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COMPACT Spezial 14 "Verrat am Wähler"

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<strong>COMPACT</strong><strong>Spezial</strong><br />

_ SPD<br />

Willy Brandt in Silber<br />

Prozent hatten, bei den Kindern waren es schon<br />

70 Prozent. Und da wird ein großes Flüchtlingsdorf<br />

aufgebaut, und noch mal 700 Flüchtlinge kommen<br />

dazu… Und dann hab ich gesagt: Jetzt ist Schluss<br />

mit lustig, jetzt ist endgültig Schluss. Da haben sich<br />

auch andere tierisch aufgeregt bei mir in der SPD-<br />

Fraktion. Aber keiner hat was gesagt! Wenn man<br />

über die Standorte von Flüchtlingsheimen diskutiert,<br />

dann ist das immer so, dass ein Betroffener wie ich<br />

sich aufregt – und alle anderen machen drei Kreuze<br />

unterm Tisch… Hinterher ist das Interessante, da<br />

klopfen die Dir auf die Schulter: Ja, hast ja Recht<br />

gehabt, wir wissen das ja, das kann ja alles nicht<br />

funktionieren, aber wir können ja nichts ändern, wir<br />

können ja nichts machen.<br />

In dieser Situation, Ende 2015, hab ich über<br />

Weihnachten ein Gespräch geführt mit meiner F<strong>am</strong>ilie,<br />

mit meiner Frau – ihnen im Prinzip meine Entscheidung<br />

mitgeteilt, dass ich es offen sagen werde,<br />

dass ich jetzt ein Interview geben werde und die<br />

Sache mal anstoßen werde. Das hab ich dann tatsächlich<br />

getan. Am 4. Januar hab ich der WAZ ein<br />

Interview gegeben mit dem Titel: «Integration arabischer<br />

Flüchtlinge scheitert». Mit dem Interview<br />

bin ich bundesweit bekannt geworden, und es hat<br />

eine Riesenwelle gegeben, vor allen Dingen eine<br />

1955 begann die Anwerbung von Gastarbeitern, ab 1961 auch<br />

aus der Türkei.<br />

Foto: Sascha Kohlmann, CC BY-SA 2.0, flickr.com<br />

Riesenwelle an Zustimmung. Die einzigen, die nicht<br />

zugestimmt haben, waren das Establishment meiner<br />

Partei und die Jusos. Also die Jusos waren die<br />

ersten, die mich als Faschisten bezeichnet haben…<br />

Dann hat die WAZ eine Online-Umfrage gemacht,<br />

und ich hatte eine Zustimmung von 96 Prozent.<br />

Die Jusos waren die ersten, die<br />

mich als Faschisten bezeichnet<br />

haben.<br />

Da wurden viele wach, viele munter! Dann haben<br />

wir zur Demo aufgerufen. Da ging’s noch nicht<br />

mal grundsätzlich um die Frage, ob wir Flüchtlinge<br />

wollten, sondern nur, wie die verteilt sind in der<br />

Stadt. Da schritt Hannelore Kraft ein und schickte<br />

den SPD-Generalsekretär vorbei, um mich da auszubremsen.<br />

Das Aufbegehren der SPD-Basis war da,<br />

aber es wurde von oben weggebürstet.<br />

«Die Konservativsten, das waren<br />

immer die Sozis. Wenn Sie<br />

jemals eine bestimmte Zeit im<br />

Ruhrgebiet gelebt hätten wie<br />

ich, und Sie wären in eine Wohnung<br />

reingekommen, dann hätten<br />

Sie gesehen, wie konservativ<br />

Arbeiter sind: Da stand<br />

eben ein Silberrahmen, der einzige,<br />

den die Leute sich leisten<br />

konnten, und in dem war eben<br />

das schöne Portrait von Willy<br />

Brandt. Das war der Pott, das<br />

waren Arbeiter, und die waren<br />

konservativ. Die wollten<br />

Deutschland, nicht das braune<br />

und auf keinen Fall das rote<br />

Deutschland. Sie wollten einfach<br />

Sozialdemokraten und konservativ<br />

sein: Ich will mein Bier,<br />

ich will mein Auto, meinen<br />

Zaun, meinen Vorgarten und Feierabend.»<br />

(Peter Bartels, Anfang<br />

der 1990er Jahre Chefredakteur<br />

der Bild, über eine der wichtigsten<br />

Käufergruppen seiner Zeitung<br />

im Gespräch mit COM-<br />

PACT, 2016)<br />

SPD-Wahlplakat 1972.<br />

Foto: willy-brandt.de<br />

_ Stark gekürztes Typoskript einer<br />

<strong>COMPACT</strong>-Veranstaltung <strong>am</strong> 8.<br />

Mai in Leverkusen mit Guido Reil<br />

und Jürgen Elsässer. – Von Guido<br />

Reil ist im April das Buch Wahrheit<br />

statt Ideologie: Was mir auf der<br />

Seele brennt erschienen (Berns,<br />

19,80 Euro)<br />

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