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ausgabe

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echtsprechung<br />

AiB 7-8 | 2017<br />

expertenrat<br />

Antworten auf<br />

Ihre Fragen<br />

Kann der Betriebsrat ein<br />

Ordnungsgeld verlangen, weil<br />

der Arbeitgeber die Pausenregelung<br />

nicht einhält?<br />

Rechtfertigt die Bezeichnung<br />

des Geschäftsführers<br />

als »soziales Arschloch«<br />

eine fristlose Kündigung?<br />

Silvia Mittländer ist Fachanwältin<br />

für Arbeitsrecht<br />

in Frankfurt am Main.<br />

www.steiner-mittlaender.de<br />

Sie beantwortet aus ge ­<br />

wählte Fragen an dieser<br />

Stelle. Wenn Sie auch Fragen<br />

an unsere Expertin haben,<br />

schreiben Sie uns unter<br />

redaktion@aib-web.de<br />

antwort Ja, immer dann, wenn eine Pausenregelung<br />

in einer Betriebsvereinbarung (BV) festgelegt<br />

ist. So hat es das Landesarbeitsgericht<br />

(LAG) Berlin entschieden. 1 Der Betriebsrat (BR)<br />

eines Krankenhauses hat mit diesem eine BV<br />

zur Dienstplangestaltung abgeschlossen. Sie<br />

sieht vor, dass die Beschäftigten während der<br />

Schicht innerhalb eines bestimmten zeitlichen<br />

Rahmens eine 30-minütige Pause erhalten.<br />

Das wurde oft nicht eingehalten. Der BR hat<br />

sich gewehrt und im Rahmen eines Arbeitsgerichtsverfahrens<br />

erreicht, dass der Arbeitgeber<br />

auf die Pausen Rücksicht nehmen musste und<br />

keine Arbeit verlangen durfte. Trotzdem wurde<br />

die Pausenregelung weiter nicht eingehalten.<br />

Daher hat der BR beim Gericht ein Ordnungsgeld<br />

in mehreren Fällen beantragt und Recht<br />

bekommen. Das Krankenhaus wehrte sich mit<br />

der Argumentation, dass es wegen der Personalsituation<br />

kurzfristig nicht möglich sei, eine<br />

Vertretung für die Pause zu organisieren. Dies<br />

hat das LAG nicht gelten lassen und eindeutig<br />

festgestellt, dass der Arbeitgeber verpflichtet<br />

ist, die BV durchzuführen. Er ist Herr des Betriebs<br />

und muss diesen so organisieren, dass<br />

die Einhaltung der vereinbarten Pausen möglich<br />

ist. Trotz Kenntnis darüber, dass Pausen<br />

häufig nicht realisiert werden können, hat<br />

weder die Pflegedienstleitung reagiert noch<br />

waren sonstige Maßnahmen des Arbeitgebers<br />

erkennbar, um die Umsetzung der BV sicherzustellen.<br />

Hierin ist eine schuldhafte Pflichtverletzung<br />

des Arbeitgebers zu erkennen, die<br />

zu einem Ordnungsgeld führt.<br />

antwort Ja, und zwar auch bei langer Betriebszugehörigkeit,<br />

so das Landesarbeitsgericht<br />

(LAG) Schleswig-Holstein. 2 Der Kläger war<br />

in einem familiengeführten Kleinbetrieb tätig,<br />

in dem die Söhne des früheren Inhabers<br />

Geschäftsführer sind. Der Vater arbeitet noch<br />

mit. Am Abend erbat der Kläger beim Seniorchef<br />

Hilfe bei einem technischen Problem und<br />

bekam keine für ihn befriedigende Antwort.<br />

Am Folgetag traf er auf einen der Geschäftsführer.<br />

Es kam zu einer Auseinandersetzung,<br />

in der der Kläger sagte, der Seniorchef habe<br />

ihn wie »ein Arsch« behandelt und der Junior<br />

sei auf dem Weg, seinem Vater den Rang abzulaufen.<br />

Man solle ihm doch kündigen. Auf<br />

die Erwiderung des Geschäftsführers, dass sie<br />

hierdurch wie »soziale Arschlöcher« aussehen,<br />

sagte der Kläger, dass dies so schon sei.<br />

Nachdem er sich nach drei Tagen nicht entschuldigte,<br />

erhielt er eine fristlose Kündigung.<br />

Die Kündigungsschutzklage blieb erfolglos.<br />

Die Bezeichnung als »soziale Arschlöcher«<br />

stellt eine Beleidigung dar und ist nicht von<br />

der Meinungsäußerung gedeckt. Die Beleidigung<br />

– so das LAG – geschah nicht im Affekt,<br />

denn diese erfolgte am nächsten Tag. Eine<br />

Abmahnung – so das LAG weiter – ist nicht<br />

notwendig, da der Kläger sich bis zuletzt nicht<br />

entschuldigte. Trotz langer, mehr als 23-jähriger<br />

Betriebszugehörigkeit und einem Alter von<br />

mehr als 60 Jahren ist die fristlose Kündigung<br />

auch deshalb verhältnismäßig, weil es sich um<br />

einen Kleinbetrieb handelt, bei dem sich die<br />

Parteien nicht aus dem Weg gehen können.<br />

1 LAG Berlin 5.4.2017 – 15 Ta1522/16. 2 LAG Schleswig-Holstein 24.1.2017 – 3 Sa 244/16.<br />

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