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titelthema<br />
arbeits- und gesundheitsschutz<br />
AiB 7-8 | 2017<br />
lesetipp<br />
Mehr zum Thema lesen<br />
Sie in AiB 1/2017, S. 49,<br />
»Neue Regeln für Arbeitsstätten«<br />
von Ralf Pieper<br />
und Claudia Stiel.<br />
ßen sind der DGUV-I 215 – 410 zu entnehmen.<br />
Die richtigen Bürostühle zu beschaffen wird<br />
erleichtert durch eine Verwaltungsberufsgenossenschafts-Schrift<br />
»Die Qual der Wahl«<br />
mit Checkliste. 6 Arbeitsmedizinisch wird allerdings<br />
schon lange empfohlen, dynamisch<br />
zu sitzen, also die Sitzpositionen häufig zu<br />
wechseln und auch zwischenzeitlich im Stehen<br />
zu arbeiten. 7 Elektrisch höhenverstellbare<br />
Arbeitstische und Ergomäuse werden berufsgenossenschaftlich<br />
angeraten. Sie werden<br />
von vielen Arbeitgebern aber nicht präventiv, 8<br />
sondern erst auf ärztliches Attest hin beschafft<br />
oder sogar von den Rentenversicherern auf<br />
Antrag finanziert, wenn die körperlichen Beeinträchtigungen<br />
bereits eingetreten sind.<br />
Ergonomie von Hard- und Software<br />
Fast alle Bestimmungen des bisherigen Anhangs<br />
der BildscharbV zur Ergonomie von<br />
Bildschirmgeräten und Software finden sich<br />
nunmehr im Anhang 6 der ArbStättV2016<br />
wieder, sogar ergänzt durch Anforderungen<br />
an tragbare Bildschirmgeräte für die ortsveränderliche<br />
Verwendung (Anhang 6.4). Auch die<br />
Forderungen zur Software-Ergonomie wurden<br />
übernommen (Anhang 6.5), wenn auch die<br />
Durchsetzung der Forderungen eines einzelnen<br />
Betriebes, geschweige denn des mitbestimmenden<br />
Betriebsrats bei Einkauf von Standardsoftware<br />
praktisch nicht durchsetzbar ist.<br />
Hilfreich für Betriebsräte ist die umfassende<br />
DGUV-Information 215 – 450 »Softwareergonomie«.<br />
Diese enthält auch das Muster einer<br />
Betriebsvereinbarung.<br />
Handlungsmöglichkeiten des Betriebsrats<br />
Betriebsräte haben nach § 87 Abs. 1 Nr. 7<br />
BetrVG das gesetzlich verbriefte Recht, bei Regelungen<br />
über die Verhütung von Arbeitsunfällen<br />
und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz<br />
im Rahmen der gesetzlichen<br />
Vorschriften oder der UVV mitzubestimmen,<br />
sofern diese ausfüllungsbedürftig sind. Das<br />
BAG hat seit 2004 in diversen Urteilen bereits<br />
das Mitbestimmungsrecht bei Gefährdungsbeurteilungen<br />
wie Unterweisungen betont. 9<br />
Durch Umstellung des Arbeitsstättenrechts<br />
seit 2004 auf die Formulierung von<br />
Schutzzielen und Streichung konkreter Anforderungen<br />
sind das Einrichten und Betreiben<br />
von Arbeitsstätten und die Gestaltung der<br />
Arbeitsplätze in vielerlei Hinsicht mitbestimmungspflichtig<br />
geworden.<br />
Die Grenzen der Mitbestimmung in Ausfüllung<br />
der ArbstättV sind bislang nur in Ausnahmefällen<br />
ausgelotet worden. Nach Novellierung<br />
der ArbStättV2004 sind zum Beispiel<br />
zwei strittige Begehren von Betriebsräten von<br />
Hamburger Arbeitsgerichten entschieden worden.<br />
Diese hielten jeweils die Einsetzung einer<br />
Einigungsstelle für begründet. In einem Fall<br />
ging es um zusätzliche Schutzmaßnahmen für<br />
Fußgänger auf dem Werksgelände, 10 in dem<br />
anderen Verfahren um zusätzliche Schutzmaßnahmen<br />
vor Witterungsunbilden. 11<br />
Auch das Arbeitsgericht Hannover wie das<br />
Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen 12<br />
hielten eine Einigungsstelle beim Streit um die<br />
Anschaffung von Stehhilfen zum Ausgleich<br />
von Belastungen für stehende Tätigkeit in einem<br />
Bekleidungsgeschäft für geboten.<br />
Das Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig<br />
Holstein hat in einem Beschluss 13 dem Antrag<br />
eines Betriebsrats auf Einsetzung einer Einigungsstelle<br />
zur Beratung über Maßnahmen<br />
zur Wärmeentlastung an heißen Sommertagen<br />
im Betrieb stattgegeben.<br />
Jüngst hat das LAG Niedersachsen festgestellt,<br />
dass die Größe des Arbeitstisches und<br />
die Frage der Höhenverstellbarkeit sowie der<br />
Raum für ergonomisch günstige Arbeitshaltung<br />
ausfüllungsbedürftige Vorgaben des Arbeitsstättenrechts<br />
sind. Die Konkretisierung<br />
bei der Hannoverschen Niederlassung von<br />
IBM sei von der Einigungsstelle unter Angabe<br />
der Maße, des Spielraums und der Art und<br />
Weise der Höhenverstellbarkeit hinreichend<br />
erfolgt und nicht zu beanstanden. 14<br />
Damit wird deutlich, dass Betriebsräte in<br />
vielerlei Hinsicht initiativ werden können. In<br />
erzwingbaren Betriebsvereinbarungen können<br />
sie Grundsätze der Gefährdungsbeurteilung,<br />
Unterweisung, Arbeitsplatzgestaltung und zu<br />
ergreifender Schutzmaßnahmen mitbestimmen.<br />
Zur Behebung einzelner Probleme der<br />
Arbeitsplatzgestaltung und der Ausstattung mit<br />
Arbeitsmitteln können sie konkrete Verbesserungsmaßnahmen<br />
vorschlagen und bei Scheitern<br />
von Verhandlungen gegebenenfalls über<br />
eine Einigungsstelle erzwingen. v<br />
Dr. Manuel Kiper, Berater im<br />
Arbeitsschutz, Gesundheit &<br />
Management, Hannover.<br />
manuel.kiper@htp-tel.de<br />
14<br />
6 www.vbg.de > Suche: Die Qual der Wahl.<br />
7 https://www.vbg.de/apl/arbhilf/unterw/23_sit.htm.<br />
8 Allerdings greift hier die Mitbestimmung, s.u.<br />
9 BAG 8.6.2004 – 1 ABR 4/03.<br />
10 LAG Hamburg 17.8.2007 – 6 TaBV 9/07.<br />
11 ArbG Hamburg 28.6.2007 – 5 BV 12/07.<br />
12 Beschluss 21.1.2011 – 1 TaBV 68/10.<br />
13 LAG Schleswig-Holstein 1.10.2013 – 1 TaBV 33/13.<br />
14 LAG Niedersachsen 11.1.2017 – 13 TaBV 109/15; s.a. LAG Berlin<br />
Brandenburg 25.3.2015 – 23 TaBV 1448/1.