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Glück

Credit Suisse bulletin, 1999/06

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GLÜCK<br />

DAS GLÜCK IST<br />

MESSBAR<br />

VON CHRISTIAN PFISTER,<br />

REDAKTION BULLETIN<br />

WAS MACHT UNS GLÜCKLICH?<br />

FÜR WISSENSCHAFTLER IST DAS<br />

KEINE FRAGE DER GEFÜHLE,<br />

SONDERN DER STATISTIK.<br />

Warum eigentlich Hans im <strong>Glück</strong> ? Ist nicht<br />

ein gerüttelt Mass an Pech und Einfalt mit<br />

im Spiel, wenn die Gebrüder Grimm ihren<br />

Hans mit einem kopfgrossen Goldklumpen<br />

im Handgepäck auf den Nachhauseweg<br />

schicken ? Wir erinnern uns, das Märchen<br />

ist Allgemeingut: Hans wird der Klumpen,<br />

den er von seinem Meister für seinen<br />

Fleiss erhalten hat, bald zu schwer; er<br />

tauscht die Last mit einem Reiter und<br />

erhält dafür ein Pferd. <strong>Glück</strong>lich macht ihn<br />

auch das nicht. Wenig später tauscht er<br />

das Pferd mit einer Kuh, und diese wiederum<br />

mit einem Schwein. Seine Freude<br />

währt nicht lang. Bald bringen ihm seine<br />

naiven Tauschhändel noch eine Gans und<br />

dann zwei Schleifsteine ein. Vollkommenes<br />

<strong>Glück</strong> stellt sich indes erst ein, als ihm die<br />

schweren Steine beim Trinken in einen<br />

tiefen Brunnen fallen. Nun steht Hans mit<br />

leeren Taschen da. Und die Moral der<br />

Geschicht ? Die Gebrüder Grimm – ein<br />

Privileg der Märchenschreiber – schlagen<br />

sie einem unmissverständlich um die Ohren:<br />

«‹So glücklich wie ich›, rief Hans aus, ‹gibt<br />

es keinen Menschen unter der Sonne.›<br />

Mit leichtem Herzen und frei von aller Last<br />

sprang er nun fort, bis er daheim bei seiner<br />

Mutter war.»<br />

Hans fand das <strong>Glück</strong> – sein Erfolgsrezept<br />

ist freilich nicht jedermanns Sache. Was<br />

ist <strong>Glück</strong> ? Was macht glücklich ? Acht<br />

von zehn Amerikanern stellen sich einmal<br />

wöchentlich diese Fragen. Seit Urzeiten<br />

zerbrechen sich die Menschen über <strong>Glück</strong><br />

und Zufriedenheit den Kopf. Doch wo<br />

liegt der Schlüssel zum <strong>Glück</strong> ? Unmöglich,<br />

darauf eine abschliessende Antwort zu<br />

finden. Alfred Bellebaum, Soziologieprofessor<br />

und Leiter des Instituts für<br />

<strong>Glück</strong>sforschung in Deutschland (siehe<br />

Interview Seite 7), resümiert süffisant:<br />

«<strong>Glück</strong> ist, was Menschen darunter verstehen.»<br />

Seit der Antike wird zwischen «<strong>Glück</strong><br />

haben» und «glücklich sein» unterschieden.<br />

<strong>Glück</strong>, im Sinne von glücklich sein, gehört<br />

zu den primären Emotionen des Menschen,<br />

gleich wie Freude, Trauer, Furcht und Wut.<br />

Kein Wunder, dass sich verschiedene Berufsgruppen<br />

mit dieser Art <strong>Glück</strong> beschäftigen.<br />

Am einfachsten ist die Aufgabe für<br />

die Neurologen. Für sie ist klar: Alles, was<br />

Menschen fühlen und denken, ist das<br />

Ergebnis komplexer Vorgänge zwischen<br />

Hormonen und Nervenzellen im Gehirn. Für<br />

die Emotionen zuständig sind «Gemütsmoleküle».<br />

Über 100 solcher Stoffe haben<br />

die Wissenschaftler bisher identifiziert. Als<br />

«<strong>Glück</strong>sboten» gelten vor allem Serotonin<br />

und Dopamin; zusammen mit Adrenalin<br />

und Noradrenalin sorgen sie für gute<br />

Stimmung. Insgesamt rechnen die Wissenschaftler<br />

mit tausend chemischen Boten,<br />

welche das Spektrum menschlicher Gefühle<br />

steuern. Die Fähigkeit, <strong>Glück</strong> zu<br />

empfinden, verdankt die Menschheit also<br />

der Chemie. Doch das hilft wenig – ausser<br />

denen, für die Wohlempfinden aus<br />

einem Cocktail von <strong>Glück</strong>spillen besteht.<br />

Viel komplexer ist die Frage, wie man<br />

das menschliche Chemielabor zum Kochen<br />

bringt. Eine Unmenge von Ratgeberbüchern,<br />

Seminaren und Therapiemöglichkeiten<br />

versprechen dazu Antworten.<br />

Dass sich Psychologen mit den menschlichen<br />

Freuden und Leiden beschäftigen,<br />

liegt auf der Hand. Ihr Beruf ist allerdings<br />

vorwiegend auf Unglück fixiert. Kein<br />

Wunder, dass 17-mal mehr Fachartikel zu<br />

negativen Facetten des menschlichen<br />

Gemüts publiziert wurden als zu positiven.<br />

Dass dennoch immer mehr Studien<br />

zum Thema «<strong>Glück</strong>» gemacht werden,<br />

dafür haben in den letzten Jahren namhafte<br />

Ökonomen gesorgt. Einer von ihnen<br />

ist Andrew J.Oswald. Unlängst gab der<br />

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CREDIT SUISSE BULLETIN 6 |99

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