COMPACT-Spezial 10
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<strong>COMPACT</strong> <strong>Spezial</strong><br />
_ Islam und Dschihad<br />
Die verfeindeten Brüder<br />
_ von Jürgen Elsässer<br />
Die sunnitische Hauptströmung des Islams hat im Salafismus einen mächtigen Radikalisierungsschub<br />
erfahren. Konkurrierende Richtungen wie die Schiiten werden bis<br />
auf den Tod bekämpft. Ein Überblick.<br />
Der Dschihad der sunnitischen Mehrheitsströmung<br />
des Islams – sie umfasst etwa 1,3 Milliarden<br />
Anhänger weltweit – richtet sich nicht nur<br />
gegen den Westen, sondern auch gegen verfeindete<br />
Glaubensbrüder. Sowohl die aktuellen Kriege<br />
in Syrien und im Jemen wie auch der nicht enden<br />
wollende Terror im Irak, Pakistan und Afghanistan<br />
trägt Züge eines blutigen Konfessionsstreites, wie<br />
er zwischen 1618 und 1648 im Deutschen Reich<br />
tobte. Standen damals Katholiken gegen Protestanten,<br />
sind es in diesem Fall Sunniten und Schiiten,<br />
wobei die Aggression in allen genannten Staaten<br />
eindeutig von ersteren ausgeht.<br />
Die Erben des Propheten _ Glaubensrichtungen im Islam<br />
Als Schiiten bekennen sich weltweit etwa zehn<br />
bis 15 Prozent der Moslems. Die Mehrheit stellen<br />
sie im Iran, wo sie ihre Version eines Gottesstaates<br />
errichtet haben, im Irak, wo sie derzeit die<br />
Regierung dominieren, in Aserbaidschan, das allerdings<br />
seit der Sowjetzeit weitgehend säkularisiert<br />
ist, sowie in Bahrain – dort werden sie aber unterdrückt.<br />
Im multireligiösen Libanon ist die schiitische<br />
Hisbollah an der Allparteienregierung beteiligt<br />
und unterhält militärische Formationen, die<br />
auch in Syrien kämpfen.<br />
Sunniten<br />
Schiiten<br />
Ibaditen (Sekte im Oman)<br />
Aleviten/Alawiten<br />
jahrzehntelangen Bürgerkrieg, bis schließlich die<br />
Dynastie der Umayyaden sicher im Sattel saß. Für<br />
die Schiiten waren das machtgeile Usurpatoren, nur<br />
sie selbst verkörperten die religiöse Reinheit ohne<br />
persönliche Ambitionen.<br />
Quelle: Wikipedia Grafik: <strong>COMPACT</strong><br />
Die Sunniten beherrschen alle anderen islamischen<br />
Staaten, wobei in Nordafrika – mit Ausnahme<br />
des dank der NATO in die Barbarei gefallenen<br />
Libyen – und in Indonesien eine relativ moderate<br />
Ausprägung vorherrscht, während Saudi-Arabien<br />
das Bollwerk des mittelalterlichen Fundamentalismus<br />
ist. Auch in der früher laizistischen Türkei<br />
schlägt unter ihrem neuen Führer Recep Tayyip Erdogan<br />
das Pendel immer stärker Richtung Extremismus<br />
aus, wohingegen in Ägypten die Machtergreifung<br />
des Fundamentalismus 2012 erst durch einen<br />
Militärputsch im Folgejahr gestoppt werden konnte.<br />
Die Nachfahren Abu Bakrs<br />
Der Konflikt zwischen Sunniten und Schiiten<br />
geht auf die Wirren nach dem Tod des Propheten<br />
zurück: Die Parteigänger seines Cousins und<br />
Schwiegersohns Ali, die Schia Ali, beriefen sich<br />
darauf, dass dieser von Mohammed selbst als<br />
Nachfolger bestimmt worden sei. Stattdessen<br />
setzte sich aber ein gewisser Abu Bakr putschartig<br />
als erster Kalif durch. Der Streit führte in einen<br />
Dieser theologische Streit prägt auch heute<br />
noch das Profil der Hauptmächte Iran und Saudi-Arabien:<br />
Während sich in Persien eine islamische<br />
Spielart des Kommunismus mit hohem Maß an<br />
tiefreligiösem Egalitarismus und Gemeineigentum<br />
nebst einer Gewaltenteilung zwischen Parlament<br />
und Räten etabliert hat, herrscht auf der arabischen<br />
Halbinsel eine Art sunnitischer Kapitalismus, in<br />
faschistischer Manier geführt vom Königshaus der<br />
Saud und seinen aktuell 700 Prinzen, mit märchenhaftem<br />
Reichtum auf der einen und tiefer Armut, ja<br />
Sklavenhaltertum (vor allem gegenüber den Gastarbeitern)<br />
auf der anderen Seite.<br />
Das Sunnitentum wird von salafistischen Denkschulen<br />
dominiert, die allesamt in die islamische<br />
Frühzeit (arabisch: Salaf) zurückkehren wollen.<br />
Wichtigster Vertreter dieser Steinzeitideologie ist<br />
Muhammad ibn Abdalwahhab (1703-1792), der sich<br />
mit Stammvater Mohammad ibn Saud verbündete,<br />
wodurch der Wahhabismus zur Staatsreligion des<br />
entstehenden Wüstenreiches wurde. Weiterhin<br />
bedeutsam ist die Ende der 1920er Jahre in Ägyp-<br />
Das Lächeln der Kumpane: US-Präsident<br />
Barack Obama und Saudi-Arabiens<br />
König Abdullah im Juli<br />
2014. Foto: US Embassy Riyadh<br />
(facebook), Public domain, Wikimedia<br />
Commons<br />
Die Islamisierung<br />
Europas wird<br />
derzeit nur von den<br />
Sunniten betrieben.<br />
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