25.05.2017 Aufrufe

Heimat-Rundblick 120

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Das Schoofmoorland, gelegen zwischen<br />

Mühlendeich und der Falkenberger Landstraße,<br />

wurde der Bindigkeit des schwarzgrauen<br />

Bodens wegen, zwei Spitt tief gegraben.<br />

Hier wurden Runkel-, Steckrüben, Erbsen,<br />

Bohnen, Wurzeln, Zichorien, Hanf und Flachs<br />

angebaut, der Ertrag der Ernte natürlich mit<br />

Schiebkarre und Tragseil nach Hause gebracht<br />

und je nach der Fruchtart eingekuhlt und als<br />

Frostschutzdecke mit dem Herbstlaub aus dem<br />

Lilienthaler Gehölz abgedeckt.<br />

Die Weide für die Milchkühe und das Jungvieh<br />

bestand aus einem Weidenanteil an der<br />

Klosterweide. Zweimal, morgens und abends,<br />

mußten meine Mutter oder meine Schwester<br />

dorthin zum Melken und danach die schweren<br />

gefüllten Kannen oder Eimer mit der darin pülschenden<br />

weißen Last nach Hause schleppen.<br />

Oft herrschte aber ganzjährige Stallfütterung<br />

vor. Dann wurde das Gras im Schoofmoor, auf<br />

der Wiese jenseits der Wörpe gemäht oder auf<br />

dem Moorlande als Grüppengras mit der Sichel<br />

geschnitten.<br />

Morgens in aller Herrgottsfrühe holte der<br />

Milchhändler Johann Böttjer aus Lilienthal die<br />

Abtorfung musste in einer vertragsmäßig festgelegten<br />

Anzahl von Jahren erfolgen. Der<br />

Grund und Boden gehörte nach wie vor dem<br />

Grundbesitzer, der ihn anschließend in Kultur<br />

setzte. Eine weitere Einnahmequelle war eine<br />

Tätigkeit im benachbarten Bremen. Bei der<br />

dem Brinkkötner nach Feierabend noch ein<br />

paar Stunden zur Bewirtschaftung seiner eigenen<br />

Hofstelle verblieb.<br />

Bargeld brachte im Sommer an Sonn- und<br />

Feiertagen das Bremerfahren. Das Bootfahren<br />

der Bremer Ausflugsgäste auf der Wörpe von<br />

Murkens Gastwirtschaft zum Bierbrauereirestaurant<br />

in Falkenberg oder gar bis Hinni Schomaker<br />

in Heidberg. Besonders gut hatten es die<br />

Bremerfahrer für ihren Geldbeutel getroffen,<br />

wenn sie ihre Gästefahrten über Heidberg hinaus<br />

bis zur Taubrücke oder bis König in Worphausen<br />

ausdehnen konnten. Die Bremerfahrer<br />

vom Mühlendeich rüsteten dazu ihre Boote<br />

besonders her. Die viersitzigen Bänke, vier hintereinander<br />

im Boot, Bremer Stöhl genannt,<br />

erhielten neue Anstriche und frisches Buchengrün<br />

am vorderen und hinteren Ende ihrer<br />

Boote. Dann hieß es:<br />

angesäuerte Schwarz- und Feinbrot gebacken.<br />

An Fest- und Feiertagen füllten ihn mehrere<br />

Gänge mit Butterkuchen, Klaben in Milchsetten,<br />

Plätzchen, Fein- und Weißbrot.<br />

Geschlachtet wurden häufig zwei selbstgemästete<br />

fette Schweine von etwa 300 bis<br />

400 Pfund Lebendgewicht und ein, zusammen<br />

mit dem Nachbarn auf dem Scharmbecker<br />

Herbstmarkt gekaufter, feister Ochse. Die beiden<br />

kräftigen eisernen Haken am eichenen Balken<br />

über der Diele kennzeichnen noch heute<br />

den sogenannten Ochsen-Galgen. So deckten<br />

Schinken, Fleisch, Wurst und Speck den<br />

Lebensmittelbedarf des bäuerlichen Haushalts<br />

bis zum Herbst des nächsten Jahres. Für den<br />

Eierbedarf des Haushalts kamen noch ein Dutzend<br />

Hühner, rassisch bunt gemischt, die in der<br />

„Dunkelkammer“ auf dem Hühnerwiem über<br />

dem Kuhstall untergebracht waren, dazu.<br />

Erbsen-, Bohnensuppen, Milchspeisen,<br />

gestampfte Kartoffeln mit Buttermilch, Weizen-<br />

und Buchweizenpfannkuchen, Reis mit<br />

Zucker und pulverisiertem Kanel, Eiergerichte,<br />

in der Pfanne gebratener Schinkenspeck mit<br />

Salzkartoffeln deckten den Mittagstisch.<br />

Milch für zehn Pfennig den Liter ab, um sie in<br />

