Ausgabe 02/09 - Siemens Mobility
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Er steckt gewissermaßen in der Zwick -<br />
mühle, der Stadtverkehr zu Beginn des<br />
drit ten Jahrtausends. Einerseits engen<br />
Lärm, Abgase und die Abhängigkeit von<br />
endlichen, fossilen Energieträgern sowohl<br />
die Entwicklungsfähigkeit von Ballungs -<br />
räu men als auch die Bewegungsfreiheit<br />
der in ih nen lebenden Menschen ein. An -<br />
dererseits steht längst außer Frage, dass<br />
sich die Stadt der Zukunft in Zeiten der<br />
Urbanisierung und Re-Urbanisierung – al so<br />
der Rück- und Zuwanderung in die Metro -<br />
polen – noch weiter verdichten wird.<br />
Prestige misst man dann<br />
nicht mehr in PS, sondern<br />
in Miles and More und<br />
bahn.comfort<br />
Und so ganz nebenbei muss sich die verkehrliche<br />
Infrastruktur auch noch auf veränderte<br />
Mobilitätsstile einstellen, wie die<br />
Trendforscher des Zukunftsinstituts prognostizieren:<br />
Für die Jüngeren ist Mo bi lität<br />
gleich „Networking“, Familien se hen darin<br />
zunehmend den „Convenience“-As pekt<br />
und die Älteren ein Synonym für ih ren<br />
„Auf bruch“. Matthias Horx (siehe Inter -<br />
view Sei te 4) nennt zum Megatrend „Neo-<br />
Ökologie“ den Lifestyle of Health and<br />
Sus tainability (LOHAS), also eine Lebens -<br />
ein stellung, bei der Gesundheit und ein<br />
zu kunftsfähiger, bewusster Konsum im<br />
Mittelpunkt stehen.<br />
Der gerade noch als die größte um -<br />
weltpolitische Heraus for de rung für die<br />
Mensch heit titulierte Klima wandel entwickelt<br />
sich in den nächsten 30 Jahren<br />
zur selbstverständlichen Grund lage für<br />
das tägliche Han deln. Parallel dazu wird<br />
es jedoch auch weiterhin die traditionellen<br />
Lebensstile mit den heute typischen<br />
Verhaltensmustern geben.<br />
Aber wie wirkt sich diese neue Vielfalt<br />
an Lebensweisen und die daraus resultierende<br />
Veränderung von Wegelängen und<br />
ihrer zeitlichen und räumlichen Vertei lung<br />
auf die Mobilität von Morgen aus? Neue<br />
Mo bilitätskonzepte werden von den Men -<br />
schen als selbstverständliche Wahlalter -<br />
nati ven ver innerlicht. Generell wird das<br />
Auto als bislang einzig akzeptiertes alltägliches<br />
Fort bewegungsmittel von Ges -<br />
tern sein, die Zukunft gehört einem individuell<br />
gewählten Mix verschiedener<br />
Verkehrs mit tel – die mobile Gesellschaft<br />
wird multimodal. Nicht nur aus ökologischer<br />
Sicht, sondern auch aus rein praktischer:<br />
Denn künftige soziale Beziehungs -<br />
muster sind stadtübergreifend und sogar<br />
international vernetzt.<br />
Virtuell ist die Welt schon heute zu ei -<br />
nem Vorgarten zusammengeschrumpft,<br />
mobile Technologien ermöglichen das<br />
„Netz werken“ zu fast jedem Zeitpunkt.<br />
Privates vermischt sich mit Öffentlichem;<br />
wer früher noch als verrückt eingestuft<br />
worden wäre, entpuppt sich heute als<br />
freisprechend telefonierender Geschäftsoder<br />
Privatmann. Young Globalists be -<br />
richten sich über die ungewöhnlichsten<br />
Reise varianten, wer nur mit einem Ver -<br />
kehrs mittel anreist, kann da bald kaum<br />
noch mithalten: Persönliches Prestige<br />
misst man dann nicht mehr in PS, sondern<br />
in Miles and More und bahn.comfort.<br />
Gleiches gilt für das Pflegen in ternationaler<br />
Netzwerke: Die heute schon virtuell<br />
global Vernetzten wollen natürlich auch<br />
in der realen Welt um den Glo bus ziehen.<br />
Die höheren Reisege schwin digkeiten der<br />
einzelnen Ver kehrs mittel helfen dabei.<br />
Wochenendtrips mit dem Flugzeug<br />
sind wegen geringer Kosten schon heute<br />
