6 o.T. Ausstellungen Bremen Ein Tor zur Welt 30 Jahre Bremer Gesellschaft <strong>für</strong> Aktuelle <strong>Kunst</strong> (GAK) | Walead Beshty, FedEx ® LargeKraftBox©2005FEDEX 330510, International Priority, Los Angeles-Bremen trk#793556184627, May19–May <strong>25</strong>, 2010, 2010
Die Ausstellung in den Räumen der Bremer Gesellschaft <strong>für</strong> Aktuelle <strong>Kunst</strong> (GAK) trägt den Titel An einem schönen Morgen des Monats Mai… Die Ausstellung, die vom 30. Mai bis zum 8. August 2010 dauerte, erinnert zugleich an die wechselvolle, gelegentlich dramatische Vereinsgeschichte. Sie begann mit der Gründungsversammlung am 30. Juli 1980: Künstler, Sammler, Galeristen <strong>und</strong> Professoren hatten sich damals zusammengef<strong>und</strong>en, um durch die Gründung der GAK die Hansestadt Bremen wieder an internationale Entwicklungen in der bildende <strong>Kunst</strong> anzuschließen. Insgeheim hegten <strong>und</strong> pflegten professionelle <strong>Kunst</strong>sammler die Idee, <strong>für</strong> ihre beharrlich wachsenden Sammlungen preisgünstige Aufbewahrungsorte finden zu können. Für jegliche Arten von Jubiläumsveranstaltungen gibt es häufig wiederholte Standards <strong>und</strong> tausendfach erprobte Vorgaben. Ein Jubilar <strong>und</strong> seine Festredner suggerieren einheitlich den Eindruck einer perfekten Gradlinigkeit aller Schritte vom Start bis zum Tag der Feierlichkeit. Rückschritte <strong>und</strong> Fehlentscheidungen verlieren an Mächtigkeit anlässlich des Jubels. Um an das Jubiläum der GAK zu erinnern, wählten GAK-Direktorin Janneke de Vries <strong>und</strong> ihre Kollegin Imke Itzen als Kuratorinnen einen anderen Weg: Sie ließen den Zufall eines Zusammentreffens von Ereignissen spielen, denn schon lange war von ihnen eine Ausstellung zum Thema Scheitern <strong>für</strong> die Sommermonate 2010 geplant. Die Gruppenausstellung erlaubt nun – eher charmant zufällig – den Bezug zur dreißigjährigen Geschichte der Gesellschaft <strong>für</strong> Aktuelle <strong>Kunst</strong>. Generell erfahren das Scheitern, aber auch Fehler, Krisen <strong>und</strong> Enttäuschungen in unserem Gesellschaftssystem ausgesprochen negative Bewertungen. Eine auf permanentes Wachstum getrimmte Wirtschaft mag ein Scheitern nicht; schon allein das Wort erzeugt Unbehagen <strong>und</strong> fordert zum eiligen Gegensteuern heraus. Dann sind Abwrackprämien <strong>und</strong> Bad Banks <strong>für</strong> Ramschpapiere die regierungsamtlichen, die globale Wirtschaftskrise überdeckenden Begriffe. Die Kuratorinnen lösen sich von ökonomischen Vorgaben <strong>und</strong> bringen eine philosophische Argumentation ins Spiel, indem sie Scheitern <strong>und</strong> Kreativität eng miteinander verknüpfen. In ihrer Pressemitteilung werfen sie ausdrücklich die Frage zur künstlerischen Arbeitsweise auf, wenn gerade das Wissen um Restriktionen, Fehlerhaftigkeit oder ein vorprogrammier- tes Scheitern zum produktiven Antrieb wird? In ihrem Motto berufen sich Janneke de Vries <strong>und</strong> Imke Itzen auf den Roman Die Pest des französischen Schriftstellers Albert Camus: Der Rathausangestellte Joseph Grand schuf eine Vielzahl von Variationen in seinem Bemühen um den einzig richtigen Satz. Im Französischen lautet die letzter Fassung so: Par une belle matinée de mai. Nach einem Vorlesen dieser Mai-Variationen muss sein Arzt Bernard Rieux das Manuskript auf Anordnung des kranken Grand verbrennen. Angesichts der Asche gibt Grand nicht auf, sondern sagt: Aber ich werde neu anfangen. | Carol