Bremen als Trinkmilch zu verkaufen. Nach Fettgehalt,<br />

Herkunft aus tbc- und bankfreien Viehbeständen<br />

sowie Schmutzprozenten wurde<br />

damals nicht gefragt. In engen Boxen wurden<br />

mit Vollmilch Kälber gemästet und nach Bremen<br />

auf dem Schlachthof oder an Schlachtermeister<br />

verkauft. Milchspeisen in verschiedener<br />

Zubereitung deckten daher oft den bäuerlichen<br />

Mittagstisch.<br />

Von einer so kleinen Landwirtschaft mit sehr<br />

hohem Pachtgeld konnte der Brinkkötner mit<br />

seiner häufig vielköpfigen Familie in den meisten<br />

Fällen allein nicht leben. Er war daher auf<br />

Nebeneinnahmen angewiesen. Eine der Haupteinnahmequellen<br />

war die Backtorffabrikation.<br />

In den Weinkaufsmooren von Tarmstedt, Eickedorf<br />

und Heidberg wurde Backtorf gegraben,<br />

per Schiff über Kuhsiel nach Bremen verfrachtet<br />

und am Torfkanal für etwa 30 Mark je ½<br />

Hunt-Schiff (6 Kubikmeter) verkauft. Das war<br />

für den hohen Aufwand nicht viel. Der Lieferant<br />

bekam nur eins bezahlt, die Backtorfgewinnung<br />

oder die Fahrt nach Bremen, nicht beides.<br />

Aber es kam bares Geld ins Haus, und daran<br />

mangelte es. Der Torfbauer hatte das<br />

Hochmoor nur zum Abtorfen gekauft. Die<br />

Es lächelt die Wörpe, sie ladet zur Fahrt,<br />

heut`gibt`s einen Tag von besonderer Art.<br />

Wintertags, wenn die Wörpe zugefroren<br />

war, wurde Eis gesägt und im Eiskeller der<br />

Brauerei eingelagert. Dafür spendierte Direktor<br />

Hake nach Feierabend einen Schoppen Bier.<br />

Im Spätherbst kam der Zichorienbrenner,<br />

um die selbstangebauten, in Würfel geschnittenen<br />

Zichorien zu brennen und pulverisiert zu<br />

Zichorienmehl zu mahlen, das als Kaffee-<br />

Ersatz oder zur Verlängerung des kostbaren<br />

Bohnenkaffees diente. Mehrere glasierte<br />

Steintöpfe wurden dann damit gefüllt. Im Eckschrank<br />

der Stube gegenüber standen zur Herstellung<br />

von Dickmilch auf Brettern übereinander<br />

mit Vollmilch gefüllte Satten (stufenweise<br />

konisch geformte Schalen). Der vorher abgeschöpfte<br />

Rahm verwandelte sich in der Botterkaarn<br />

durch Auf- und Abwärtsbewegungen des<br />

siebartig durchlöcherten Stampfers in gute<br />

Bauernbutter. Sie diente nur dem eigenen<br />

Haushalt.<br />

Draußen auf einer kleinen Anhöhe stand der<br />

Backofen. Hier wurde auch nur für den täglichen<br />

Gebrauch das abends vorher im Backtrog<br />

Sonntags gab`s Braten, allabendlich in Speck<br />

und Scharlotten gebratene Bratkartoffeln.<br />

Auch Auflagen, bestehend aus geräuchertem<br />

Schinken, Mett-, Leber- und Rotwurst fehlten<br />

nicht.<br />

Die langen Winterabende boten Gelegenheit<br />

zu gegenseitigen Besuchen von Nachbarn,<br />

Freunden und Verwandten. Dann wurde<br />

ordentlich aufgetischt, nicht übertrieben und<br />

protzenhaft, aber gut und reichlich. Jeder<br />

langte ohne umständliche Nötigung fleißig zu.<br />

Der eiserne Ofen, beheizt mit wuddligen<br />

Stückentorf, spendete eine wohltuende<br />

Wärme gegen den kalten, scharfen Ostwind.<br />

Und das ruhige Licht der kuppeligen Petroleumlampe<br />

erhöhte dazu noch die Gemütlichkeit.<br />

Nach dem Abendbrot schieden sich die Geister<br />

mit ihren unterschiedlichen Interessen. Bei<br />

einem Glas steifen Grogs spielten die Männer<br />

mit hinreißender Begeisterung „Solo“ oder<br />

„Skat“. Gespielt wurde um Geld, um Pfennige.<br />

In der besten Stube mit ihrem roten Plüschsofa<br />

vereinten sich dagegen strickend oder häkelnd<br />

die Ehefrauen. Dabei wurde in einem fort<br />

geklönt und so mancher durch den Kakao<br />

gezogen. Vor allem spielte der kategorische<br />

RUNDBLICK Frühjahr 2017<br />

17

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!