<strong>COMPACT</strong><strong>Spezial</strong> _ CSU Seehofers Lebensweg Der 1949 in Ingolstadt geborene Horst Lorenz Seehofer trat 1971 in die CSU ein und war zwischen 1994 und 2008 stellvertretender Parteivorsitzender. Anschließend folgte er Erwin Huber auf dem Spitzenposten der Christsozialen. Zwischen 1980 und 2008 gehörte er dem Bundestag an. 1989 bis 1992 war er Parl<strong>am</strong>entarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, anschließend bis zum Ende der Regierung Kohl im Herbst 1998 Bundesminister für Gesundheit und von 1998 bis 2004 Vizevorsitzender der Unionsfraktion. 2005 kehrte er als Landwirtschaftsminister in die Bundesregierung zurück. Das Amt in Berlin gab er 2008 auf, um bayerischer Ministerpräsident werden zu können. In München löste er Günther Beckstein ab, der nach dem Debakel bei den Landtagswahlen <strong>am</strong> 28. September 2008 – die CSU verlor 17,3 Prozent und die absolute Mehrheit – zurückgetreten war. Der Politiker ist seit 1985 in zweiter Ehe mit Karin Seehofer verheiratet und hat aus dieser Beziehung drei erwachsene Kinder – sowie eine 2007 geborene uneheliche Tochter. In einem Münchner Bierzelt Ende Mai 2017: Merkel hielt ihre berühmt gewordene Anti-Trump-Rede. Foto: picture alliance / Sven Hoppe/dpa nungswellen surft. Aber es gibt einen großen Unterschied zwischen ihr und ihm: Merkel ist das Medium der veröffentlichten Meinung, letztlich die Bauchrednerin von Friede Springer. Seehofer hingegen ist das Medium der öffentlichen Meinung, letztlich der Lautsprecher der St<strong>am</strong>mtische. Anders gesagt: Sie steht für den Mainstre<strong>am</strong>, er für die Mehrheit. Viele denken, das sei dasselbe, aber das genau ist Mainstre<strong>am</strong>-Propaganda. Ob diese strategische Differenz eine persönliche Feindschaft erzeugt hat oder umgekehrt erst wuchs, weil die Chemie nicht stimmte – wer will das sagen. Die Feindschaft zwischen beiden ist jedenfalls herzlich. Einmal schrieb Seehofer an einem Theaterstück mit, in dem sein Alter Ego zur Beichte geht. Als der Priester fragt, ob er manchmal auch sündige Gedanken beim Anblick von Angela Merkel hege, antwortet der Reuige: «Vater, ich habe schon vieles angestellt, aber Wunder kann ich nicht vollbringen.» Das war im Jahr 2004, nachdem er den Fraktionsvize hatte abgeben müssen, weil er in der Gesundheitspolitik Merkels Kopfpauschale nicht unterstützte. Die große Revanche Für Seehofer spricht, dass ihn die ganzen Tiefschläge nicht demoralisiert haben. Am schlimmsten war ja nicht der von der jetzigen Kanzlerin erzwungene Rückzug 2004. Schon zwei Jahre davor war er nicht nur politisch, sondern nach einer Herzmuskelentzündung sogar klinisch fast tot gewesen. Und 2006, als es um die Nachfolge Stoibers ging, lancierte die Boulevardpresse die Geschichte von seiner Geliebten und dem Kind. D<strong>am</strong>it war er aus dem Rennen. Seine Ehe hat er gerettet, immerhin. Wer das für eine kleine Leistung des Paares hält, sollte nicht im Glashaus sitzen. Doch über Jahre ist kein Tag vergangen, an dem die linksliberale Journaille nicht mit Steinen warf. «Auf Außenstehende wirkt das Ehepaar Seehofer als kühle Zweckgemeinschaft», höhnte die Süddeutsche im Mai 2010. «Auf Außenstehende wirkt das Ehepaar Seehofer als kühle Zweckgemeinschaft.» Süddeutsche Zeitung Seehofer kommt von ganz unten. Als Kind eines Lastwagenfahrers wuchs er in Ingolstadt unter ärmlichsten Verhältnissen auf. Dann besuchte er die Realschule und arbeitete als Laufbursche im Landrats<strong>am</strong>t. Den Dünkel der Akademiker und Reichen hat er nie ausgebildet – deshalb weiß er, was die Arbeitenden und Fleißigen denken. Freilich ist er Politiker, und da heißt es Lavieren. In der Euro-Frage pfiff er den populären Peter Gauweiler, den frühen Kritiker des «Esperantogeldes», immer wieder zurück. 2015 warf dieser nimmermüde Quertreiber sein Bundestagsmandat hin. Vermutlich dachte der CSU-Chef, dass an dieser Front kein Durchkommen ist. Aber nach Guerillaart griff er an, sobald beim Gegner eine Flanke ungeschützt war: Die Durchsetzung der Autobahnmaut gegen das öffentliche Beharren Merkels vor der Wahl, diese werde nicht kommen, ist sein bislang größter aber letztlich auch einziger Triumph gegen die alte Rivalin. Dagegen liefen die Eurokraten in Brüssel und Berlin Sturm, die gerne hätten, dass der ganze in Deutschland erarbeitete Reichtum – und dazu gehört auch unsere Verkehrsinfrastruktur – für den Rest der Welt gratis zur Verfügung stehen soll. 30
SPD Von der alten Arbeiterpartei zur Asyl- und Banker-Lobby 31