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Heimat-Rundblick 120

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Bildhauer in den europäischen Künstlerkolonien<br />

Ein Einblick<br />

In den Künstlerkolonien wohnten und<br />

arbeiteten überwiegend Maler. Bildhauer<br />

waren nur vereinzelt unter ihnen tätig.<br />

Dies engte den Blick derart ein, dass<br />

sowohl in den Ausstellungen als auch in<br />

der Literatur zu den europäischen Künstlerkolonien<br />

besonders der Malerei Beachtung<br />

geschenkt wurde. Aber die Kunstproduktion<br />

war in etlichen der über 100 Kolonien<br />

seit der Mitte des 19. Jahrhunderts bis<br />

etwa 1920 außerordentlich vielfältig.<br />

Es lohnt sich – angeregt durch Worpswede<br />

als eine der bekanntesten deutschen<br />

Künstlerkolonien –, den Fokus einmal auf<br />

die Bildhauerei zu legen. Mit Bernhard<br />

Hoetger ließ sich ein Künstler in der Kolonie<br />

im Moor nieder, der sich in großem<br />

Umfang mit Skulpturen beschäftigte. Er<br />

kam zu Beginn des Ersten Weltkriegs als<br />

bereits berühmter Bildhauer über Darmstadt<br />

in die Künstlerkolonie am Weyerberg.<br />

Inspiriert durch seine Begegnung mit<br />

Paula Modersohn-Becker in Paris, entschied<br />

er sich sieben Jahre nach ihrem Tod,<br />

nach Worpswede zu ziehen. Er wollte in<br />

der Atmosphäre des Umfelds der verstorbenen<br />

künstlerischen Freundin leben und<br />

arbeiten. Mit seinen monumentalen Bauwerken,<br />

Denkmälern, Skulpturen und<br />

anderen künstlerischen Aktivitäten prägte<br />

er den Ort in der Zeit von 1914 bis 1928.<br />

Er verfolgte die Idee des Gesamtkunstwerks.<br />

Nur wenige Künstler, die einen<br />

Bezug zu Künstlerkolonien in ihrem Schaffensweg<br />

aufweisen, betätigten sich<br />

annähernd so vielseitig wie Bernhard Hoetger.<br />

Schon bei den ersten, rund 30 Jahre vorher<br />

nach Worpswede gekommenen<br />

Malern ist um die Wende zum 20. Jahrhundert<br />

ein Interesse für die dreidimensionale<br />

Kunstgestaltung festzustellen. Fritz<br />

Overbeck formte 1896 den Kopf eines<br />

Knaben aus Gips und Hans am Ende im<br />

Jahr 1898 die Büste eines Mädchens. Von<br />

Letzerem ist bekannt, dass er sich ab 1914<br />

verstärkt mit Bildnissen und Porträts<br />

beschäftigen wollte. Dies war ihm durch<br />

seinen Tod gegen Ende des Ersten Weltkriegs<br />

nicht mehr möglich. Fritz Mackensen,<br />

der als Entdecker und Gründer der<br />

Kolonie gilt, gestaltete um 1898 mehrere<br />

Figuren, die auch in Bronze gegossen wurden.<br />

Mackensen unterrichtete<br />

Clara Rilke-Westhoff<br />

Eine seiner berühmten Schülerinnen war<br />

Clara Rilke-Westhoff. Dieser empfahl er die<br />

Beschäftigung mit der Bildhauerei und er<br />

unterrichte sie; ein Zeichen dafür, dass<br />

Mackensen dieser Kunstgattung, in der er<br />

sich selbst auch versuchte, zugeneigt war.<br />

Nach ihrem Aufenthalt 1898/99 studierte<br />

Clara Rilke-Westhoff bei Max Klinger und<br />

war Gast bei Auguste Rodin in Paris. Sie<br />

kam nach Worpswede zurück, blieb bis<br />

1902 und besuchte innerhalb ihres unruhigen<br />

Lebens an der Seite von Rainer Maria<br />

Rilke für einige Monate in den Jahren 1903<br />

und 1904 die Kolonie, bevor sie 1919 endgültig<br />

nach Fischerhude übersiedelte. Sie<br />

schuf Porträts der Worpsweder Künstler<br />

Heinrich Vogeler, Paula Modersohn-Becker<br />

und mehrere ihres Ehemanns Rainer Maria<br />

Rilke. Auch Hedwig Woermann nahm<br />

Unterricht bei Fritz Mackensen und erhielt<br />

zunächst bei ihm, anschließend in Rom<br />

und Paris eine Ausbildung zur Bildhauerin.<br />

Nach ihrem Weggang aus Frankreich 1914<br />

betätigte sie sich als Malerin und lebte von<br />

1920 bis 1932 in Ahrenshoop. Ab 1932<br />

suchte sie ein neues Wirkungsfeld in<br />

Argentinien und nach dem Zweiten Weltkrieg<br />

kehrte sie nach Ahrenshoop zurück.<br />

Aufgrund der politischen Umstände zog<br />

sich der Bildhauer Gerhard Marcks 1933<br />

mit seiner Familie auf den Darß zurück,<br />

lebte und arbeitete unter erheblichen Einschränkungen<br />

in der Nähe von Ahrenshoop.<br />

Die einzige Künstlerin, die in einer Kolonie<br />

geboren wurde und zeitlebens dort<br />

blieb, war Hedwig Ostertag in Kronberg.<br />

Nur für ihre Ausbildung ging sie in die<br />

nahe gelegene Bildhauerklasse der Frankfurter<br />

Städel-Schule und später mit einem<br />

Stipendium nach Paris. Ihre bekanntesten<br />

Werke waren Kinderbüsten und Grabmäler,<br />

die bis 1914 entstanden.<br />

Besonders vielseitig war Ignatius<br />

Taschner. Er hielt sich von 1906 bis zu seinem<br />

frühen Lebensende oft in seinem<br />

Haus in Dachau bei München auf, arbeitete<br />

von dort aus mit Architekten in Berlin<br />

zusammen und entwarf zahlreiche kunstgewerbliche<br />

Objekte. Ein weiterer Zeichner<br />

und Bildhauer kam 1919 nach Dachau:<br />

Wilhelm Neuhäuser, an den Kunstgewerbeschulen<br />

von Dresden und München ausgebildet,<br />

widmete er sich insbesondere<br />

der Darstellung von Tieren.<br />

Vielfach hatten die Bildhauer Kontakt zu<br />

Malern und produzierten selbst auch grafische<br />

Blätter, Gemälde und Ähnliches.<br />

Andere Künstler waren Maler und arbeiteten<br />

gelegentlich plastisch. Diese Vielseitigkeit<br />

wurde, wie bei Karl Schmidt-Rottluff,<br />

der sich zum Arbeiten in Dangast und auf<br />

Nidden (heute Litauen) aufhielt, jedoch<br />

nie im Kontext der Künstlerkolonien gesehen.<br />

Fritz Overbeck<br />

Clara Rilke-Westhoff<br />

Ignatius Taschner<br />

26 RUNDBLICK Frühjahr 2017

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