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Unternehmen & Management - aktuelle ausgabe

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Menschen & Märkte<br />

Seite 18 . 17. April 2008 Pro:fit<br />

Sie kennt hier jeden Handgriff<br />

◆ Erfolgreiche Unternehmerin mit Gespür fürs Betriebsklima: Inge Meißner sieht ihre Firma Schlenker Spannwerkzeuge als eine große Familie<br />

von Stephanie Wetzig<br />

Vor der Fabrik schwimmen Goldfische<br />

im Teich, ein mit bunten Primeln<br />

bepflanzter Blumentopf trotzt<br />

dem späten Winter. In der Empfangshalle<br />

steht ein Kinderwagen und auf<br />

dem Konferenztisch der Chefin liegt<br />

eine Babyrassel. Was für einen Industriebetrieb<br />

leicht irritierend anmutet,<br />

ist bei der Schwenninger Firma<br />

Schlenker Spannwerkzeuge selbstverständlich.<br />

Es passt zu Inge Meißners<br />

Beschreibung ihres Betriebs:<br />

„Wir sind eine große Familie“. Eine<br />

Formulierung, die zwar gern von Unternehmern<br />

strapaziert wird, aus ihrem<br />

Mund jedoch nicht wie ein Lippenbekenntnis<br />

klingt. Schließlich hat<br />

die Inhaberin des mittelständischen<br />

<strong>Unternehmen</strong>s hier ihre drei Töchter<br />

aufgezogen, inzwischen kümmert sich<br />

die älteste von ihnen zwischen Kundenberatung<br />

und Finanzen um ihr<br />

erstes Baby.<br />

Doch obwohl bei Inge Meißner, die<br />

sogar die Schirmherrschaft für die Aktionswoche<br />

„Mädchen und Beruf<br />

2008“ übernommen hat, jedes flexible<br />

Arbeitszeitmodell machbar wäre, arbeiten<br />

bei ihr nur wenig Frauen und<br />

die vor allem im Büro. „Wir haben gar<br />

keine Bewerbungen um technische<br />

Arbeits- oder Ausbildungsplätze, es<br />

will niemand Zerspanungsmechanikerin<br />

werden.“<br />

Die 56-Jährige, die in gleichem Maße<br />

Kompetenz wie menschliche Wärme<br />

ausstrahlt, hat sich schon immer<br />

für Technik interessiert. „Sicher ist das<br />

durch meinen Mann noch verstärkt<br />

worden, der war nämlich Ingenieur.“<br />

Wenn sie durch die Produktionshalle<br />

geht und mit ihren Mitarbeitern<br />

scherzt, herrscht eine entspannte Atmosphäre.<br />

Es wird gelacht und gescherzt,<br />

aber jeder respektiert sie,<br />

denn Inge Meißner kennt jeden Handgriff.<br />

„Wenn ich abends hier durchgehe,<br />

sehe ich sofort, wer wie viel<br />

an dem Tag gearbeitet hat.“<br />

Dabei kommt sie ursprünglich aus<br />

dem kaufmännischen Bereich. 1986<br />

übernahm die frühere Chefsekretärin<br />

gemeinsam mit ihrem Mann Josef die<br />

Dreherei eines entfernten Verwandten,<br />

Hans Schlenker. „Er hatte keine<br />

Nachkommen und wollte sich zur<br />

Ruhe setzen, und wir wollten einen<br />

eigenen Betrieb haben“, sagt<br />

Meißner. Damals hatte das<br />

<strong>Unternehmen</strong> sechs Mitarbeiter<br />

und war an einem<br />

Früher war Inge Meißner Chefsekretärin,<br />

heute leitet sie eine<br />

florierende Dreherei. „Wir sind<br />

eine große Familie,“ sagt die<br />

Unternehmerin, der das Betriebsklima<br />

am Herzen liegt.<br />

Bilder: Wetzig<br />

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anderen Standort in einem Schwenninger<br />

