COMPACT Spezial 14 "Verrat am Wähler"
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<strong>COMPACT</strong><strong>Spezial</strong><br />
_ SPD<br />
Schumacher, Brandt,<br />
Schmidt<br />
19.4.1945 Neugründung der SPD<br />
in Hannover.<br />
20.8.1952 Tod des Parteivorsitzenden<br />
Kurt Schumacher. Erich<br />
Ollenhauer wird sein Nachfolger.<br />
15.11.1959 Verabschiedung des<br />
Godesberger Progr<strong>am</strong>ms.<br />
1.12.1966 SPD und CDU regieren<br />
auf Bundesebene erstmalig in<br />
einer Koalition.<br />
21.10.1969 Koalitionsregierung<br />
zwischen SPD und FPD unter<br />
Kanzler Willy Brandt.<br />
10.12.1971 Brandt erhält Friedensnobelpreis<br />
für seine Entspannungspolitik.<br />
19.11.1972 Bestes Wahlergebnis<br />
der SPD aller Zeiten 45,8<br />
Prozent.<br />
7.5.1974 Rücktritt Brandts wegen<br />
Spionage-Affäre (Guillaume-Affäre),<br />
Helmut Schmidt<br />
übernimmt.<br />
17.9.1982 Nach dem Austritt der<br />
FDP-Minister aus der Koalition<br />
zerfällt die sozialliberale Regierung<br />
– die Union unter Kanzler<br />
Helmut Kohl übernimmt mithilfe<br />
der FDP.<br />
Bild rechts: Helmut Schmidt bei seiner<br />
zweiten Vereidigung als Kanzler<br />
1976. Foto: picture-alliance / dpa<br />
Durch seinen engsten Berater Egon Bahr erfährt<br />
die deutsche Öffentlichkeit später, dass Brandt wie<br />
seine drei Vorgänger nach Amtsantritt einen «Unterwerfungsbrief»<br />
(O-Ton Brandt) gegenüber den<br />
Besatzungsmächten unterzeichnen musste. Doch<br />
nicht nur seine Ostpolitik zeigt, dass Brandt nicht<br />
gewillt ist, sich von den Alliierten dreinreden zu lassen.<br />
So erteilt er den USA eine klare Absage, deutsches<br />
Territorium zur Unterstützung ihrer globalen<br />
Militärpolitik zu nutzen. Während des Nahost-Krieges<br />
1973 will Brandt nicht hinnehmen, dass «vom<br />
Boden der Bundesrepublik Deutschland aus – ohne<br />
dass man die Bundesregierung auch nur vollständig<br />
informiert, geschweige denn vorher fragt – über<br />
<strong>am</strong>erikanische Materialien verfügt wird, zu Zwecken,<br />
die eben nicht Teil der Bündnisverantwortung<br />
sind». Tonbandaufnahmen aus dem Weißen Haus<br />
belegen, dass sich Präsident Richard Nixon und Außenminister<br />
Henry Kissinger im selben Jahr wünschen,<br />
eine Geschwulst an der Kehle des eigenwilligen<br />
Regierungschefs wäre bösartig.<br />
1974 stürzt Brandt über eine Spionage-Affäre.<br />
Sein Privatsekretär Günter Guillaume ist ein Spitzel<br />
der Stasi. Der US-hörige Bundesnachrichtendienst,<br />
dem Guillaumes Machenschaften bekannt gewesen<br />
waren, hatte Brandt ins Messer laufen lassen.<br />
Die verpasste Friedensbewegung<br />
Nachfolger Helmut Schmidt, im Unterschied<br />
zu Brandt ehemaliger Wehrmachtsoffizier, kämpft<br />
entschlossen gegen den linken Terror. Seine Devise<br />
im Deutschen Herbst 1977 lautet: Der Staat<br />
dürfe den Gewalttätern der RAF keinerlei Konzessionen<br />
machen. Im Falle eines Falles will Schmidt<br />
auch sein eigenes Leben für Staat und Nation hingeben:<br />
Schon 1975, nach dem terroristischen Überfall<br />
auf die deutsche Botschaft in Stockholm, geben<br />
er und seine Frau Loki beim Kanzler<strong>am</strong>tschef zu<br />
Protokoll, dass sie im Falle einer Entführung durch<br />
die RAF nicht ausgetauscht werden wollen. Diesem<br />
Grundsatz entsprechend opfert er auch den Arbeitgeberpräsidenten<br />
Hanns Martin Schleyer: Er lehnt<br />
alle Verhandlungen mit dessen Entführern ab, die<br />
ihn schließlich im November 1977 ermorden. Fast<br />
gleichzeitig gelingt der Eliteeinheit GSG9 die Erstürmung<br />
einer von Palästinensern entführten Lufthansa-Maschine<br />
– einer der größten Triumphe des Sozialdemokraten.<br />
Trotzdem entfremden sich der Kanzler und seine<br />
Partei, und zwar vor allem in der Außenpolitik.<br />
Bilderberger Schmidt treibt den NATO-Doppelbeschluss<br />
voran, der im Dezember 1979 in Brüssel<br />
verabschiedet wird und neue atomare Mittelstreckenraketen<br />
nach Deutschland bringt. Dabei übersieht<br />
er, dass sich das Kräfteverhältnis in der Partei<br />
drastisch zugunsten der Linken verschoben hat.<br />
1986 wird Schmidt schreiben, er habe den Zweck<br />
verfolgt, «den Sowjets das Bewusstsein der unabdinglichen<br />
Überlegenheit bei Mittelstreckenwaffen<br />
zu nehmen und sie zu Verhandlungen in diesem<br />
Bereiche zu bewegen».<br />
«Wer nicht arbeitet, soll auch<br />
nicht essen.» Franz Müntefering<br />
Viele Sozialdemokraten, darunter neben Brandt<br />
auch dessen «Enkel» Gerhard Schröder und Oskar<br />
Lafontaine, sympathisieren mit der Friedensbewegung,<br />
die ab 1979 gegen den Doppelbeschluss protestiert.<br />
Im Herbst 1983 stimmt die SPD auf einem<br />
Sonderparteitag endgültig über ihre diesbezügliche<br />
Haltung ab. Von 400 Delegierten sind gerade einmal<br />
13 dafür. Die sozialliberale Regierung war ein Jahr<br />
zuvor bereits zerbrochen – auch wegen dieser innerparteilichen<br />
Querelen. Im Schatten der angeschla-<br />
Sozen im Sinkflug<br />
1.000<br />
800<br />
600<br />
Ob Wahlergebnisse oder Mitgliederzahl:<br />
Bei den Sozialdemo kraten ging es konsequent nach unten.<br />
Bundestagswahlergebnisse<br />
und * Umfragestand<br />
in Prozent<br />
Mitgliederzahlen<br />
in Tausend<br />
42,7 45,8 42,6 42,9 38,2 37,0 33,5 36,4 40,9 38,5 34,2<br />
23,0<br />
400<br />
25,7 25,0<br />
200<br />
1969 1972 1976 1980 1983 1987 1990 1994 1998 2002 2005 2009 2013 2017*<br />
Quelle: wahlrecht.de, statista<br />
Grafik: <strong>COMPACT</strong><br />
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