digital finance 01-2017
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Etablierung<br />
mehrgleisiger<br />
Denkprozesse<br />
Die Digitalisierung hat große Auswirkungen auf die Art und Weise des beruflichen<br />
Miteinanders. Nicht nur bei den Bankkunden, sondern auch bei den Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeitern sowie den Führungskräften in den Instituten findet sich oftmals<br />
ein unterschiedliches Verständnis von Digitalisierung. Vor allem im Rahmen von<br />
<strong>digital</strong>en Transformationsprojekten und im Einsatz disruptiver Technologien ist eine<br />
neuartige Herangehensweise gefragt. Weshalb es ratsam ist, sich mit dem Gedanken<br />
an disruptives Denken anzufreunden, erläutert Professor Dr. Peter Fischer,<br />
Lehrstuhl inhaber für Arbeits-, Organisations-, Sozial- und Wirtschaftspsychologie<br />
an der Universität Regensburg, im Gespräch mit unserer Redaktion.<br />
+Herr Professor Fischer, Disruption ist ein omnipräsentes<br />
Schlagwort im Bereich der Digitalisierung, aber disruptives<br />
Denken ist eher ein ungewohnter Begriff. Was<br />
ist darunter zu verstehen?<br />
Fischer: Von der Notwendigkeit her gesehen die Antwort<br />
auf den von der Globalisierung und der Digitalisierung weltweit<br />
angestoßenen disruptiven Prozess, also die Verdrängung<br />
existierender Technologien, am Markt befindlicher<br />
Produkte und Dienstleistungen sowie kompletter Geschäftsmodelle<br />
durch stark wachsende Innovationen. Vom Inhalt<br />
her gesehen ein Denken, das darauf abzielt, den betrieblichen<br />
Denkhorizont und -prozess auf diese Entwicklung hin<br />
auszurichten, blinde Flecken in den betrieblichen Gedankenspielen<br />
auszuschalten und das Denken aus den Fesseln<br />
des Widerspruch nicht tolerierenden Gruppendrucks zu<br />
befreien.<br />
+In der kontinuierlich komplexer, weiträumiger und in<br />
ihren Zusammenhängen entsprechend schwieriger zu<br />
erfassenden Wirtschaftswelt wird die Durchdringung von<br />
bestimmten Konstellationen immer wichtiger. Warum tun<br />
sich in der Praxis damit viele Menschen schwer?<br />
Fischer: Aufgrund des menschlichen Beharrungsvermögens.<br />
Was jeder in gewissem Maße an sich selbst beobachten<br />
kann, gilt auch für den homo oeconomicus: Der<br />
Mensch ist ein Gewohnheitstier. Wer hat in Teamsitzungen<br />
oder Meetings bei vom Mainstream des Denkens abweichenden<br />
Beiträgen wohl noch nie den Satz gehört „Das<br />
haben wir schon immer so gemacht“, mit dem eine nicht in<br />
das gewohnte Denkbild passende Argumentation abgewürgt<br />
wurde? Hinzu kommt, dass der Mensch gefolgschaftsorientiert<br />
ist. Was im praktischen betrieblichen Alltagsgeschehen<br />
bedeutet: Dem Alphatier zu widersprechen,<br />
ist bekanntlich weder populär noch förderlich. Außerdem<br />
sind die meisten kognitiven Prozesse, die Art, wie wir<br />
Entscheidungen treffen, wie wir mit anderen Menschen<br />
umgehen usw., ein uraltes Produkt der Evolution.<br />
+Diese erworbenen Muster haben die Wahrscheinlichkeit<br />
des Überlebens in der Geschichte des Menschen