Reisen CRUISER Edition <strong>Mai</strong> <strong>2013</strong> Reiseziel «Gay» Das Reisemarkt-Label «Gay» muss mit Vorsicht genossen werden Von Lola Sara Arnold-Korf © Shutterstock 14
CRUISER Edition <strong>Mai</strong> <strong>2013</strong> Reisen Ab in den Urlaub! Bloss wohin dieses Jahr? Zahlreiche Reise-Agenturen offerieren sommerliche Gay- Wonnen rund um den Globus. Allerdings: Nicht überall, wo gay draufsteht, ist auch gay drin. «Gay travel», «Reisen/schwul» – wer sich auf Google ein wenig unter diesen Stichworten umschaut, begreift eines ganz schnell: Der ganze Globus ist in diesem Jahr «Gay», und reisefreudige Schweizer Schwule sind in Hotelbetten von Rio bis Shanghai höchst gern gesehene Gäste. Es gibt spezialisierte Reiseveranstalter, eine Gay Travel Association (iglta.org), den guten alten Spartacus, die Bruno-Gmünder-Reisefibel aus den späten Siebzigern, welche nach wie vor gefragt ist und – jährlich aktualisiert– die Homo-Feinschmeckeradressen der Welt, ob mit oder ohne Bettstatt, fein säuberlich katalogisiert. Und dann gibt es noch die vielen herkömmlichen Reiseveranstalter, die unlängst ihr Herz für Gays entdeckt haben und nun Tür und Tor weit aufmachen für Gäste der etwas anderen Art. «In diesem Hotel sind schwule und lesbische Gäste herzlich willkommen», frohlockt es bei einer Hotel-Präsentation auf der Dertour.de-Website. Vorgestellt wird das Welcome-Hotel in Essen, das den geneigten Gast mit einem Gay-Welcome-Kit empfängt, «bestehend aus einer Übersicht über die lokalen Szene-Clubs/-Locations/-Events sowie Kulturinfos über Essen». Wie? Sie wissen nicht, was Sie in Essen sollen? Nun, da geht es Ihnen wie vielen, weshalb Dertour.de auch noch Hotels in Barcelona, Berlin, Toronto und Wien <strong>im</strong> Angebot hat. Besser gleich ins Fachgeschäft Auf allen Hotelbildern prangt jeweils das selbstgemalte lindgrüne Gütesiegel «gayfriendly» mit ein paar Klecksen in Regenbogenfarben. Die anderen sympathisierenden Hotels haben zwar kein Welcome-Kit, bestechen dafür aber mit «szenekundigem Personal», den Verkehrsanbindungen, mit denen es «in ca. 20 Minuten zur Wiener Gay-Szene» geht, oder <strong>im</strong> Falle Toronto auch mit gar nichts, denn die Stadt an sich ist ja sowieso «eine Hochburg der schwulen & lesbischen Szene Kanadas.» Das muss dann einfach mal reichen. Nach so viel Mogelei geht man dann doch lieber gleich schnurstracks ins nächste Online-Fachgeschäft. Als da wäre zum Beispiel pinkcloud.ch, das erste Haus am Platz in Sachen Gayreisen in Zürich. Selbstgemalte lindgrüne Gütesiegel gibt es hier zwar nicht, doch prangt auch hier das Schild «gayfriendly» verdächtig oft an vielen Angeboten. Wo um H<strong>im</strong>mels Willen ist denn nun auch wirklich gay drin und nicht nur darauf? Denn wer, bitte schön, kann es sich heutzutage noch erlauben, seine Zeit mit ebenso unnötigen wie unschönen Flops zu verplempern? Feine, aber wichtige Unterschiede «Wir unterscheiden zwischen All-Gay-Anlagen, Men-Only-Resorts, Women-Only-Resorts, Heterofriendly-Resorts und Gayfriendly-Hotels», bringt der Geschäftsführer von Pink Cloud, Raymond Fuhrer, Licht ins Dunkle. «All-Gay-Anlage» hört sich in jedem Fall schon mal sehr gut an, doch was muss man sich darunter vorstellen? Einen Parcours mit Utensilien vom Andreaskreuz bis zur Sektflöten- und Federhut-Ablage? Nein, meint Raymond Fuhrer. «Diese ansonsten ganz normalen Hotels sind für Heteros einfach nur nicht zugänglich». Achtung allerdings: «All-Gay» bedeutet schwullesbisch gemischt, so dass der männliche Gourmet unter Umständen dann doch lieber auf Men-only zurückgreifen sollte. Die Auswahl der Destinationen reduziert sich mit Men-only dann allerdings ganz drastisch. Von den Hunderten von pinkfarbenen Angeboten auf pinkcloud.ch (Israel, Karibik, South