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COMPACT-Spezial 10

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das Diesseits. Höchste, nämlich göttliche, Verbindlichkeit<br />

haben nicht nur der Koran, sondern auch<br />

die Hadithe der koranischen Tradition. Auf beiden<br />

baut die Scharia auf, der gebotene Weg, das von<br />

Gott Gewollte, die Gesetze. Der Islam ist somit eine<br />

politische Religion. Er ist ein religiöses Rechtssystem,<br />

das jeder Muslim größtmöglich zur Geltung<br />

zu bringen hat. Das Bundesverfassungsgericht hat<br />

also die Religionsfreiheit so definiert, dass islamisches<br />

Leben und Handeln mit höchstem Verfassungsrang<br />

geschützt sind.<br />

Das Grundgesetz jedoch kennt eine solche Religionsfreiheit<br />

nicht. Artikel 4 Absatz 1 und 2 schützen<br />

drei Religionsgrundrechte, die zu unterscheiden<br />

sind. Die Glaubensfreiheit des Absatzes 1 ist<br />

«unverletzlich» und darf mangels eines Vorbehalts<br />

nicht durch Gesetze eingeschränkt werden. Absatz<br />

1 schützt ebenfalls die «unverletzliche» Bekenntnisfreiheit.<br />

Das Bekenntnis ist das Glaubensbekenntnis,<br />

das seit der Confessio Augustana 1530 bis in<br />

die Weimarer Reichsverfassung (WRV) als «Gewissenfreyheit»<br />

geschützt war. Aus der Bekenntnisfreiheit<br />

kann man herleiten, dass der Gläubige sein<br />

Bekenntnis kundmachen wie auch verschweigen<br />

darf. Das stellt Absatz 3 des durch Artikel 140 in<br />

das Grundgesetz inkorporierten Artikel 136 WRV<br />

klar: «Niemand ist verpflichtet, seine religiöse Überzeugung<br />

zu offenbaren.»<br />

Drittens gewährleistet Absatz 2 des Artikel 4<br />

Grundgesetz die ungestörte Religionsausübung,<br />

das religiöse Handeln im Privaten und in der Öffentlichkeit.<br />

Dieses Handlungsgrundrecht unterliegt<br />

aber dem Vorrang des Staatlichen, also dem Vorrang<br />

der bürgerlichen Gesetze. Das steht in Absatz 1<br />

des Artikel 136 WRV: «Die bürgerlichen und staatsbürgerlichen<br />

Rechte und Pflichten werden durch die<br />

Ausübung der Religionsfreiheit weder bedingt noch<br />

beschränkt.» Außerdem heißt es in Absatz 2 dieser<br />

Vorschrift: «Der Genuss bürgerlicher und staatsbürgerlicher<br />

Rechte sowie die Zulassung zu öffentlichen<br />

Ämtern sind unabhängig von dem religiösen<br />

Bekenntnis.» Bereits in der Weimarer Staatsrechtslehre<br />

wurden die drei Religionsgrundrechte als<br />

«Religionsfreiheit» zusammengefasst, ohne freilich<br />

deren Materie so, wie es das Bundesverfassungsgericht<br />

dekretiert hat, zu erweitern.<br />

Trennung von Religion und Politik<br />

Die Religionsgrundrechte schützen somit den<br />

Glauben des Menschen, sein Bekenntnis einer Religion<br />

und – in den Grenzen der Gesetze! – deren<br />

Ausübung. Sie schützen vor allem den Glauben an<br />

einen Gott. Sie geben jedoch dem politischen Handeln<br />

keinerlei Grundrechtsschutz, auch wenn sich<br />

dieses religiös legitimiert. In der Politik geht es um<br />

die Gestaltung des gemeinsamen Lebens durch bürgerliche<br />

Gesetze. Das verlangt nach der Kenntnis<br />

der Wirklichkeit, um diese richtig durch Gesetze<br />

gestalten zu können. Das Bemühen darum ist<br />

Schutzgegenstand der in Artikel 5 geschützten Freiheiten<br />

– der Meinungsäußerungsfreiheit, der Pressefreiheit,<br />

begrenzt der Rundfunk- und Filmfreiheit<br />

und der Wissenschaftsfreiheit, aber auch Schutzgegenstand<br />

der sonstigen politischen Grundrechte.<br />

An Gott, das ewige Leben und die Unsterblichkeit<br />

Für gläubige Muslime gibt es nur<br />

ein Gesetz: die Scharia.<br />

Foto: picture alliance / dpa<br />

Wer mit der Religion<br />

Politik machen<br />

will, kann sich nicht<br />

auf die Religionsfreiheit<br />

berufen.<br />

2012 führte Nordrhein-Westfalen<br />

als erstes Bundesland Islamunterricht<br />

an öffentlichen Schulen ein.<br />

Foto: picture alliance / dpa<br />

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