind Gelegenheit,<br />
eine Dummheit wieder in Ordnung zu bringen.<br />
Mit Schulden ins Erwachsenenleben starten<br />
Komplizierter wird es bei hohen Schadenssummen. In<br />
der Regel haben Kinder nicht genügend Geld, um für<br />
grössere Schäden aufzukommen. Im Härtefall werden<br />
sie erst dann belangt, wenn sie selber verdienen. Ein<br />
leichtsinnig herbeigeführter Schadenfall kann die<br />
Zukunft eines jungen Menschen also nachhaltig beeinträchtigen.<br />
Wichtig ist, dass Eltern ihre Kinder über<br />
diese Rechtslage und die Auswirkungen aufklären.<br />
Was Eltern tun können – vier Tipps<br />
Nehmen Sie Ihre Aufsichtspflicht wahr. Rechtlich gesehen müssen<br />
Sie in einem solchen Fall nicht für einen Schaden aufkommen, den<br />
Ihr Kind verursacht hat.<br />
Machen Sie Ihr Kind darauf aufmerksam, dass es für eine vorsätzliche<br />
und mutwillige Tat gesetzlich bestraft und zur Kasse gebeten<br />
werden kann.<br />
Damit das Kind aus einem Vorfall etwas lernt, lassen Sie es am Brief<br />
an die Haftpflichtversicherung und an der Entschuldigung bei den<br />
Nachbarn teilhaben.<br />
Geben Sie Ihrem Kind die Möglichkeit, eine Dummheit durch eine<br />
Gegenleistung in Ordnung zu bringen, zum Beispiel durch Mithilfe<br />
beim Gärtnern oder Autoputzen.<br />
Pro Juventute Elternberatung<br />
Bei Pro Juventute Elternberatung können Eltern und Bezugspersonen von<br />
Kindern und Jugendlichen jederzeit telefonisch (058 261 61 61) oder<br />
online (www.projuventute-elternberatung.ch) Fragen zum Familienalltag,<br />
zur Erziehung stellen. Ausser den normalen Telefongebühren fallen keine<br />
Kosten an. In den Elternbriefen finden Eltern Informationen für den<br />
Erziehungsalltag. Das Thema Haftung und Urteilsfähigkeit wird im Extrabrief<br />
«Geld und Konsum im Familienalltag» behandelt.<br />
Mehr Infos: www.projuventute.ch<br />
64 Februar <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi