Glück
Credit Suisse bulletin, 1999/06
Credit Suisse bulletin, 1999/06
- Keine Tags gefunden...
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
GLÜCK<br />
DAS GLÜCK IST<br />
MESSBAR<br />
VON CHRISTIAN PFISTER,<br />
REDAKTION BULLETIN<br />
WAS MACHT UNS GLÜCKLICH?<br />
FÜR WISSENSCHAFTLER IST DAS<br />
KEINE FRAGE DER GEFÜHLE,<br />
SONDERN DER STATISTIK.<br />
Warum eigentlich Hans im <strong>Glück</strong> ? Ist nicht<br />
ein gerüttelt Mass an Pech und Einfalt mit<br />
im Spiel, wenn die Gebrüder Grimm ihren<br />
Hans mit einem kopfgrossen Goldklumpen<br />
im Handgepäck auf den Nachhauseweg<br />
schicken ? Wir erinnern uns, das Märchen<br />
ist Allgemeingut: Hans wird der Klumpen,<br />
den er von seinem Meister für seinen<br />
Fleiss erhalten hat, bald zu schwer; er<br />
tauscht die Last mit einem Reiter und<br />
erhält dafür ein Pferd. <strong>Glück</strong>lich macht ihn<br />
auch das nicht. Wenig später tauscht er<br />
das Pferd mit einer Kuh, und diese wiederum<br />
mit einem Schwein. Seine Freude<br />
währt nicht lang. Bald bringen ihm seine<br />
naiven Tauschhändel noch eine Gans und<br />
dann zwei Schleifsteine ein. Vollkommenes<br />
<strong>Glück</strong> stellt sich indes erst ein, als ihm die<br />
schweren Steine beim Trinken in einen<br />
tiefen Brunnen fallen. Nun steht Hans mit<br />
leeren Taschen da. Und die Moral der<br />
Geschicht ? Die Gebrüder Grimm – ein<br />
Privileg der Märchenschreiber – schlagen<br />
sie einem unmissverständlich um die Ohren:<br />
«‹So glücklich wie ich›, rief Hans aus, ‹gibt<br />
es keinen Menschen unter der Sonne.›<br />
Mit leichtem Herzen und frei von aller Last<br />
sprang er nun fort, bis er daheim bei seiner<br />
Mutter war.»<br />
Hans fand das <strong>Glück</strong> – sein Erfolgsrezept<br />
ist freilich nicht jedermanns Sache. Was<br />
ist <strong>Glück</strong> ? Was macht glücklich ? Acht<br />
von zehn Amerikanern stellen sich einmal<br />
wöchentlich diese Fragen. Seit Urzeiten<br />
zerbrechen sich die Menschen über <strong>Glück</strong><br />
und Zufriedenheit den Kopf. Doch wo<br />
liegt der Schlüssel zum <strong>Glück</strong> ? Unmöglich,<br />
darauf eine abschliessende Antwort zu<br />
finden. Alfred Bellebaum, Soziologieprofessor<br />
und Leiter des Instituts für<br />
<strong>Glück</strong>sforschung in Deutschland (siehe<br />
Interview Seite 7), resümiert süffisant:<br />
«<strong>Glück</strong> ist, was Menschen darunter verstehen.»<br />
Seit der Antike wird zwischen «<strong>Glück</strong><br />
haben» und «glücklich sein» unterschieden.<br />
<strong>Glück</strong>, im Sinne von glücklich sein, gehört<br />
zu den primären Emotionen des Menschen,<br />
gleich wie Freude, Trauer, Furcht und Wut.<br />
Kein Wunder, dass sich verschiedene Berufsgruppen<br />
mit dieser Art <strong>Glück</strong> beschäftigen.<br />
Am einfachsten ist die Aufgabe für<br />
die Neurologen. Für sie ist klar: Alles, was<br />
Menschen fühlen und denken, ist das<br />
Ergebnis komplexer Vorgänge zwischen<br />
Hormonen und Nervenzellen im Gehirn. Für<br />
die Emotionen zuständig sind «Gemütsmoleküle».<br />
Über 100 solcher Stoffe haben<br />
die Wissenschaftler bisher identifiziert. Als<br />
«<strong>Glück</strong>sboten» gelten vor allem Serotonin<br />
und Dopamin; zusammen mit Adrenalin<br />
und Noradrenalin sorgen sie für gute<br />
Stimmung. Insgesamt rechnen die Wissenschaftler<br />
mit tausend chemischen Boten,<br />
welche das Spektrum menschlicher Gefühle<br />
steuern. Die Fähigkeit, <strong>Glück</strong> zu<br />
empfinden, verdankt die Menschheit also<br />
der Chemie. Doch das hilft wenig – ausser<br />
denen, für die Wohlempfinden aus<br />
einem Cocktail von <strong>Glück</strong>spillen besteht.<br />
Viel komplexer ist die Frage, wie man<br />
das menschliche Chemielabor zum Kochen<br />
bringt. Eine Unmenge von Ratgeberbüchern,<br />
Seminaren und Therapiemöglichkeiten<br />
versprechen dazu Antworten.<br />
Dass sich Psychologen mit den menschlichen<br />
Freuden und Leiden beschäftigen,<br />
liegt auf der Hand. Ihr Beruf ist allerdings<br />
vorwiegend auf Unglück fixiert. Kein<br />
Wunder, dass 17-mal mehr Fachartikel zu<br />
negativen Facetten des menschlichen<br />
Gemüts publiziert wurden als zu positiven.<br />
Dass dennoch immer mehr Studien<br />
zum Thema «<strong>Glück</strong>» gemacht werden,<br />
dafür haben in den letzten Jahren namhafte<br />
Ökonomen gesorgt. Einer von ihnen<br />
ist Andrew J.Oswald. Unlängst gab der<br />
5<br />
CREDIT SUISSE BULLETIN 6 |99