Heimat-Rundblick 120
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Das Schoofmoorland, gelegen zwischen<br />
Mühlendeich und der Falkenberger Landstraße,<br />
wurde der Bindigkeit des schwarzgrauen<br />
Bodens wegen, zwei Spitt tief gegraben.<br />
Hier wurden Runkel-, Steckrüben, Erbsen,<br />
Bohnen, Wurzeln, Zichorien, Hanf und Flachs<br />
angebaut, der Ertrag der Ernte natürlich mit<br />
Schiebkarre und Tragseil nach Hause gebracht<br />
und je nach der Fruchtart eingekuhlt und als<br />
Frostschutzdecke mit dem Herbstlaub aus dem<br />
Lilienthaler Gehölz abgedeckt.<br />
Die Weide für die Milchkühe und das Jungvieh<br />
bestand aus einem Weidenanteil an der<br />
Klosterweide. Zweimal, morgens und abends,<br />
mußten meine Mutter oder meine Schwester<br />
dorthin zum Melken und danach die schweren<br />
gefüllten Kannen oder Eimer mit der darin pülschenden<br />
weißen Last nach Hause schleppen.<br />
Oft herrschte aber ganzjährige Stallfütterung<br />
vor. Dann wurde das Gras im Schoofmoor, auf<br />
der Wiese jenseits der Wörpe gemäht oder auf<br />
dem Moorlande als Grüppengras mit der Sichel<br />
geschnitten.<br />
Morgens in aller Herrgottsfrühe holte der<br />
Milchhändler Johann Böttjer aus Lilienthal die<br />
Abtorfung musste in einer vertragsmäßig festgelegten<br />
Anzahl von Jahren erfolgen. Der<br />
Grund und Boden gehörte nach wie vor dem<br />
Grundbesitzer, der ihn anschließend in Kultur<br />
setzte. Eine weitere Einnahmequelle war eine<br />
Tätigkeit im benachbarten Bremen. Bei der<br />
dem Brinkkötner nach Feierabend noch ein<br />
paar Stunden zur Bewirtschaftung seiner eigenen<br />
Hofstelle verblieb.<br />
Bargeld brachte im Sommer an Sonn- und<br />
Feiertagen das Bremerfahren. Das Bootfahren<br />
der Bremer Ausflugsgäste auf der Wörpe von<br />
Murkens Gastwirtschaft zum Bierbrauereirestaurant<br />
in Falkenberg oder gar bis Hinni Schomaker<br />
in Heidberg. Besonders gut hatten es die<br />
Bremerfahrer für ihren Geldbeutel getroffen,<br />
wenn sie ihre Gästefahrten über Heidberg hinaus<br />
bis zur Taubrücke oder bis König in Worphausen<br />
ausdehnen konnten. Die Bremerfahrer<br />
vom Mühlendeich rüsteten dazu ihre Boote<br />
besonders her. Die viersitzigen Bänke, vier hintereinander<br />
im Boot, Bremer Stöhl genannt,<br />
erhielten neue Anstriche und frisches Buchengrün<br />
am vorderen und hinteren Ende ihrer<br />
Boote. Dann hieß es:<br />
angesäuerte Schwarz- und Feinbrot gebacken.<br />
An Fest- und Feiertagen füllten ihn mehrere<br />
Gänge mit Butterkuchen, Klaben in Milchsetten,<br />
Plätzchen, Fein- und Weißbrot.<br />
Geschlachtet wurden häufig zwei selbstgemästete<br />
fette Schweine von etwa 300 bis<br />
400 Pfund Lebendgewicht und ein, zusammen<br />
mit dem Nachbarn auf dem Scharmbecker<br />
Herbstmarkt gekaufter, feister Ochse. Die beiden<br />
kräftigen eisernen Haken am eichenen Balken<br />
über der Diele kennzeichnen noch heute<br />
den sogenannten Ochsen-Galgen. So deckten<br />
Schinken, Fleisch, Wurst und Speck den<br />
Lebensmittelbedarf des bäuerlichen Haushalts<br />
bis zum Herbst des nächsten Jahres. Für den<br />
Eierbedarf des Haushalts kamen noch ein Dutzend<br />
Hühner, rassisch bunt gemischt, die in der<br />
„Dunkelkammer“ auf dem Hühnerwiem über<br />
dem Kuhstall untergebracht waren, dazu.<br />
Erbsen-, Bohnensuppen, Milchspeisen,<br />
gestampfte Kartoffeln mit Buttermilch, Weizen-<br />
und Buchweizenpfannkuchen, Reis mit<br />
Zucker und pulverisiertem Kanel, Eiergerichte,<br />
in der Pfanne gebratener Schinkenspeck mit<br />
Salzkartoffeln deckten den Mittagstisch.<br />
Milch für zehn Pfennig den Liter ab, um sie in<br />
Bremen als Trinkmilch zu verkaufen. Nach Fettgehalt,<br />