Bove, Meditation On Violence, 2008 Foto: Tobias Hübel Diesen Satz wird sich auch John Baldessari (*1931) gesagt haben, als er versuchte, einer Topfpflanze das Alphabet lehren zu wollen. Der Film Teaching a Plant the Alphabet aus dem Jahr 1972 zeigt von A bis Z sein Bemühen eines Wissenstransfers mittels Buchstabentafeln. Seinerzeit konnte Baldessari als vierzigjähriger Künstler nicht ahnen, dass seine Dokumentation eines Scheiterns zu einer Ikone der Konzeptkunst werden würde. Als vorbildlicher Künstler nachfolgender Generationen betont er sein Credo: Art comes out of failure. Seine Botschaft erinnert an die ursprüngliche Absicht, die Gesellschaft <strong>für</strong> Aktuelle <strong>Kunst</strong> zu einer Heimstatt <strong>für</strong> Sammlung werden zu lassen. Ein einsamer Meilenstein des Irrtums ist die legendäre Ausstellung Roxys and other Works. Gezeigt wurden Werke des amerikanischen Künst- Ausstellungen o.T. 7 lers Edward Kienholz (1927–1994) aus der Sammlung Reinhard Onnasch. Im Rückblick analysiert hat die GAK viel Glück gehabt, dass ihr die ambivalente, wenn nicht sogar zweifelhafte Konstruktion eines Sammlermuseums erspart geblieben ist. Ihre heutige stabile Souveränität gründet – neben anderen Begründungen – auf der damaligen politischen Entscheidung gegen die GAK <strong>und</strong> <strong>für</strong> die benachbarte Weserburg. Souveränität bedeutet, über die volle Kraft zu einem maßgeblichen Konzept zu verfügen, in der Auswahl der <strong>Kunst</strong>werke frei <strong>und</strong> sicher zu sein. Ein weiterer Bestandteil künstlerischer Souveränität sind detaillierte Fachkenntnisse. Aus ihrer Zeit im <strong>Kunst</strong>verein in Hamburg hat Janneke de Vries die Werkkenntnisse der amerikanischen Künstlerin Carol Bove (*1971) mitgebracht. Ihr Werk Meditation On Violence aus dem Jahr 2008 ist nicht nur raumgreifend, sondern ebenso eine mehrschichtige Metapher: <strong>Das</strong> F<strong>und</strong>stück, eine ehemalige Kühlschranktür, war der Gewalt des Meeres ausgesetzt. Die gewaltsamen Einwirkungen haben Spuren hinterlassen. <strong>Das</strong> Objekt eines Aktes der Spurensicherung erfährt eine sichtbare Aufwertung durch seine Präsentation auf einem präzise angefertigten Sockel – <strong>und</strong> schon produziert die Carol Bove eine grosse Zahl von Referenzen zu einer Künstlergeneration der sechziger <strong>und</strong> siebziger Jahre, die mittlerweile die weltweit anerkannte <strong>Kunst</strong>geschichte formten. Eine zusätzliche Referenz in die vierziger Jahre erhält das Objekt durch den Titel: Er ist der Originaltitel eines Films, den Boves Landsmännin Maya Deren (1917– 1961) im Jahr 1948 gedreht hatte. In dem zwölfminütigen Schwarzweißfilm tanzt der chinesische Schauspieler Chao-Li Chie (*1929) eine Tai-Chi-Choreografie. In einem Kampf um Ausstellungsprivilegien in der GAK gab es Blessuren: Ein paar Lokalmatadore unternahmen Anfang der neunziger Jahre in einem Akt von Torschlusspanik den Versuch, partikulare Interessen durchsetzen zu wollen <strong>und</strong> bedienten sich dabei rechtlicher Zwangsmittel. Ihr Versuch scheiterte. An die Vereinspiraterie, an die existenzielle Krise der GAK erinnert sich der Autor durch folgendes <strong>Kunst</strong>werk: Gewollte Blessuren demonstriert ein Werk des Künstlers Walead Beshty (*1976): Er brachte am 19. Mai 2010 zwei Kuben (60x60x60 cm), angefertigt aus Sicherheitsglas <strong>und</strong> in Versandkarton verpackt, in Los Angeles zum internationalen Expressversand FedEx ® . Die Sendungen adressierte Beshty an die Gesellschaft <strong>für</strong>