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COMPACT Spezial 14 "Verrat am Wähler"

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Hoffnung mit Dreitagebart<br />

_ von Marc Dassen<br />

Das Phänomen Christian Lindner: One-Man-Show statt überzeugender<br />

Progr<strong>am</strong>matik, gutes Aussehen statt guter Ideen, flotte Rhetorik<br />

statt mutiger Standpunkte. Und für die Kanzlerin hat der junge Mann<br />

ein verführerisches Angebot.<br />

spricht, gepaart mit dem fast patriotisch klingenden<br />

Twitter-Hashtag #EsgehtumunserLand, suggerierten<br />

Tatendrang und Macher-Qualitäten. Nicht<br />

mehr nur zuschauen will man, sondern mitmachen.<br />

Aber wobei?<br />

52<br />

Das Design<br />

bestimmt das<br />

Bewusstsein.<br />

Ginge es bei der Bundestagswahl nur um Äußerlichkeiten,<br />

man müsste dem liberalen Spitzenkandidaten<br />

Christian Lindner wohl verfallen. Selten<br />

schmeichelte ein Politiker so sehr dem Auge<br />

wie der dyn<strong>am</strong>isch auf Schwarzweiß-Plakaten<br />

und in Image-Filmchen posierende Mann an der<br />

Spitze der FDP. Mit seinen taillierten Maßanzügen<br />

und seinen schlanken Krawatten könnte er einem<br />

Magazin für Herrenmode entsprungen sein, seine<br />

weißen Sneakers verjüngen ihn zusätzlich – obwohl<br />

die Assoziation zu dem frühen Joschka Fischer,<br />

der sich 1986 in weißen Nike-Turnschuhen<br />

als Umweltminister vereidigen ließ, zumindest für<br />

Wähler jenseits der 30 zu augenfällig ist, um wirklich<br />

zu überzeugen. Und dennoch: Das jugendlichfrische<br />

Auftreten des 38-Jährigen wirkt anziehend,<br />

sein Stil ist leger, sein Dreitagebart hip, sein Spiel<br />

mit der K<strong>am</strong>era zeugt von Talent fürs Schauspielerische.<br />

Und seine Botschaft gegen den «Stillstand»,<br />

der seinem progressiven Naturell nur zu gut ent-<br />

Das Design bestimmt das Bewusstsein: Der<br />

adrette Einpeitscher ist brav, ja richtiggehend zahnlos,<br />

geht’s um Kritik <strong>am</strong> Establishment. Logisch,<br />

denn mit genau dem will er zum Schluss ja wieder<br />

an die Macht kommen, was der Partei – wie all<br />

die Jahrzehnte zuvor – auch weiterhin jede Aussicht<br />

auf eine eigenständige politische Daseinsberechtigung<br />

nimmt. Der Kern ihres Glaubwürdigkeitsproblems<br />

liegt eben nicht in ihren Großspendern<br />

aus der Industrie oder ihrem leicht blasierten<br />

Standesdünkel, auch nicht in zotigen Herrenwitzen<br />

eines Rainer Brüderle oder in den Klientelinteressen<br />

der Einstecktuch-Fraktion, sondern darin, dass<br />

die Partei einen wirklich tiefgreifenden Politikwechsel<br />

nie mit jenen Kräften verwirklichen können wird,<br />

die als einzige in der Lage sind, ihr ein Stück der<br />

Macht anzubieten. Erschwerend kommt hinzu, dass<br />

die Lindner-FDP von vornherein jeden Gedanken an<br />

eine Koalition mit der AfD kategorisch ablehnt. So<br />

bleibt man Geisel der Großparteien.

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