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digital finance 01-2017

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Interview mit Professor Dr. Peter Fischer,<br />

Lehrstuhlinhaber für Arbeits-, Organisations-,<br />

Sozial- und Wirtschaftspsychologie an der<br />

Universität Regensburg.<br />

« Auch für<br />

den homo<br />

oeconomicus<br />

gilt: Der Mensch<br />

ist ein Gewohnheitstier.<br />

»<br />

allerdings systematisch erhöht. Was früher galt, muss<br />

nicht immer falsch sein.<br />

Fischer: Ich will es anders erklären. Eine der grundlegenden<br />

Theorien zum Verständnis von disruptivem Denken ist<br />

die kognitive Dissonanz von Leon Festinger (1957). Sie<br />

besagt grundsätzlich, dass Gedanken in einem konsonanten<br />

oder dissonanten Verhältnis zueinander stehen können.<br />

Konsonant sind sie dann, wenn zwei Gedanken miteinander<br />

vereinbar sind, zum Beispiel „Ich bin ein kreativer<br />

Mensch“ und „Ich habe für meine Firma schon viele hilfreiche<br />

Innovationen vorangetrieben“. Dissonant hingegen<br />

wären dieses Gedankenpaar: „Ich bin ein kreativer<br />

Mensch“ und „Leider scheitert meine Firma immer wieder<br />

daran, sich selbst neu zu erfinden“.<br />

+Die Entwicklung dieser Fähigkeit bringt den Unternehmen<br />

welchen konkreten Nutzen?<br />

Fischer: Der entscheidende Nutzen liegt in der Etablierung<br />

mehrgleisiger Denkprozesse. Es geht darum, das betriebliche<br />

Wunschdenken, sprich die Zielvorstellungen, auf die hin gearbeitet<br />

werden sollen, durch den Einbezug alternativer Betrachtungsweisen<br />

auf die breitest mögliche Erkenntnisbasis der<br />

Zukunftsvorhersagen zu stellen. So lassen sich Schritte in die<br />

falsche, die Existenz des Unternehmens gefährdende Richtung<br />

sicher nicht gänzlich ausschließen, aber doch deutlich in<br />

ihrem Gefahrenpotenzial verringern. Aus dieser Perspektive<br />

gesehen ist disruptives Denken ein Risiko senkendes, Fehlinvestitionen<br />

vermeidendes und die betriebliche Effizienz steigerndes<br />

Denken.<br />

Diese beiden Gedanken stoßen sich sozusagen im Raum,<br />

sie widersprechen sich, und sie lösen Unbehagen aus. Und<br />

genau dieses Unbehagen nennt die psychologische Forschung<br />

„Dissonanz“. Kognitive Dissonanz ist ein unangenehmer<br />

Gefühlszustand, ein geistiger Spannungszustand,<br />

der die von ihm heimgesuchten Menschen dazu motiviert,<br />

diese Dissonanz schleunigst abzubauen. Das Training von<br />

disruptivem Denken hilft nun, die Fähigkeit zu entwickeln,<br />

kognitive Dissonanzen auszuhalten, also Widersprüche beispielsweise<br />

im vorbereitenden Entscheidungsprozess zu<br />

ertragen, ohne dass darunter die rationale Entscheidungsfähigkeit<br />

leidet. Aus der eigenen Forschungsarbeit heraus<br />

haben wir Interventionen entwickelt, die die Fähigkeit von<br />

Führungskräften disruptiv zu denken fördern.<br />

+Und das lässt sich auf betrieblicher Ebene etablieren?<br />

Fischer: Sicher nicht von heute auf morgen. Sehr wohl aber<br />

ist es möglich, in zielstrebiger Übungsarbeit den Boden für<br />

neue Denkabläufe zu bereiten. Die über allem schwebende<br />

Aufgabe ist es, die das Selbstverständnis und die Handlungsgewohnheiten<br />

erschütternden Disruptionen in den Griff zu<br />

bekommen. Disruptives Denken ist weder Hexerei noch der<br />

alle Probleme lösende Zauberstab. Aber nach Lage der derzeitigen<br />

Erkenntnisse ist es der Schlüssel zur Unternehmenszukunft.<br />

+Herr Professor Fischer, haben Sie vielen Dank für dieses<br />

Interview.<br />

Interview: Hartmut Volk

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