digital finance 01-2017
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Über alle Kanäle<br />
Das Bankgeschäft war einmal ein Vorreiter beim Einsatz von Informationstechnologie:<br />
Großbanken gehörten zu den Stammkunden von IBM & Co. bei der Anschaffung<br />
der größten und leistungsstärksten Rechner. Heute zählt die Kreditwirtschaft nicht<br />
mehr zur IT-Avantgarde. Einige Finanzinstitute müssen aufpassen, dass sie den Zug<br />
in Richtung Digitalisierung nicht verpassen.<br />
Zwischen 2003 und 2<strong>01</strong>5 ist die Zahl der Kreditinstitute in<br />
Deutschland vor allem durch Fusionen und Insolvenzen von<br />
2.3<strong>01</strong> auf 1.960 zurückgegangen. Im gleichen Zeitraum wurden<br />
bundesweit 6.628 Filialen geschlossen. Die Banken<br />
haben durch Ausdünnung des Filialnetzes und kontinuierlichen<br />
Ausbau ihrer Online-Angebote die Kunden in die Self-<br />
Service-Welt des Online Bankings getrieben. Die Kunden<br />
nutzen das neue Angebot intensiv und besuchen nur noch<br />
selten die noch vorhandene Filiale, da den meisten Kunden<br />
dort offensichtlich der individuelle Nutzen als Anreiz für ein<br />
Beratungsgespräch vor Ort fehlt.<br />
Viele Kunden fragen sich, wozu sie eigentlich noch eine Bank<br />
benötigen, wenn sie ihre Transaktionen ohnehin selbst tätigen.<br />
Es kann deshalb kaum verwundern, dass sich jeder<br />
Dritte heute vorstellen kann, mit seinen Bankgeschäften zu<br />
Google, Amazon oder Facebook zu wechseln, sofern diese<br />
Unternehmen entsprechende Services anbieten. Zum Glück<br />
für die Finanzbranche ist das noch nicht der Fall.<br />
Omnichannel löst Multichannel ab<br />
Die Banken haben bereits in den 1990er Jahren gelernt,<br />
dass sie ihren Kunden verschiedene Vertriebswege anbieten<br />
sollten, um alle Präferenzen abzudecken. Das umfasste<br />
die klassische Filiale, Internet-Banking, Telefon-Banking<br />
via Call-Center und auch mobile Lösungen für das Smartphone.<br />
Allerdings waren diese Kanäle voneinander getrennt,<br />
und die Daten liefen oft erst im Backend-System<br />
wieder zusammen. Damit war ein Wechsel des Kanals<br />
bei einem laufenden Prozess, das sogenannte Channel-<br />
Hopping, nicht möglich. Die Institute gingen bei ihren Multichannel-Kunden<br />
davon aus, dass diese das Internet vor<br />
allem für Information und Überweisung nutzen, bei komplexeren<br />
Produkten und dem Wunsch nach Beratung aber<br />
bevorzugt die Filiale aufsuchen. In der Realität nutzen aber<br />
mehr als die Hälfte der Kunden im Vertriebsprozess mehrere<br />
Kanäle. Dabei sind es im Retailgeschäft vor allem die gut<br />
verdienenden – und damit lukrativen – Kunden, die mehrere<br />
Kanäle nutzen. Um einen nahtlosen Übergang zwischen<br />
den verschiedenen Vertriebskanälen zu realisieren, haben<br />
viele Banken daher den Multichannel- zum Omnichannel-<br />
Ansatz weiterentwickelt.<br />
Dabei sollen alle Kanäle so vernetzt werden, dass an jedem<br />
Punkt im Vertriebsprozess ein reibungsloser Wechsel<br />
der Plattform möglich ist. So kann beispielsweise ein Beratungsgespräch<br />
in der Filiale punktgenau an das anknüpfen,<br />
was der Kunde zuvor auf dem Smartphone beantwortet<br />
hat. Oder eine Transaktion kann nach telefonischer Beratung<br />
auf dem Tablet vervollständigt werden. Alternativ beginnt<br />
ein Kunde abends mit dem Handy auf dem Sofa eine<br />
Kontoeröffnung und schließt den Antrag am nächsten Morgen<br />
am Arbeitsplatzrechner ab. Das Marketing spricht in<br />
diesem Zusammenhang von der „Customer Journey”, die<br />
sich zu jedem Zeitpunkt an den individuellen Bedürfnissen<br />
des Kunden ausrichten sollte.