Africa, Indischer Ozean – you name it) und den über 60 000 Hotels mit pinkem Sch<strong>im</strong>mer in der hauseigenen Hoteldatenbank trägt dann kaum ein Angebot den Titel Menonly. In vielen Ländern wie Marokko oder Indien lassen sich die Heteros erwartungsgemäss einfach nicht so mir nichts dir nichts vor die Tür katapultieren. Oder auch anders herum: Men-only hat dort vermutlich keine so extreme Konjunktur. Seit Jahrzehnten die gleichen Destinationen Soll es also «men-only» oder zumindest Testosteron in höherer Konzentration sein, erübrigt sich die Frage nach den aktuellen Reisetrends in dieser Saison dann auch ziemlich. Diese Trends stehen schon seit Jahrzehnten fest. «Die Renner für Gay-Badeferien bleiben Mykonos, Ibiza, Gran Canaria, Sitges und Miami», weiss Markus Uebelhart von Hotelplan. Er hat vor einigen Jahren Hotelplan-Gay-Travel lanciert. «Bei den Städte-Reisen sind weiterhin Barcelona, Amsterdam, Berlin und New York sehr stark gefragt.» Besonders auf den Mittelmehr-Inseln gehe es <strong>im</strong> Sommer rustikal und herzhaft zur Sache – ganz ohne zuviel verschleiernde Kultur, die <strong>im</strong> Urlaub sowieso keiner braucht. Dementsprechend: «Die Plätze auf Mykonos und Ibiza werden schon langsam rar», so Uebelhart. Wer sich partout für keinen fixen Ort entscheiden kann, der muss es auch nicht, denn sortenrein sind in diesem Jahr auch viele Gay-Dampferfahrten, ob die Donau rauf und wieder runter (Prag-Budapest) oder an der amerikanischen Westküste nach Mexico und zurück, so gesehen auf der Pinkcloud- Website vor allem in der Geschmacksrichtung «all-gay». «Gay-Cruise» lautet hierzu das Zauberwort für Google, das alle marit<strong>im</strong>en Gay-Angebote inklusive Segeltörns in der Ägäis zu Tage fördert. Glaubt man den Fotos auf Sites wie atlantisevents.com, dann läuten hier die Hochzeits- und sämtliche andere Glocken, wenn nicht gleich bei der Ankunft, dann aber spätestens bei der Abreise. Was ist gut, was nicht? So weit so gut, doch wie lässt sich <strong>im</strong> Dickicht der Urlaubs-Angebote eigentlich ersehen, was wirklich gut ist und was nicht, denn Online-Buchung ist ja <strong>im</strong>mer etwas ein Katze-<strong>im</strong>-Sack-Kauf, gay hin oder her. Die Antwort lautet: «tripadvisor.com». Die «weltweit grösste Reisewebsite» hat sich inzwischen zum Hotelbetreiber-Schreck Nummer 1 entwickelt und bringt dank der ausgeklügelten Bewertungsfunktion neuerdings Hotelbesitzer sogar vor laufender Kamera zum Weinen: «Nein, das st<strong>im</strong>mt nicht, der Klodeckel war überhaupt nicht total verschmutzt». Hier lassen sich Bewertungen entweder zu best<strong>im</strong>mten Hotels oder Unterkünften suchen oder lottoartig mit dem Suchbegriff «Gay», was <strong>im</strong>merhin über 624 Treffer liefert. Mit oder ohne «Gay»-Stempel Doch muss es überhaupt unbedingt ein GAY-Urlaub sein? Nicht unbedingt. «Es gibt <strong>im</strong>mer mehr Schwule, die nicht mehr in die «Schwulen- Ghettos» wollen, sondern sich unter andere Gäste mischen möchten», weiss Markus Uebelhart. Und obwohl sich diese Aussage vermutlich eher auf ältere Paare bezieht, die auf melodramatische Eifersuchtsszenen <strong>im</strong> Urlaub verzichten wollen, ist auch das völlig legit<strong>im</strong>. Der Suchbegriff bei Google lautet dann einfach nur «Urlaub»! Gay- Singles empfiehlt sich das einloggen auf Gayromeo oder Gaydar. Beide Plattformen warten mit einer komfortablen GPS-Radar-Funktion auf, Gaydar mit einer App für das iPhone, Gayromeo mit Apps für das iPhone und das iPad. Damit lassen sich alle willigen Gays <strong>im</strong> Umkreis von zehn Kilometern auch in Lyon, Plymouth, Sigüenza oder Woodbridge Township sondieren – und das ganz ohne Ghetto-Stempel auf der Hotel-Bettwäsche. 15