Herkunft aus tbc- und bankfreien Viehbeständen<br />
sowie Schmutzprozenten wurde<br />
damals nicht gefragt. In engen Boxen wurden<br />
mit Vollmilch Kälber gemästet und nach Bremen<br />
auf dem Schlachthof oder an Schlachtermeister<br />
verkauft. Milchspeisen in verschiedener<br />
Zubereitung deckten daher oft den bäuerlichen<br />
Mittagstisch.<br />
Von einer so kleinen Landwirtschaft mit sehr<br />
hohem Pachtgeld konnte der Brinkkötner mit<br />
seiner häufig vielköpfigen Familie in den meisten<br />
Fällen allein nicht leben. Er war daher auf<br />
Nebeneinnahmen angewiesen. Eine der Haupteinnahmequellen<br />
war die Backtorffabrikation.<br />
In den Weinkaufsmooren von Tarmstedt, Eickedorf<br />
und Heidberg wurde Backtorf gegraben,<br />
per Schiff über Kuhsiel nach Bremen verfrachtet<br />
und am Torfkanal für etwa 30 Mark je ½<br />
Hunt-Schiff (6 Kubikmeter) verkauft. Das war<br />
für den hohen Aufwand nicht viel. Der Lieferant<br />
bekam nur eins bezahlt, die Backtorfgewinnung<br />
oder die Fahrt nach Bremen, nicht beides.<br />
Aber es kam bares Geld ins Haus, und daran<br />
mangelte es. Der Torfbauer hatte das<br />
Hochmoor nur zum Abtorfen gekauft. Die<br />
Es lächelt die Wörpe, sie ladet zur Fahrt,<br />
heut`gibt`s einen Tag von besonderer Art.<br />
Wintertags, wenn die Wörpe zugefroren<br />
war, wurde Eis gesägt und im Eiskeller der<br />
Brauerei eingelagert. Dafür spendierte Direktor<br />
Hake nach Feierabend einen Schoppen Bier.<br />
Im Spätherbst kam der Zichorienbrenner,<br />
um die selbstangebauten, in Würfel geschnittenen<br />
Zichorien zu brennen und pulverisiert zu<br />
Zichorienmehl zu mahlen, das als Kaffee-<br />
Ersatz oder zur Verlängerung des kostbaren<br />
Bohnenkaffees diente. Mehrere glasierte<br />
Steintöpfe wurden dann damit gefüllt. Im Eckschrank<br />
der Stube gegenüber standen zur Herstellung<br />
von Dickmilch auf Brettern übereinander<br />
mit Vollmilch gefüllte Satten (stufenweise<br />
konisch geformte Schalen). Der vorher abgeschöpfte<br />
Rahm verwandelte sich in der Botterkaarn<br />
durch Auf- und Abwärtsbewegungen des<br />
siebartig durchlöcherten Stampfers in gute<br />
Bauernbutter. Sie diente nur dem eigenen<br />
Haushalt.<br />
Draußen auf einer kleinen Anhöhe stand der<br />
Backofen. Hier wurde auch nur für den täglichen<br />
Gebrauch das abends vorher im Backtrog<br />
Sonntags gab`s Braten, allabendlich in Speck<br />
und Scharlotten gebratene Bratkartoffeln.<br />
Auch Auflagen, bestehend aus geräuchertem<br />
Schinken, Mett-, Leber- und Rotwurst fehlten<br />
nicht.<br />
Die langen Winterabende boten Gelegenheit<br />
zu gegenseitigen Besuchen von Nachbarn,<br />
Freunden und Verwandten. Dann wurde<br />
ordentlich aufgetischt, nicht übertrieben und<br />
protzenhaft, aber gut und reichlich. Jeder<br />
langte ohne umständliche Nötigung fleißig zu.<br />
Der eiserne Ofen, beheizt mit wuddligen<br />
Stückentorf, spendete eine wohltuende<br />
Wärme gegen den kalten, scharfen Ostwind.<br />
Und das ruhige Licht der kuppeligen Petroleumlampe<br />
erhöhte dazu noch die Gemütlichkeit.<br />
Nach dem Abendbrot schieden sich die Geister<br />
mit ihren unterschiedlichen Interessen. Bei<br />
einem Glas steifen Grogs spielten die Männer<br />
mit hinreißender Begeisterung „Solo“ oder<br />
„Skat“. Gespielt wurde um Geld, um Pfennige.<br />
In der besten Stube mit ihrem roten Plüschsofa<br />
vereinten sich dagegen strickend oder häkelnd<br />
die Ehefrauen. Dabei wurde in einem fort<br />
geklönt und so mancher durch den Kakao<br />
gezogen. Vor allem spielte der kategorische<br />
RUNDBLICK Frühjahr 2017<br />
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