<strong>COMPACT</strong><strong>Spezial</strong> _ CDU Die Patin _ Gertrud Höhler im Gespräch mit Jürgen Elsässer Angela Merkel repräsentiert einen neuen autokratischen und prinzipienlosen Politikertypus, der dem Verfallszustand der Gesellschaft entspricht und sich um Recht und Gesetz nicht schert. Unberechenbarkeiten, aber die Zuhörer werden in der Sicherheit gewiegt, ihnen werde schon nichts passieren. Man hört nie schlechte Nachrichten von ihr – obwohl es, etwa in der Euro-Krise, eigentlich ständig und massiv schlechte Nachrichten gibt. Manchmal hat man den Eindruck, dass sie, wenn sie ans Rednerpult tritt, <strong>am</strong> liebsten gar nichts sagen würde. Etwa nach ihrem Motto: «Gib nie ein Versprechen – sonst bist du erpressbar.» Die Windsbraut 22 Gertrud Höhler. Fotos: Udo Grimberg/ CC BY-SA 3.0 de, Orell-Füssli- Verlag * Prof. Dr. Gertrud Höhler ist Literaturwissenschaftlerin, Publizistin und Beraterin für Wirtschaft und Politik. Mit Alfred Herrhausen entwickelte sie die strategische Kommunikation der Deutschen Bank. Sie war Board Member der CIBA Chemie, der Schweizer Versicherung Bâloise Holding und des Ingenieurkonzerns Georg Fischer. Sie wurde vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland. Ihr Buch Die Patin – Wie Angela Merkel Deutschland umbaut erschien 2013 bei Orell Füssli (295 Seiten, 21,95 Euro). – Gekürzt aus <strong>COMPACT</strong> 11/2012. Ihr Buch trägt den Titel Die Patin, das erinnert an den Mafia-Roman von Mario Puzo. Welcher «ehrenwerten Gesellschaft» steht die Kanzlerin vor? Es gibt eine strukturelle Analogie des «Systems Merkel» zu Geheimbünden. Es wird unideologisch agiert, es gilt ein Schweigegelübde, und der Bereich der Legalität wird von illegalen Aktivitäten durchsetzt. Sie ist eine Frau der Unberechenbarkeiten, aber wiegt die Zuhörer in Sicherheit. Sie sezieren die Sprache der Kanzlerin, eine «Alien-Lingua». Wie konnte jemand mit solchen unverständlichen und schw<strong>am</strong>migen Bandwurmsätzen nach oben kommen? Offensichtlich kommt es nicht so darauf an, wie sie spricht. Oder vielleicht sogar: Weil sie so wenig klare Aussagen macht, denken die Leute: Mit dieser Frau ist das Leben ungefährlich. Ihre Nullsummensätze, ihre Verklausulierungen, ihre Interpretationsoffenheit, ihre Abwiegeleien – sie ist eine Frau der Nochmal zur Definition von Merkel. Im Titel verwenden Sie «Patin», also Anführerin des Clans. An anderer Stelle sprechen Sie von ihr als einer «Schlafwandlerin». Deren somn<strong>am</strong>bule Schritte werden aber von anderen Mächten gelenkt, oder? Ich hab in meinem Buch noch ein drittes Bild oder Bildpaar für Frau Merkel verwendet: Ist sie Windsbraut oder Windmaschine? Ist sie also Macherin eines Trends – oder nur dessen Symptom, als besonders geeignet an die Spitze gespült? Aber auch in diesem Fall spielt die Führungsfigur eine Rolle, die nicht nur passiv ist. Wir leben in einer überreifen Demokratie, in der Verfallsepoche einer Wohlstandsgesellschaft. Der Trend geht zum Schuldenmachen, zur Bequemlichkeit. Merkel verkörpert diesen Trend – und treibt ihn weiter. Sie diagnostizieren im «System M» Anklänge an «die Diktaturen des zwanzigsten Jahrhunderts»: die «Marginalisierung der Parteien, der Themenmix aus enteigneten Kernbotschaften anderer Lager in der Hand der Regentin; ihre Nonchalance im Umgang mit dem Parl<strong>am</strong>ent, mit Verfassungsgarantien, Rechtsnormen und ethischen Standards». Warum will die Mehrheit der Deutschen diese Gefahr nicht sehen? Weil Merkel sich als überparteilich präsentiert. Sie betont, dass sie nicht identisch mit ihrer Partei, der CDU, ist. Durch ihre überparteiliche Selbstinzenierung sieht ihr Durchmarsch nicht wie eine politische Machtergreifung aus, sondern eher wie mütterliche Fürsorge? Eben. Sie ist auch bei SPD- und Grünen-Wählern beliebt, weil sie SPD und Grünen auch Themen entwendet und deren Progr<strong>am</strong>matik annektiert hat. Der politische Wettbewerb und die demokratische Meinungsfreiheit leiden darunter. Merkel forciert Allparteienentscheidungen und verlangt, dass alle mitziehen.
CSU Vom bayerischen Löwen Franz Josef Strauß bis zum weiß-blauen Schoßhund Horst Seehofer 23