Hinz&Kunzt 297 November 2017
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Titelgeschichte<br />
Zimmer. Sie lag im Erdgeschoss. Es gab<br />
viele Kakerlaken und sogar Ratten. Teilen<br />
mussten sie sich die Vierzimmerwohnung<br />
mit zwei fremden Paaren und<br />
der Familie ihres Bruders. Jedes Zimmer<br />
kostete warm etwa zwischen 450<br />
und 700 Euro. Kein Zimmer war größer<br />
als 30 Quadratmeter.<br />
Elenas Familie hat das hinter sich<br />
gelassen. In die neue Wohnung in<br />
Steilshoop zog sie zusammen mit ihrem<br />
Bruder, dessen Frau und den Töchtern<br />
Andreea und Laura (Foto Seite 9).<br />
Das haben die beiden Familien<br />
dem großen Unterstützerkreis von Elena<br />
zu verdanken. Kunden hatten der<br />
Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Verkäuferin bereits bei<br />
der Suche nach einem Kita- und<br />
Grundschulplatz geholfen.<br />
Im Dezember 2015, kurz vor Weihnachten,<br />
gab es dann die große Überraschung:<br />
Eine Kundin bot Elena eine<br />
große Wohnung an, in der beide Familien<br />
leben können. Eine ehemalige Sozialwohnung<br />
für Großfamilien in Steilshoop.<br />
Jede Familie hat dort jetzt zwei<br />
Zimmer. Mit einer gemeinsamen<br />
Wohnküche und einem Bad für jede<br />
Familie. Und für Rebeca und ihre beiden<br />
Cousinen Laura und Andreea gibt<br />
„Meine Tochter<br />
Rebeca ist mein<br />
Ein und Alles“,<br />
sagt Elena. Mit<br />
ihren Jobs als<br />
Reinigungskraft<br />
und Hinz&<strong>Kunzt</strong>-<br />
Verkäuferin<br />
vedient sie den<br />
Lebensunterhalt<br />
für die Familie.<br />
es drei Schreibtische, an denen sie nachmittags<br />
für die Schule lernen.<br />
In der Seehafenstraße hingegen hat<br />
Loredanas neunjährige Tochter nur<br />
dann Ruhe, wenn ihr kleiner Bruder ein<br />
Nickerchen hält. Das ist zu wenig. „Unsere<br />
Tochter will hier weg“, sagt die<br />
26-Jährige. „Aber wir finden keine<br />
Zweizimmerwohnung.“ Nicht einmal<br />
über das städtische Wohnungsunternehmen<br />
Saga.<br />
Sie wollen nicht<br />
auf der Straße<br />
schlafen. Nicht<br />
mit den Kindern.<br />
Die Kontrolle der Polizei und der Behörde<br />
hat Loredana nachhaltig verunsichert.<br />
Sie befürchtet, dass sie doch<br />
noch ihre Wohnung verlieren könnten.<br />
Sie sagt verzweifelt: „Mein Mann und<br />
ich, wir könnten ja zur Not auf der<br />
Straße schlafen. Aber mit Kindern<br />
10<br />
geht das nicht.“ Immerhin hat sich die<br />
Sozialbehörde um Ersatz für alle Bewohner<br />
bemüht. Unbefristet und unabhängig<br />
davon, ob die Mieter einen<br />
rechtlichen Anspruch auf eine Unterkunft<br />
haben, betont Behördensprecher<br />
Marcel Schweitzer.<br />
Tatsächlich zogen nach der Kontrolle<br />
umgehend etwa 30 Menschen aus.<br />
Viele allerdings blieben in den Häusern.<br />
Vor allem die rumänischen Familien.<br />
Als Alternative stehen keine Wohnungen,<br />
sondern Wohncontainer im<br />
weit entfernten Poppenbüttel bereit, erklärt<br />
Loredana. „Meine Tochter geht<br />
aber in Harburg zu Schule. Wie soll sie<br />
denn dann zum Unterricht kommen?“<br />
Trotzdem sind sie und ihr Mann<br />
hin- und hergerissen. Seit der Berichterstattung<br />
in der Hamburger Morgenpost<br />
geht ihre Tochter nicht mehr gerne<br />
in die Schule. Mitschüler hatten in der<br />
Zeitung ein Foto ihrer Eltern entdeckt.<br />
„Meine Tochter hat nie Freunde mitgebracht.<br />
Sie hat sich geschämt“, sagt<br />
Loredana. Jetzt würden Mitschüler sie<br />
hänseln und sagen: „Du schläfst mit<br />
Kakerlaken in einem Bett.“ Loredana<br />
ist empört: „Aber das stimmt nicht.“<br />
Es muss schrecklich sein für das<br />
Kind. Dabei war die Welt für die Familie<br />
auch vorher nicht in Ordnung. Die<br />
Wohnung war zu klein. Die Lage im Industriegebiet<br />
alles andere als ideal. Aber<br />
die Wohnung sollte ja auch nur eine<br />
Übergangslösung sein (siehe das Interview<br />
Seite 12). Und ihre Tochter hat viele<br />
Freunde hier. „Im Haus wohnen ja viele<br />
rumänische Kinder“, sagt Loredana.<br />
Wenn es etwas Schönes in der Seehafenstraße<br />
gab, dann der Zusammenhalt<br />
der Kinder. In Steilshoop denkt<br />
Laura (Foto Seite 9), die 14-jährige Nichte<br />
von Elena, deswegen gerne zurück<br />
an die Zeit mit den anderen rumänischen<br />
Kindern. Sie kannten sich alle<br />
noch aus der Heimat.<br />
Die rumänischen Bewohner der<br />
Seehafenstraße stammen aus einem<br />
kleinen Dorf – keine 100 Kilometer<br />
von der Grenze zu Moldawien entfernt.<br />
In der ländlichen Region gibt es praktisch<br />
keine Arbeit mehr. „Mein Vater<br />
konnte nur an ganz wenigen Tagen arbeiten“,<br />
erzählt Laura. Ansonsten<br />
herrschten Langeweile – und Armut. In<br />
ihrem Heimatdorf seien viele Eltern