ausgabe
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AiB 7-8 | 2017 Sicherheit für fünf Jahre aktuelles<br />
hintergrund<br />
»Paragraf 3 – Betriebsräte«:<br />
Weicht die Struktur der Interessenvertretung<br />
vom Normalfall ab, profitiert<br />
oft auch der Arbeitgeber – zum Beispiel<br />
dann, wenn es nur einen Betriebsrat für<br />
das ganze Unternehmen geben soll, statt<br />
mehrerer Betriebsräte in den verschiedenen<br />
Betrieben und den Gesamtbetriebsrat.<br />
Deswegen wollte der Gesetzgeber eine<br />
solche Regelung nur mit der zuständigen<br />
Gewerkschaft – also mit einem Tarifvertrag<br />
– erlauben. Nur mit solch starker<br />
Unterstützung haben Betriebsräte nicht<br />
das Nachsehen, wenn der Arbeitgeber<br />
eine ihm genehme Struktur der Arbeitnehmervertretung<br />
durchsetzen will. Ausnahmen<br />
gibt es nur, wenn Betriebe nicht<br />
tarifge bunden sind.<br />
die Beschäftigten gilt KT-weit – egal, ob sie nun<br />
bei Edeka oder Rewe arbeiten.« ver.di habe<br />
sehr viele Dankesbriefe von den so gesicherten<br />
Kolleginnen und Kollegen bekommen.<br />
Gleichwohl bestreitet die ver.di-Landesfachbereichsleiterin<br />
Handel nicht, dass eine<br />
einheitliche Betriebsratsstruktur für den ehemaligen<br />
KT-Teil sowohl bei Edeka als auch<br />
bei Rewe vorteilhaft gewesen wäre. Rewe ließ<br />
sich an dieser Stelle aber nicht mehr abringen<br />
als die Zusage, auch nach den turnusmäßigen<br />
Betriebsratswahlen im Frühjahr 2018 Freistellungen<br />
für ehemalige Kaiser’s-Betriebsräte zu<br />
garantieren und außerdem ein Gremium einzurichten,<br />
in dem die Integration der übernommenen<br />
Betriebsräte in die bestehenden<br />
Rewe-Mitbestimmungsstrukturen beraten würde.<br />
»Da fehlt die Verbindlichkeit. Wir wollten<br />
eine vergleichbare Struktur wie bei Edeka, wo<br />
bis 2022 Kaiser’s intern eine eigene Gesellschaft<br />
ist, die ihre eigene Arbeitnehmervertretung<br />
wählt«, sagt Janetta Jöckertitz.<br />
Rewe hat Paragraf 3-Betriebsräte<br />
Anders als Edeka hat Rewe allerdings flächendeckende<br />
Betriebsratsstrukturen. »Es<br />
war nicht möglich mehr auszuhandeln als<br />
Sparten-Betriebsräte für den übernommenen<br />
KT-Teil bis zu den regulären Betriebsratswahlen<br />
im Frühjahr 2018«, erklärt Erika Ritter.<br />
Misslich ist dabei, das sieht auch sie so, dass<br />
Rewe Berlin zwei verschiedenen Regionen zugeordnet<br />
ist: Die Filialen im Norden der Stadt<br />
zu Norderstedt, die im Süden einschließlich<br />
Logistik zu Lehrte, so dass die Beschäftigten<br />
im kommenden Jahr zwei unterschiedliche Betriebsräte<br />
mitwählen. »Seit den neunziger Jahren<br />
existiert ein Tarifvertrag über einen Paragraf<br />
3-Betriebsrat mit Rewe«, sagt Erika Ritter,<br />
»der die Strukturen vorgibt. Daran kommen<br />
wir nicht vorbei.« Sie hofft jedenfalls, dass die<br />
langjährigen KT-Betriebsräte ihren Ärger über<br />
das Verhandlungsergebnis eines Tages überwunden<br />
haben. »Es war wirklich nicht mehr<br />
herauszuholen, und unter diesen Umständen<br />
ist das Ergebnis mehr als vorzeigbar.«<br />
Die Integration des Filialnetzes von Kaiser’s-Tengelmann<br />
in Edeka und Rewe verläuft<br />
unterdessen auch nach unterschiedlichen<br />
Rhythmen. Rewe hatte dabei allerdings wenig<br />
Spielraum: Bis zum 31. März mussten die 60<br />
übernommenen Berliner Kaiser’s Filialen und<br />
vier weitere in München sowie Nordrhein<br />
komplett auf das Rewe-Sortiment umgestellt<br />
sein und nicht nur an der Außenfront das<br />
Rewe-Logo zeigen. Erika Ritter: »Edeka hat<br />
mit der anfänglichen Komplettübernahme von<br />
KT auch die Markenrechte erworben, die bei<br />
der Weitergabe des Teilnetzes an Rewe nicht<br />
mit veräußert wurden.« Das führte zu der paradoxen<br />
Situation, dass Rewe zum Stichtag<br />
auch alle KT-Waren aus den Regalen in den<br />
Filialen und im Berliner Lager räumen musste.<br />
Edeka kann sich hingegen Zeit lassen: So<br />
soll die Umwandlung von rund 170 Tengelmann-Filialen<br />
in München/Oberbayern erst<br />
im letzten Jahresdrittel beendet sein, im Raum<br />
Nordrhein werden die letzten Kaiser’s-Filialen<br />
gar erst Mitte 2018 ihre Metamorphose zu<br />
Edeka-Märkten abgeschlossen haben. Fix war<br />
hingegen Netto, die Discounter-Tochter von<br />
Edeka: Die Umstellung von 51 KT-Märkten<br />
in München/Oberbayern und Nordrhein auf<br />
Discountfilialen war bereits im ersten Quartal<br />
dieses Jahres abgeschlossen. Netto ist immerhin<br />
der größte Wachstumszweig innerhalb der<br />
Edeka – 51 neue Filialen mit entsprechendem<br />
Umsatz dürften da nicht zu verachten sein. v<br />
Gudrun Giese, Dipl.-Politologin,<br />
freie Journalistin für<br />
gewerk schaft liche Themen, Berlin.<br />
www.gudrun-giese.de<br />
Sie ist Co-Autorin des »Schwarz-Buch« Lidl<br />
und Verfasserin zahlreicher Broschüren.<br />
aib-web.de<br />
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Mehr dazu unter:<br />
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BetrvG-Online<br />
Kommentar > § 3 BetrVG.<br />
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