keine Seltenheit mehr und werden weiter<br />
zunehmen, die steigende Nachfrage und<br />
knappere Ressourcen erzwingen effizientere<br />
Flugzeugdesigns. Immer mehr Ältere<br />
unternehmen Reisen und Städte trips: Auf<br />
diese Weise tragen sie zu höheren Frei -<br />
zeitverkehrsanteilen im mo torisierten<br />
Individual- aber auch Flug ver kehr bei.<br />
Kinder aus Patchwork fami lien besuchen<br />
regelmäßig ihre Eltern teile, teils quer<br />
durch Deutschland, mehr und mehr auch<br />
europaweit. Partnerschaf ten werden<br />
dank neuer Mobilität immer häufiger<br />
ebenfalls über Distanzen geführt.<br />
Zur Person<br />
Sascha Baron, 29, ist Diplom-Ingenieur für Raum-<br />
und Umweltplanung und seit 2008 als wissenschaftlicher<br />
Mitarbeiter am Institut für Mobilität<br />
& Verkehr (imove) der Technischen Universität<br />
Kaisers lau tern tätig. Zu seinen aktuellen Schwer -<br />
punktthemen gehören unter anderem die Bereiche<br />
Straßen raum gestaltung und Zukunftsfähige<br />
Mobilität.<br />
Der Fuchsschwanz<br />
der Manta-Generation<br />
macht Platz für den<br />
„ökostrom“-Aufkleber<br />
Generell wird je nach Bedarf das individuell<br />
passende Verkehrsmittel ausgewählt.<br />
Durch den immer unkomplizierteren Zu -<br />
gang ist das auch kein Problem mehr: Wo<br />
früher noch Koffer und Kinder durch Zug -<br />
abteile geschleppt werden mussten, entstehen<br />
künftig ganze Familienzüge und<br />
sorgen für stressfreies gemeinsames Rei -<br />
sen. Auch im Öffentlichen Nahverkehr sind<br />
Wegeverbindungen sowie (Fahrt-)Infor -<br />
mationen vernetzt und in Echtzeit verfügbar.<br />
Der Besitz eines Autos wird weitgehend<br />
überflüssig, im Bedarfsfall stehen<br />
PKW im Rahmen flächendeckender Car-<br />
Sharing-An gebote bereit – auch für Ein -<br />
fachfahrten über das Stadtgebiet hinaus.<br />
Analog zum PS-Kräftemessen der Tra ditionalisten<br />
entdeckt der LOHAS neue Sta -<br />
tussymbole in Form von besonders kreativen<br />
und klimaverträglichen Fort bewegungs -<br />
konzepten. Demnächst erregen originelle<br />
E-Cars mit langem Atem mehr Aufsehen<br />
als übermotorisierte Highspeed-Monster.<br />
Die Ener gie erzeu gung dafür wird ökologisch<br />
sinnvoll sein – Fahrzeuge werden<br />
im Sin ne von Smart-Grid für das Last man<br />
age ment er neuerbarer Energien genutzt.<br />
Der Fuchs schwanz der Manta-Generation<br />
macht Platz für den grünen „ökostrom“-<br />
Aufkleber – nur der fossile Abgas-Junkie<br />
ist noch auf dicken Schlappen unterwegs.<br />
Elek tro vehikel und Fahrräder avancieren<br />
ebenso zu Luxus gü tern und Symbolen für<br />
Individualität wie zuvor die automobilen<br />
Edelmarken. Was heute der Porsche für<br />
die einen ist, mag morgen der Learjet,<br />
das Cannondale-Bike oder das Segway<br />
für die anderen sein – vielleicht sogar im<br />
Porsche-Design.<br />
Nicht mehr allein der Preis spielt eine<br />
Rolle für die Orts- und Verkehrs mit tel wahl,<br />
sondern weitere Aspekte wie Ge sundheit,<br />
Selbstver wirk li chung, Umwelt verträg lich -<br />
keit, Aufent halts qualität, Prestige und<br />
Netz werkpflege werden im Vordergrund<br />
stehen. Auch deshalb wird die Mobilität<br />
von Morgen aufgebrochen und individueller<br />
sein; nicht mehr eindimensional,<br />
sondern weitaus vernetzter und vielfältiger.<br />
Womöglich wird sie auch sauberer –<br />
eben eine postfossile Mobilitätskultur mit<br />
steigender Qualität in der reurbanisierten<br />
Stadt. Denn zur physischen, räumlichen<br />
Mobilität kommt in zunehmendem Maß<br />
auch die gedankliche Beweglichkeit. «<br />
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