Alnatura Magazin - November 2017
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ÜBER DEN TELLERRAND KOCHEN<br />
Ein Essen mit der Familie<br />
Was haben wir Menschen auf der Erde gemeinsam, egal<br />
welcher Religion, Kultur oder Nation wir angehören?<br />
Wir müssen essen und trinken. Was uns schmeckt und wie<br />
wir es zubereiten, unterscheidet uns, aber es kann uns<br />
auch verbinden, wenn wir miteinander teilen. Im <strong>Alnatura</strong><br />
<strong>Magazin</strong> zeigen wir jeden Monat ein Rezept von geflüchteten<br />
Menschen, das sie gemeinsam mit ihren deutschen<br />
Freunden für uns kochen.<br />
Egal ob wenige Wochen oder schon fast ein Jahrhundert<br />
alt, im Mehrgenerationenhaus von Kaiserslautern<br />
finden Jung und Alt zusammen, zum Austausch,<br />
zum Kaffee, zum Spielen oder wie heute zum Kochen. Zu den<br />
verschiedenen Generationen treffen an diesem Samstag auch<br />
unterschiedliche Kulturen und Nationalitäten aufeinander.<br />
»Kochen ist der beste Weg, sich kennenzulernen«, weiß<br />
Mahin. Sie selbst ist vor Jahren aus dem Iran nach Deutschland<br />
gekommen, um hier Mathematik zu studieren. Mahin entschied<br />
sich damals nach Studienabschluss und Promotion für<br />
die Anstellung bei SAP und ein Leben in Deutschland. Mit<br />
ihrem Mann, der aus Palästina stammt, und ihrer elfjährigen<br />
Tochter wohnt sie in Kaiserslautern. Hier gibt sie bereits<br />
seit vielen Jahren persische Kochkurse und hier hat sie auch<br />
»Über den Tellerrand kochen« gegründet.<br />
Jamile und Mahin kennen sich seit <strong>November</strong> 2016. Jamile,<br />
die letztes Jahr mit ihrer Familie nach Deutschland geflüchtet<br />
ist, kommt aus Afghanistan. »Meine ersten Eindrücke hier?<br />
Ich muss sagen, ich mochte alles und fand alles interessant.<br />
Zum Beispiel Gulasch, das ist mein liebstes deutsches Gericht.<br />
Aber heute kochen wir Kabuli Polo, das ist ein Afghanisches<br />
Festtagsgericht. Und die Vorspeise Badenjan Borani, das sind<br />
Auberginen mit Joghurt«, erzählt sie lächelnd auf afghanisch<br />
und Mahin übersetzt.<br />
Cres ist schon über 20 Jahre mit Mahin befreundet. Die<br />
herzliche Rentnerin ist voller Energie und hat eine sonnige<br />
Ausstrahlung. Sie erzählt von ihrer Begegnung mit Abdul<br />
Wase, einem 15-jährigen Teenager, der im letzten Jahr allein<br />
aus Kandahar nach Deutschland geflohen ist. Cres kümmert<br />
sich um den Jungen mit dem scheuen Lächeln. »Er kann natürlich<br />
noch nicht gut Deutsch sprechen, aber irgendwie versteht<br />
man sich trotzdem immer«, erzählt sie.<br />
Kinder, Jugendliche, Senioren, Teilnehmer aus den USA,<br />
Deutschland, Afghanistan und dem Iran stehen um den Küchenblock<br />
herum, putzen Gemüse, schneiden Zutaten, kneten<br />
Teig, dazu läuft afghanische Musik. Besonders faszinierend<br />
sind die Präzision und der ästhetische Anspruch, mit denen Jamile<br />
mit den Zutaten umgeht. Man merkt sofort: Sie ist eine<br />
passionierte Köchin. Ich lerne von ihr, wie man Radieschen mit<br />
einem Zickzack-Schnitt rund um die Mitte eine Sternenform<br />
verleiht. Und das sieht wirklich viel hübscher aus als die langweiligen<br />
Scheiben, die ich sonst schneide.<br />
Wir lassen uns Zeit beim Kochen, bis die Mägen knurren.<br />
Aber dann ist alles fertig, wir decken den riesigen Tisch, bauen<br />
das Buffet auf und essen die Köstlichkeiten zusammen.<br />
Wie in einer großen Familie. GS<br />
42 <strong>Alnatura</strong> <strong>Magazin</strong> 11.<strong>2017</strong>