Mischgebiet untergebracht.<br />

„Wir haben zuvor zwar beide in der<br />

Industrie gearbeitet, aber die Branche<br />

war für uns neu. Die Herausforderung<br />

hat uns aber viel Freude gemacht.“<br />

Fünf Jahre nach der Firmenübernahme<br />

war der Neubau im Industriegebiet<br />

fertig, die Meißners<br />

bezogen die extra dafür<br />

im oberen Stockwerk<br />

geplante Wohnung.<br />

„Das war sehr praktisch,<br />

ich konnte mich zwischendurch<br />

immer um<br />

die Kinder kümmern und dann wieder<br />

an die Arbeit gehen.“<br />

Doch dann erkrankte ihr Mann an<br />

Krebs. 1999 starb er, die Töchter waren<br />

damals 13, 16 und 19 Jahre alt.<br />

Damit Inge Meißner niemand bei der<br />

Betriebsführung reinreden konnte,<br />

wurde die Firma noch zu Lebzeiten ihres<br />

Mannes an sie überschrieben.<br />

„Wenn meine Kinder die Firma geerbt<br />

hätten, wäre für die beiden Minderjährigen<br />

ein gesetzlicher Vormund bestimmt<br />

worden, ohne den ich nichts<br />

hätte tun können.“ So behielt Inge<br />

Meißner freie Hand und investierte<br />

immer in die modernsten Maschinen.<br />

Der Erfolg gab ihr Recht: Innerhalb<br />

von neun Jahren hat sie die Zahl der<br />

Mitarbeiter noch einmal verdoppelt,<br />

mittlerweile stehen 45 Angestellte auf<br />

der Lohnliste. Die Spannwerkzeuge<br />

Sorgen für die richtige Spannung:<br />

Werkstücke von Schlenker.<br />

von Schlenker werden in der ganzen<br />

Welt bis nach Neuseeland verkauft.<br />

„Wir produzieren komplett selbst,<br />

vom Härten über das Erodieren,<br />

Schleifen und Drehen, wir kaufen also<br />

keine vorgefertigten Teile ein“, sagt sie<br />

nicht ohne Stolz.<br />

Die Arbeit half ihr in der schweren<br />

Zeit nach dem Tod ihres Mannes. „Es<br />

lenkt ab, wenn man sich auf etwas anderes<br />

konzentrieren muss.“ Damals<br />

lag die Lohnbuchhaltung noch in ihrem<br />

Aufgabenbereich. „Er starb an einem<br />

Monatsende und die Angestellten<br />

brauchten ihren Lohn. Also saß ich<br />

auch kurz nach seinem Tod abends oft<br />

bis 22 Uhr hier unten, um alles rechtzeitig<br />

fertig zu haben.“<br />

Bis vor kurzem lastete die Verantwortung<br />

komplett auf ihren Schultern. Vor<br />

zwei Jahren, in einer Phase längerer<br />

Krankheit, holte sie dann ihre älteste<br />

Tochter Britta in den Betrieb und übergab<br />

ihr im vergangenen Jahr die alleinige<br />

Geschäftsführung. Es war von Anfang<br />

an klar, dass nur eine der Töchter den<br />

Betrieb übernimmt. „Es ist wichtig, dass<br />

nur eine das Sagen hat, das wussten sie<br />

von Kindesbeinen an.“ Dennoch hat die<br />

mittlere Tochter wie ihre große Schwester<br />

ebenfalls Maschinenbau studiert,<br />

die jüngste ist noch mitten im Studium<br />

der Wirtschaftswissenschaften.<br />

Altersvorsorge gratis<br />

Immer noch arbeitet Inge Meißner<br />

mit. „Bis wann, darüber wage ich keine<br />

Prognosen“, sagt sie lachend. „Früher<br />

hatte ich mir mal vorgestellt, bis 55<br />

zu arbeiten.“ Trotzdem kann sie jetzt<br />

etwas kürzer treten. „Ich fange jetzt<br />

morgens erst nach acht Uhr an.“ Dafür<br />

hat sie mittlerweile die Wohnung in<br />

der Fabrik für ihre Tochter und deren<br />

Familie geräumt.<br />

„Die Arbeit ist ein wichtiger<br />

Teil des Lebens. Sie sollte<br />

Freude machen“<br />

UNTERNEHMERIN INGE MEISSNER<br />

Auf jeden Fall hat Inge Meißner nun<br />

mehr Zeit, sich den schöngeistigen Dingen<br />

zu widmen. Die Bilder an den Wänden<br />

belegen ihren Sinn für Kunst, sie ist<br />

Mitglied im Kunstverein Hohenkarpfen<br />

und wenn sie Zeit hat, liest sie auch gerne<br />

einen guten Roman. Die Firmeninhaberin<br />

liebt Reisen, sei es nach Asien,<br />

Afrika, Italien oder die Vereinigten Staaten.<br />

Entweder besucht sie dort Museen,<br />

die Oper oder aber auch Hilfsprojekte,<br />

bei denen sie gerne in Kontakt zu den<br />

Menschen tritt. Doch sie hilft nicht nur<br />

in fernen Ländern, auch in Schwenningen<br />

unterstützt sie die Vesperkirche<br />

oder den Sozial-Verein „Mach mit“.<br />

Auch ihre Angestellten profitieren<br />

von dem sozialen Engagement der<br />

Unternehmerin: „Für die Mitarbeiter<br />

in der Werkstatt gibt es Betriebskleidung,<br />

damit sie ihre ölverschmierten<br />

Sachen nicht selbst waschen müssen.<br />

Außerdem übernehmen wir die zusätzliche<br />

Altersvorsorge komplett.“<br />

Ein gutes Betriebsklima ist Inge Meißner<br />

sehr wichtig. „Die Arbeit ist<br />

schließlich ein wichtiger Teil des Lebens.<br />

Sie sollte Freude machen.“ Wie<br />

eine Familie eben.

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